Protocol of the Session on December 1, 2006

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Konrad Nabel. - Das Wort für die FDP-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Günter Hildebrand.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel verspricht Großes, allein er hält nicht, was er verspricht. Gemeint ist damit nicht der vorliegende Antrag, Kollege Nabel; die Aufforderung, Trenthorst zu erhalten, verdient und findet auch unsere Unterstützung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

Gemeint ist das Konzept für eine zukunftsfähige Ressortforschung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, herausgegeben vom BMELV, Stand 27. September 2006. „Zukunftsfähig“ und dann soll der ökologische Landbau ausgeklammert werden; das passt nicht zusammen.

Man braucht kein extremer Anhänger des ökologischen Landbaus zu sein, um zu erkennen, dass die jüngsten Überlegungen aus dem Bundesministerium, im Rahmen der Umstrukturierung der Agrarforschung in Deutschland das Forschungsinstitut Trenthorst zu schließen, geradezu kontraproduktiv in Wissenschaft und Landwirtschaft wirken.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

Bereits vor zehn Jahren hat sich der Schleswig-Holsteinische Landtag vehement dafür eingesetzt, den Standort Trenthorst der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft zu erhalten, um insbesondere der gesellschaftspolitisch bedeutenden Forschung im Bereich der Tierhaltung unter Aspekten des Tierschutzes gerecht werden zu können. Das ist die Drucksache 3258 aus der 13. Legislaturperiode.

Inzwischen hat sich in Trenthorst ein anerkanntes Institut für ökologischen Landbau herausgebildet. An der Zielsetzung unseres ehemaligen Beschlusses hat sich indessen nichts geändert. Die Notwendigkeit einer umfassenden Ökolandbau-Forschung ist mit einem gestiegenen Verbraucherbewusstsein für gesunde Lebensmittel eher noch gestiegen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Leider ignorieren die Pläne von Bundesminister Seehofer diese Bedeutung. Sie ignorieren die Notwendigkeit zur interdisziplinären Forschung, gerade beim Ökolandbau insgesamt.

Die Forschung am Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst zeichnet sich dadurch aus, dass sie auf einem ganzheitlichen Ansatz der ökologi

(Konrad Nabel)

schen Landwirtschaft basiert und strukturellen Unterschieden in Deutschland Rechnung trägt. Über Jahre wurden Millionen investiert, um bessere Erkenntnisse über den „Organismus“ landwirtschaftlicher Betrieb zu gewinnen, in dem vom Boden über Pflanze und Tier bis zum erzeugten Lebensmittel alles zusammenhängt. Das ist übrigens nicht nur beim ökologischen Landbau der Fall, sondern auch bei der konventionellen Landwirtschaft.

Dadurch hat sich das Institut nicht nur Bedeutung für den Ökolandbau per se erworben, sondern auch konventionell wirtschaftende Bauern profitieren von den dort erarbeiteten wissenschaftlichen Aussagen.

(Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

Über viele Jahre wurde ein Datenpool für die Wissenschaft, aber auch die Praxis zusammengetragen, der eine Vielzahl an Informationen zu Pflanzenschutzmitteln, robusten Tierrassen oder Tierfutter bereithält. Ziel ist es, die deutschen Landwirte besser am Wachstumsmarkt Ökolandbau partizipieren zu lassen und sie insgesamt gut auf dem Landwirtschaftsmarkt zu positionieren. Das gilt es zu erhalten.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist Ihnen bekannt, dass die FDP seit jeher die ideologische Bevorzugung der ökologischen Landwirtschaft ablehnt. Wir treten dafür ein, konventionellen und ökologischen Landbau gleich zu behandeln.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer propagiert diese Gleichwertigkeit ebenfalls. Nur, wenn es ihm tatsächlich ernst damit ist, dann gehört dazu auch, den ökologischen Landbau im Rahmen der allgemeinen Umstrukturierungsüberlegungen gegenüber der sonstigen landwirtschaftlichen Forschung nicht einseitig überproportional zu beschränken. Die FDP lehnt die Pläne der Bundesregierung zur Umstrukturierung der Agrarforschung insgesamt ab; wir kommen dazu gleich noch. Wir lehnen sie auch ab, soweit sie Trenthorst betreffen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD und Beifall der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Lars Harms [SSW])

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand. - Das Wort für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Debatten um den ökologischen Landbau sind häufig davon geprägt, dass sie in Grundsatzdebatten von konventioneller und ökologischer Landwirtschaft abdriften. Dies ist durchaus bedauerlich; denn dies ist der falsche Weg, mit dem Thema umzugehen. Daher ist es umso erfreulicher, dass es gelungen ist, hier einen gemeinsamen Antrag leider ohne die FDP - hinzubekommen, mit dem sich die Fraktionen ausdrücklich für das Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst einsetzen. Ich bin froh, dass die FDP - so habe ich es verstanden dem Antrag trotzdem zustimmt.

