Die Kreise und kreisfreien Städte sind seit dem 1. Januar umfassend für die Abschlüsse von Leistungsvereinbarungen zuständig. Zu den ihnen ohnehin übertragenen Zuständigkeiten wurden ihnen auch die Leistungs-, Vergütungs- und Prüfvereinbarungen für die übrigen 420 voll- und teilstationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe und 36 Kindertagesstätten mit heilpädagogischen Kleingruppen sowie 176 Kindertagesstätten mit integrativen Gruppen übertragen.
Die Kreise und kreisfreien Städte haben Arbeitsgruppen gebildet, in denen sie eng zusammenarbeiten und gemeinsam Steuerungsinstrumente koordinieren wollen. Die Kreise haben das in Form einer Koordinierungsstelle gemacht, die in Rendsburg mit 12 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der unterschiedlichsten Fachrichtungen besetzt ist. Die kreisfreien Städte haben das in Form einer Arbeitsgruppe für überregionale Zusammenarbeit und Abstimmung im Rahmen des SGB XII gemacht.
Das ist alles sehr löblich. Doch alles, was laut Bericht in diesen Arbeitsgruppen geleistet wird, sollte von allen zusammen im gemeinsamen Ausschuss geleistet werden, unter anderem mit der ganz speziellen langfristigen Zielsetzung, die bisher sehr unterschiedlichen Leistungen der Eingliederungshilfe landesweit einheitlicher zu gestalten und die Leistungsgewährung nicht vom Wohnort abhängig zu machen. Lange Verhandlungen und Auseinandersetzungen um die finanzielle Ausgestaltung des Ausführungsgesetzes standen dem bisher im Wege, getrieben von der Sorge, dass die Kreise und kreisfreien Städte stärker in die finanzielle Verantwortung für die Eingliederungshilfe genommen werden, da sie nach wie vor die Kostenträger für die ambulanten Hilfen sind und auch für die Hilfeplanung zuständig sind.
von Menschen mit Behinderung in den Mittelpunkt stellt oder auch die allgemein zu erwartende Kostensteigerung in diesem Bereich. Dazu hat es mehrere intensive Verhandlungsrunden gegeben, an denen auch die Staatskanzlei sowie das Innen- und das Finanzministerium beteiligt waren. Dabei wurde über die Finanzierung der umsteuerungsbedingten Kostenzuwächse bei der ambulanten Hilfe Einvernehmen erzielt. Die kommunale Seite akzeptierte unter Berücksichtigung der bis dahin vorliegenden Sozialhilfeabrechnungen, dass die im Ausführungsgesetz ausgewiesenen Beträge auskömmlich sind und ein Betrag zu Finanzierung der umsteuerungsbedingten Kostenzuwächse bei der ambulanten Hilfe zur Verfügung steht. Es steht also der Unterzeichnung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages über die Bildung eines gemeinsamen Ausschusses nichts mehr im Wege.
Dennoch wollen die Kommunen mit dem Verweis auf noch offene finanzielle Risiken diesen Vertrag nicht unterzeichnen. Ich will es einmal ganz deutlich formulieren: Ein Ausführungsgesetz ist keine Vereinbarung, die man einhalten kann oder auch nicht, sondern hier handelt es sich um Gesetzgebung, und es wird erwartet, dass insbesondere dann, wenn sich alle darüber einig sind, dass die finanziellen Gegebenheiten als ausreichend anerkannt sind - und es wird ohnehin unumgänglich sein, den gemeinsamen Ausschuss zu bilden, da es zu seinen zentralen Aufgaben gehört, die Finanzierung der den Kommunen übertragenen Aufgaben transparent und verteilungsgerecht zu organisieren -, Landesrecht umgesetzt wird.
Ich appelliere also an dieser Stelle an die Kommunen, nicht länger zu zögern und zu unterschreiben. Ausgesprochen wünschenswert fände ich, wenn man sich im gemeinsamen Ausschuss darauf verständigen könnte, dass sich nicht nur die Kommunen und das Land beteiligen, sondern insbesondere auch die Reha-Träger und die Interessenvertretungen der Menschen mit Behinderung.
