Protocol of the Session on December 14, 2006

(Beifall bei der CDU)

Dass es durch einen Änderungsantrag von CDU und SPD zu einer weiteren Aufstockung beim Küstenschutz gekommen ist, leider zulasten der Dorferneuerung - wenn ich das richtig in Erinnerung habe -, müssen wir zur Kenntnis nehmen. Insgesamt ist die Landesregierung mit diesen Maßnahmen ihrer Verantwortung für die ländlichen Räume und für den nördlichen Landesteil zumindest mehr gerecht geworden, als es sich in der ersten Lesung des Haushaltes noch abzeichnete. Ich denke, das ist der Maßstab, nach dem wir den Haushalt 2007/2008 bewerten werden.

Die Landesregierung hat sich auch bei der Frauenförderung bewegt. Zum einen bekommen die Frauenberatungsstellen in den nächsten beiden Jahren mehr Mittel als ursprünglich geplant, zum anderen ist die Finanzierung der Beratungsstellen „Frau und Beruf“ durch EU-Mittel gesichert worden. Genau wie bei der Rücknahme der Kürzungen bei den Alphabetisierungsmitteln sind CDU und SPD hier also dem SSW entgegengekommen.

Insbesondere ist uns aber wichtig, dass die Landesregierung trotz der großen finanziellen Probleme des Landes an der finanziellen Gleichstellung der Schulen der dänischen Minderheit ab dem Jahr 2008 festhält. Dafür haben wir schließlich jahrelang gekämpft. Der SSW begrüßt weiter, dass die Landesregierung im Haushalt keine Kürzungen bei Organisationen der nationalen Minderheiten vorgenommen hat. Wir wissen also zu würdigen, dass der Minderheitenbereich einer der wenigen Bereiche ist, der nicht von Einsparungen betroffen ist. Hinzu kommt, dass CDU und SPD bei der Finanzierung eines Bücherbusses - ich weiß, das ist nur eine Präzisierung, mehr nicht -, aber auch bei der Erhöhung der Zuschüsse für das Nordfriisk Instituut entgegengekommen sind. Wir sehen dies alles, liebe Kolleginnen und Kollegen, als Ausdruck dafür, dass sich auch diese Regierungskoalition zur Bedeutung unserer gemeinsamen Minderheitenpolitik bekennt.

(Anke Spoorendonk)

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Begrüßenswert ist daher auch, dass sich SchleswigHolstein und Sachsen - leider vergeblich, wie mir gesagt wurde - darum bemühten, die europäische Dimension der Minderheitenpolitik im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft zu thematisieren. Es freut uns, dass die Landesregierung stattdessen im nächsten Frühjahr eine Veranstaltung zum Thema Minderheitenpolitik in Brüssel initiieren wird. Ich möchte noch einmal in Erinnerung rufen, dass Minderheitenpolitik zu den Säulen der schleswigholsteinischen Landespolitik gehört. So steht es in der Landesverfassung und so soll es unserer Meinung nach auch bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, trotz der Mehrwertsteuererhöhung scheint sich der wirtschaftliche Aufschwung auch im nächsten Jahr fortzusetzen. Auf Schleswig-Holstein bezogen gehen die Experten von einem weiteren Rückgang der Arbeitslosigkeit aus. Nach Angaben des Chefs der Regionaldirektion Nord rechnet man für Oktober 2007 mit weniger als 110.000 Arbeitslosen. Das entspricht in etwa einer Quote von 8 %. Nebenbei bemerkt, bei meinen Geschichtsstudien habe ich eine Zahl gesehen, die auch ein bisschen bedenklich stimmte. Gesagt wurde nämlich bei den Haushaltsberatungen 1986, dass man damals in Schleswig-Holstein eine Arbeitslosigkeit von knapp 110.000 Menschen hatte. Das muss man einmal im Kopf bewegen.

Zurück zur Gegenwart! Wenn man bedenkt, dass allein bedingt durch den diesjährigen Aufschwung die letzte Steuerschätzung zu Mehreinnahmen für das Land in Höhe von mehreren hundert Millionen geführt hat, dann sieht man, wie wichtig der Rückgang der Arbeitslosigkeit auch für die Sanierung des Landeshaushaltes ist.

