Vor diesem Hintergrund kann ich es nicht verstehen, dass wir nach wie vor an der Fiktion des Bekenntnisunterrichts in der Religion festhalten. Viele Religionslehrer machen genau das, was ich einfordere, aber sie machen es praktisch mit einem schlechten Gewissen, denn eigentlich sollen sie einen evangelischen oder katholischen Bekenntnisunterricht geben. Das andere ist ein bisschen Wissen am Rande.
Das ist eine Doppelmoral, die wir nicht dulden wollen. Deshalb finden wir es wichtig, dass Kinder Kirchen, Moscheen, Synagogen und Tempel kennenlernen. Wir finden es wichtig, dass der Bekenntniszwang aufgehoben wird und dann dieses Fach auch ganz selbstverständlich Pflichtfach wird.
Nein, ich habe nur noch wenig Zeit, meine Zeit läuft ab. - Wir halten deshalb an dem Ihnen offensichtlich noch in guter Erinnerung gebliebenem Grundsatz fest, den Herr Hentschel hier vertreten hat. Auch wenn es im Augenblick mit der grundgesetzlichen Verankerung schwierig ist, setzen wir uns dafür ein, dass es eine Bewegung gibt für einen Religionsunterricht, der tatsächlich alle Kinder erreicht. Das geht nur, wenn man an der Frage des Bekenntniszwangs arbeitet und zu einer neuen Grundlage kommt. Ich glaube, gerade unsere Schulen in der heutigen Zeit sind die Auseinandersetzung mit Religion wichtiger und dringender nötig denn je. Vor diesem Hintergrund möchte ich dafür werben, dass wir uns gemeinsam stark machen, mit den Kirchen in einen konstruktiven Dialog einzutreten. Es gibt unter denjenigen, die die Religion praktizieren, sehr viel mehr offene Meinungen für unsere Haltung, als dies die offiziellen Vertreter der Kirche glauben machen wollen.
Ich danke Frau Abgeordneter Angelika Birk. - Das Wort für den SSW im Landtag hat deren Vorsitzende Anke Spoorendonk.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der SSW begrüßt, dass wir durch die Große Anfrage der CDU zum Religionsunterricht an den Schulen in Schleswig-Holstein die Gelegenheit erhalten, uns mit dem wichtigen Thema der Religions- und Wertevermittlung an unseren Schulen zu befassen. Das Fach Religion hat innerhalb des schulischen Fächerkanons eine besondere Stellung, denn der Religionsunterricht fällt - anders als andere Unterrichtsfächer - nicht unter die alleinige Gestaltungsfreiheit der Länder, denn sie stimmen sich sowohl im inhaltlichen als auch im personellen Bereich mit den beiden großen christlichen Kirchen ab.
Durch die Forderung des Grundgesetzes, dass der Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden muss, kann die jeweilige Kirche somit Ein
fluss auf den schulischen Unterricht nehmen. Dies ist in jedem Bundesland in einem Staatsvertrag, zum Beispiel im Falle des evangelischen Religionsunterrichts in Schleswig-Holstein zwischen dem Land und der Nordelbischen Kirche, geregelt. Aus der Großen Anfrage geht zudem hervor, dass es auch Verhandlungen zwischen der Landesregierung und der katholischen Kirche über den Abschluss eines Staatskirchenvertrages gibt.
Der Religionsunterricht ist also keine Religionskunde. Er vermittelt grundsätzlich nur den Glauben der Glaubensgemeinschaft, durch den er erteilt wird. Das heißt für Schleswig-Holstein, dass wir an unseren Schulen überwiegend einen evangelischen Religionsunterricht haben, weil über 60 % der Schülerinnen und Schüler evangelisch sind. Die Grundkonzeption des Religionsunterrichts ist mit anderen Worten der konfessionell gebundene Bekenntnisunterricht.
denn philosophische, ethische und interreligiöse Fragen nehmen heute einen breiten Raum im Religionsunterricht ein. Das ist aus Sicht des SSW ein ganz entscheidender Punkt, der leider in der vorliegenden Anfrage nicht thematisiert wird.
Ich denke aber, dass es wichtig ist, dieses festzustellen. Dort geht es - und ich möchte fast sagen leider - in erster Linie um die ganz normalen Problemstellungen des schulischen Alltags: um Wochenstunden und Stundentafeln und die Versorgung mit Lehrkräften, um Lehrerbildung und Fortbildungsangebote. Ich will die Notwendigkeit dieser Informationen wirklich nicht kleinreden, ich hätte mir aber gewünscht, dass mit den gestellten Fragen einen Spatenstich tiefer gegraben worden wäre.
