Protocol of the Session on January 24, 2007

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich will jetzt nicht vertiefen, woran es lag. Das Ergebnis ist so, wie es ist. Insoweit ist das neue Schulgesetz natürlich ein Kompromiss. Aber - die beiden Redner der Koalitionsfraktionen haben es gesagt - es ist ein gelungener Kompromiss. Die ist ein guter Mix. Wir liegen damit an der Spitze dessen, was in Deutschland schulpolitisch gemacht wird. Wir betreiben eine zukunftweisende Bildungspolitik und ich sage Ihnen voraus: Schon im nächsten Landtagswahlkampf wird allgemein anerkannt werden, dass dies ein Schulsystem ist, das Zukunft hat und das richtig ist, und dieses Schulsystem wird uns weit ins nächste Jahrzehnt hinein tragen und die Eltern und Schüler werden damit außerordentlich zufrieden sein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD - Dr. Heiner Garg [FDP]: Wer ist „wir“?)

Das, was wir in diesem Haus zur Regionalschule gehört haben, ist jedoch zum Teil an Provinzialität nicht zu überbieten. Dass man, nur weil man vielleicht das Modell noch nicht richtig verstanden hat, in eine Fundamentalkritik hineingeht, verstehe ich nicht ganz. Ich kann all jenen, die die Regionalschule kritisiert haben, nur empfehlen, eine solche zu besuchen. In Schleswig-Holstein gibt es 40 Schulen, an denen Haupt- und Realschule schon in dieser Art und Weise miteinander verbunden sind.

(Thomas Stritzl [CDU]: Hört, hört!)

(Anke Spoorendonk)

In fünf Schulen haben wir schon das, was wir jetzt schulgesetzlich regeln wollen, nämlich eine gemeinsame Orientierungsstufe. „Zufälligerweise“ sind genau diese Schulen, beispielsweise die Kisdorfer Schule, bei allen PISA-Tests vorn. Das sollte die Opposition auch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Abgesehen davon gibt es mittlerweile in der Hälfte der Bundesländer die Regionalschule, auch wenn sie dort teilweise anders genannt wird. Bei allem Selbstbewusstsein als Schleswig-Holsteiner sollten wir durchaus über die eigenen Grenzen hinausschauen und auch -denken und auch offen sein.

Das, Herr Kollege Klug, ist der wahre Grund dafür, dass wir in einer Koalition mit Ihnen natürlich nicht die Idee gehabt hätten, die Gemeinschaftsschule zu verankern, aber dass wir in einer Koalition mit der FDP, auch angesichts der demografischen Entwicklung im Lande, über Regionalschulen hätten, nachdenken müssen. Dies ist eine zukunftweisende Form, und sie bleibt richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Damit in diesem Bereich nicht von vornherein Irritationen auftreten, will ich auf Folgendes hinweisen. In der Regionalschule gibt es eine gemeinsame Orientierungsstufe und danach schulartbezogenen Unterricht, der entweder zum Hauptschulabschluss oder zum Realschulabschluss führt.

Die Kollegin Herold hat es bereits angesprochen. Auch ich finde es erstaunlich, dass der Realschullehrerverband so tut, als würde jetzt großes Unheil über ihn hereinbrechen. Vorhin ist bereits darauf hingewiesen worden: In vielen Realschulen werden bis zu einem Drittel hauptschulempfohlene Kinder unterrichtet.

Auch darunter leidet das Niveau dort nicht. Dieselben Realschullehrer, die sich heute beschweren, weil sie ihre eigene Stelle oder den Schulstandort in Gefahr sehen, weigern sich doch, die hauptschulempfohlenen Kinder an die Hauptschule zurückzuverweisen. An der Stelle würde uns etwas mehr Ehrlichkeit und Offenheit helfen.

Herr Kollege Klug, ich bin sehr dankbar, dass Sie da in der heutigen Debatte etwas vorsichtiger argumentiert haben. Unser Problem in Deutschland ist neben einer mangelnden Eliteförderung, dass wir darunter leiden, dass uns bei der Bildung das untere Drittel, das schlecht ausgebildet ist, nach unten zieht. Da hat Skandinavien einen Vorteil: Man kümmert sich um das untere Drittel und fördert die

ses. Unser Schulsystem wird einen guten Beitrag dazu leisten, dass wir diesen Menschen, die zum Teil aus sozial schwachen Familien kommen, endlich mehr Chancen auf bessere Bildung geben. Das ist eine wahre soziale Tat, die Schleswig-Holstein nach vorn bringen wird.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wenn Sie, insbesondere Grüne und SSW, gegen die Oberstufe und das, was wir da vorhaben, angehen, halte ich Ihnen entgegen: Es geht nicht darum, dass wir möglichst vielen einen Zettel in die Hand drücken, auf dem „Abiturzeugnis“ steht, sondern es geht darum, dass wir mit dem Zeugnis auch etwas anfangen können, dass die Abiturientinnen und Abiturienten wirklich allgemeine Hochschulreife zeigen.

Wenn Sie sich die Entwicklung der letzten Jahrzehnte angucken, müssen Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir zwar immer mehr Abiturienten haben - wir brauchen auch noch mehr -, dass die Universitäten aber immer mehr darüber klagen, dass diese immer weniger in der Lage sind, an unseren Universitäten zu bestehen. Wir haben bis zu einem Drittel Studienabbrecher, die nicht in der Lage sind, ein Studium zu absolvieren.

Deswegen ist unsere Profiloberstufe das richtige Mittel, das Gymnasium zu stärken. Unsere Abiturienten müssen mit den Abiturienten aus München, aus Stuttgart, aus London und woandersher konkurrieren können. Deswegen ist dies der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir schaffen ein Schulsystem, das verschiedene Elemente miteinander verbindet, das Flexibilität mit sich bringt. Dann sollen doch die Schülerinnen und Schüler, die Eltern entscheiden, wo sie in Zukunft einen Schwerpunkt setzen wollen. Ich erwarte ihn schulpolitisch bei der Regionalschule, aber ich kann gut damit leben, dass sich Schülerinnen und Schüler, auch Kommunalpolitiker für Gemeinschaftsschulen entscheiden. Wir sind hier offen.

Wir haben eine Flexibilität in dem Schulsystem drin, wie wir sie in den vergangenen Jahrzehnten nicht hatten, und wir haben endlich mehr Zeit, uns um die wahren Probleme der Schüler zu kümmern, nämlich mehr Unterricht und Bekämpfung der sozialen Probleme. Darauf sollte der Landtag sein Augenmerk richten. Dann haben wir ein gutes Werk für die Zukunft des Landes getan.

(Beifall bei CDU und SPD)

(Dr. Johann Wadephul)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. Wir haben das als drei Minuten mit angerechnet. Das ist zwar eigentlich nicht möglich, aber wir haben eine besondere Situation.

Auf der Besuchertribüne darf ich sehr herzlich Auszubildende an der Polizeischule in Eutin begrüßen. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort zu einem weiteren Beitrag hat Frau Abgeordnete Birk. Wir haben eine Restzeit von 2:30 Minuten errechnet.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was passiert nach diesem Schulgesetz? - Wir werden in vielen Orten einen Ansturm auf die Gymnasien erleben. Kein Wunder! Wir haben aber auch in vielen Orten erfreulicherweise Diskussionen, dass nun Eltern, die sich bisher relativ bedeckt gehalten haben, was das System der Schule angeht, immer mehr fordern: Wir wollen eine Gemeinschaftsschule. Das ist heute beispielsweise zur Region Bad Bramstedt nachzulesen.

Was zeigt das? - Es zeigt doch, dass die Eltern das Beste für ihr Kind wollen. Es zeigt, dass sie eine Stigmatisierung auf eine Schulart, die einen minderen sozialen Status hat, nicht akzeptieren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das kann man von Eltern auch erwarten, die sich um ihr Kind kümmern. Sie wollen das Beste für ihr Kind und unser Schuldsystem hindert sie daran.

Warum machen wir nicht ein Gesetz für gemeinsames Lernern, in dem wir ihnen endlich diese Offenheit zubilligen und mit dem wir gleichzeitig, Frau Erdsiek-Rave, den Lehrerinnen und Lehrern das Geld, die Zeit und die Freiheit geben, sich so zu bilden, dass sie einen binnendifferenzierenden Unterricht machen können,

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sodass alle Lehrerinnen und Lehrer so sprechen können, wie beispielsweise diejenigen in Filmen, die Schulkollegien begeistern: „Ich gehe gern zur Schule, ich kann meinen Kinder wirklich helfen; ich bin stolz auf das, was wir gemeinsam mit der Schülerschaft leisten.“ Das ist doch das gemeinsame Ziel!

Nun haben wir hier ein Stückwerk. Wir haben keine Personalverantwortung der Schulleitung für das, was in der Schule passiert. Wir haben kein Recht

auf Inhouse-Fortbildung an allen Schulen. Der Landtag hat das Geld, das wir im Haushalt als Grüne hierzu eingefordert haben, nicht bewilligt. Wir haben wahrscheinlich einen Ansturm auf die Gymnasien, der die Schulentwicklungsplanung, die in den nächsten zwei Jahren Zeit und Diskussion braucht, ziemlich über den Haufen werfen wird.

Ich kann unserer Debatte nur wünschen: Treiben wir sie nach vorn in Richtung gemeinsames Lernen! Ich freue mich, dass die CDU hier einen Schritt voran gemacht hat. Aber verschließen wir nicht die Augen davor, dass mit der Regionalschule allein dieses Ziel nicht erreicht wird, denn wir brauchen mehr Schulautonomie, mehr Verantwortung für die Kommunen vor Ort, mehr Lehrerbildung und eine ständige Weiterentwicklung des Systems. Es ist ein lernendes System. Auch wir im Landtag haben dabei viel zu lernen. Ich hoffe, dass die Bewegung vorangeht.

Ihr Gesetz ist leider kein Tor zum Haus des Lernens; es ist immer noch eine Tür, wo irgendjemand im Ministerium sagt: Ich darf auf- oder zumachen. Deswegen lehnen wir das Gesetz ab.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk. - Das Wort zu einem Kurzbeitrag hat nun Herr Abgeordneter Dr. Ekkehard Klug.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ein paar Anmerkungen zu den Ausführungen des Fraktionsvorsitzenden der CDU machen. Jedenfalls haben Sie nicht auch noch den Kompromissvorschlag eingebracht, einzelnen Landkreisen ein besonderes Schulmodell zu gewährleisten. Aber Spaß beiseite.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Ach so, das war ein Witz!)

- Für Sie wahrscheinlich nicht.

Sie haben ja recht, wenn Sie auf die demografische Entwicklung in Schleswig-Holstein verweisen. Aus unserer Sicht ist die Antwort darauf aber nicht, dass man die Regionalschule zu einem Einheitsmodell für das ganze Land macht. Was man machen muss, ist, dort, wo die Schülerzahlentwicklung ein Angebot an verschiedenen Schultypen nebeneinander nicht mehr ermöglicht, in stärkerem Maße verbundene oder integrative Systeme einzuführen. Das kann man, wie das in der Vergangenheit mit Realschulen mit Hauptschulteil gemacht worden ist, in

Form organisatorischer Verbindungen machen. Dafür braucht es letzten Endes nicht einen neuen Schultyp.

Von den bestehenden Schulen, die zwei Schularten umfassen - speziell Realschulen mit Hauptschulteil -, unterscheiden sich die Regionalschulen in nicht unerheblichem Umfang, zum einen durch die integrierte Orientierungsstufe, die Regionalschulen haben, und zum anderen dadurch, dass die Differenzierung in zwei Bildungsgängen nur für einen Teilbereich des Fächerkanons vorgesehen ist, Kollege Wadephul. Man wird sehen, wie das funktioniert.

Wir haben da sehr unterschiedliche Prognosen. Im ländlichen Raum mag es funktionieren, in den Städten allerdings wird es aus den Gründen, die ich schon in der ersten Lesung erläutert habe, nicht funktionieren können und deshalb wird es ein Modell sein, das im Land nicht der große Renner werden wird. Insofern bin ich mit den Grünen und dem SSW einer Meinung.

Meine Damen und Herren, es ist sicherlich richtig, dass wir jungen Menschen mit Lernschwächen in unserem Schulsystem mehr Hilfen anbieten müssen. Hier stellt sich die entscheidende Frage, ob das neue Schulsystem mit den neuen Schulformen in der Lage ist, das zu leisten.

(Sylvia Eisenberg [CDU]: Es wird!)