Durch die Politik der Haushaltskonsolidierung sind die öffentlichen Investitionen weiterhin auf einem rekordverdächtigen Niedrigwert. So planen wir den Haushalt mit einer Investitionsquote von 9,4 % für 2007 und 8,6 % in 2008. Damit liegen die Investitionen leider immer noch weit unter der öffentlichen Neuverschuldung, was den Haushalt zum wiederholten Male verfassungswidrig macht. Die geplanten Investitionsausgaben liegen zwischen 780 Millionen € und 720 Millionen €, während die Nettokreditaufnahme circa 1,1 Milliarden € für 2007 und circa 1,2 Milliarden € für das Jahr 2008 beträgt.

Andere Eckwerte des Haushaltes 2007/2008 sind allerdings schon ein Schritt in die richtige Richtung. So steigen die Personalausgaben trotz der

Kürzung der Sonderzahlungen etwas an, allerdings sinkt die Personalausgabenquote von 38 % im Jahr 2006 auf 37 % im Jahr 2008. Auch die Kreditfinanzierungsquote sinkt von 19 % im Jahr 2006 auf 14 % im Jahr 2008, dennoch bleib sie auf einem sehr hohen Niveau, und die Zinsausgaben des Landes steigen daher auf über 12 % im Vergleich zu den Nettoausgaben. Vor diesem Hintergrund plädiert der SSW dafür, dass wir nicht durch eine zu restriktive Finanzpolitik die Konjunktur wieder abwürgen. Der von der Landesregierung aufgelegte Schleswig-Holstein-Fonds und das Nachfolgeprogramm Zukunftsprogramm Wirtschaft setzen zwar positive Investitionseffekte in Gang, aber in anderen Bereichen könnte man finanzpolitisch effektiver agieren.

Zwar kann man verstehen, dass Finanzminister Wiegard die gesamten zusätzlichen Steuereinnahmen zur Senkung der Nettoneukreditaufnahme verwenden will - das ist schließlich sein Job als Finanzminister -, allerdings wundere ich mich doch darüber, wie der gleiche Finanzminister eine weitere Senkung der Unternehmensteuern befürworten kann, die doch auch dazu führen wird, dass sich eine erneute Deckungslücke im Landeshaushalt auftut. Die Erfahrungen mit der letzten Steuerreform, die die öffentlichen Haushalte fast 650 Milliarden € Einnahmen jährlich gekostet hat, sollten eigentlich Warnung genug sein.

(Beifall beim SSW und vereinzelt bei der SPD)

Ich muss auch noch einmal sagen, dass wir genau verfolgen konnten, wie die Zinsausgaben des Landes nach der Unternehmensteuerreform sprunghaft anstiegen. Auch da sollte man aus der Geschichte lernen. Wir appellieren daher an CDU und SPD, die beiden härtesten Entscheidungen in diesem Doppelhaushalt - das bezieht sich auf die Finanzpolitik, wo wir sagen, man müsse versuchen, den Konsum und damit die Binnenkonjunktur nicht gleich wieder abzuwürgen - noch einmal zu überdenken, nämlich die Kürzungen im kommunalen Finanzausgleich und die Streichung der Sonderzahlung an die Landesbediensteten. Durch die Steuermehreinnahmen ist es aus unserer Sicht zu vertreten, den Betroffenen in diesen Fragen entgegenzukommen. Dies hätte auch einen positiven Einfluss auf die schleswigholsteinische Binnenkonjunktur, da die zusätzlichen Mittel für die kommunalen Haushalte und auch das Weihnachtsgeld der Beamten direkt in den Konsum gehen und somit für zusätzliche Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs sorgen würden.

Ich will die Argumente hier nicht noch einmal breittreten, nur so viel dazu: Der Eingriff in den

(Anke Spoorendonk)

kommunalen Finanzausgleich ist aus Sicht des SSW nicht zu gerechtfertigen.

(Beifall beim SSW)

Aus unserer Sicht hätte man erst über Aufgabenkritik, Aufgabenreduzierung und Kompensationen mit den Kommunen verhandeln müssen, um dann zu einer Reduzierung des kommunalen Finanzausgleiches zu kommen. Ich hatte auch gedacht, dass wir dies aus der Geschichte gelernt haben, und habe auch noch im Ohr, wie die Diskussionen um den letzten Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich gelaufen sind. So sollte es aber nicht sein und darum sagen wir, das ist nicht hinnehmbar, so kann man nicht miteinander umgehen.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Ich glaube, dass dieser Beschluss das Vertrauensverhältnis zwischen der Landesregierung und den Kommunen nachhaltig schädigt. Auch für die wichtigen Verwaltungsstrukturreformen ist dies kein gutes Omen.

Das Gleiche gilt für die Streichung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes bei den Landesbediensteten. Ich habe es schon oft gesagt und wiederhole es gern: Das hat nichts mit einer modernen und zukunftsweisenden Personalpolitik zu tun.

(Beifall beim SSW und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Man muss sich also die Frage stellen, wie die Landesregierung in Zukunft noch ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren will. Ich will noch einmal hinzufügen: Der Beamtenbund kann darauf verweisen, dass ihm der Finanzminister dieses Landes noch im Dezember letzten Jahres einen Brief geschrieben hat, aus dem deutlich hervorging, dass keine weiteren Kürzungen anstehen. Ein halbes Jahr später kommt es trotzdem so. Das ist Vertrauensbruch und nicht zu akzeptieren. Wir werden in den Einzelabstimmungen also gegen diese Maßnahmen stimmen und die entsprechenden Vorschläge von FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützen.

Wir werden auch den Antrag von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN unterstützen, der vorsieht, dass sich die Eltern nicht mit 30 % an den Kosten der Schülerbeförderung beteiligen sollen. Dieser Vorschlag der Koalitionsfraktionen, der insbesondere die Kreise finanziell entlasten soll, benachteiligt die Familien aus dem ländlichen Raum, die auf die Beförderung ihrer Kinder angewiesen sind.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir vertreten die Auffassung, dass Schülerbeförderung weiterhin eine öffentliche Aufgabe ist und dass Eltern nicht über Gebühr finanziell belastet werden dürfen.

Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs hören wir bereits heute, dass Teile der Industrie und des Handwerks - besonders auch im deutsch-dänischen Grenzland - darüber klagen, dass sie nicht mehr genügend Facharbeiter bekommen können. Es droht ein Facharbeitermangel in Deutschland und das bei knapp 4 Millionen Arbeitslosen und vielen Langzeitarbeitslosen. Die Kehrseite der aktuellen Entwicklung ist also, dass sich wirtschaftlicher Aufschwung und Massenarmut sowie berufliche Perspektivlosigkeit nicht ausschließen. Das darf man trotz aller Freude über die guten Wirtschaftsdaten nicht vergessen. Denn auch die Einkommensschere driftet immer weiter auseinander. Das Kaufkraftpotenzial der abhängig Beschäftigten beträgt gemessen an der Nettolohnquote nur noch rund 41 % des privat verfügbaren Volkseinkommens und ist damit auf dem niedrigsten Stand seit 1960. Es gibt also immer mehr Kinder, deren Eltern sich von Hartz IV oder Ein-Euro-Jobs ernähren müssen.

Der DGB-Bezirk Nord verweist in seiner Stellungnahme zum Bericht der Landesregierung über die Ein-Euro-Jobs auf diese vielfältige Problematik, die sich durch diese Art von Beschäftigung ergibt und auf die fehlenden Eingliederungsperspektiven für diese Jobs.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aus Sicht des SSW ist der große Anstieg von EinEuro-Jobs wirklich eine fatale Entwicklung.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen deshalb unbedingt auch einen Mindestlohn - wir sagen, einen verhandelten Mindestlohn -, der mindestens bei 7,50 € pro Stunde liegen sollte.

(Beifall beim SSW und der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Aber das ist nur die finanzielle Seite. Viel schlimmer ist das fehlende oder mangelnde Ausbildungsund Weiterbildungsniveau vieler von Arbeitslosigkeit betroffener Bürgerinnen und Bürger.

Leider gibt es auch in Schleswig-Holstein zu viele Menschen, die sich schon selbst aufgegeben haben.

(Anke Spoorendonk)

So gibt es nach Angaben der Arbeitsagentur mindestens 15.000 Arbeitslose, die zwar erwerbsfähig, aber - wie es so schön heißt - nicht marktfähig, also nicht oder schwer vermittelbar sind. Auch die Quote der Langzeitarbeitslosen ist immer noch erschreckend hoch. Dahinter verbirgt sich viel zu oft, dass wir es bei Arbeitslosen mit Menschen ohne Berufsqualifikation zu tun haben.

Die viel zu hohe Quote der Langzeitarbeitslosen ist aus Sicht des SSW ein Systemproblem und damit gesellschaftspolitisch betrachtet überhaupt nicht hinnehmbar. Nach jeder Konjunkturkrise in den letzten 30 Jahren ist die Sockelarbeitslosigkeit weiter angestiegen und keiner hat sich ernsthaft um diese Menschen gekümmert. Es ist zwar löblich, dass sich Arbeitsminister Döring im nächsten Jahr mit dieser Problematik beschäftigen wird, aber der SSW vermisst weiterhin den großen Wurf und eine gemeinsame Anstrengung aller gesellschaftlichen Gruppen.

Auch die Arbeitgeber müssen sich bewegen. Sie können nicht andauernd nach dem Staat rufen und selbst die Aus- und Weiterbildung vernachlässigen. Letztlich wird es die Wirtschaft selbst treffen, wenn sie nicht genügend qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bekommt. Zwar wird es in Schleswig-Holstein in den nächsten Jahren viele EU-Programme geben, die sich an den Kriterien des Lissabon-Prozesses orientieren. Es fehlen aber in diesem Zusammenhang der Überblick und die Koordination zwischen den verschiedenen staatlichen und wirtschaftlichen Stellen. Nur so werden wir für alle gesellschaftlichen Schichten eine breite Qualifizierungswirkung erzielen.

Aus Sicht des SSW ist das eine ganz entscheidende und wichtige Aufgabe für den Rest dieser Legislaturperiode und für die kommenden Jahre. Wir müssen - nicht nur, wenn es um grenzüberschreitende Zusammenarbeit geht, sondern insgesamt - diese Qualifizierungsbarrieren aufbrechen und auch, Lars Harms

(Lars Harms [SSW]: Ich hatte damit nichts zu tun! - Heiterkeit)

- Hartz IV - das wird aus dem Protokoll gestrichen, lieber Kollege - hat leider nicht die wirkliche Wende gebracht, weil sich die Ausgestaltung der Gesetze zu viel auf das Fordern und viel zu wenig auf das Fördern konzentriert hat.

Für den SSW ist klar, dass die Weichen für die berufliche Zukunft unserer Kinder schon im Kindergarten und in der Schule gestellt werden. Wir hatten gestern eine Debatte zur anstehenden Schulreform. Ich sage noch einmal: Für den SSW ist die Einfüh

rung der Regionalschule - also die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule - weder Fisch noch Fleisch. Wir hätten uns gewünscht, dass man diesen Zwischenschritt gestrichen hätte.

Wir wissen auch von entsprechenden Analysen internationaler Experten, dass das Modell des gegliederten Schulsystems ein Auslaufmodell ist. Wir hätten lieber eine Schulreform aus einem Guss.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darum werden wir auch in der Einzelabstimmung den Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinsichtlich der Lehrerfortbildung unterstützen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weder Fisch noch Fleisch ist auch die Hochschulpolitik des Landes. Wir werden diese Diskussion auch Anfang nächsten Jahres weiterführen. Deshalb begrüßt der SSW zunächst einmal, dass sich die SPD in der Frage der Studiengebühren durchgesetzt hat, nicht nur, weil es letztlich um soziale Gerechtigkeit geht, sondern weil wir grundsätzlich der Auffassung sind, dass es zu den Merkmalen unseres Sozialstaates gehören muss, dass Bildung kostenfrei ist und dass wir diese Studiengebühren nicht haben wollen und auch nicht brauchen.