Protocol of the Session on February 22, 2007

Das könnte übrigens auch durch die neue Verfassung geregelt werden - ein Grund mehr, dass sie bald in Kraft tritt.

Insgesamt aber ist das 7. Forschungsrahmenprogramm eine Chance für Europa und - wie der Bericht eindrucksvoll belegt - auch für Forschung und Wissenschaft in Schleswig-Holstein. Lassen Sie uns diese Chance nutzen.

(Beifall bei SPD, CDU, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Fraktion der FDP erhält Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf dem europäischen Gipfel in Lissabon haben die Regierungen der damals 15 Mitgliedstaaten der EU im

(Rolf Fischer)

März 2000 das Ziel formuliert und beschlossen, Europa bis zum Jahre 2010 zum „wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt“ zu machen. Dazu sollte unter anderem der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung innerhalb der EU auf 3 % des Bruttoinlandprodukts angehoben werden.

Nun sind mittlerweile zwei Drittel der angesprochenen Dekade bis 2010 „abgearbeitet“ worden, und wir liegen EU-weit nach wie vor bei 1,9 % des Bruttoinlandprodukts, in Deutschland etwas besser, bei 2,5 %. Die Steigerungsraten des Forschungsbudgets müssten sechsmal so hoch sein wie bisher, wenn man das gesetzte Ziel noch erreichen wollte. Jemand hat einmal nachgerechnet. Wenn das im bisherigen Tempo weitergeht, wird das für 2010 von der EU angepeilte Ziel tatsächlich im Jahre 2045, also 35 Jahre später, erreicht.

Wenn man dann weiß, dass beispielsweise China sein Budget in dem Fünfjahreszeitraum von 2000 bis 2005 auf 130 Milliarden US-Dollar verdoppelt hat - in einem Fünfjahreszeitraum verdoppelt hat -, während in Deutschland in dieser Zeit -

(Rolf Fischer [SPD]: Das ist aber schwer zu vergleichen!)

- Das ist nicht schwer zu vergleichen. - In Deutschland ist in dieser Zeit das Budget für Forschung und Entwicklung von 50 Milliarden € auf etwa 60 Milliarden € angestiegen, wobei sich dieses Budget im Bereich der Forschung und Entwicklung öffentliche Geldgeber und private Wirtschaft zudem noch teilen.

Mit anderen Worten: Auch hier ist ein gewisser Fortschritt erkennbar, aber in dem gleichen Zeitraum haben uns andere, die aufholen, in einer Weise überholt und sind auch, was das Forschungsbudget betrifft, so an uns vorbeigezogen, dass es schon bemerkenswert ist.

So anerkennenswert die Steigerung des Forschungsbudgets im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU auch ist - das will ich gar nicht infrage stellen -, mit dem Tempo wie bisher werden wir die selbst gesetzten Ziele nicht erreichen und wir werden es nicht schaffen, mit unseren internationalen Konkurrenten mitzuhalten.

Ich will ein Beispiel nennen. Anfang der 80er-Jahre kamen von zehn neu entwickelten Medikamenten sieben aus Europa. Die Pharmaforschung ist aber in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten zu einem guten Teil abgewandert. Heute ist das Verhältnis genau umgekehrt: Sieben von zehn neuen Medikamenten kommen aus den USA. Das ist das Problem.

Wenn Sie junge Akademiker fragen - Mc Kinsey hat vor einiger Zeit eine solche Umfrage gemacht -, so sagen 56 %, sie würden sofort für einen Arbeitsplatz ins Ausland gehen, in die USA abwandern, würde ihnen ein Job angeboten.

Diesen Entwicklungen gegenzusteuern, erfordert weitaus größere Kraftanstrengungen, als sie die Europäische Union, aber auch die Mitgliedstaaten, auch die Bundesländer in Deutschland, bisher unternommen haben.

Nun setzt das neue EU-Forschungsrahmenprogramm eine Reihe neuer Akzente. Ich will das jetzt nicht im Detail auffächern, aber ein wesentlicher Punkt ist sicherlich die Einführung des Europäischen Forschungsrates als einer Förderinstitution analog zur Deutschen Forschungsgemeinschaft, als einer von der Wissenschaft selbst getragenen Förderinstitution, die ein hohes Maß an Autonomie gegenüber der Politik hat. Da sagt also nicht die Politik: Forscht einmal hier und forscht einmal da. Vielmehr entwickeln sich Entscheidungsprozesse aus der Wissenschaft selbst heraus.

Nun beginnt der Forschungsrat in diesem Jahr mit einem vergleichsweise bescheidenen Startbudget in Höhe von 300 Millionen €. Das steigert sich sukzessive auf jährlich 1 Milliarde. Dazu muss man wissen: Die einzelnen Forschungsförderinstitutionen der EU-Mitgliedstaaten verfügen zusammengenommen über ein jährliches Budget von 20 Milliarden €. Im Vergleich dazu ist diese eine Milliarde, die nunmehr dem Europäischen Forschungsrat für die ganze EU zur Verfügung steht, natürlich nur ein begrenzter Beitrag. Deshalb ist es sicherlich richtig, dass man bei der Verwendung der Mittel nicht nach dem Prinzip „more of the same“ vorgeht und sich in vielen einzelnen Dingen verzettelt, sondern dass man zentral bei wesentlichen Punkten ansetzt.

Einer der beiden Schwerpunkte ist die Förderung von Nachwuchswissenschaftlern, also das Ziel, über sogenannte Nachwuchsgruppen die Förderung früher Selbstständigkeit zu erreichen und damit Nachwuchsforscher auch in der EU zu halten und ihrer Abwanderung entgegenzuwirken. Das halte ich für einen sehr vernünftigen Ansatz. Wir sollten darauf hinwirken, dass junge Forscherinnen und Forscher aus Schleswig-Holstein möglichst viel an diesen Möglichkeiten partizipieren.

(Beifall bei FDP, CDU und SPD)

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich, anders als angemeldet, dem Herrn Kollegen Detlef Matthiessen das Wort.

(Dr. Ekkehard Klug)

Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Wir bedanken uns bei der Landesregierung für diesen Bericht zum 7. Forschungsrahmenprogramm der EU für den Zeitraum 2007 bis 2013.

Die Summe von 34,5 Millionen € eingeworbener Mittel unterstreicht die Bedeutung des Programms auch für Schleswig-Holstein. 62 verschiedene Akteure aus Wirtschaft und Wissenschaft im Lande profitieren davon.

In der Liste findet sich vieles, Energieprojekte finden sich allerdings viel zu wenig. Hierauf komme ich später zurück.

Im Rahmen der überarbeiteten Lissabon-Strategie spielt die Forschungspolitik eine zentrale Rolle. Sie soll auch Beschäftigungswachstum fördern. Die Absicht ist gut, das Ziel wird im 7. Forschungsrahmenprogramm allerdings nicht durchgängig erreicht. Die Kommission konzentriert sich auf Felder, die zwar auf eine gute Lobbyarbeit von Konzernen und Großforschungszentren schließen lassen, die aber nur einen geringen Beitrag für die europäischen Volkswirtschaften leisten. Nur wenn es gelingt, Forschung an den Bedürfnissen von Wirtschaft und Gesellschaft auszurichten, wird die Lissabon-Strategie auch tatsächlich Erfolg haben können. Wir stellen sie also nicht generell infrage. Aber ich denke, man muss insoweit an verschiedenen Stellschrauben drehen.

Ich sehe den sogenannten Top-down-Ansatz kritisch. Auf europäischer Ebene wird entschieden, wo in Europa die besten Ressourcen hinsichtlich Ausbildung und Forschung auf einem Gebiet zusammengezogen werden sollen. Die Föderalismusreform in der Bundesrepublik hat auf der anderen Seite festgelegt, dass die Bundesregierung im Hinblick auf Lehre und Studium weder auf der nationalen noch auf der europäischen Ebene mitreden soll. Insoweit steht die EU-Struktur im Gegensatz zur Länderstruktur in Deutschland. Wie wir unsere Landesinteressen in Zukunft noch besser wahrnehmen können, darüber möchte ich vor diesem Hintergrund im Ausschuss gern diskutieren.

In dem Bericht ist zu lesen, dass der Bereich der Atomforschung milliardenschwer gefördert wird. Der Kollege Fischer hat das schon angesprochen. Das ist weggeworfenes Geld, meine Damen und Herren.

(Manfred Ritzek [CDU]: Na, ja!)

- Das ist weggeworfenes Geld. Es ist eine völlig untragbare Behauptung der Kommission, dass die

Kernfusion schon in wenigen Jahrzehnten einen relevanten Beitrag zur Energieversorgung leisten könne. Dabei wird selbst von den Fusionsforschern vor Mitte des Jahrzehnts nicht mit dem ersten kommerziellen Reaktor gerechnet. Diese haben - Herr Kollege Ritzek, hören Sie einmal genau zu - den Zeitraum bis zur wirtschaftlichen Anwendbarkeit über Jahrzehnte hinweg immer mit drei Jahrzehnten angegeben. Man sollte jedoch erwarten, dass im Verlaufe von 20 Jahren aus drei Jahrzehnten einmal zehn Jahre werden. Eine wirtschaftliche Nutzung ist also über große Zeiträume hinweg noch nicht zu erwarten.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Die Ziele, die wir alle in der Klimadebatte diskutiert haben, sind auf 2020 und 2030 terminiert, also auf einen Zeitraum, von dem selbst jene, die jetzt im Forschungsbereich Milliarden verschlingen von sich selbst behaupten, innerhalb dessen kämen sie nicht zu Potte. Daher sage ich: Angesichts der Lösungen, die wir erarbeiten müssten, ist dies weggeworfenes Geld.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Meine Damen und Herren, diese Fusionsforscher haben etwas von Wunderheilern an sich und lassen sich ihre unhaltbaren Versprechen milliardenschwer bezahlen.

Aber selbst mit diesem Selbstbetrug ließe sich nicht rechtfertigen, dass im Vergleich zu jedem zusätzlichen Euro für erneuerbare Energien zehn zusätzliche Euro für Euratom fließen sollen. Insgesamt stellt dies eine Disparität dar. Dies betrifft wirklich lange Zeiträume der Energieforschung. Über dieses Rahmenprogramm wird ja viel gefördert, aber die Energieforschung in Europa ist immer noch zu 80 % Atomforschung. Dies führt in eine völlig verkehrte Richtung, meine Damen und Herren,

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

obwohl wir erfreulicherweise in Schleswig-Holstein auch einige Anträge im Rahmen der Energieforschung abgearbeitet sehen. Diese ist ja ein wichtiger Schwerpunkt.

Vor drei Wochen habe ich ein Expertengespräch veranstaltet. Das Ergebnis war, dass eine Stromversorgung Europas auf erneuerbaren Energien möglich ist, und zwar vollständig. Daher habe ich meine Veranstaltung „100 Prozent“ genannt. Das ist das Ziel, das wir technisch erreichen können, das wir ökologisch erreichen müssen und das wir wirt

schaftlich günstiger darstellen können als jeden fossilen oder atomaren Weg.

Die notwendige ökologische Energiewende bedeutet einen radikalen Umbau unserer Wirtschaft. Mit der Lissabon-Strategie will die Europäische Union bis 2010 der stärkste und innovativste Standort der Welt werden.

Die Energiewende bietet dazu mit der größten strategischen Bedeutung und mit überragenden Perspektiven die Chance. Eine Versorgung zu 100 % aus erneuerbaren Energien ist in Europa zum Beispiel im Strombereich möglich. Wir benötigen im europäischen Forschungsrahmenprogramm einen sehr starken eigenen Forschungsschwerpunkt für erneuerbare Energien.

Wir haben mit Professor Schaffarzyc in SchleswigHolstein einen eigenen Forschungsverbund Windenergie. Wir haben um Professor Helmuth eine Biomassegruppe -

Mit der Redezeit ist es das Gleiche wie mit der Forschung: Sie ist abgelaufen!

Danke schön, Herr Präsident, ich komme zum letzten Satz: Wir haben Leichtmaterialien und wir sind auf dem Gebiet der Entsalzung und auf vielen anderen Gebieten gut. Dafür müssen wir unsere Forschungsmittel erschließen. Die Bereitschaft zu wissenschaftlichem Engagement, die hier gezeigt wird, dürfen wir nicht vertrocknen lassen. In diese Richtung muss die Zukunft gehen. Die Landesregierung muss hier Druck machen!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich der Frau Vorsitzenden, Frau Abgeordneter Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Eine Bemerkung mehr und ich halte die ganze Rede! Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden über diesen Bericht noch im Ausschuss diskutieren. Aus meiner Sicht sollten dabei drei Punkte eine Rolle spielen: Erstens. Die Frage ist, wie die ambitiösen Ziele dieses Forschungsprogramms mit der Tatsache zusammenpassen, dass sie - wenn es um Forschungsbudgets geht - immer

noch hinter dem Ziel hinterherhinken, das von der EU mit der Lissabon-Strategie vorgegeben worden ist. Zweitens. Ein weiterer Problembereich ist aus unserer Sicht auch das komplizierte Ausschreibungs- und Antragsverfahren. Ich würde vom Minister im Ausschuss gern noch einmal hören, ob es dort Spielräume gibt. Drittens. Im Bericht steht: Die Möglichkeiten für Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Unternehmen, Fördermittel für Forschung einzuwerben, sind von regionalen Programmen zunehmend auf überregionale Programme verlagert worden und werden von regionalen Programmen auf überregionale Programme verlagert. Das ist etwas, was für Schleswig-Holstein eine besonders komplizierte und schwierige Entwicklung darstellt. Im Ausschuss sollte geklärt werden, wie wir mit dieser Entwicklung umgehen können. Gibt es - längerfristig gesehen - eine Möglichkeit für Veränderungen in diesem Bereich? Wenn man die Stärken Europas stärken will, dann muss man natürlich auch dafür sorgen, dass dies nicht nur für die Stärken der Zentren gilt. Von daher gibt es einige Diskussionsthemen für die Ausschussberatungen.

Liebe Kollegin Schwalm, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit

(Beifall bei SSW, SPD und CDU)