Protocol of the Session on July 13, 2007

(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Das ist eine Selbstverständlichkeit!)

Die Aufklärungsarbeiten dauern an. Vattenfall ist in der Pflicht, weiterhin und unverzüglich alle Informationen auf den Tisch zu legen und jede Form der Sachverhaltsaufklärung, auch durch unmittelbare Befragungen und Vor-Ort-Recherchen, zuzulassen. Das habe ich für meinen Bereich durchgesetzt.

(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Wann waren Sie denn vor Ort?)

Auf Ablenkungsmanöver lasse ich mich nicht ein. Das Gerede des Vorstandes von einer politischen Kampagne gegen Vattenfall ist angesichts von Störfällen, fast täglichen meldepflichtigen Ereignissen und Widersprüchen ein Skandal.

(Beifall bei der SPD und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Vattenfall zeigt sich nun zerknirscht. Man habe verstanden und werde die Öffentlichkeit besser informieren. Und in der Tat: Seit dem 1. Juli stehen fast täglich meldepflichtige Ereignisse im Netz. Wohl dem, der jeden Tag hineinschaut!

Ich frage dennoch: Wie weit ist es denn her mit der neuen Informationspolitik, wenn nach wie vor nicht deutlich gesagt wird, worum es geht? Es geht um Störfälle, die in ihrer Gesamtkonstellation einmalig

sind. Der Vorwurf der Bagatellisierung gegen Vattenfall ist längst nicht aus der Welt. Vattenfall kann seine neue Offenheit und Transparenz beweisen. Sie wissen, dass ich durch eine Klage der Betreiberin Vattenfall daran gehindert bin, die Liste der offenen Punkte aus der Sicherheitsanalyse von Brunsbüttel zu veröffentlichen. Ich fordere den Konzern auf, diese jetzt offenzulegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und des Ab- geordneten Lars Harms [SSW])

Fakt ist, dass Vattenfall durch seine Informationspolitik das Vertrauen der Menschen in seine Zuverlässigkeit öffentlich und politisch verspielt hat. Aber dies allein ist nach Atomgesetz keine hinreichende Basis für Auflagen, Anordnungen oder den Entzug der Betriebserlaubnis.

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Ich werde oft gefragt, ob ich noch Vertrauen zu Vattenfall hätte. Meine Antwort lautet: Vertrauen ist weder eine erforderliche noch eine sinnvolle Basis zwischen Stromkonzernen und Reaktoraufsicht.

(Martin Kayenburg [CDU]: Haben Sie es denn nun oder haben Sie es nicht?)

Kontrolle und kritische Distanz tun not.

(Beifall bei der SPD)

Die Informationspolitik ist für die Bevölkerung und auch für mich zweifellos wichtig. Für mich entscheidend ist aber die Sicherheit des Betriebes und ein zuverlässiger und fachkundiger Betreiber, der die Verantwortung für die höchste Sicherheit von Menschen auch gewährleistet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sicherheit der Bevölkerung geht mir vor Gewinninteressen von Vattenfall.

(Beifall bei der SPD)

Ich lasse mich auch durch Drohungen mit Schadenersatzansprüchen nicht davon abhalten, bestmögliche Sicherheit von Vattenfall zu verlangen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Daran werden wir Sie messen, genau daran!)

Das aktuelle Verhalten von Vattenfall gibt alle Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob wir es hier noch mit einem zuverlässigen Betreiber zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Lars Harms [SSW] - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

Deshalb habe ich die Prüfung für rechtliche Anknüpfungspunkte des Entzugs der Betriebsgenehmigung auf den Weg gebracht. Zurzeit wird durch die Reaktoraufsicht und unabhängige Sachverständige mit Hochdruck und Sorgfalt der Sachverhalt aufgeklärt und auf gerichtsfeste Fakten hin überprüft.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind die?)

Im Fokus unserer Prüfung stehen Abläufe, Organisation und Kommunikation auf der Steuerwarte des Reaktors Krümmel.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das sollten Sie in Ihrem eigenen Haus auch einmal machen!)

