Denn es ist schon bemerkenswert, mit welcher Beharrlichkeit am ideologisch motivierten Ausstieg aus der Kernenergie festgehalten wird, wissend, dass gerade sie derzeit einen gravierenden Beitrag zum Klimaschutz leistet.
Auch Kohlekraftwerke werden abgelehnt. Die Grünen tun gerade so, als wenn der Begriff der Grundlastfähigkeit in der Energieversorgung gar nicht vorkommen würde.
Bei all dem - vor allem mit Blick auf die Ausführungen zur internationalen Situation, die ich anfangs machte - dürfen wir nicht vergessen, dass Energie auch bezahlbar bleiben muss.
Im Antrag der Grünen wird von der Landesregierung weiter gefordert, die erwarteten Veränderungen infolge des Klimawandels bei Meeresspiegelhöhe, Niederschlägen, Windgeschwindigkeiten und sonstigen umweltrelevanten Faktoren in den kommenden 50 bis 100 Jahren darzulegen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wären manchmal froh, wenn das Wetter der nächsten Woche einigermaßen präzise vorhergesagt würde. Was hier gefordert wird, ist nicht leistbar, ist nicht wissenschaftlich, sondern weitgehend Spekulation und Kaffeesatzleserei.
Ein möglicher Anstieg des Meeresspiegels hat natürlich gerade für Schleswig-Holstein erhebliche Bedeutung. Deshalb ist es richtig - wie es der Minister bei verschiedenen Gelegenheiten auch schon dargestellt hat -, dass wir ihn mit großer Sorgfalt und Vorsicht in die Planungen des Küstenschutzes mit einbeziehen.
Zu Ihrer Forderung nach einem Ausstieg aus der Kohleförderung brauche ich inhaltlich wohl nichts mehr zu sagen. Auch hier hat Sie die Union inzwischen überholt. Gleiches gilt für ambitionierte Ziele zur Gebäudesanierung. Das Ziel ist richtig, der Weg ist aber längst eingeschlagen worden.
Wir sollten gerade in diesem Landtag, der hart daran arbeitet, wieder zu einem verfassungskonformen Haushalt zu kommen, aufpassen, dass wir keine unerfüllbaren Erwartungen wecken. Es ist nämlich nicht nur unrealistisch, es hemmt auch die dringend benötigte Initiative Dritter, wenn wir den Eindruck erwecken, alles selbst regeln zu können.
(Detlef Matthiessen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch einmal etwas zum Bau von neuen Kohlekraftwerken!)
Unter Berücksichtigung dieser Rahmenbedingungen können wir im Ausschuss gern darüber diskutieren, ob zum Beispiel der gesamte Fuhrpark der Landesverwaltung auf Fahrzeuge mit reduzierten CO2-Emissionen, wie zum Beispiel Hybridfahrzeuge, umgestellt werden sollte.
Aber die Fraktion der Grünen könnte hier ja auch mit gutem Beispiel vorangehen und zum Beispiel einen kleineren Dienstwagen als einen A 8 beanspruchen.
Sie befinden sich da in guter Gesellschaft. Auch die grüne Führung in Berlin fährt BMW und will dies so Presseaussagen - weiter tun. So appelliert der Grünen-Vorsitzende Bütikofer an eben diesen Hersteller, er möge sich doch bitte anstrengen, energieeffizientere Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. Ich verurteile das gar nicht, denn ich finde, genau das zeigt, wie die Praxis aussieht, wie das Leben aussieht und wie die Menschen sind. Aber da die Grünen ja offensichtlich auch gut und gern mit dieser Praxis leben, sollten sie sie auch in ihren Anträgen ein bisschen mehr berücksichtigen
und nicht Maßnahmen wie die einseitige Abschaffung der Pendlerpauschale fordern, ohne auf weitere steuerliche Rahmenbedingungen einzugehen.
Ich beantrage für beide Anträge die Überweisung in den Ausschuss für Umwelt und Agrar und für die Drucksache 16/1222 zusätzlich mitberatend in den Finanzausschuss.
Aus Sicht des Präsidiums möchte ich einmal sagen, dass es nicht ganz freundlich ist, wenn sich dem Redner minutenlang nur ein Rücken präsentiert. Ich sage das einmal so allgemein. Achten Sie bitte ein bisschen darauf!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nachdem wir zuletzt im Dezember zum Tagesordnungspunkt Klimarat die Gelegenheit hatten, im Plenum über die Folgen und Handlungsnotwendigkeiten in Bezug auf den weltweiten Klimawandel zu debattieren, hatte ich bei der Vorbereitung dieser Landtagssitzung zunächst Gelegenheit, den erfreulich kurzen und mittelfristig sicherlich umsetzbaren Antrag der Grünen zur CO2-Reduzierung zu lesen, den ich inhaltlich unterstützen kann, der aber im Ausschuss noch verbessert werden muss.
