- Nein, Kollege Kayenburg, Sie müssen zuhören. Es gibt ganz unterschiedliche Ansätze, die die Grünen in ihrem Antrag vorschlagen. Ich finde, über die sinnvollen und richtigen Ansätze, die mit Sicherheit auch Fachpolitiker Ihrer Fraktion mittragen können, kann man sich doch im Ausschuss ernsthaft unterhalten, wenn wir ein Problem, das alle erkannt haben, ordentlich lösen wollen.
Ich möchte Ihnen eines sagen: Sie haben das Beispiel in den Kindertagesstätten angesprochen. Mittlerweile gibt es auch Meldungen aus meinem Wahlkreis, aus Kiel-Gaarden, dass Kinder vom Essen abgemeldet werden, weil sich die Eltern das nicht mehr leisten können. Dieselben Kinder werden aber in der Kita belassen und müssen den anderen Kindern beim Essen zuschauen, obwohl sie hungrig sind. Das geht nicht, das können wir nicht zulassen.
Mir ist völlig egal, ob Jakobsmuscheln oder Lachs. Ich durfte einmal im Rahmen eines Schüleraustauschs mehrere Monate in Frankreich verbringen. Dort gab es dreigängige Menüs, im Übrigen auch mithilfe von sogenannten Convenience Foods. Beide Eltern waren dort berufstätig. Aber es gab dreigängige Menüs, die deutlich besser geschmeckt haben als vieler Matsch, der hier als Convenience Food aus der Tiefkühltruhe angeboten wird.
Ich sage Ihnen aber auch eines: Gucken Sie sich einmal die Autoflotte in Frankreich an und vergleichen Sie sie mit der Autoflotte in Deutschland.
- Ja, da gucken Sie, Herr Kollege Eichstädt. Deutschland ist ein Land, in dem Lebensmittel nichts kosten dürfen. Sie sind uns nichts wert. Billig, billig, billig - da darf man sich auch nicht wundern, dass genau diese Mentalität bei den Kleinsten ankommt, weil es ihnen entsprechend vorgelebt wird.
Auch da ist aus meiner Sicht dringend ein Umdenken erforderlich. Lebensmittel sind an sich etwas wert. Wenn wir diesen Wert nicht schätzen, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn wir zum großen Teil in Gläsern, Einmachdosen und sonstigen Verpackungen nicht besonders Hochwertiges angeboten bekommen.
Umfragen zeigen beispielsweise auch, dass das Bewusstsein durchaus da ist, auch bei der Mehrzahl von Kindern und Jugendlichen. Sie wissen sehr wohl, dass gesunde Ernährung etwas Notwendiges ist. 80 % nennen Obst als gesunde Ernährung, aber nur die Hälfte von Ihnen isst auch täglich einen Apfel oder anderes Obst, und zwar nicht nur aus Kostengründen nicht.
Die Frage lautet also: Warum ernähren sich Kinder und Jugendliche offenbar lieber ungesund, und zwar täglich lieber ungesund? - Weil das nicht nur etwas mit Nahrungsaufnahme, sondern auch mit Psychologie zu tun hat, weil Essen Ausdruck von Identität und Kreativität ist. Genau da beginnen die Möglichkeiten umzusteuern, und zwar von ganz früh an. Herr Kayenburg, da sind wir doch gar nicht auseinander. Natürlich muss im Elternhaus angefangen werden. Aber wenn die Kinder dann in der Kindertagesstätte sind und später den ganzen Tag in der Schule, muss das natürlich auch in die Kindertagesstätten und Schulen weitergetragen werden.
Solange Chips cool und Äpfel uncool sind, solange Coffee to go in ist, statt allgemeine Mahlzeiten, beispielsweise auch abends gemeinsam mit den Eltern am Tisch, müssen wir uns ernsthaft darüber Gedanken machen, wie wir das in die Köpfe zuallererst der Eltern bekommen, die es dann in die Köpfe der Kinder bekommen.
Ich bin der Auffassung, dass uns der von der Großen Koalition abgeforderte Bericht, den ich keineswegs als Alternative zum Antrag der Grünen sehe, durchaus weiterhelfen kann. Ich bin aber auch der Auffassung, dass einiges von dem, was Sie vorschlagen, Hand und Fuß hat. Es findet unsere Unterstützung. Deshalb werden wir nachher auch wenn Sie die Ausschussüberweisung beantragen der Überweisung an den Ausschuss zustimmen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Um es gleich vorweg zu sagen: Bei aller Sympathie für die Bemühungen der Kollegin Heinold um die Gesundheit unserer Kinder, kann der SSW den Grünen bei diesem Antrag nicht folgen. Wer die Anträge der Kolleginnen und Kollegen durch die letzten Monate verfolgt hat, könnte leicht den Eindruck gewinnen, die Grünen würden alles gesetzgeberisch regeln und diktieren wollen. Das Rauchverbot kann ich ja noch nachvollziehen. Aber beim ministeriellen Verbot von Zucker, Fett und Salz an Kindertagesstätten und Schulen hört es bei mir wirklich auf. Mit preußischem Obrigkeitsstaat fördert man keine moderne Esskultur.
Dabei stimmt der SSW vollständig darin überein, dass etwas passieren muss, um unseren Kindern und ihren Eltern frühzeitig eine gesunde Ernährung und Bewegung beizubringen. Die Notwendigkeiten und die Bedeutung einer frühen Prävention brauche ich hier nicht zu wiederholen. Die grundlegende Einsicht ist heute eigentlich auch Allgemeingut, lediglich an konkretem Wissen und an der Umsetzung in Schulen und Tagesstätten hapert es noch mancherorts.
Natürlich gibt es auch heute schon vorbildliche Einrichtungen, die ihren Eltern gesunde Brotpakete für
die Kinder vorschreiben, Süßigkeiten in der Einrichtung einschränken und den Kindern das Wissen über eine gesunde Ernährung spielerisch vermitteln. Das Problem ist nur, dass dies bei Weitem nicht in allen Kindertagesstätten passiert und auch durch die Ganztagsschule neue Herausforderungen entstehen. Ich glaube aber nicht, dass die Landesregierung deshalb vorschreiben sollte, welche Lebensmittel in die Kindergärten eingeführt werden dürfen. Entscheidend ist, dass die Pädagogen und Eltern vor Ort sich damit auseinandersetzen. Erzieher und Lehrer müssen das notwendige Wissen bekommen, um diese Frage mit den Eltern und Kindern debattieren und umsetzen zu können.
Das notwendige Handwerkszeug dafür ist heute eigentlich schon vorhanden. Der Antrag der Grünen verweist auch selbst auf die vielen Organisationen, die sich zu dieser Frage schon getummelt haben. Außerdem gibt es eine Reihe von lokalen Projekten und Initiativen. Die Kollegin Heinold hat ja einige davon besucht, unter anderem in Flensburg, wo die Universität sowohl im Bereich Ernährung als auch in Sachen Bewegung - was ebenfalls sehr, sehr wichtig ist - stark beteiligt ist. Darüber hinaus hat auch die Hochschule CVU Sønderjylland in Apenrade einige dänische und deutsche Kindergärten aus Flensburg darin unterrichtet, wie sie eigene sogenannten „Unternehmenspläne“ dafür entwickeln können, um die Kinder pädagogisch und spielerisch an die Themen Ernährung und Bewegung heranzuführen.
Ich denke, diese Ressourcen der Hochschulen, des Netzwerkes Ernährung und anderer Fachleute müssen wir nutzen, um dass Personal aus allen Kitas und Schulen in Schleswig-Holstein zu schulen und auf lokale Best-Practice-Beispiele aufmerksam zu machen. Jede Einrichtung sollte Fortbildungen angeboten bekommen und ihren eigenen Aktionsplan dafür entwickeln müssen, wie man vor Ort mit dieser Frage umgeht. Das bringt letztlich mehr als korrekte Ernährung im Detail per ministeriellem Erlass vorzuschreiben.
Entscheidend ist, dass dafür auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung gestellt werden; da sind wir mit den Grünen wieder ganz d’accord. Der Staat muss vor allem in den Ganztagsschulen finanziell eine vernünftige Ernährung in einem vernünftigen baulichen Rahmen sicherstellen.
Völlig daneben finde ich allerdings, dass die Grünen zwei Preise für das Mittagessen an Schulen fordern, je nachdem ob die Eltern nun Hartz IV beziehen oder nicht. Ich möchte keine Kantine, bei der sich die Kinder von Hartz-IV-Empfängern in eine andere Schlange stellen, einen Armutsausweis
vorzeigen müssen oder allein durch die Zahlung eines anderes Preises stigmatisiert werden - das ist nun einmal so. Das kann nur ein Fehler im Antrag der Grünen sein. Es muss einen niedrigen Preis geben, den alle bezahlen können. Alles andere ist nicht akzeptabel.
Trotz allem hat der Antrag der Grünen aber den Charme, dass er der Regierung nicht nur einen Bericht abverlangt, sondern einen konkreten Maßnahmenkatalog. Dafür habe ich Verständnis, denn zumeist ist der Weg vom Bericht zur Handlung ein langer und für das Parlament intransparent. Der SSW kann einem Teil der elf Punkte im Antrag der Grünen aber selbst bei bestem Willen nicht zustimmen. Deshalb würden wir es vorziehen, im Ausschuss einen Kompromiss auf der Basis des Antrags der Grünen zu erarbeiten. Sollte es aber zur Abstimmung in der Sache kommen, werden wir den Berichtsantrag der Großen Koalition unterstützen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich bin über das, was hier stattfindet, etwas entsetzt. Hier werden Argumente genannt, die weit hinter dem Stand der Diskussion liegen.
Es geht nicht darum, dass man den Eltern vorschreibt, was sie ihren Kindern zu essen geben. Das will niemand. Jeder darf das gern so machen, wie er will. Die Debatte darüber, ob in Schulen Cola und Chips verkauft werden sollen, ist 20 Jahre alt. In Schleswig-Holstein gab es sogar einmal einen Müsli-Erlass, der jahrelang Geltung hatte. Leider gilt er im Moment nicht mehr. Diese Debatte besteht also schon lange. Auch an vielen Schulen wird über dieses Thema geredet. Ich sehe überhaupt kei
nen Grund dafür, warum ausgerechnet in Schulen Cola und Chips verkauft werden müssen. Dort, wo die Schulen und die Eltern den Verkauf selber betreiben, findet das nicht statt. In dem Moment, in dem der Verkauf kommerziell betrieben wird, besteht für die Anbieter ein großer Charme darin, das zu tun, weil man dadurch möglicherweise eine größere Nachfrage generiert. Das muss aber nicht geduldet werden. Daher finde ich es völlig richtig, diese Frage zumindest zu diskutieren.
Die Behauptung, Hartz-IV-Empfänger müssten sich in eine besondere Schlange stellen, ist absoluter Unsinn. Es ist immer üblich, dass es für Schulessen Monatskarten gibt. Die Kinder werden für das Essen also an- oder abgemeldet und es wird entsprechend bezahlt. Natürlich ist es auch heute schon bei Klassenfahrten oder ähnlichen Dingen so, dass Kinder, die sozial schwach gestellt sind, günstigere Konditionen bekommen können. Das ist an den Schulen ein normales Verfahren und die Kinder sind bekannt. Das ist überhaupt nichts Neues. Es ist also sinnvoll, dies beim Essen besonders zu regeln, denn es ist doch völlig klar: Im Moment können wir nicht für alle Kinder ein kostenloses Essen finanzieren. Das ist zurzeit nicht finanzierbar. Man kann es sich als Ziel setzen, einmal so weit zu kommen wie andere Länder, aber ein erster Schritt ist, zumindest zu gewährleisten, dass Kinder aus armen Familien nicht zusehen müssen, wie die anderen essen. Das muss das Mindeste sein, was in diesem Land möglich ist.
Noch etwas: Ich finde, die Debatte über das Essen an den Schulen ist elementar wichtig, wenn wir über PISA reden wollen. Es macht absolut keinen Sinn, einfach zusätzliche Gelder in die Schulen zu geben und große Pläne für die Schulen zu machen, denn kein Kind, das morgens kein Frühstück gekriegt hat und das anschließend in der Schule kein Frühstück und kein Mittagessen bekommt, wird sich im Unterricht konzentrieren können. Da können wir eine noch so tolle Pädagogik einsetzen. Das ist absoluter Unsinn!
Wenn Sie sich weigern, sich ernsthaft mit diesem Thema zu beschäftigen, dann ist das eine Katastrophe.
- Ja. - Uns liegt ein ausführlicher Bericht vor. Wir haben überhaupt nichts dagegen, dass von Ihnen ein Berichtsantrag verabschiedet wird, in dem gesagt wird, die Landesregierung soll darüber berichten, wie sie jetzt weitermacht. Es mag ja sein, dass Ihnen die eine oder andere Maßnahme nicht gefällt. Dass Sie sich jetzt aber weigern, einen -