Der Religionsunterricht wird gewöhnlich durch Lehrkräfte erteilt, die die Lehrbefähigung in evangelischer oder katholischer Religion besitzen. Aus der Anfrage geht aber auch hervor, dass auch kirchliche Lehrkräfte eingesetzt werden, eine Möglichkeit, die insbesondere von der katholischen Kirche genutzt wird. Denn während es im ganze Land nur 35 evangelische Lehrkräfte gibt, beteiligen sich 130 katholische Lehrkräfte am Religionsunterricht für circa 5 % katholische Schülerinnen und Schüler an
öffentlichen Schulen, die Anspruch auf katholischen Unterricht haben. Mit anderen Worten: Sie sind für den Großteil des Unterrichts zuständig.
Insgesamt ergibt sich aber aus der Großen Anfrage, dass das zukünftige Angebot an Lehrkräften für den Religionsunterricht durch die steigenden Studierendenzahlen an der CAU Kiel und an der Universität Flensburg gedeckt werden kann. Der künftige Bedarf an kirchlichen Lehrkräften hält sich also in Grenzen. Aber ich verstehe die Anregung der Kollegin Todsen-Reese so, dass wir gerade zu diesem Punkt eventuell noch einmal Fragen in der Ausschussberatung stellen sollten.
In der Antwort der Landesregierung wird darauf hingewiesen, dass es auch in Schleswig-Holstein eine immer höhere Zahl der Kirchenaustritte gibt und dass über 25 % der Schülerinnen und Schüler bei der letzten Erhebung keine Angaben zur Religionszugehörigkeit gemacht haben. Dieser Entwicklung wird durch dem Gesetzgeber Rechnung getragen, indem die Eltern bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres das Recht haben, über die Teilnahme ihres Kindes am Religionsunterricht zu entscheiden. Nach der Religionsmündigkeit mit 14 Jahren können die Schülerinnen und Schüler darüber selbst entscheiden. Das heißt, wer nicht am Religionsunterricht teilnehmen will, kann als Ausgleich das Fach Philosophie belegen. Religion und Philosophie sind beides wichtige Fächer im Fächerkanon unserer Schulen. Dazu kann es - denke ich - keine zwei Meinungen geben.
Zum Ausgleichsfach Philosophie geht aus der Anfrage hervor, dass dieses Angebot in den vergangenen Jahren von ungefähr 5 % der Schülerinnen und Schüler in Anspruch genommen wurde. Für die Schulen ist es natürlich eine große Herausforderung, vor diesem Hintergrund ein vernünftiges Unterrichtsangebot zu gestalten, wobei es auch darauf ankommt, den Rechtsanspruch auf Religionsunterricht mit den Forderungen nach bestimmten Klassengrößen in Einklang zu bringen.
Dies gilt natürlich auch für Schulen in Kommunen, wo wir es mit einem großen Anteil von Migrantinnen und Migranten überwiegend muslimischer Herkunft zu tun haben. Es gibt in der Antwort zur Großen Anfrage leider keine konkreten Angaben drüber, wie viele muslimische Schülerinnen und Schüler an unseren öffentlichen Schulen unterrichtet werden. Man darf aber wohl von 5 bis 10 % ausgehen, weil das ungefähr dem Anteil von sonstiger Religionszugehörigkeit in der Schulstatistik aus dem Schuljahr 2006/2007 entspricht. Um dieser Bevölkerungsgruppe beim Religionsunterricht entge
genzukommen, bietet die Landesregierung seit 2007 an ausgewählten Grundschulen einen Islamunterricht an, zum Beispiel auch an der Zentralschule in Harrislee. Dies anzubieten ist meiner Meinung nach eine richtige Entscheidung der Landesregierung, die wir ausdrücklich unterstützen.
Dabei handelt es sich allerdings nicht um einen islamischen Religionsunterricht, sondern um einen Islamunterricht in Verantwortung der staatlichen Schulbehörde. Der Unterricht wird von dafür eigens ausgebildeten Lehrkräften mit der Begründung gegeben, dass der Islam nicht im Sinne der im Grundgesetz angesprochenen Religionsgemeinschaften organisiert ist. Daher gebe es keine Vertreter des Islam in Deutschland, die dazu autorisiert sind, verbindliche und für die ganze Religionsgemeinschaft gültige Absprachen zu treffen. Nun muss man die Entwicklung abwarten, um zu sehen, wie dieser Unterricht vor Ort angenommen wird. Der Berichtsantrag der FDP wird uns ein Stück weiterhelfen.
Damit wird aber auch zum Ausdruck gebracht, dass die Aufteilung der deutschen Bevölkerung in Katholiken und Protestanten und nur sehr wenige Anders- oder Nichtgläubige längst nicht mehr der gesellschaftlichen Wirklichkeit entspricht. Für den SSW bedeutet dies im Umkehrschluss, dass wir uns auch der Frage nach der Monopolstellung des katholischen und protestantischen Religionsunterrichts stellen müssen,
(Beifall der Abgeordneten Lars Harms [SSW], Jürgen Weber [SPD] und Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
wenn wir uns weiterhin zur Wichtigkeit des Religionsunterrichts bekennen. Das habe ich gerade getan.
Wir müssen uns fragen, ob die Art, wie der schulische Religionsunterricht organisiert ist, unseren Kindern weiterhin das richtige Werkzeug an die Hand gibt, wenn es darum geht, sich auch in einer Welt zurechtzufinden, die nach den Anschlägen vom 11. September 2001 verstärkt von religiösem Fanatismus, Fundamentalismus und von religiös legitimiertem Terrorismus geprägt ist. Daher gehört es meines Erachtens zu einer ganz zentralen Herausforderung des Religionsunterrichts an unseren Schulen, nicht nur für mehr Wissen um die Andersgläubigen zu sorgen, sondern auch für mehr Toleranz, für mehr Verständigung zu werben und das in den Unterricht einzubringen.
Ich unterstelle nicht, dass das nicht geschieht. Ich möchte nur deutlich machen, dass aus meiner Sicht
eine zentrale Frage ist, wie der Religionsunterricht mit dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit umgeht, ob er den jungen Leuten Antworten auf zentrale Fragen gibt.
Vor diesem Hintergrund sage ich aber auch klar und deutlich, dass weniger Religionsunterricht oder eine Änderung des Religionsunterrichts meines Erachtens nicht gleichbedeutend mit einer Reduzierung der Wertevermittlung an unseren Schulen ist. Denn die Vermittlung humaner und sozialer Werte gehört zum Fundament unseres Schulsystems. Diese Werte müssen sich durch alle Fächer hindurchziehen. Sie müssen ganz einfach gelebt werden. Wenn das nicht der Fall sein sollte, haben wir ein echtes Problem. Dann haben unsere Schulen ihren gesellschaftlichen Auftrag verfehlt. Das ist zum Glück nicht der Fall. Ich möchte aber nicht, dass man die Frage nach dem Religionsunterricht ausschließlich mit der Frage nach mehr Wertevermittlung verknüpft.
Ich danke der Frau Abgeordneten Spoorendonk. Es liegen Meldungen zu Dreiminutenbeiträgen vor. Zuerst hat Frau Herlich Marie Todsen-Reese das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich gemeldet, weil ich nicht möchte, dass das falsche Bild, das von Ihnen, Frau Birk, über die inhaltliche Ausgestaltung des Religionsunterrichts in Schleswig-Holstein gezeichnet worden ist, hier unwidersprochen stehen bleibt.
Ich glaube auch, dass Sie heute Morgen überhaupt nicht zugehört, sondern sich einfach an Ihr vorgeschriebenes Redemanuskript gehalten haben. Ich bin allen Kolleginnen und Kollegen, vor allen Dingen der Frau Ministerin, ausgesprochen dankbar, dass heute deutlich gesagt worden ist, dass konfessionsgebundener Religionsunterricht - ich habe es mit meinen eigenen Worten gesagt - offen, freiheitlich, weltoffen gestaltet wird.
Wenn Sie einmal in die Lehrpläne guckten, wüssten Sie, dass das auch so vorgegeben ist. Wenn Sie ein
mal hinhörten, wie Religionsunterricht an unseren Schulen gestaltet wird, sähen Sie, dass genau diese Punkte aufgenommen werden. Das ist mehr als nur Wissensvermittlung. Dort wird lebendig gearbeitet und gestaltet.
Ich habe vorhin gesagt, wenn man einen eigenen Standpunkt hat, kann man nicht nur mit Wissen, sondern auch mit Grundüberzeugungen anderer Glaubensrichtungen umgehen. Ich habe weiter gesagt, Religionenfriede allein schafft gesellschaftlichen Frieden.
Von dieser Stelle aus noch einmal ein herzliches Dankeschön an alle Kolleginnen und Kollegen für ihre Beiträge. Ich glaube, sie sind ein gutes Fundament, um miteinander über eine inhaltliche Weiterentwicklung zusammen mit dem Religionslehrerverband, zusammen mit den Kirchen zu diskutieren. Ich glaube, dass insbesondere diese, die Kirchen und die Religionslehrer, sehr dankbar sind, wenn sie uns als Gesprächspartner an ihrer Seite haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich möchte in einem ersten Punkt kurz auf die Anmerkungen von Frau Birk eingehen. Ich stimme zu: Auch ich hatte den Eindruck, dass Sie den Religionslehrerinnen und -lehrern unterstellten, sie beeinflussten, indoktrinierten die Kinder, machten es ihnen also unmöglich, eine freie Entscheidung zu treffen. Das wird, glaube ich, weder der Praxis, noch den Menschen, die unterrichten, gerecht. Das muss man sagen.
Es gibt einen zweiten Punkt, den ich ansprechen möchte, um ihn etwas klarer zu stellen. Religionsunterricht hat eine besondere Stellung in der Schule. Er muss in Absprache mit und durch die Kirchen erteilt werden. Er ist eben mehr als nur eine Wertelehre. Ich bin der Meinung, dass sich der Staat nicht in diese Inhalte, auch nicht in diese Formen hineinbegeben und festlegen sollte - das wäre die Konsequenz -, was die zentralen Inhalte der je