So hatte ich vor dem Lesen des zweiten Antrags der Grünen die Erwartung, ja die Hoffnung, auch auf den immerhin sieben eng beschriebenen Seiten Ihres Klimaschutzantrags konkrete Handlungsanweisungen für schleswig-holsteinische Beiträge zum Klimaschutz in Deutschland, Europa und der Welt zu lesen. Leider war dies eine grobe Fehleinschätzung, vielleicht eine Überschätzung unseres ehemaligen Koalitionspartners. Ich fand stattdessen einen umfassenden Katalog von Fragen nach Auswirkungen der Klimaveränderungen auf alle möglichen Lebens- und Politikbereiche und die Natur, dazu eine ellenlange Ansammlung von Forderungen nach Konzepten, Darstellungen, Szenarien, Instrumentarien und Kosten und schließlich die Forderung, einschlägige Initiativen gegenüber dem Bundesrat, der Bundesregierung und der EU zu unterstützen. Was für ein Bauchladen - und welche Enttäuschung!
Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen! Das reicht nicht aus, um Ihrem Anspruch zu genügen, die ökologische Partei zu sein, die die Interessen der Natur, der einen Welt und der besorgten Bürgerinnen und Bürger vertritt. Sie tun so, als gebe es zu den Folgen des Klimawandels noch nicht
genügend Erkenntnisse, als hätten sich nicht schon - entschuldigen Sie den militärischen Ausdruck ganze Heerscharen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von Politikerinnen und Politikern den Kopf zerbrochen, was die Menschen - auch hier in Schleswig-Holstein, auch hier in Kiel, in Itzehoe, Breitenfelde oder Erfde - tun müssen, um ihren Beitrag für die Klimawende, für einen wahrhaft vernünftigen Umgang mit natürlichen Ressourcen und der Energie zu leisten.
Sind die Erkenntnisse des Club of Rome, die Agenda 21 von Rio, die Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“ von BUND und Misereor oder der „Stern“-Report, um nur wenige Beispiele zu nennen, total an Ihnen vorbeigegangen?
Weil ich weiß, dass das nicht so ist, wächst mein Unverständnis und mein Unmut über den heute vorliegenden Fragen- und Forderungskatalog Ihres Klimaschutzantrages.
Kommen Sie herunter, meine Damen und Herren, von Ihrer Besserwisserei im Stil der berühmt-berüchtigten Oberlehrer - nichts gegen Lehrerinnen und Lehrer! -, die alle Antworten auf die eigenen Fragen schon kennen, und arbeiten Sie gemeinsam mit uns an umsetzbaren Wegen zur Verbesserung der Energieeffizienz, zur Begrenzung des CO2-Ausstoßes, gegen die Ausräumung und Verarmung der Landschaft, gegen die zunehmende Armut in der Welt und auch für Maßnahmen zur Sicherung gegen den steigenden Meeresspiegel und zunehmende Niederschläge! Und helfen Sie dabei, die längst überfällige Wendung unseres Koalitionspartners zumindest auf Bundesebene - hin zu einer vernunftgeleiteten Umwelt- und Klimaschutzpolitik zu verstärken!
Erfreulich ist für mich die Tatsache, dass Minister von Boetticher in der CDU auf Bundesebene im „Töpfer-Kurs" das Klimahandwerk lernen und sogar vorantreiben soll. Ich wünschte mir von Herrn von Boetticher aber auch, dass er die Forderungen zur Bedeutung der Eine-Welt-Politik, die er auf Bundesebene richtigerweise erhebt, auch für die Landespolitik anerkennt
und die Kürzungen zum Beispiel für das Bündnis Entwicklungspolitischer Initiativen schnellstmöglich aufgehoben werden. Von anderen Politikern etwas fordern, was man selbst nicht macht, ist das Gegenteil von Glaubwürdigkeit.
Meine Damen und Herren, wir haben kein Erkenntnisdefizit zum Thema Klimawandel, sondern ein weltweites Handlungsdefizit - allerdings nicht zuerst in der Bundespolitik, wo unser Umweltminister Sigmar Gabriel wie auch sein Vorgänger Jürgen Trittin verantwortungsvoll und konkret die deutsche Klimaschutzpolitik als Vorbild für Europa und weite Teil der Welt vertritt. Deutschland war seit Beginn der 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts oft ganz vorn in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik. Ganz bewusst will ich hier Gerhart Baum nennen und auch die Verdienste des früheren Umweltministers Klaus Töpfer - vor allem seine Arbeit für UNEP - würdigen.
Zukunftsfähiger Klimaschutz erfordert ein ganz breites Bündnis über alle Parteigrenzen hinweg. Die Klimawende ist die Aufgabe der Menschheit in den nächsten 20 Jahren. Wenn wir hier versagen, ist es aus und das will ich nicht, das wollen wir alle nicht. Das wollen wir nicht wegen unserer Kinder und Enkel, wegen unserer schönen Natur und wegen der nach unseren Maßstäben wahrscheinlichen Einzigartigkeit der Erde im Weltall.
