Protocol of the Session on May 10, 2007

Gleichwohl eröffne ich die Aussprache. Gemäß der Übereinkunft zwischen den Fraktionen ist vorgesehen, dass zunächst Frau Abgeordnete Birk für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort erhält.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir haben uns auf dieses Verfahren geeinigt. Es ist ein wenig ungewöhnlich. Denn normalerweise stimmt man nach der Debatte ab. Sei es drum. Das Thema ist offensichtlich für alle beteiligten Fraktionen wichtig genug, dass wir uns damit noch vor der Vorlage des Berichts im Dezember fachlich beschäftigen. Ich danke für diesen Konsens.

Denn der Landtag kann und muss mit der Alkoholprävention jetzt Zeichen setzen. Das Thema ist gerade in den letzten Wochen aufgrund von bedauerlichen Todesfällen von jungen Leuten in der breiten Öffentlichkeit. Ich denke, wir sollten die in der Öffentlichkeit vorhandene große Sensibilität nun nutzen, um zu produktiven Maßnahmen zu kommen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alkohol ist in der breiten öffentlichen Wahrnehmung mit Geselligkeit, Genuss, Spaß und Entspannung verbunden. Wir erinnern uns daran, wie der bayrische Ministerpräsident Stoiber dafür verspottet

wurde, dass er bei einer Bierzeltrede heimlich Kamillentee aus seiner Maß trank.

Ein Politiker, der einen ordentlichen Schluck vertragen kann, gilt als volkstümlich und bürgernah. Wer will sich da schon öffentlich der Lustfeindlichkeit bezichtigen lassen und den Bürgerinnen und Bürgern die öffentliche Hand über den Maßkrug halten?

Doch der Alkoholkonsum als integraler Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens hat eine dramatische Kehrseite: Mehr als 10 Millionen Menschen trinken in Deutschland riskant zu viel. Auf fast 15.000 Totenscheinen stand im Jahr 2005 „Alkoholabhängigkeit“ als Todesursache, obwohl viele Fachleute mit Blick auf die Angehörigen so etwas nicht gerne aufschreiben. Die Dunkelziffer ist also größer.

Wir diskutieren die breite Akzeptanz von maßvollem Alkoholkonsum und das Problem des Alkoholismus immer gerne so, als ob das eine mit dem anderen nichts zu tun hätte. Aber gerade die Entwicklung des Jugendalkoholismus zeigt uns: Wir als Gesellschaft ernten mit diesem Problem das, was wir selbst gesät haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

„Trinken bis zum Umfallen“, „Komasaufen“, „Sich mal richtig abschießen“ - das ist ein internationales Problem unter immer jüngeren Jugendlichen. Zwar stagnieren die Zahlen des Alkoholkonsums bei jungen Leuten, aber die Zahl derjenigen, die sich in sehr jungem Alter diesem Komasaufen hingeben, steigt. Und genau das ist heute unser Thema.

Dieser Jugendalkoholismus zieht sich durch alle Schichten und er ist ein höchst einträgliches Geschäft. Sogenannte Happy Hours am Nachmittag,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nur für Senio- ren!)

also die Long Drinks zum halben Preis, oder Flatrate-Partys am Abend sind nur der Gipfel des Zynismus in einem Gewerbe, das sich auf die Neugierde der Jugendlichen auf Grenzerfahrungen stürzt und sie sich gezielt zunutze macht.

Es ist nicht nur für Senioren, Herr Kubicki. Gerade diese Flatrates am Nachmittag werden in Cafés und an Bushaltestellen durchaus von 14-Jährigen wahrgenommen und das ist das Problem.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: An Bushaltestel- len? - Das ist dann wohl die Rausch-Hour und nicht die Rushhour!)

Die Alkohol-Flatrates in der Nacht widersprechen meiner Meinung auch dem Gebot des Gaststätten

(Präsident Martin Kayenburg)

gesetzes, Angetrunkenen nichts mehr zu geben. Denn diese Flatrates ermutigen geradezu dazu, sich sehr schnell zu besaufen.

Wir Grünen wollen diesem Trend nicht tatenlos zusehen. Wir können es nicht zulassen, dass unerfahrene Jugendliche - wie es neulich geschehen ist aufgrund einer solcher Geschäftemacherei zu Tode kommen.

Es ist nämlich leider nicht so, dass Jugendliche nach dem ersten schweren Rausch von der Sache ablassen. Hier möchte ich gleich vorausschauend auf den vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen sagen: Ja, es ist richtig und wichtig: Wenn Jugendliche nach dem ersten Rausch aufwachen, müssen Fachleute an ihrem Bett sitzen und mit ihnen einen Plan machen, wie dieses nicht mehr passiert; das ist ein wichtiger Teil dieses Antrags.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erfolgreich hat der Landtag in der letzten Legislaturperiode dazu beigetragen, dass die Alkoholpops ihren Marktanteil bei jungen Leuten aufgrund einer höheren Besteuerung deutlich eingebußt haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Die mixen sich das jetzt selber!)