Die Tatsache, dass durch Bedienungsfehler zwei Sicherheitsventile von Hand geöffnet wurden, bedarf der Aufklärung. Während Geschäftsführer Dr. Thomauske von „Kommunikationsmissverständnissen“ spricht, heißt es beim Vorstandsvorsitzenden Dr. Rauscher, dies sei eine Überreaktion des Bedienungspersonals gewesen, und der Pressesprecher sagt, dies wäre eine zwar nicht notwendige, aber durchaus vorgesehene Maßnahme gewesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich brauche Fakten. Was war dort los? Wir wollen es ganz genau wissen. Hier geht es um Fragen der Fachkunde und des qualifizierten Handelns des Personals, aber auch um organisatorische Abläufe, und damit steht die Thematik Mensch-Technik-Organisation auf dem Prüfstand. Haben die Verantwortlichen von Vattenfall ausreichend Vorsorge für zuverlässige Abläufe getroffen oder liegt ein Organisationsverschulden vor? Diese Frage stellt sich auch, weil es beim Wiederanfahren von Brunsbüttel zweimal den gleichen Bedienungsfehler gegeben hat.

Weitere Fragen stellen sich zu Krümmel. Warum befanden sich während des Störfalls drei- bis viermal so viel Menschen in der Steuerwarte als üblich? Warum wurde verschwiegen, dass dort Rauchgase des Brandes zur Verwendung von Atemschutz zwangen, wurde verheimlicht, dass es entgegen erster Aussagen doch Verletzte gab? Was heißt das alles und noch viel mehr für die Zuverlässigkeit des Betreibers Vattenfall?

Ich habe etliche Ingenieure und Physiker und eine Vielzahl externe Sachverständige, die seit dem 28. Juni ununterbrochen die Sachverhalte überprüfen. Diese Sachverhalte sind komplex und das Verhalten von Vattenfall macht die Aufklärung bis dato nicht leichter. Ich erwarte zum Wochenende einen zweiten Bericht des Unternehmens Vattenfall.

Der Aufwand der Reaktoraufsicht wird bei den Vattenfall-Kernkraftwerken übrigens insgesamt immer größer. Die finanziellen Mittel dafür wurden in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Sie liegen inzwischen bei knapp 30 Millionen € pro Jahr. Ältere Reaktoren werden störanfälliger.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Sicherheit der Bevölkerung hat absolute Priorität. Ich schöpfe dafür die mir durch das Atomgesetz gegebenen Handlungsspielräume voll aus. Ich habe alle Register gezogen und erreicht: Krümmel bleibt vorerst abgeschaltet. Wie es nach der Revision weitergeht, wird sich zeigen.

Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit. Es ist klar, dass die Verantwortung für einen sicheren Betrieb bei Vattenfall liegt. Ich tue alles dafür, dass Vattenfall diese Pflicht erfüllt.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Ich danke der Frau Ministerin für ihren Bericht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, durch die Redezeitüberschreitung der Landesregierung erhalten alle Fraktionen nach § 56 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung eine zusätzliche Redezeit von 3:45 Minuten.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die den Ursprungsantrag gestellt hat, dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Henschel, das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Ministerin hat in den letzten Tagen viel geredet, heute auch. Ich bin aber mit diesem Bericht nicht zufrieden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Ich finde, das, was wir heute gehört haben, ist kein Bericht. Ich hätte auch ehrlicherweise erwartet, dass wir heute, nach zwei Wochen, endlich etwas Schriftliches vorgelegt bekommen. Das ist wirklich nicht zu viel verlangt. In anderen Fällen gab es das auch schon.

Uns liegt also immer noch nichts Schriftliches vor und, anstatt dass wir Antworten bekommen, dass wir Fakten bekommen, wird uns wiederum erzählt, dass Vattenfall ein Konzern ist, dem man nicht ver

(Ministerin Dr. Gitta Trauernicht)

trauen kann. Sie werfen mehr Fragen auf, als Sie Antworten geben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Ich möchte auf ein paar Punkte eingehen, die mich interessieren und die ich geklärt haben möchte.

Erstens. Die falsche Informationspolitik. Nach der Falschinformation am Freitag nach dem Brand, als Vattenfall fälschlicherweise behauptete, der Reaktor sei nicht betroffen gewesen, gab es im Sozialausschuss am Donnerstag letzter Woche eine Reihe neuer falscher Aussagen. Staatssekretär Körner sagte dort wörtlich, dieses Nicht-mehr-Einspeisen-können habe in der Folge zu einer Reaktorschnellabschaltung geführt; diese habe im Ergebnis funktioniert.

(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört, hört!)

Das ist falsch.

(Vereinzelter Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)