Protocol of the Session on January 26, 2007

Letztlich geht es darum, wie die 21-jährige Erfahrung mit sozial flankierenden Arbeitsmarktmaßnahmen in Schleswig-Holstein genutzt werden kann, um ergänzende Instrumente zu entwickeln, die komplementär zu denen wirken, die im SGB II und SGB III verankert werden. Ich möchte an dieser Stelle das Wort „komplementär“ betonen. Sie sollen ergänzen. Sie sollen nicht dasselbe machen wie auf Bundesebene, sondern sie sollen an den Stellen sinnvoll ergänzen, an denen Lücken sind.

(Beifall bei des Abgeordneten Wolfgang Ku- bicki [FDP])

Wie können Langzeitarbeitslose erreicht werden, die aufgrund erheblicher Defizite auch künftig keine marktgerechte Arbeitsleistung erbringen? Welche Chancen bieten wir Jugendlichen, die dem Arbeitsmarkt zwar theoretisch zur Verfügung stehen, aber im dualen System kaum noch geeignete Ausbildungsberufe finden, da sie die theoretischen Anforderungen an einen Beruf nicht mehr bewältigen? - Hierauf sind Sie, Herr Minister, besonders eingegangen. - Welche Angebote können speziell für Menschen mit Behinderungen entwickelt werden, wenn ihnen der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund ihres Handicaps erschwert wird?

Hinsichtlich der letzten Frage kann ich mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass man Einstiegshilfen für Arbeitgeber entwickelt, um bestehende Barrieren, nicht nur in den Köpfen, sondern auch tatsächliche Barrieren am Arbeitsplatz, abzubauen. Es würde sich anbieten, entsprechende Programme gemeinsam mit Menschen mit Behinderungen zu entwickeln.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Eine erste Auswertung der Bundesagentur für Arbeit macht deutlich: Eingliederungsmaßnahmen in zeitlich befristeten oder staatlich geförderten Beschäftigungsangeboten, wie sie in den so genannten Ein-Euro-Jobs oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen angeboten werden, sind für diesen Personenkreis nur wenig geeignet. An dieser Stelle kann das Land also sehr wohl komplementär wirken.

(Beifall bei der FDP)

(Dr. Heiner Garg)

Doch zeigen die anfangs genannten Beispiele, dass es auf kommunaler Ebene viele Ansatzpunkte gibt, Arbeitsmöglichkeiten für definitiv nicht marktfähige Dienstleistungen zu schaffen - das sind die sogenannten Beschäftigungsfelder, die wir gern eröffnen möchten -, die vonseiten der Landespolitik unterstützt werden. Auch hier in Schleswig-Holstein gibt es Beispiel hierfür. Denken Sie an die sogenannten Strand-Ranger, also die Servicekräfte, die dafür sorgen, dass Urlauber Informationen erhalten, oder an Menschen, die am Bus beim Ein- und Aussteigen helfen oder meinetwegen auch ab und an einmal bei der Erstellung einer Ortschronik mitbeteiligt werden, also an Menschen, denen man die Gelegenheit gibt, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, damit sie wieder teilhaben können an dem, was gesellschaftliche Prozesse eigentlich ausmachen. Gleichzeitig entsteht der Nebeneffekt, dass sie im Rahmen ihrer Fähigkeiten für die erhaltene Transferleistung eine Gegenleistung erbringen. Dazu wollen wir gemeinsam mit Ihnen neue Instrumente des Landes entwickelt.

Weil das - in anderer Form - auch Gegenstand der letzten Debatte war, will ich sagen: Auch der Arbeitsmarkt und die Entwicklung des Arbeitsmarktes, nicht nur die der demographischen Entwicklung, zwingt uns darüber nachzudenken, wie wir bisherige Programme evaluieren, die den Wiedereinstieg bestimmter Bevölkerungsgruppen, beispielsweise den Wiedereinstieg ehemals berufstätiger Frauen, ermöglichen. Das muss nicht wie bisher erfolgen, aber ich denke, es ist sinnvoll, die Potenziale die wir haben, zu reaktivieren. Denn wir werden diese Kräfte spätestens in ein paar Jahren dringend auf dem Arbeitsmarkt brauchen.

Ich freue mich auf die anstehenden Beratungen im Arbeits- und Sozialausschuss.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Für die CDU-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Torsten Geerdts das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zunächst ein Dankeschön an den Arbeitsminister für diesen Bericht, aber auch ein Dankeschön für die Art und Weise, wie er sein Ministeramt hier in Schleswig-Holstein wahrnimmt.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich finde, dies ist an vielen Stellen sehr mutig. Manchmal, wenn Sie, Herr Döring, ans Rednerpult treten, hat man das Gefühl, die Abgeordneten sitzen hier nach dem Motto: Döring redet - bitte anschnallen! Ich finde, das machen Sie wirklich sehr gut. Sie sind sehr mutig und brechen auch Grenzen auf. Dafür nochmals ein herzliches Dankeschön.

(Beifall bei CDU und SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Bei uns muss niemand angeschnallt werden!)

Der Erfolg der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik von Bundes- und Landesregierung schlug im Jahr 2006 mit einem deutlichen Rückgang der Arbeitslosigkeit zu Buche. Für die CDU-Landtagsfraktion ist es besonders erfreulich, dass neben dem Rückgang der Zahl der Arbeitslosen um 26.000 insbesondere die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse weiter anstieg. Dieser eigentliche Indikator - 11.000 neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse - unterstreicht die Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Schleswig-Holstein bewegt sich damit sowohl beim Abbau der Arbeitslosigkeit als auch beim Schaffen neuer sozialversicherungspflichtiger Jobs deutlich über dem westdeutschen Durchschnitt.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Besonders der starke Zuwachs an Arbeitsplätzen bei den unter 25-Jährigen ist ein positives Signal.

Bundesweit ist die Arbeitslosigkeit im letzten Jahr um 600.000 zurückgegangen. Wir haben heute fast 400.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Das Wirtschaftswachstum lag im Jahr 2006 bei 2,5 %. Die Wirtschaftsdynamik hat sich gegenüber dem Vorjahr fast verdreifacht. Damit wurde die stärkste wirtschaftliche Belebung seit dem Jahr 2000 erzielt.

(Beifall des Abgeordneten Johannes Callsen [CDU])

Immer weniger Unternehmen in Schleswig-Holstein und im Bund müssen aufgeben. Neue Unternehmen mit neuen Arbeits- und Ausbildungsplätzen werden gegründet.

Wir sind auf einem guten Weg. Wir dürfen uns aber jetzt nicht ausruhen, weil die Zahlen gut sind. Die Arbeitslosigkeit auch im Jahr 2007 abzubauen, steht im Mittelpunkt aller Bemühungen. Das haben auch die bisherigen Reden deutlich gemacht.

Die Landesregierung bündelt Mittel des Europäischen Sozialfonds, des Bundes und des Landes in ihrem Arbeitsmarktprogramm „Zukunftspro

(Dr. Heiner Garg)

gramm Arbeit“. In der Förderperiode 2007 bis 2013 wird im Rahmen des neuen Ziels das gesamte Land Schleswig-Holstein erfasst. Wir wollen und wir müssen uns auf die arbeitsmarktpolitischen Prioritäten konzentrieren, die den größtmöglichen Beitrag zur Unterstützung von Wachstum und Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt erwarten lassen.

Von besonderer Bedeutung für meine Fraktion ist es, die Chancen kommender Generationen zu steigern. Jugendarbeitslosigkeit muss verhindert werden. Der dauerhafte und über Generationen gepflegte Bezug von Lohnersatzleistungen muss gebrochen werden. Die wahrscheinlich größte Herausforderung besteht darin, einem jungen Menschen, der nie erlebt hat, dass Eltern oder Großeltern morgens das Haus verlassen, um einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachzugehen und um aus eigener Kraft die Familie zu ernähren, eine Perspektive aufzuzeigen und deutlich zu machen: Es geht auch anders.

Der Normalfall ist, dass man morgens zur Arbeit geht, dass man von der Arbeit müde wird und dass man am nächsten Tag wieder aufsteht und wieder zur Arbeit geht.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Schlimm, aber wahr! So ist das!)

Meine Damen und Herren, wir müssen den Menschen die Chance geben, diese Arbeitsplätze zu finden und auch daran sollten wir härter arbeiten.

Deshalb ist für mich eines der wichtigsten Programme überhaupt das Handlungskonzept „Schule und Arbeitswelt“. Wir sollten alle gemeinsam selbstkritisch genug sein, um uns einzugestehen, dass wir in den vergangenen Jahrzehnten viel zu spät angesetzt haben, das Ziel zu erreichen, Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Unsere Programme griffen immer erst dann, wenn die jungen Menschen die Schule verlassen haben. Dann mussten wir feststellen, dass sie eigentlich nicht ausbildungsreif und auch nicht ausbildungsfähig waren.

58 Millionen € fließen in den Jahren 2007 bis 2013 in das Programm „Schule und Arbeitswelt“. Mit diesem Programm wird darauf reagiert, dass immer noch zu viele Jugendliche am Ende der Schulpflicht über keinen oder nur einen schlechten Hauptschulabschluss verfügen. In Deutschland erreicht fast jeder zehnte Schulabgänger keinen Hauptschulabschluss; bei uns in Schleswig-Holstein sind dies jährlich ungefähr 3.000 junge Menschen. Der Arbeitsminister hat Recht, wenn er die Jugendarbeitslosigkeit als das prekärste gesellschaftspolitische Problem bezeichnet.

Die CDU-Fraktion will, dass insbesondere in den letzten Klasse eine stärkere berufsorientierte Bildung stattfindet. Wir brauchen gerade für die eben genannten Schülergruppen verstärkte Berufsorientierung, mehr Praktika, Trainingsprogramme. Haupt- und Förderschüler benötigen eine Ausbildungs- und Berufsreife. Ansonsten ist der Weg in die Arbeitslosigkeit vorgezeichnet.

Mit dem gemeinsamen Programm des Arbeitsministers und der Bildungsministerin werden pro Schuljahr 5.000 Jugendliche erreicht und das ist ganz wichtig, weil wir damit Jugendarbeitslosigkeit verhindern, bevor sie überhaupt entstehen kann.

(Beifall bei der CDU)

Aber auch die weiteren Punkte des Zukunftsprogramms sind von großer Bedeutung. Es ist richtig und das war überfällig -, das Arbeitsprogramm auf die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen sowie von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu konzentrieren. Es ist zusätzlich von großer Wichtigkeit, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren, Maßnahmenteilnehmer dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren.

Als weitere Einzelbeispiele, um Menschen in Beschäftigung zu bringen, will ich aus Zeitgründen nur noch zwei Programme nennen.

Erstens. Das Institut für Arbeitsystem- und Organisationsentwicklung im Technologischen Zentrum an der Fachhochschule Lübeck hat ein Projekt entwickelt, das einen wichtigen Beitrag zum lebenslangen Lernen leistet. Die Landesregierung unterstützt dieses Projekt mit fast 700.000 €. Dies ist wichtig, meine Damen und Herren. Denn wir sind immer noch nicht die Gesellschaft, in der lebenslanges Lernen praktiziert wird. Wenn wir dies nicht hinbekommen und uns nur auf die Erstausbildung verlassen, dann werden wir feststellen, dass sich die Menschen auf dem Arbeitsmarkt nicht halten können. Von daher ist dieses Projekt meiner Meinung nach ganz besonders wichtig.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Anke Spoorendonk [SSW])

Ich komme zum zweiten Punkt. Die gemeinsame Aktion von Landesregierung und Bauernverband zur Vorbereitung und Qualifizierung von Langzeitarbeitslosen beim Einsatz als Erntehelfer ist vorbildlich. Ich freue mich über jeden zusätzlichen Akteur der Wirtschaft, der nicht nur über faule Arbeitslose redet, sondern einen eigenen Beitrag leistet, um Voraussetzungen für die Arbeitsaufnahme zu schaffen. Man kann einen Erntehelfer nämlich nicht einfach zu Beginn der Saison aufs Feld

(Torsten Geerdts)

schicken. Diese Menschen müssen vorbereitet werden. Sie müssen körperlich dazu in der Lage sein. Ich bin es leid, dass wir immer nur sagen: Sie können es nicht, sie sind faul, sie verweigern die Arbeit. - Insofern bin ich froh, dass gerade der Bauernverband bei diesem Thema mit an Bord ist.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir haben uns letzte Woche im Sozialausschuss auch über die Ein-Euro-Jobs unterhalten. Die EinEuro-Jobs dürfen nicht dazu führen, dass es zu Mitnahmeeffekten kommt.

Wir haben auch die Frage gestellt, wie es die bisherigern Akteure in den Optionskommunen und die Akteure in den Arbeitsgemeinschaften sehen, wenn es um die Verlängerung der Fristen geht. Beide Gruppen haben uns gesagt, dass es wichtig ist, die Fristen zu verlängern, damit auch Ein-Euro-Jobber länger tätig sein können. Wenn es jeder Sechste schafft, in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt zu werden, dann ist auch dies ein kleiner Beitrag, den wir nicht beiseite schieben sollten.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die CDU-Landtagsfraktion Forderungen an die Bundespolitik, um einen gemeinsamen Beitrag zu leisten, die Wachstumsdynamik zu nutzen und dauerhaft für mehr Beschäftigung in Deutschland zu sorgen.

Wir brauchen bessere Arbeitsanreize. Auch bei geringen Löhnen muss es sich für Arbeitssuchende lohnen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Wenn man arbeitet, muss man mehr haben, als wenn man nicht arbeitet. Dazu müssen die Lohnzusatzkosten weiter gesenkt werden. Damit werden die Einstellungschancen weiter erhöht und vor allem in der Arbeitslosenversicherung - da gibt es zurzeit nicht die große Einigkeit zwischen uns und dem Arbeitsminister; das darf man gerne sagen - können sich weitere Spielräume ergeben. Ein Prozent weniger Lohnzusatzkosten schafft bis zu 100.000 neue Stellen. Diese Chance wollen wir nutzen.

Wir wollen durch ein Kombilohnmodell gezielt Arbeitssuchende und Unternehmen, die langzeitarbeitslosen Jugendlichen unter 25 Jahren und älteren Arbeitslosen über 50 Jahren neue Chancen bieten, unterstützen. Eine flächendeckende Einführung - da sind wir uns wieder einig - eines gesetzlichen Mindestlohnes lehnen wir dagegen ab.

(Beifall bei der CDU)