In der letzten Woche hat der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltveränderungen seine umfassende Stellungnahme den Bundesministerien überreicht. Ich teile die Folgerungen für die Politik, die der Parlamentarische Staatssekretär im BMU, Michael Müller, dargestellt hat, und fordere Sie auf, meine Kolleginnen und Kollegen, darüber nachzudenken und zu sagen, wie Sie sich dazu stellen. Kollege Bernstein hat schon einiges dazu gesagt, was ich sehr beachtenswert fand, muss ich deutlich sagen.
Erstens. Die wissenschaftliche Beweislage ist eindeutig: Die wissenschaftliche Debatte um die Tatsachen und Ursachen der globalen Erwärmung ist beendet. Nach Jahrzehnten der Forschung gibt es eine erdrückende wissenschaftliche Beweislage dafür, dass der Mensch hauptverantwortlich für den gegenwärtigen Klimawandel ist.
Zweitens. Die Einhaltung der 2°-C-Leitplanke lohnt sich. Die globalen CO2-Emissionen sind seit 1990 um mehr als 20 % gestiegen und steigen weiter. Dieser Trend muss innerhalb der nächsten zehn Jahre umgekehrt werden. Hier verweise ich auf die bereits diskutierten Ergebnisse der von Sir Nicolas Stern vorgestellten Studie. Diese Studie belegt: Wenn die notwendigen Emissionsreduktionen unterlassen werden, wird ein ungebremster Klimawandel Kosten in Höhe von mindestens 5 % - ich denke, da wird ein Aufwachsen festzustellen sein des jährlichen globalen Bruttoinlandsprodukts verursachen.
Drittens. Das Kyoto-Protokoll muss an langfristigen Perspektive ausgerichtet werden. Der in dem vor zwei Jahren in Kraft getretenen Kyoto-Protokoll verfolgte Ansatz verpflichtender Reduktionsziele in Verbindung mit handelbaren Emissionszertifikaten bildet eine wichtige Säule für die notwendige globale Energiewende, indem er ökonomische Anreize für die Entwicklung und Verbreitung emissionsarmer Technologien schafft.
Viertens. Für die Industrieländer müssen ehrgeizige Reduktionsziele vereinbart werden. Die Industrieländer müssen sich angesichts ihrer hohen ProKopf-Emissionen, ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel und ihrer großen wirtschaftlichen und technologischen Leistungsfähigkeit zu überdurchschnittlichen Emissionsreduktionen verpflichten, weil der Klimawandel sonst nicht zu bremsen ist. So müssen für die zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls ehrgeizigere Ziele in der Größenordnung von 30 % effektiver Reduktion von Treibhausgasemissionen bis 2020 gegenüber 1990 übernommen werden. Deutschland sollte weiterhin bei seiner Vorbildfunktion bleiben. Ein Reduktionsziel von 40 % für Deutschland halte ich für angemessen.
Die globalen Klimaschutzziele können allerdings nur erreicht werden, wenn auch die USA ihre Treibhausgasemissionen erheblich senken und endlich dem Kyoto-Protokoll beitreten. So sehr ich mich über den Bewusstseinswandel einzelner amerikanischer Politiker freue, zum Beispiel bei Gouverneur Schwarzenegger, so muss doch ein klares Signal aus Washington für die gesamte USA kommen. Auch Australien muss dem Protokoll endlich beitreten und deutlich mehr tun, als die Glühlampen zu verbannen.
Fünftens. Wir müssen die Schwellenländer differenziert einbinden. Um auch Schwellen- und Entwicklungsländer stärker in den Klimaschutz einbinden zu können, empfiehlt der Beirat eine flexiblere Gestaltung der Verpflichtungen. Die Chance auf eine Einbindung dieser Länder wird dann erhöht, wenn sie die Option erhalten, sich anstelle zu starrer Emissionsobergrenzen auf flexible Ziele zu verpflichten. Ihre Einbindung ist angesichts ihrer hohen und weiter schnell wachsenden Gesamtemissionen unumgänglich. Insbesondere China und Indien haben in Weltwirtschaft und internationaler Politik erheblich an Gewicht gewonnen und globale Verantwortung übernommen, die auch im Klimaschutz zum Tragen kommen muss.
Angst ist ein schlechter Ratgeber. Das gilt auch in der Klimapolitik, zumal es schon aus psychologischen Gründen sehr schwer ist, die abstrakte Angst vor Umweltschäden und die Folgen für die Menschen in das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger zu rücken und ihr Handeln damit zu verändern. Was wir in Deutschland und in jedem Bundesland auch in Schleswig-Holstein - brauchen, sind Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels und konkrete Verhaltensänderungen bei jeder Bürgerin und jedem Bürger.
Was wir nicht brauchen, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, sind kleinteilige, landesspezifische Berichte und Maßnahmen. Wir brauchen allerdings auch keine erneuten Versuche, die Atomkraft wieder hoffähig zu machen.