Ich hoffe, dass diese Einigkeit künftig auch auf andere Debatten zum Thema ökologischer Landbau abfärben wird. Sowohl der nationale als auch der internationale Markt für biologische Lebensmittel gewinnen immer mehr an Bedeutung. Insbesondere die Wachstumstrends auf dem nationalen Markt sind steigend. Der Einstieg der großen Discounter in den Biomarkt hat erheblich dazu beigetragen, dass es mittlerweile zu Engpässen bei Bioprodukten gekommen ist. Ebenso hat die steigende Zahl der Bio-Supermärkte diese Entwicklung forciert. Letztlich hat sich hier der Verbraucherwille durchgesetzt. Wir müssen aber feststellen, dass der hiesige Öko-Landbau den Bedarf nicht mehr allein decken kann.

Auch wenn es im letzten Jahr eine Steigerung der landwirtschaftlichen Nutzflächen um 5,2 % gegeben und sich die Zahl der ökologischen Unternehmen um 2,5 % erhöht hat, müssen wir selbstkritisch erkennen, dass wir hier eine Entwicklung verpasst haben, um den Markt zu versorgen. Angesichts der weiter zu erwartenden Steigerung beim Bio-Markt für die kommenden Jahre können wir uns derartige Versäumnisse nicht leisten.

Wenn wir unsere deutschen Unternehmen weiter stärken wollen, dann müssen wir sie entsprechend unterstützen. Im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau werden praxisorientierte Forschungs- und Entwicklungsvorhaben in Verbindung mit Vorhaben zur Verbesserung des Wissenstransfers sowie Aktivitäten zur Verbesserung der Markttransparenz unterstützt. Dieses Programm soll bis 2010 fortgeführt werden. Für das Haushaltsjahr 2007 sind insgesamt 16 Millionen € im Haushalt

(Günther Hildebrand)

angesetzt und für die Jahre 2008 bis 2010 sollen jährlich 10 Millionen € zur Verfügung gestellt werden. Wir können also ab 2008 eine Kürzung von jährlich 6 Millionen € verzeichnen. Das ist bedauerlich, das ist die Politik der Großen Koalition in Berlin.

(Beifall des Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

In die gleiche Kerbe schlägt dann auch die Nachricht, dass Minister Seehofer mit dem neuen Konzept für eine zukunftsfähige Ressortforschung eine Reduzierung der Forschungsinstitute verfolgt. Zu den Verlierern gehört demnach auch das Institut für ökologischen Landbau in Trenthorst.

Das Institut wurde vor gut sechs Jahren als Institut der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft gegründet. Seine Aufgabe besteht neben der interdisziplinären Forschung - die im Übrigen weltweit einzigartig ist - insbesondere darin, wissenschaftliche Grundlagen zu erarbeiten, die auch als Entscheidungshilfe für die Ernährungs-, Landwirtschaftsund Verbraucherpolitik dienen, und zwar sowohl biologisch als auch konventionell.

Angesichts der von mir genannten positiven Entwicklung auf dem Bio-Marktsektor halte ich die Entscheidung des Bundeslandwirtschaftsministeriums, das Institut zu schließen, für falsch. Wir können eine Marktsteigerung und Zunahme an ökologischen Landwirtschaftsbetrieben verzeichnen. Wenn wir diesen Marktkampf nicht verlieren wollen, dann benötigen wir weiterhin wissenschaftliche Grundlagen, wie die ökologische, aber auch die konventionelle Landwirtschaft weiterentwickelt werden kann. Diese Grundlagen müssen insbesondere im Agrarland Schleswig-Holstein erarbeitet werden, denn hier ist die Kompetenz schon vorhanden.

Letztlich geht es hierbei aber nicht nur um das Institut oder um die Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus, sondern auch darum, dass an diesem Standort etwas im Sinne der Verbraucher geleistet wird. Daher sehen wir unseren gemeinsamen Antrag auch im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes. Hier gibt es genug zu tun und es geht darum, hier so viel zu tun, dass Trenthorst erhalten bleiben kann. Das muss unser aller Ziel sein, sowohl für die, die eher ein Herz für die biologische Landwirtschaft haben, als auch für die, die ein Herz für die konventionelle Landwirtschaft haben.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Lars Harms. - Das Wort für die Landesregierung hat nun der Agrarminister, Herr Dr. Christian von Boetticher.

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Es ist eigentlich fast alles gesagt. Ich finde es sehr gut, dass sich die Fraktionen in dieser Frage so einig sind. Das unterstützt unsere Arbeit. Ich werde bei den Wortbeiträgen natürlich nicht hinten anstehen.