Ich danke der Frau Abgeordneten Franzen. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat Herr Abgeordneter Wolfgang Baasch.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will mit einem herzlichen Dankeschön an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialministeriums, aber auch an den Staatssekretär und an die Ministerin für diesen Bericht zum Stand der Umsetzung des Ausführungsgesetzes zum SGB XII beginnen. Herr Staatssekretär Dr. Körner hat ja bereits in der letzten Woche im Sozialausschuss ausführlich einen Zwischenbericht über den aktuellen Stand der Umsetzung des Ausführungsgesetzes zum SGB XII gegeben. Dabei ist zumindest für mich deutlich geworden, mit welcher Intensität die Sozialministerin und der Staatssekretär in Gesprächen mit den Kreisen und kreisfreien Städten, mit den Leistungsanbietern, den Trägern von Einrichtungen, aber auch mit den Betroffenen selbst die Umsetzung dieses Gesetzes begleiten.
Frau Kollegin Birk, ich habe den Eindruck gewonnen, dass in wirklich vielen Gesprächen viel Bewegung drin ist und dass der gemeinsame Ausschuss ein Ziel ist, das wir nicht nur im Gesetz festgeschrieben haben, sondern weil wir ihn umsetzen wollen. Dass da aber eine Starre ist und man überhaupt nicht zueinander kommt und dass da überhaupt nichts stattfindet, kann ich nun wirklich nicht nachvollziehen.
- Ich kann das trotzdem so nicht nachvollziehen. Ich will das auch gegenüber der Kollegin Franzen sagen. Ich hatte das Gefühl, dass dort einiges in Bewegung ist, dass allerdings der gemeinsame Ausschuss noch nicht feststeht. Das muss unser Ziel bleiben, dass der kommt. Es ist berichtet worden von Gesprächen mit den Landräten, es ist berichtet worden, dass die Stelle in Rendsburg arbeitet und dass sie, wie ich finde, mit durchaus interessanten Vorschlägen darangeht, wie dieses Gesetz auf regionaler Ebene in den Kreisen umgesetzt werden muss, weil die Kreise natürlich ein hohes Interesse haben, eine entsprechende Umsetzung zu finden. Insofern wäre es falsch, hier davon zu berichten, dass wir dort Starren aufknacken müssen. Ich glaube, es ist eher richtig, alle vernünftigen und klugen Ansätze, die es auf allen Ebenen gibt, zu unterstützen und sich konstruktiv einzumischen.
Das Ausführungsgesetz zum SGB XII ist ein Gesetz, mit dem das Land den Kreisen und kreisfreien Städten seit dem 1. Januar 2007 fast alle Aufgabenbereiche nach dem SGB XII übertragen hat. Dies bedeutet eine gewaltige Veränderung in allen Be
reichen. Es ist eine Veränderung, weil damit die Eingliederungshilfe in einer Hand bei den Kommunen gebündelt wird, und es ist eine gewaltige Änderung, weil Menschen mit Behinderung ein Recht auf Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft haben und jetzt in noch stärkerem Maße als bisher eine Teilhabeplanung mit jedem einzelnen Betroffenen geführt werden muss.
Es ist aber auch ein gewaltiger finanzieller Rahmen. Insgesamt geht es dabei um weit über 560 Millionen €, die das Land den örtlichen Trägern der Eingliederungshilfe erstattet. Dass dieses Gesetz kein Sparkonzept ist und die Neuausrichtung der Politik für Menschen mit Behinderung nicht Sparzwängen unterliegt, macht deutlich, dass wir im Landtag eine jährliche Steigerung für die Eingliederungshilfe von 3,6 % im Haushalt festgelegt haben. Dass dieser Politikbereich finanziell so ausgestattet worden ist, ist aus meiner Sicht auch einen Dank an die Finanzpolitiker im Hause wert, den ich hier als Sozialpolitiker gezielt aussprechen möchte. Damit meine ich natürlich auch in erster Linie den Vorsitzenden des Finanzausschusses. Das war eine gute Zusammenarbeit. Ein herzliches Dankeschön für die sehr effektive Arbeit!
Dass Neuerungen und Veränderungen oft auch kritische Fragen und Sorgen über die Entwicklung mit sich bringen, versteht sich fast von selbst. Ich will aber sehr wohl die Kritik und das kritische Nachfragen der Leistungsanbieter, in diesem Falle vor allem der großen Wohlfahrtsverbände, aufgreifen. Die Kündigung des Landesrahmenvertrages durch die Kreise und kreisfreien Städte hat bei den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und den Verbänden privater Anbieter von Leistungen für Menschen mit Behinderung große Sorge ausgelöst, Sorge um die zukünftige Qualität und den Umfang von Hilfen und Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderung. Dass es dabei um keine kleine Gruppe geht, macht die Zahl deutlich, dass es circa 27.000 Menschen mit Behinderung in Schleswig-Holstein sind, die von der Kündigung des Landesrahmenvertrages betroffen sind. Wir alle stehen hier in der Pflicht und in der Verantwortung, für die Menschen mit Behinderung tragfähige Rahmenbedingungen zu gestalten, die allen Betroffenen und Anspruchsberechtigten entsprechend ihrem individuellen Unterstützungsbedarf gerecht werden. Dass dabei die Verbände der Menschen mit Behinderung und die Wohlfahrtsverbände nicht nur Leistungsanbieter sind, sondern auch in vielen Fällen die sozialanwaltliche Funktion von Beratung und direkter Unterstützung übernehmen, ist für mich
Dass im Bericht gemeinsame Gespräche von kommunalen Landesverbänden und den Verbänden der Wohlfahrtspflege mit der Landesregierung angekündigt werden, ist ein sehr positives Signal, weil ich glaube, dass man über bilaterale Gespräche auch zu den Gesprächen kommen muss, wo alle gemeinsam an einem Tisch sitzen.
Insgesamt lässt sich zusammenfassen: Wir haben eine Entwicklung, in der sehr viel auf den Weg gebracht worden ist. Es entwickeln sich individuelle Teilhabepläne für Menschen mit Behinderung. Das Selbstbestimmungsrecht von Menschen mit Behinderung wird gestärkt, Angebote im Bereich von Wohnen und Arbeiten werden stärker differenziert und überhaupt ist durch die aktuelle Entwicklung der Fokus auf den Politikbereich für Menschen mit Behinderung gestärkt.
So bleibt festzuhalten, dass es in unserer Gesellschaft ganz normal ist, verschieden zu sein. Dieses Selbstverständnis gilt es, in der Umsetzung des SGB XII und des individuellen Rechtsanspruchs deutlich zu machen. Es gilt, Menschen mit Behinderung selbst, ihre Eltern, Freunde, Nachbarn, Beschäftigte in Institutionen, Einrichtungen und Verwaltungen und auf allen Ebenen der Politik davon zu überzeugen, dass Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung in allen Bereichen unseres Lebens auch für Menschen mit Behinderung gelten.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Baasch. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Dr. Heiner Garg.
Frau Präsidentin! liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das Sozialgesetzbuch XII umfasst in der Tat einen großen Aufgabenbereich mit komplexen Themen. Der Schwerpunkt dabei, den alle Vorredner angesprochen haben, ist die Eingliederungshilfe. Es sind in Schleswig-Holstein allein 27.000 Leistungsberechtigte, die hierdurch abgesichert werden. Entsprechend hoch sind die juristischen Anforderungen, die von den Kommunen bewältigt werden müssen.
Man muss es noch einmal ganz deutlich sagen: Es handelt sich beim SGB XII eben gerade nicht um ein Leistungsgesetz, sondern um ein Organisati
onsgesetz, das im Wesentlichen die Zuständigkeiten zwischen Kommunen und Land regelt, die Finanzierung eingeschlossen. In diesem Gesetz werden bislang existente unterschiedliche sachliche Zuständigkeiten beseitigt. Das klingt zunächst einmal ganz harmlos, aber die Regelungen haben es in der Tat in sich, denn mit der Übertragung der Aufgaben auf die Kommunen werden diese in die Lage versetzt, eine individualisierte Teilhabeplanung ihrer Bürger mit Behinderung zu gewährleisten. Das ist das, was als individuelle Hilfeplanung hier immer debattiert wird. Damit wird nichts anderes getan, als die Ausführung aller Aufgaben aus dem SGB XII in einer Hand zusammenzuführen.
Ziel hierbei war es - das darf man dabei nicht vergessen -, Drehtüreffekte, die allein aus der unterschiedlichen Zuständigkeitsverteilung herrühren, zu vermeiden.
Damit - das will ich an dieser Stelle bei aller Kritik, die Sie, Frau Birk, hier angebracht haben, und die ich im Übrigen teile, sagen - besteht erstmals die Chance, bisher bestehende Strukturen zu überdenken, sie aufzubrechen und neue Wege in der Teilhabeplanung zu gehen. - Das war die Theorie.
Nun kommen wir zur Praxis, Frau Ministerin! In der Praxis wird deutlich, dass wir in SchleswigHolstein von den gesetzten Zielen noch ein ganzes Stück weit entfernt sind. Was Sie hier vorgetragen haben, hat mit Optimismus wenig zu tun. Die Zustandsbeschreibung, die Sie heute dem Parlament gegeben haben, ist extrem blauäugig gewesen, um es einmal freundlich auszudrücken. Natürlich kann man bei einer solch umfassenden Umstrukturierung nicht erwarten, dass die Kommunen ihre Rolle von heute auf morgen vollständig ausfüllen. Selbst umfangreiche Einarbeitungs- und Schulungsangebote des Landes können einen reibungslosen Übergang nicht vollständig gewährleisten. Immerhin wurden Akten des Landes lastwagenweise über das Land verteilt und den Kommunen überlassen. Ich bin aber davon überzeugt, dass es sich jetzt bei der Umsetzung rächt, dass das Ausführungsgesetz im Rahmen des Haushaltsstrukturgesetzes zum Haushaltsplan 2006 gegen den erklärten Willen aller Beteiligten durchgedrückt worden ist, anstatt alle Beteiligten rechtzeitig mitzunehmen. Allein dieser Umstand hat das laufende Umsetzungsverfahren von vornherein unnötig belastet.
Anstatt gemeinsam Kriterien zu entwickeln, wie Teilhabeverfahren künftig aussehen sollen, landeseinheitliche Rahmenbedingungen zu vereinbaren,
den Landesrahmenvertrag entsprechend nachzuverhandeln und funktionierende Gremien ins Leben zu rufen, die konkrete Absprachen zwischen Leistungserbringern und Leistungsträgern überhaupt ermöglichen, waren Land und Kommunen bisher vor allem damit beschäftigt, ihre Finanzbeziehungen untereinander zu klären, obwohl gerade diese Klärung eigentlich stattgefunden haben sollte.
Alle notwendigen Entscheidungen, die bereits vor Verabschiedung des Ausführungsgesetzes hätten getroffen werden müssen, um eine einheitliche Teilhabeplanung vor Ort überhaupt zu ermöglichen, sind damit unterblieben und der in der Theorie völlig richtige Anspruch einer individuellen Teilhabeplanung droht, wenn wir uns jetzt nicht wirklich aufraffen, wenn sich die Frau Ministerin nicht wirklich aufrafft, dazu zu verkommen, dass wir in diesem Land eine Teilhabe nach Postleitzahlen bekommen. Das ist genau das Gegenteil dessen, was wir alle hier im Hause erreichen wollten.
Ich sage es noch einmal, Frau Ministerin Trauernicht. Ich meine das ganz ernst. Sie geben sich sehr optimistisch, dass in diesem Jahr noch ein neuer Landesvertrag von den Kommunen unterzeichnet wird. Ich frage Sie - dazu haben Sie nichts gesagt -: Was werden Sie unternehmen, wenn das nicht der Fall ist? Der jetzt vorgelegte Bericht - er kann lediglich ein erster Zwischenbericht sein - zeigt, dass bisher die zentrale Aufgabe, Ihre zentrale Aufgabe, die Kommunen einzubinden, weitgehend verfehlt wurde. Nun ist es Ihre Aufgabe, funktionierende Strukturen zu bilden.
Ich frage zum Beispiel einmal und will das gerne aufgreifen - da bin ich näher bei Ihnen, Frau Franzen, als bei Wolfgang Baasch, der es aus meiner Sicht auch sehr rosig sieht -: Warum wurden denn bisher Leistungserbringer und Verbände lediglich im Rahmen von Fach- und Regionalkonferenzen eingebunden, anstatt sie zusammen mit den Leistungserbringern in einem gemeinsamen Ausschuss einzubinden?
Auch da bin ich bei Ihnen und auch bei Ihnen, Frau Birk. Das steht im Gesetz, und an das Gesetz haben sich diejenigen, die es auszuführen haben, zu halten. Es muss umgesetzt werden. Da gibt es kein Vielleicht oder Irgendwann-einmal.
Anspruch auf Eingliederungshilfe haben, darunter leiden müssen, dass die Strukturen fehlen. Ich wage einmal die Prognose, dass uns das Ausführungsgesetz zum SGB XII noch einige Male hier beschäftigen wird, allein schon, um die vermeintlichen Fortschritte der Landesregierung in diesem Bereich als Parlament nachvollziehen zu können.