Auch beim Rauchen haben wir Positivzeichen gesetzt. Von daher sollten wir jetzt auch beim Alkohol so vorgehen.

Meine Zeit geht zu Ende. - Ich denke, wir sollten uns in der Debatte auf Folgendes verständigen:

Erstens. Es ist wichtig, dass wir konkrete Maßnahmen beschließen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Insofern haben wir mit unserem niedrigschwelligen Berichtsantrag versucht, einmal anders vorzugehen. Denn beim letzten Mal hat Sie bei Beschlüssen zum Thema Rauchen der Mut verlassen. Jetzt haben Sie diesen Berichtsantrag Ihrerseits mit Beschlüssen der Großen Koalition getoppt. Ich hoffe, dass wir mit diesem niedrigschwelligen Konzept zukünftig Erfolg haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn die Regierung im Dezember über Erfolge berichtet, werden wir das Thema Flatrate sicherlich erneut aufgreifen. Und falls die freiwilligen Maßnahmen keine Wirkung zeigen, wird - da können Sie sich sicher sein - unsere Fraktion über andere Maßnahmen nachdenken.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU: Oh!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf der Tribüne begrüßen wir ganz herzlich Mitglieder des CDUOrtsverbands Bargteheide. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall - Dr. Heiner Garg [FDP]: Für die sollten wir mal eine Flatrateparty anbieten! - Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Für die Fraktion der CDU hat nunmehr Frau Abgeordnete Frauke Tengler das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU-Fraktion ebenso wie, da bin ich sicher, das ganze Haus nehmen die Auswirkungen von Flatratepartys, der Happy Hours, des Binge-Drinkings und des Komasaufens sehr ernst.

(Zuruf von der SPD)

- Dazu komme ich noch. - Insofern ist es gut, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dieses thematisiert. Im Fokus des Drogen- und Suchtberichts der Bundesregierung vom Mai 2007 steht der Alkoholkonsum bei Jugendlichen. Diese Darstellung, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann keinen Erwachsenen kalt lassen:

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Danke. - 20 % der Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 25 Jahren trinken regelmäßig Alkohol. Generell zeigt der Datenvergleich zum Alkoholmissbrauch der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung jedoch eine positive Tendenz, nämlich den Rückgang des Alkoholkonsums bei Jugendlichen, der von 2004 auf 2005 festzustellen ist. Zwar trinken zufolge den Ergebnissen der BZgA weniger Jugendliche regelmäßig Alkohol, diejenigen Jugendlichen jedoch, die die Alkohol trinken, trinken förmlich, bis der Arzt kommt. Entsprechende Berichte aus der Presse sind uns gegenwärtig. So wurden im Jahr 2005 27.000 Zehn- bis 15-Jährige mit Symptomen abnormem Alkoholkonsums in deutsche Kliniken eingeliefert, die dort dann stationär entgiftet werden mussten. Vor fünf Jahren war diese Zahl nur halb so hoch.

Unsere Landesregierung nimmt dieses Thema außerordentlich ernst, allen voran unser Ministerpräsident. Er hat gemeinsam mit dem Deutschen Schaustellerbund eine Aktion gegen Jugendalkoholismus ins Leben gerufen, die unter dem Slogan steht: „Schleswig-Holstein feiert richtig!“

(Beifall bei CDU und SPD)

(Angelika Birk)

- Das ist doch einen Applaus wert. - Genau dieses Aktionsbündnis gegen Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen wollen die Koalitionsfraktionen unterstützten und gemeinsam mit der Landesregierung weiterentwickeln. Dem dient unser Antrag. Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir fordern, dass die Jugendschutzbestimmungen und das Gaststättenrecht konsequent angewendet werden.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Ja, das ist der Punkt! - Wolfgang Kubicki [FDP]: Eben!)

Wir halten eine Vereinbarung zur freiwilligen Selbstverpflichtung mit dem Bundesverbund Deutscher Discotheken und Tanzbetriebe im DEHOGA im Sinne des Antrags für außerordentlich wünschenswert. Von Herrn Barth, DEHOGA Schleswig-Holstein, weiß ich, dass DEHOGA-Mitglieder kein Interesse an den sogenannten Flatratparties haben. Die Vereinbarung zur freiwilligen Selbstverpflichtung sollte auch für andere Veranstalter wie zum Beispiel Scheunenfeten und P.O.E's gelten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Für die Feuer- wehr!)

Wie der heutigen Pressemitteilung des DEHOGA zu entnehmen ist, unterstützt die DEHOGA eben dieses Anliegen. Ich darf kurz zitieren:

„Kein Einlass für Jugendliche unter 18 Jahren zu Flatrateparties, bei denen spirituosenhaltige Getränke zu einem Festpreis ausgeschenkt werden.“

(Zuruf von der SPD)

Zu Ziffer 5 unseres Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eine Ergänzung nötig.