Protocol of the Session on July 11, 2007

(Beifall bei der FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki. - Für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich Frau Abgeordneter Angelika Birk das Wort.

(Wolfgang Kubicki)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Herrn Vorredner für seine deutlichen Worte. Denn auch ich habe meinen Beitrag mit den Worten: „Reformen sind dringend notwendig“ überschrieben.

Als der Maßregelvollzug privatisiert wurde, ging dies mit dem Versprechen einher, endlich bessere Räume, mehr Therapie und Beschäftigung für die dort Untergebrachten sowie mehr Fortbildungen für die Beschäftigten zu schaffen. Wie notwendig dies ist, zeigt auch der Bericht des Europäischen AntiFolter-Komitees - diesen erwähnte soeben Herr Kubicki - von April dieses Jahres.

Ende 2005 wurden in dieser Kommission in der Neustädter Forensik einige Mängel festgestellt, aber es wurde auch einiges Positives hervorgehoben, so beispielsweise die Besuchskommission. Neben dem von der FDP Zitierten wurde vor allen Dingen darauf abgehoben, dass nach wie vor Klinikteile überbelegt sind, und dieser Zustand wird sich während der Umbauzeit für die endlich in Angriff genommenen Baumaßnahmen auf mehrere Jahre eher noch verschärfen. Wenn das Gesetz in diesem Zusammenhang Spielräume offen lässt denn normalerweise regelt man keine Quadratmeterzahlen im Gesetz -, so ist dies ein Problem, dem wir uns bei der gesetzlichen Beratung widmen sollten.

Aufgrund von Personalmangel werden die Forensikpatienten nach wie vor schon am frühen Abend in ihrem Mehrbettzimmer eingeschlossen. Wir werden also prüfen, welche Qualitätsstandards für die Beschäftigung, Therapie und Unterbringung im Gesetz festgelegt werden müssen. Immerhin scheint es notwendig zu sein, den Verzicht auf Anstaltskleidung gesetzlich zu regeln, weil dies im Maßregelvollzug in Schleswig-Holstein nicht selbstverständlich ist.

Große Sorgfalt werden wir auch bei der gesetzlichen Formulierung zur Überprüfung der Ruhigstellung mit Medikamenten walten lassen. Hier kommt es auf jedes Wort und natürlich auch auf die Praxis an. Denn hierzu haben uns Abgeordnete wiederholt Beschwerden erreicht. Ich habe mir in der letzten Legislaturperiode die sogenannte Beruhigungszelle angeschaut und war sehr betroffen. Sie enthält eine nackte Matratze und ich bekam den Hinweis, dass sich dort Patienten nur in Unterwäsche gekleidet stundenlang aufhalten müssen. Dies sind keineswegs moderne Maßnahmen, die der Beruhigung dienen.

Auch muss klargestellt werden, dass man einen Unterschied zwischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten und den Untergebrachten selbst machen muss. Zwar ist es sicherlich so, dass man Untergebrachten nicht in jedem Fall Einblick in ihre Krankenakten gewähren kann, aber es stellt sich die Frage, warum diese Reduktion der Einsichtsmöglichkeit gleichermaßen für Anwälte gilt. Dieses erschließt sich mir nicht.

Wir haben also noch einiges zu tun. Trotzdem möchte ich betonen, dass ich den Vorstoß zu einer solchen gesetzlichen Neuregelung begrüße und dass eine ganze Reihe von Formulierungen nicht ausschließlich dem Sicherheitsgedanken, sondern auch der Klarstellung und Definition von Rechten gewidmet ist. Wir werden uns vor diesem Hintergrund mit den Mitgliedern der Besuchskommission auseinandersetzen müssen. Es geht uns also nicht nur um einen knappen Bericht, sondern es werden sicherlich auch persönliche Gespräche vonnöten sein. Von daher kündige ich bereits jetzt an, dass es meine Fraktion für wertvoll hält, dass sich nicht nur der Innen- und Rechtsausschuss, sondern auch der Sozialausschuss mit dieser Thematik beschäftigt.

Damit komme ich zum Thema Probewohnen. Wir begrüßen es sehr, dass endlich der Übergang von der Forensik ins normale Leben in Schritten geregelt wird. Wir kennen schließlich die Problematik: Wenn jemand aufgrund eines Therapieerfolgs oder aufgrund anderer Umstände nicht mehr als minderschuldfähig oder gar nicht schuldfähig anerkannt wird, dann hat dies nicht automatisch zur Folge, dass er entlassen werden kann. Denn entweder muss er seine Strafe dann in einer Justizvollzugsanstalt absitzen oder er muss auf seine Freiheit vorbereitet werden. Rein formal ist mit dem Abschluss der Maßregelzeit oftmals eine unsichere Rechtssituation entstanden und das hat in der Vergangenheit zu einem sehr tragischen Fall geführt, den wir mit dem Namen Sabasch verbinden.

Damit ein schrittweises Probewohnen, eine schrittweise Vorbereitung auf die Freiheit geschehen kann, müssen viele mitwirken. Zurzeit scheint es an dieser Stelle noch einen Stau zu geben. Dies macht schon betroffen, denn nicht alle, die dort sitzen, sind schwere Straftäter, die Mord, Totschlag oder ähnlich schwerwiegende Delikte zu vertreten haben, aber eben aufgrund ihrer Erkrankung nicht vertreten können. Es ist auch eine ganze Reihe von Leuten mit minderschweren Fällen wie Brandstiftung, Kleptomanie oder Ähnlichem darunter. Es gibt Menschen, die sich seit 1962 dort befinden. Manche von Ihnen hier im Landtag waren da noch

nicht geboren. Das sollte uns schon nachdenklich machen.

Ich bin dankbar, wenn das ganze Haus das nicht nur als ein Links-liegen-lassen-Thema behandelt, weil man damit keine Wählerstimmen fangen kann, sondern dies sehr sorgfältig bearbeitet. Angesichts der vorher gehaltenen Beiträge bin ich gewiss, dass wir das tun werden.

Ich danke Frau Abgeordneter Angelika Birk. - Für den SSW erhält Frau Abgeordnete Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir werden uns im Ausschuss ja noch ausführlich mit diesem Gesetz zu befassen haben. Darum jetzt nur noch ein paar Bemerkungen, wobei ich an das anknüpfen möchte, was meine Vorrednerin und meine Vorredner zu diesem Gesetzentwurf gesagt haben.

Ich denke, es ist wichtig, daran festzuhalten, dass der Maßregelvollzug eine totale Institution ist, die den gesamten Lebens- und Existenzbereich der ihm anvertrauten Personen kontrollieren und beeinflussen kann. Das spielte ja auch eine Rolle, als wir 2004 das Maßregelvollzugsgesetz novellierten, wobei es auch um die Privatisierung ging. Es war eine ganz schwierige Diskussion, möchte ich noch einmal in Erinnerung rufen. Weil das eine solch totale Institution ist, sind Außenbeziehungen natürlich besonders wichtig, da sie einerseits die Grundlage der Resozialisierung bilden und ihr andererseits eine korrigierende Funktion zum Leben im Maßregelvollzug zukommt. Eingriffe in Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis sollte dementsprechend nur unter strengsten Auflagen möglich sein, wie es im Gesetz ja auch vorgesehen ist.

Das und die Aufnahme der Religionsausübung fallen aus Sicht des SSW eindeutig unter die Verbesserung der Rechte der Patienten im Maßregelvollzug. Es sollte selbstverständlich sein, dass für die untergebrachten Personen die Teilnahme am Gottesdienst und anderen religiösen Veranstaltungen gewährleistet sein muss. Wir gewährleisten in dem Zusammenhang auch das Anhörungsrecht des Seelsorgers. Damit wird der Patient nicht nur als Kranker, sondern auch als Person an sich begriffen.

Unverständlich bleibt aus Sicht des SSW allerdings die Neuregelung der Weitergabe personenbezogener Daten. Damit müssen wir uns auch noch ein

mal im Ausschuss befassen. Wir hätten uns gewünscht, dass nicht nur die Weitergabegründe erschöpfend genannt werden, sondern dass auch die Stellen, an die die Daten weitergegeben werden können, möglichst konkret benannt werden. Ich erhoffe mir im Fortgang der Beratungen also eine klarere, eindeutige und damit auch bessere Formulierung in diesem Bereich.

Auch über eine zeitnahe Vernichtung der Daten müssen wir uns Gedanken machen, damit Personen nach dem Maßregelvollzug nicht lebenslang mit diesen Daten in Verbindung gebracht werden.

Letzter Punkt: Auch aus unserer Sicht ist die Einbeziehung der Psychologen im Rahmen der externen Begutachtung eine wichtige Neuregelung. In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass jetzt genau festgelegt wird, dass diese externe Begutachtung, sofern sie denn durchgeführt wird, durch Psychologen erfolgt, die eine zweijährige Tätigkeit im Maßregelvollzug nachweisen können. Somit kann eine ausreichende Erfahrung für die Begutachtung vorausgesetzt werden.

Eine im Maßregelvollzug befindliche Person muss sich darauf verlassen können, dass eine Begutachtung so schnell wie möglich erfolgt. Bereits aus diesem Grund ist die Ausweitung des Kreises der Sachverständigen geboten.

Wir begrüßen auch, dass die Sachverständigen zum Zeitpunkt der Begutachtung im Maßregelvollzug nicht beschäftigt sein dürfen. Diese innere Unabhängigkeit ist von zentraler Bedeutung für eine patientenorientierte Begutachtung, die die Gesetzmäßigkeiten der Organisation hintanstellt.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt noch eine ganze Reihe von Fragen, aber wir werden uns dazu ja im Ausschuss äußern.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Gesetzentwurf Drucksache 16/1440 federführend dem Sozialausschuss und mitberatend dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte

(Angelika Birk)

ich um das Handzeichen. Das ist mehrheitlich so geschehen.

Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der heutigen Tagesordnung angelangt. Wir setzen die Beratungen morgen um 10 Uhr mit den Tagesordnungspunkten 19, 34 und 35 in verbundener Debatte fort. Ich wünsche einen schönen Feierabend.

Die Sitzung ist geschlossen.

Schluss: 18:06 Uhr

(Vizepräsidentin Frauke Tengler)

Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst