Protocol of the Session on May 27, 2005

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das würde nicht die Ausschreibung der Professur verhin- dern!)

- Das ist sicherlich richtig. Aber bei Verzicht auf die Rechtsmedizin würde die Lehre an beiden Fakultäten zu einem Problem. Herr Dr. Klug, wir müssen allerdings anerkennen, dass es sich um eine selbstständige Einrichtung handelt und dass diese selbstständige Einrichtung darüber entscheidet, was sie macht, wenngleich wir ihr auch die wirtschaftliche Verantwortung auferlegen. Ich kann nicht sagen: Ihr müsst das oder jenes tun, die Konsequenzen hinterher aber dem Vorstand beziehungsweise dem Aufsichtsrat überlassen.

Eine Zentralisierung aller Labore des Instituts für Rechtsmedizin am Campus Lübeck wird es sicherlich nicht geben. Ich denke, dass wir eine ganz klare Marschrichtung einschlagen sollten, die besagt: Ein dezentrales Angebot ist richtig. Es gibt Gesprächsbedarf mit dem Innenminister und dem Justizminister. Ein finanziell tragfähiges Konzept für die künftige Struktur der Rechtsmedizin muss erstellt werden, aber es wäre falsch, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Deswegen ist es vernünftig, dass man zunächst im Ausschuss darüber berät. Es wäre schön, wenn zu erreichen wäre, dass wir parallel zu dieser Beratung bei dem Gesamtkonzept der finanziellen Entwicklung der Hochschulmedizin weiterkommen würden.

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Vielen Dank, Herr Minister Austermann. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar federführend an den Bildungsausschuss, mitberatend an den Innen- und Rechtsausschuss. Wer dem zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist so geschehen.

Wahrscheinlich als Belohnung für die eingesparte Zeit gibt es seitens der Parlamentarischen Geschäftsführer eine gute Nachricht. Geschäftsleitend darf ich darauf hinweisen, dass der Tagesordnungspunkt 25 ohne Aussprache abgehandelt werden wird. Diesen Punkt beraten wir später.

Nun rufe ich Tagesordnungspunkt 23 auf:

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Antidiskriminierungsgesetz

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/77

Antrag der Fraktionen von CDU und SPD Drucksache 16/93

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.

Für den Antragsteller, die FDP-Fraktion, hat Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mit dem vorliegenden Antrag will die FDPLandtagsfraktion EU-Recht umsetzen, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Deshalb richtet sich unser Antrag darauf, dass die europäischen Vorgaben eins zu eins in nationales Arbeits- und Vertragsrecht umgesetzt werden.

Nun will die rot-grüne Bundesregierung mehr. Der vorgelegte Entwurf eines so genannten Antidiskriminierungsgesetzes geht deutlich über die Vorgaben der EU hinaus.

Die EU-Richtlinien sehen den gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung vor allem im Bereich des Arbeits- und des Ausbildungsrechts bei den Merkmalen „Rasse“, „ethnische Herkunft“ und „Geschlecht“ vor. Rot-Grün hat diese im Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes um die Merkmale „Religion oder Weltanschauung“, „Behinderung“, „Alter“ und „sexuelle Identität“ ergänzt, verallgemeinert und auf alle zivilrechtlichen Verträge ausgeweitet.

Der aktuelle Entwurf für das so genannte Antidiskriminierungsgesetz sieht vor, dass Verbraucher, Arbeitnehmer, Stellenbewerber, Mieter und Versicherungsnehmer künftig vor Gericht ziehen dürfen, wenn sie sich aufgrund der genannten Diskriminierungsmerkmale diskriminiert fühlen.

Beim Antidiskriminierungsgesetz scheiden sich die Geister. Entweder wird der Gesetzentwurf als sozialpolitischer Meilenstein gelobt oder aber als wirtschaftspolitisches Schreckgespenst an die Wand gemalt. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, ich denke, beides ist isoliert betrachtet, zu kurz gesprungen. Die zentrale Frage lautet aus unserer Sicht, warum das nationale Antidiskriminierungsgesetz so deutlich über die EU-Richtlinien hinausgeht. Gibt es hierfür konkrete Gründe? Wird in Deutschland trotz etablierter und gut arbeitender Gleichstellungs-, Frauen- und Behindertenbeauftragten mehr diskriminiert als in anderen Ländern der Europäischen Union, obwohl es bereits sowohl im Zivilrecht als auch in unserer Ver

fassung einen Rechtsschutz vor Diskriminierung gibt?

Im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern fühlen sich die Menschen in Deutschland nach Informationen des Instituts der Deutschen Wirtschaft in Köln weitaus weniger diskriminiert als anderswo in der EU. Umso mehr stellt sich die Frage, warum nationales Recht über EU-Recht hinausgehen soll und mit welcher Konsequenz. Kommt der angenommene Nutzen bei den zu schützenden Personen überhaupt an oder werden hier neue Hürden aufgebaut, die den zu schützenden Personenkreis tatsächlich weiter ausgrenzen würde?

Eines steht aus unserer Sicht fest: Bei Umsetzung des von Rot-Grün geplanten Antidiskriminierungsgesetzes wird die Besetzung freier Stellen gerade für die kleinen und mittleren Betriebe zu einem unkalkulierbaren Risiko. Eine umfassende gerichtsfeste Dokumentation jedes Stellenbesetzungsverfahrens in dieser Form können sich die meisten kleinen und mittleren Unternehmen nicht leisten. Aber nur durch eine solche Dokumentierung kann sich ein Arbeitgeber im Auswahlverfahren präventiv gegen Diskriminierungsklagen schützen.

Die Folge wird sein, dass weniger Menschen eingestellt werden als eingestellt werden könnten. Auch ein großer Konzern wie BMW, der auf 5.500 freie Stellen am Standort Leipzig rund 130.000 Bewerbungen erhielt, wird dann an seine Grenzen stoßen, sodass dieses Gesetz möglicherweise bei künftigen Standortentscheidungen eine entscheidende Rolle spielen könnte.

Wenn infolge der vorgeschlagenen nationalen rechtlichen Regelungen weniger Menschen eingestellt werden, dann wird aus dem vermeintlichen Schutz ein Beschäftigungshindernis. Das ist genau das Gegenteil dessen, was Sie eigentlich erreichen wollten.

Mit der Umsetzung des von Rot-Grün gewollten Antidiskriminierungsgesetzes verbessern Sie den Zugang älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt nicht. Sie werden den Zugang älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf den Arbeitsmarkt verschlechtern, wenn diese Regelung in Kraft treten sollte. Dasselbe wird mit Menschen mit Behinderung geschehen. Sie werden die Hürden des Zugangs zum ersten Arbeitsmarkt bedauerlicherweise weiter erhöhen.

Die Menschen, die Rot-Grün mit dem Antidiskriminierungsgesetz vor Diskriminierung schützen will, werden also im Zweifel gar nicht erreicht. Sie würden ausgegrenzt, weil die potenziellen Vertragspartner fürchten müssten, von ihnen verklagt zu werden.

(Dr. Heiner Garg)

Das Antidiskriminierungsgesetz schafft somit eine Kultur des Misstrauens, sowohl im privaten Umfeld als auch im Arbeits- und Berufsleben, verbunden mit hohen Kosten, um sich gegen alle Eventualitäten abzusichern.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der sozialpolitische Nutzen ist fragwürdig. Deutlich wird aber, dass der wirtschaftspolitische Schaden im Zweifel groß sein kann.

(Beifall bei der FDP)

Die geplante deutsche Regelung schadete bedauerlicherweise den Menschen mehr, als sie ihnen nutzte.

Nur noch zwei ganz kurze Bemerkungen zum Koalitionsantrag! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich habe mich schon gewundert: Was tun Sie, wo Sie jetzt gestalten können, wenn Sie eine solche Regelung, die weit über EU-Recht hinausgeht, umsetzen sollen? - Eigentlich kneifen Sie, wenn Sie Ihren Antrag genau lesen. Denn gemeinsam mit den Sozialdemokraten geben Sie sich in Ihrem Antrag unverbindlich und unklar. Was wir aber brauchen, ist ein ganz klares Signal, nicht zuletzt an die Wirtschaft, nicht zuletzt an die Betriebe. Wir wollen und müssen Schluss machen mit der Verunsicherung, die derzeit herrscht. Der FDP-Antrag ist klar: Wir wollen die Umsetzung der EU-Richtlinie eins zu eins in deutsches Recht, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Deswegen beantragen wir alternative Abstimmung in der Sache.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Garg, Sie waren ordnungsgemäß gemeldet als Redner. - Für die CDUFraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Torsten Geerdts das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die neue Regierungskoalition wird ihren Beitrag dazu leisten, Schleswig-Holstein zu einem Land des Miteinanders zu machen,

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

in dem insbesondere Menschen mit Behinderung neben dem Anspruch auf einen besonderen Schutz vor Benachteiligung einen Anspruch auf selbstbestimmte Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gesellschaft haben. Hier sehen wir einen besonderen Schwerpunkt unserer Arbeit in den nächsten fünf Jahren. CDU und SPD werden sich aber genauso engagiert dafür einsetzen, zusätzliche Belastungen für

den ersten Arbeitsmarkt zu verhindern. Vorrang haben der Erhalt bestehender und die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Dazu benötigen wir nicht mehr, sondern weniger Bürokratie.

Beiden Anforderungen, nämlich der verstärkten Teilhabe von Menschen mit Behinderung am Arbeitsleben als auch dem Ziel, Beschäftigung im ersten Arbeitsmarkt nicht zu gefährden, muss ein bundesdeutsches Antidiskriminierungsgesetz gerecht werden. Das europäische Recht fordert von allen Mitgliedstaaten, ein Antidiskriminierungsgesetz zu verabschieden.

Für die CDU-Landtagsfraktion hat dabei insbesondere die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderung Priorität. Es ist nämlich eine der wirklich großen Herausforderungen an eine humane Gesellschaft, Menschen mit Handicaps dauerhaft zu integrieren. Wir müssen uns allerdings die Frage stellen, ob man dem Ziel mit gesetzlichen Regelungen wirklich näher kommt.

(Beifall der Abgeordneten Axel Bernstein [CDU] und Frauke Tengler [CDU])

Die Regierungsfraktionen sind sich aber auch einig, dass das Antidiskriminierungsgesetz keine negativen Auswirkungen auf unseren Arbeitsmarkt haben darf.

Wir wollen durch dieses Gesetz keine zusätzlichen bürokratischen Hemmnisse aufgebaut wissen. Wir wollen auch keine neuen und zusätzlichen unkalkulierbaren Risiken und hohe Kosten für die Unternehmen.

Mit dieser Positionierung schließt sich die CDULandtagsfraktion ausdrücklich auch der in den beiden großen Volksparteien vorhandenen Kritik am Antidiskriminierungsgesetz des Bundes an. So erklärte unser früherer Wirtschaftsminister, dass das vorliegende Gesetz eine zusätzliche Belastung für die Wirtschaft sei; es erschwere die Konkurrenzfähigkeit unserer Unternehmen.

Die Bundesfamilienministerin, Renate Schmidt, erklärte wörtlich:

„Durch das Gesetz darf aber nicht nutzlose und zusätzliche Bürokratie beim Staat und bei den Unternehmen aufgebaut werden."

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Wir müssen uns heute hier im Landtag und die Landesregierung muss sich bei der Abstimmung im Bundesrat die Frage stellen, ob es richtig ist, über die Anforderungen der EU hinauszugehen. Die CDULandtagsfraktion unterstützt ausdrücklich die Forderung und Formulierung des Ministerpräsidenten in

(Torsten Geerdts)

seiner Regierungserklärung, dass auf Gesetze des Bundes und der Europäischen Union nicht draufgesattelt werden darf.

(Beifall bei der CDU)