Lassen Sie mich einige Fakten hinzufügen! Wir haben uns alle darüber gewundert, dass hier doch sehr überraschend über die Köpfe der 80 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Institut hinweg entschieden wird. Es gab wohl kaum eine Vorwarnzeit. Das ist sehr ungewöhnlich. Auch das Land befindet sich ja in einem Umstrukturierungsprozess, aber wir versuchen gewöhnlich, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitzunehmen und zu erklären, was dahintersteckt. Das ist hier offensichtlich nicht geschehen.

Es geht hier schlichtweg auch um 5 Millionen €, die in das Institut, in den schleswig-holsteinischen Standort investiert worden sind. Nicht zuletzt - davon konnte ich mich vor kurzer Zeit selber überzeugen - geht es um zahlreiche Forschungsprojekte, die derzeit laufen, die angelaufen sind, die sich seit einem Jahr in der Projektphase befinden und die man nicht einfach stoppen und an einer anderen Stelle weiterführen kann, sondern die komplett abgebrochen und neu begonnen werden müssten. Das kann nicht im Sinne der Forschung sein. Darum ist es wichtig, dass wir hier mit dem Bundesminister in der Diskussion bleiben.

Es wäre - auch das ist gesagt worden - eine weitere Schwächung des Wissenschaftsstandortes Schleswig-Holstein. Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel - zu der kommen wir gleich noch - ist eine der weiteren Institutionen, die in Schleswig-Holstein betroffen sind. Das alles geht mit Abbau von Forschungskapazität in diesem Land einher.

Besonders stört mich, dass die Schließung nicht nachvollziehbar, nicht transparent ist. Die Beweggründe sind jedenfalls nicht hinreichend offengelegt, sie sind vor allen Dingen in Kernpunkten gar nicht erkennbar.

Darum ist es gut und richtig, dass sich der Ministerpräsident dieser Sache selbst angenommen und einen Brief an Bundesminister Seehofer geschrie

(Lars Harms)

ben hat, um auf die Widersprüchlichkeiten hinzuweisen und weitere Daten zu verlangen, um zu gucken, was wirklich dahintersteckt und ob es überhaupt vernünftige Beweggründe gibt, die zu der angekündigten Entscheidung des Bundesministers führen.

Wir haben - der Abgeordnete Ehlers hat das angesprochen - Verständnis für Umstrukturierungen und Neustrukturierungen. Wir kennen das aus unserem eigenen Land. Das Sankt-Florians-Prinzip „Streich nicht bei uns, streich lieber woanders“ ist zu einfach. Aber hier haben wir vernünftige Argumente ich habe sie eben genannt - und hier fehlt wirklich eine stichhaltige Begründung.

Auch hier sind Fakten genannt worden: Der ÖkoLandbau braucht Forschung. Er ist einer der wenigen Wachstumsbranchen, die wir haben. Innerhalb der letzten fünf Jahre ist fast eine Verdoppelung der Umsätze zu verzeichnen. Fast in allen Supermärkten wird mittlerweile Bioware angeboten und der Trend setzt sich weiter fort, auch wenn der ÖkoLandbau nach wie vor nur einen geringen Anteil an der Landwirtschaft ausmacht, aber er ist einer der Wachstumsbereiche. Natürlich muss dieser Bereich durch Forschung flankiert werden.

Was mich wundert - das geht Ihnen wahrscheinlich nicht anders -, ist, dass ausgerechnet ein bayerischer Bundeslandwirtschaftsminister diese Maßnahme vorantreibt, wo ich von allen Beteiligten bisher gehört habe, dass Bayern eigentlich ein Musterland für Bio-Anbau und ökologischen Landbau ist. Darum verwundert diese Entscheidung schon. Vielleicht gelingt es uns, den bayerischen Bundeslandwirtschaftsminister an seinem bayerischen Herzen zu packen und deutlich zu machen, was bei ihm zu Hause eigentlich läuft.

Ich war am 17. November 2006 selbst vor Ort, habe mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern dort gesprochen und mich über die Forschungsprojekte informiert. Wenn wir vergleichen, was am Standort Mariensee - das ist der Standort, der gewählt werden soll, um dort alles zusammenzulegen - erreicht werden kann, dann wird deutlich, dass die Versuchskapazitäten, die wir bei uns haben, dort weder vorhanden sind noch innerhalb kurzer Zeit aufgebaut werden können. Das stellt das Konzept in Gänze infrage.

Darum werden wir an dieser Stelle am Ball bleiben, wir werden auf die Widersprüchlichkeit hinweisen und haben die Hoffnung, dass wir mit der breiten Unterstützung dieses Hauses doch noch in der Lage sein werden, etwas anderes zu erreichen. Jedenfalls kämpft auch die Regierung in diesem Sinne.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Minister. Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist beantragt worden, über den Antrag in der Sache abzustimmen. Wer dem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist mit den Stimmen aller Fraktionen des Hauses einstimmig so beschlossen. Ich bedanke mich auch ganz persönlich dafür.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 30 auf: