Protocol of the Session on May 10, 2007

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 45 auf:

Tätigkeitsbericht der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten des Landes SchleswigHolstein bei dem Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages für das Jahr 2006

Drucksache 16/1350

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten hat mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im vergangenen Jahr 3006 Eingaben bearbeitet. Davon wurden 83,8 % positiv für die Petenten abgeschlossen.

Im Namen der CDU-Landtagsfraktion danke ich Frau Wille-Handels und ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

(Beifall)

Ich will gleich eingangs, gerade nach dem Lesen des vorliegenden Berichtes, nochmals den Vorschlag meiner Fraktion wiederholen, nicht nur die Bürgerbeauftragte, sondern auch den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung beim Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtages anzusiedeln.

(Beifall bei der FDP)

Das macht Sinn. Die inhaltlichen Übereinstimmungen sind gegeben. Synergien wollen wir nutzen. Wir wollen das Geld noch zielgerichteter in Beratung und weniger in Verwaltung investieren. Die CDU Fraktion - damit kein falscher Eindruck ent

(Ministerin Ute Erdsiek-Rave)

steht - will zwei völlig unabhängige und eigenständige Beauftragte mit einer gemeinsamen Verwaltungseinheit.

Den größten Beratungsbedarf gab es - wie konnte es auch anders sein? - bei den Auswirkungen der Reformgesetzgebung Hartz IV. Während sich die größte Arbeitsmarktreform positiv auf die Beschäftigungssituation in Deutschland auswirkt, müssen wir als Sozialpolitiker feststellen, dass die Schwächeren in unserer Gesellschaft immer noch nicht ausreichend gefördert werden. Es ist daher unsere Pflicht, daran zu erinnern, dass dem Fordern auch ein verstärktes Fördern gegenübergestellt werden muss.

Die Bürgerbeauftragte weist richtigerweise erneut darauf hin, dass es keine Regelung des atypischen Bedarfes gibt. Ein so genannter atypischer Bedarf entsteht auch Hartz-IV-Empfängern im Rahmen der Ausübung des Umgangsrechtes mit einem Kind nach einer Scheidung. Wer will eigentlich bestreiten, dass dem von Frau und Kind getrennt lebenden Vater ein höherer Bedarf entsteht, wenn er beispielsweise alle 14 Tage am Wochenende sein Kind betreut? - Dieser Bedarf ist bisher nicht ausreichend abgedeckt.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Mit einer solchen Gesetzgebung, meine Damen und Herren, erweisen wir dem von einem Elternteil getrennt lebenden Kind einen Bärendienst. Wir alle formulieren, dass Familie überall dort ist, wo Eltern für Kinder Verantwortung übernehmen. Insofern gibt es hier einen ganz konkreten sozialpolitischen Handlungsbedarf.

Die Bürgerbeauftragte stellt weiter fest, dass ein Großteil von Petenten noch immer über eine mangelhafte oder sogar fehlende Beratung klagt. Vermehrt wird der Umgangston von Mitarbeitern als unfreundlich und abweisend beschrieben.

Hartz-IV-Empfänger sind keine Bittsteller und keine Almosenempfänger. Sie sind Leistungsempfänger, die zum Großteil über viele Jahre in die sozialen Sicherungssysteme eingezahlt haben. Diese Kritik trifft nur eine Minderzahl von Arbeitsgemeinschaften und eine Minderzahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Bürgerbeauftragte stellt allerdings leider auch fest, dass die mangelnde fachliche Beratung sowie das teilweise nicht akzeptable Verhalten einzelner Ansprechpartner eine Ursache der weiteren Zunahme an Petitionen ist. Dieses Fehlverhalten einzelner Mitarbeiter führt zu zahlreichen Widersprüchen und zu einer Klagewut.

Noch immer sind Hartz-IV-Bescheide unverständlich. Ich halte es im Umgang mit Hartz-IVEmpfängern für nicht akzeptabel,

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

dass in vielen Fällen den Bescheiden jegliche Erläuterungen fehlen. Das werden die Betroffenen nicht akzeptieren und die Politik darf es auch nicht.

(Beifall)

Im Tätigkeitsbericht 2004 hat die Bürgerbeauftragte die Arbeit der Servicestellen im Land beanstandet. Diese Beratungsangebote für Menschen mit Behinderung und deren Angehörige waren den Betroffenen damals nicht bekannt. Sie hatte daher vorgeschlagen, dass sich der Landtag sowie die Landesregierung mit dem damaligen Umsetzungsergebnis auseinandersetzen sollten; das haben wir getan.

Zwischenzeitlich ist ein runder Tisch bei der Deutschen Rentenversicherung Nord gegründet worden. Bürgerbeauftragte und Landesbeauftragter für Menschen mit Behinderung arbeiten dort mit. Dies ist ein weiterer Beleg für die Masse an Schnittstellen beider Beauftragtenstellen. Die Zeilen zum Ist-Zustand der Servicestellen im aktuellen Bericht der Bürgerbeauftragten beruhigen mich. Denn es heißt dort lediglich, dass davon ausgegangen wird, dass die Arbeit des runden Tisches dazu beiträgt, dass die Servicestellen die gesetzlichen Aufgaben noch besser erfüllen müssen.

Das, meine Damen und Herren, ist unzureichend. Was nutzen die besten Beratungsstellen, wenn dort kaum jemand hingeht oder die Beratung nicht optimal ist? - Dieses Thema müssen wir im Sozialausschuss vertiefen.

Abschließend kann ich aus Zeitgründen nur noch auf den Bereich „Kinder- und Jugendhilfe“ eingehen: Die Zahl der Eingaben liegt um 26 % über der des Vorjahres.

Eine große Zahl der Eingaben befasste sich mit der Kostenübernahme für die Schulbegleitung behinderter Schülerinnen und Schüler. Hier stellte die Bürgerbeauftragte in einzelnen Fällen fest, dass die beteiligten Jugendämter die Stundenzahl ohne beziehungsweise ohne hinreichende Begründung und gegen die fachliche Empfehlung der Schule zu niedrig ansetzen. Auch dieses Thema müssen wir im Sozialausschuss vertiefen. Denn der Grad der Integration und die Teilhabe von Menschen mit Behinderung sind die Messlatte einer wirklich humanen Gesellschaft.

(Beifall)

(Torsten Geerdts)

Ich bedanke mich nochmals bei Frau Wille-Handels und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in ihrem Büro. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit und die weitere Diskussion im Sozialausschuss.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts. Das Präsidium begrüßt zu diesem Tagesordnungspunkt auf der Tribüne die Bürgerbeauftragte, Frau Wille-Handels. - Herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die SPD-Fraktion erteile ich nun Herrn Abgeordneten Wolfgang Baasch das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wille-Handels, ich möchte Ihnen auch in diesem Jahr im Namen der SPD-Fraktion ganz herzlich für den vorliegenden Tätigkeitsbericht danken. Es ist ein Bericht, der auch in diesem Jahr einen umfassenden Einblick in die direkte und bürgernahe Arbeit der Bürgerbeauftragten gibt und zugleich einen detaillierten Aufriss der vielen Probleme, die ein Mensch in unserem Sozialstaat haben kann, darstellt. Herzlichen Dank dafür!

(Beifall bei SPD und CDU)

Nahezu 3.000 Eingaben in einem Jahr machen deutlich, wie notwendig eine unabhängige, die Interessen der Menschen aufnehmende Beratungsstelle wie die der Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten ist.

Eine Quote von 83,8 % der Eingaben, denen positiv geholfen werden konnte, ist zum einen ein hervorragendes Ergebnis der Arbeit Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Frau Wille-Handels. Zum anderen ist sie eine vor allem richtige und wirksame Unterstützung für den einzelnen Petenten, der sich sonst vielleicht nicht in unserem Sozialstaat zurechtgefunden hätte. Auch an dieser Stelle spreche ich noch einmal ein großes Dankeschön an Sie und Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die geleistete Arbeit aus.

Im Bericht wird unter Punkt 3, „Besonderes Thema“, das zweite Jahr SGB II/Hartz IV näher beleuchtet. In dem Bericht wird auch für das Jahr 2006 festgehalten - ich zitiere -:

„Ein Großteil der Petenten beklagte weiterhin die mangelhafte oder fehlende Beratung, einen unfreundlichen und abweisenden Umgangston von Mitarbeitern, die Art und Dau

er der Bearbeitung, die schwere Erreichbarkeit der persönlichen Ansprechpartner und insbesondere immer wieder die Unverständlichkeit der Bescheide.“

Bei dieser Feststellung verwundert es nicht, dass sich über ein Drittel aller Eingaben bei der Bürgerbeauftragten auf den Themenbereich SGB II konzentrieren.

Es ist ebenso erschreckend, dass sich die Praxis der unzureichenden Beratung und der schlechten beziehungsweise nicht transparenten Nachvollziehbarkeit von Bescheiden der Arbeitsgemeinschaften und der Optionskommunen kaum verändert haben, zumal dieses bereits im Abschlussbericht des Ombudsrates zum SGB II festgehalten wurde.

Der Ombudsrat hat in seinem Abschlussbericht kritisiert, dass auch anderthalb Jahre nach Einführung des Arbeitslosengeldes II noch keine besser verständlichen Bescheide entwickelt worden sind. Solange die Bescheide in einer Sprache abgefasst sind, die für die Mehrheit der Betroffenen schwer verständlich ist, dürfen daraus resultierende falsche Interpretationen nicht allein zulasten der Betroffenen gehen. Der Ombudsrat forderte damals bürgerfreundliche Verfahren und klare und nachvollziehbare Bescheide.

Ich glaube, dass mit einer Umsetzung entsprechender Forderungen des Ombudsrates oder auch der Forderungen, die im Bericht der Bürgerbeauftragten zu lesen sind, viele Verfahren ihre Grundlage verlieren würden.

Dass dies dringend notwendig ist, zeigt aber auch ein Blick auf die Entwicklung der Arbeitsmarktlage. Natürlich können wir erfreulicherweise feststellen, dass sich die Situation am Arbeitsmarkt deutlich verbessert hat. Gleichzeitig bleibt aber auch festzuhalten, dass für einen Teil der Langzeitarbeitslosen eine Rückkehr in den sogenannten ersten Arbeitsmarkt kaum oder gar nicht realistisch ist. Hier wird es auch in Zukunft viele Menschen geben, die auf Hilfe und Unterstützung nach dem SGB II angewiesen sind. Wer, wie wir Sozialdemokraten, die Begriffe „Fördern“ und „Fordern“ ernst nimmt, muss dafür sorgen, dass Beratung und Unterstützung, wie sie nach dem SGB II vorgesehen sind, wirksam und vor allem in Übereinstimmung mit den Betroffenen umgesetzt werden.

Der ausschließliche Verweis auf die sogenannten „Ein-Euro-Jobs“ ist zum Beispiel keine Lösung, da dieses Instrument nicht direkt zurück in den ersten Arbeitsmarkt führt, sondern im Wesentlichen als Test für die Arbeitsbereitschaft angesehen wird.

(Torsten Geerdts)

(Vereinzelter Beifall)

Die Änderungsvorschläge der Bürgerbeauftragten in diesen Bereichen machen deutlich, dass hier akuter Regelungsbedarf besteht.