Protocol of the Session on June 6, 2007

Unser Rechtsstaat funktioniert auch und gerade mithilfe unserer Polizei. Und das ist gut so.

(Beifall bei SPD und CDU)

Friedliche Demonstranten müssen geschützt werden. Gewalttätige Demonstranten müssen herausgefiltert und notfalls festgenommen und festgehalten

werden. Straftäter müssen verfolgt und verurteilt werden. So muss es sein und so ist es in Rostock geschehen.

Diese glasklare Unterscheidung fehlt meines Erachtens in Ihrem Antrag, Herr Kollege Hentschel, also in dem Antrag der Fraktion der Grünen. Auch öffentlich scheint mir bundesweit die Distanzierung der Grünen von gewaltbereiten Demonstrantinnen und Demonstranten eher lau zu sein. Ich zitiere aus einem Kommentar der „Bergedorfer Zeitung“ vom vergangenen Montag mit der Überschrift „Nach Rostock“:

„Wer sich mit dem Teufel einlässt, darf sich nicht wundern, wenn der ihm die Hölle zeigt. Genau das ist in Rostock geschehen, weil die Veranstalter des G-8-Gipfel-Protestes den Krawallmachern des sogenannten Schwarzen Blocks nicht bereits im Vorfeld die rote Karte gezeigt haben. So haben einige Hundert zu allem bereite Gewalttäter kaputtgemacht, was Tausenden friedlicher Demonstranten ein wichtiges Anliegen ist. Das Unbehagen über die ausufernde Dominanz des Ökonomischen über das Menschliche, die Bekämpfung von Armut, Hunger und Krankheit in der Welt …“

- Und jetzt kommt es:

„Es wäre schön, wenn Claudia Roth, fleischgewordene Empörung der Grünen, nun auch einmal ihre Wut in Richtung Polit-Hooligans kundtut, so lautstark wie zuvor gegen die Gipfel-Sicherheitsmaßnahmen.“

(Lebhafter Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Meine Damen und Herren, genau das, eine klare Positionierung gegen gewaltbereite Polit-Hooligans, geschieht eben auch nicht im Antrag der Grünen, in dem es - das will ich gern zugeben - gut gemeint heißt, allerdings ohne dass nach Rostock noch etwas an dem Text geändert wurde:

„Der Landtag fordert die Landesregierung auf, sich für eine länderübergreifende Strategie in dem Umgang mit gewaltbereiten Demonstrantinnen und Demonstranten einzusetzen, bei der im Gegensatz zu den aktuellen Maßnahmen des Bundesinnenministers die Deeskalation im Vordergrund steht.“

Wir teilen die Auffassung, dass es keine vernünftige Alternative zur Deeskalation gibt. Aber Rostock hat gezeigt - und hoffentlich wird Heiligendamm das heute und morgen nicht erneut zeigen -, dass es professionell organisierte Gewaltüberzeugte, Gewaltbereite und Gewalttätige gibt, die die Sprache

(Klaus-Peter Puls)

der Deeskalation gar nicht verstehen wollen und nie akzeptieren und respektieren werden. Diesen wenigen unter der Vielzahl ehrlicher, friedlicher, zu schützender und zu unterstützender Demonstrantinnen und Demonstranten, diesen wenigen Gewaltverbohrten gilt es auch mit Hilfe der Polizei die unmissverständliche Sprache unseres Rechtsstaats zu verdeutlichen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Das geschieht auch durch unmissverständliche, deutliche Anträge und Beschlüsse hier im Landtag.

Herr Kollege Hentschel, Sie bestätigen allerdings diese aus meiner Sicht etwas unklare Abgrenzung der Grünen von den Gewalttätern. Habe ich vorhin richtig gehört, dass Sie von einer „paranoiden Angst“ vor Gewalttätern gesprochen haben? Genau das bestätigt das, was ich Ihnen vorher in dem Zitat schon kundgetan habe: dass eine Abgrenzung nicht da ist, Herr Kollege Hentschel.

Auch der Wortlaut Ihres Antrags im ersten Teil, wo es heißt, „Der Landtag verurteilt die wegen einer angeblich erhöhten Gefahr angeordneten Maßnahmen der Bundesregierung als übertrieben und der Situation nicht angemessen.“, ist etwas, was wir nicht akzeptieren können und was uns dazu führt, Ihren gesamten Antrag abzulehnen.

Auch der zweite Teil Ihres Antrags ist gut gemeint. Wir können ihn, was die inhaltlichen Fragen angeht, die auf dem Gipfel in Rede stehen, akzeptieren. Aber Sie selbst, Herr Kollege Hentschel, haben eben in Ihrem Wortbeitrag gesagt, die G-8-Länder hätten keine Legitimation, über Probleme der Globalisierung zu sprechen und zu entscheiden und für die armen Länder mitzusprechen und mitzuentscheiden, weil dazu - das haben Sie nicht gesagt ein völkerrechtliches Mandat erforderlich wäre. Ich teile diese rechtliche Auffassung. Aber es führt mich auch zu der Frage: Warum stellen Sie einen solchen Antrag, der in dem zweiten Teil darauf hinausläuft, dass die Landesregierung aufgefordert werden soll, die Bundesregierung aufzufordern, im Kampf gegen die Klimaveränderung ein Kernthema der deutschen G-8-Präsidentschaft zu sehen und dann darauf zu drängen, dass sich - so wörtlich - alle G-8-Staaten dazu verpflichten, die Klimaerwärmung auf plus 2 Grad zu begrenzen.

Wenn es bei dem G-8-Gipfel keine Legitimation dazu gibt, dann ist es doch überflüssig, hier einen Versuch in Richtung Verpflichtung über den Schleswig-Holsteinischen Landtag zu unternehmen.

(Beifall SPD, CDU und FDP)

Herr Kollege Hentschel, der letzte Teil Ihres Antrags lautet:

„Der Schleswig-Holsteinische Landtag fordert keinen Gipfel der schönen Worte, sondern einen der konkreten Taten.“

Insgesamt bewerte ich Ihren Antrag einmal mehr als einen Entwurf einer gut gemeinten, inhaltsschweren, aber folgenlosen Resolution. Auch deshalb lehnen wir den Antrag ab.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun deren Fraktionsvorsitzender, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Innenminister ausdrücklich für seinen Bericht. Wir werden im Ausschuss weiter über die Frage der Überstundenvergütung und über die Auswirkungen des G-8-Gipfels auf Schleswig-Holstein reden müssen. Dabei habe ich bezüglich der Überstundenvergütung die einschränkenden Worte „soweit es Mecklenburg-Vorpommern zahlt“ nicht als materielle Einschränkung verstanden.

Wichtig ist mir ein Wort des Dankes. Ich möchte mich im Namen meiner Fraktion und wohl auch im Namen des gesamten Hauses bei unseren Polizeibeamten für ihren Einsatz bei den Demonstrationen am G-8-Gipfel bedanken, die dort einen alles andere als einfachen Dienst leisten.

Die 1. Einsatzhundertschaft aus Eutin, die viele von uns bereits besucht haben, hat bei den Krawallen am letzten Wochenende, den größten Unruhen der Bundesrepublik seit 20 Jahren, einen hervorragenden Einsatz geleistet.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Die Bilanz ergibt aber bedauerlicherweise auch 21 verletzte Polizeibeamte. Drei davon sind schwer verletzt, nachdem sie von Pflastersteinen getroffen wurden, geworfen von sogenannten Autonomen. Ich empfehle, sich dazu einmal die Bilder anzusehen. Dann erkennt man, dass zum Beispiel eine Polizeibeamtin ihr Leben einem Polizeihelm verdankt, der den Aufprall einer Betonplatte auf ihrem Kopf so abgefedert hat, dass außer einer HWS nichts weiter passiert ist. Man muss sich einmal vorstellen, was passiert wäre, wenn sie keinen Helm getragen hätte.

(Klaus-Peter Puls)

Die FDP-Fraktion wünscht den verletzten Polizeibeamten baldige und vollständige Genesung. Ich kann für die im Einsatz befindlichen Kräfte nur hoffen, dass es nicht zu weiteren schwerwiegenden Verletzungen bei ihren Einsätzen kommen wird.

Eines ist nach den Einsätzen in Heiligendamm auch klar geworden: Diejenigen, die dort die friedliche Demonstration der G-8-Gegner unterlaufen haben, die mit ihrer maßlosen Gewalt die gesamte Innenstadt verwüstet haben und die als Bilanz des ersten Wochenendes vorweisen können, dass es Tausend Verletzte gab, darunter 430 Polizisten, von denen 30 schwer verletzt wurden, haben dem eigentlichen inhaltlichen Protest der 80.000 friedlichen Demonstranten gegen den Gipfel einen Bärendienst erwiesen. Sie haben auch denjenigen politischen Kräften geschadet - dazu zähle ich auch meine Fraktion -, die sich dafür eingesetzt haben, dass den Demonstranten die größtmögliche Freiheit bei ihren Protestzügen gewährt wird.

Herr Kollege Lehnert, das Bundesverfassungsgericht hat nicht die Entscheidung des OVG Greifswald bestätigt. Im Gegenteil, es wurde erklärt, dass die Begründung verfassungsrechtlich nicht tragfähig ist. Das Gericht hat seine Entscheidung, die Eilanträge abzulehnen, aber mit den aktuellen Entwicklungen, ausgelöst durch die Steinewerfer, begründet, die die polizeiliche Einschätzungslage verfassungsrechtlich bedenklich, aber gerade noch tragfähig erscheinen lassen.

Das zeigt, dass sich das Bundesverfassungsgericht nicht anders zu helfen wusste, als auf die militanten Demonstranten in einer verfassungsrechtlich bedenklichen Weise zu reagieren, um die Sicherheit in diesem Staat zu gewährleisten.

Jeder, der noch vor dem letzten Wochenende gegen unverhältnismäßiges Vorgehen der Sicherheitsbehörden protestiert hat, hat Probleme, seinen Argumenten Gehör zu verschaffen, auch wenn sie möglicherweise gar nicht so abwegig sind.

Nein, Pflastersteinewerfer tun nur eines: Sie richten Schaden an. Sie richten Schaden an Menschen, an Sachen und an der freien Demokratie an sich an. Für das Handeln dieser Personen gibt es kein Verständnis und keine Rechtfertigung. Sie sind Kriminelle, denen der demokratische Rechtsstaat mit allen Mitteln das Handwerk legen muss.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann sich auch heute noch fragen, ob es überhaupt notwendig war, 100 Millionen € für einen solchen Gipfel auszugeben bei öffentlichen Haushalten, die überschul

det sind. Man kann sich fragen, warum man für ein solches Treffen Polizeibeamte in einen Einsatz schickt, bei denen man vorher weiß, dass erhebliche Gefahren für deren Gesundheit besteht. Man kann sich fragen, ob solche eher prestigeträchtigen Treffen beim heutigen Stand der technischen Kommunikation überhaupt noch vermittelbar sind. Es stört mich schon, dass wir nun ein Bild vor Augen haben, dass wir einen Absperrzaun errichten müssen, der von 16.000 Polizisten bewacht werden muss und die Bevölkerung von den Regierungschefs trennt. Aber ein Block von 2.000 Autonomen bei 80.000 Demonstranten macht es nunmehr schwer, diese Sicherheitsmaßnahmen gänzlich infrage zu stellen.

Dabei hätte alles für ein Fest der Demokratie gerichtet sein können. Auf der einen Seite die Regierungschefs mit ihrem Gipfel und auf der anderen Seite die Demonstranten, deren Recht auf freie Meinungsäußerung ein hohes Gut bleibt und auch nach den Vorkommnissen in Rostock bleiben muss. Herr Kollege Hentschel, Versammlungsfreiheit in Deutschland gibt es nur für Deutsche. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass aus dem Ostblock und aus anderen Staaten Personen eingereist sind in Vorbereitung und mit einer Gewaltbereitschaft bisher unbekannten Ausmaßes. An der polnisch-deutschen Grenze wurde ein Reisebus gestoppt mit Insassen, die mit Helmen, Schilden, Schlagstöcken und Messern bewaffnet waren, um zu der Demonstration zu reisen. Dass wir solche Leute nicht einreisen lassen dürfen, ist für mich eine Selbstverständlichkeit.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Demokratie lebt auch von Meinungsverschiedenheiten, von der Möglichkeit, über Inhalte zu streiten und über die besten Lösungen für die anstehenden Probleme zu diskutieren.

Hier kommen wir auch mal zu einer Kritik an der Handlungsweise der Sicherheitsbehörden im Vorwege der Demonstration. Was durch die Razzien im Hamburger Schanzenviertel, durch die Entnahme von Geruchsproben, durch das Durchwühlen auch von Postsendungen an Medienvertreter ausgelöst wurde, hat mit Sicherheit nicht zur Deeskalation vor dem Gipfel beigetragen. Sosehr ich unseren Landesinnenminister beglückwünsche, dass er kurz vor den Demonstrationen noch versucht hat, durch seine Erklärungen die Szene zu beruhigen, sosehr hat man doch gespürt, dass die Spannung auf beiden Seiten, Sicherheitsbehörden und Demonstranten, vor diesem Gipfel ständig anwuchs. Ich will auch hier sagen, ich bin Herrn Freiberg von der Gewerkschaft der Polizei außerordentlich dankbar,

(Wolfgang Kubicki)

dass er bei der Frage des Einsatzes von Gummigeschossen das Notwendige gesagt hat.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Der eigentliche Meinungsstreit, der in einer Demokratie geführt werden muss, ist dadurch ins Hintertreffen geraten. Es lohnt sich nämlich in diesen Tagen auch, für eine gemeinsame Weltpolitik zu streiten, die ja eher abfällig als neoliberale Globalisierungspolitik denunziert wird. Vergessen wir nicht, wo die Globalisierung ihren Anfang nahm. Das war im Europa der Jahre 1989/1990. Aber nicht nur Europa, sondern die Welt war vorher quasi in zwei Blöcke geteilt, auf der einen Seite die westliche Staatengemeinschaft und auf der anderen Seite der östliche Block unter der Führung der Sowjetunion. Mit dem Fall unserer Grenze sind sich die Menschen näher gerückt. Die militärischen Bedrohungen von Ost nach West und West nach Ost gibt es heute nicht mehr. Wir leben trotz aller Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus heute in Europa in einer stabilen Friedenszeit, die es seit Jahrhunderten so nicht gegeben hat.

Wirtschaftlich hat das natürlich auch Folgen gehabt. Es ist heute auch durch den technischen und logistischen Fortschritt ohne Weiteres möglich, Waren mit hoher Qualität in Ländern mit niedrigem Lohnniveau herzustellen und sie zeitnah in den Hochlohnländern abzusetzen. Das hat die Konsequenz, dass die Waren auf unseren Märkten ständig billiger werden, aber eben auch die entsprechenden Arbeitsplätze in unserem Land bedroht oder schon weggefallen sind. Der Markt für Millionen ist zu einem Markt für Milliarden geworden. Er verwischt alle Grenzen, lässt die Mittelschicht des Nordens zittern und die Unterschicht des Südens hoffen. Hier beginnt das Dilemma. Auf der einen Seite bietet auch für uns die zusammenwachsende Welt große Chancen, auf der anderen Seite birgt sie auch Risiken und Ungerechtigkeiten. Sie bietet Chancen beispielsweise insbesondere in Ländern der Dritten Welt, weil sie die Möglichkeit eröffnet, dass dort durch eine Auslagerung von Produktionen aus den westlichen Industriestaaten Arbeitsplätze entstehen, die Wohlstand nach sich ziehen. Bei wachsendem Wohlstand bieten diese Länder dann aber gleichzeitig künftige Absatzmärkte beispielsweise auch für unser Land, also auch Chancen für uns.

Aber die Globalisierung hat auch negative Effekte. Es ist bekannt, dass es in Indien oder in afrikanischen Staaten Kinderarbeit gibt. Dennoch tragen diese Kinder dazu bei, dass ihre Familien überleben können, dass sie Essen, Unterkunft und Kleidung haben, weil beispielsweise im AIDS-verseuchten