Ich bedanke mich bei dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel und erteile für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Opferschutzbericht belegt, was wir schon längst wissen, dass sich im Opferschutz keine eindeutige Parteilinie zeigt. Das ist gut so. Auch die persönlichen Worte des Justizministers, welchem ich auch noch einmal im Namen des SSW danken möchte, sind ein weiteres Beispiel dafür, dass wir in Sachen Opferschutz alle an einem Strang ziehen. Die Opferschutzinitiativen der CDU aus Oppositionszeiten haben also auch heute noch Bestand und der Bericht macht deutlich, dass diese Kontinuität wirklich da ist. Das ist aus Sicht des SSW Zeichen einer guten Politik und so sollte es, wie ich sagte, auch zukünftig sein.
Opfer von Straf- und Gewalttaten kommen aus allen Schichten der Bevölkerung. Jeder kann betroffen sein. Keiner hat es verdient, Opfer zu sein. Leider gehört dem Opfer nur in Ausnahmefällen die mediale Aufmerksamkeit. Nur wenn Opfer Sensationen versprechen, rückt sie die Boulevardpresse auch schon einmal in die Schlagzeilen und scheut auch nicht vor Kampagnen gegen Opfer zurück. Ansonsten überwiegen Geschichten von Tätern.
Festzustellen bleibt, dass Opferschutz vielen unredlichen Journalisten völlig unwichtig ist. Das hat Folgen. Gerade in diesen Tagen untersucht eine Studie der Universität Heidelberg, wie Dritte Einschätzungen von Opfern und Tätern vornehmen. Eine auf vier Wochen begrenzte Online-Umfrage soll herausfinden, wie die öffentliche Meinung zu be
stimmten Szenarien aussieht. Da jede Gewalttat in einen sozialen Zusammenhang eingebettet ist, wird insbesondere erforscht, wie Opfer und Täter von der Gesellschaft charakterisiert werden. Durch die Studie kann ermittelt werden, inwieweit Befragte eine etwaige Mitschuld eines Vergewaltigungsopfers beispielsweise durch dessen verführerische Kleidung zuweisen oder ob alleinige Täterattributionen dominieren. Ich bin gespannt auf das Ergebnis der Studie, denn sie lässt Rückschlüsse darauf zu, ob die Opfer nicht nur die traumatisierte Gewalterfahrung bewältigen müssen, sondern auch die negative Einstellung ihrer Umwelt. Das hat, so wissen wir, Konsequenzen für eine Therapie, aber auch für den Umgang mit den Opfern. Die sekundäre Opferwerdung stellt eine besondere Herausforderung an Polizei, Justiz, aber auch an die Öffentlichkeit dar.
Es ist gut, dass der Bericht diesen Problembereich bereits in der Vorbemerkung anspricht. Das Durchbrechen von Automatismen muss das vorrangige Ziel des Opferschutzes sein. Erfreulicherweise widmet sich der Opferschutzbericht in einem Schwerpunkt der Kriminalprävention. Der beste Opferschutz ist schließlich immer noch der Schutz vor Verbrechen. Dazu tragen lokale Bündnisse bei.
Auf kommunaler Ebene hat sich in Sachen Opferschutz sehr viel getan durch die Einbindung lokaler Akteure. Übrigens kommen die Anstöße nicht immer von der Polizei, sondern durchaus von Initiativen vor Ort, die nachhaltig Gewalt und Verbrechen verhindern wollen. Ein Beispiel ist die Flensburger Neustadt, ein Problemstadtteil, der mit vielen Vorurteilen zu kämpfen hat. Dort hat in diesem Herbst eine Woche der Zivilcourage gezeigt, dass die Bürgerinnen und Bürger durchaus bereit sind, sich für die Verbesserung des Stadtteils zu engagieren. Die Idee kam von der Lokalen Runde. Sie lud zusammen mit vielen anderen Akteuren, eben auch der Polizei, zu einer bunten Woche ein. Mit Theaterstücken, Konzerten und Diskussionen wollten die Veranstalter Mut machen, die Probleme im Stadtteil selbst anzugehen. Dabei geht es um achtlos entsorgten Müll genauso wie um das Melden eines Verbrechens, also darum, sich verantwortlich zu fühlen für den Stadtteil, eben um Zivilcourage, und um das, was der Minister in seinen eigenen Worten auch ansprach. Die Kompetenz ist vor Ort. Es gilt, sie im Sinne der Kriminalprävention einzusetzen.
Die lokalen Präventionsbündnisse gehören zu neueren Entwicklungen. Es sind aber nicht die einzigen Innovationen in diesem Bereich. Der SSW begrüßt vor diesem dynamischen Hintergrund aus
drücklich die Offenheit des Opferschutzberichts. Angesichts der Veränderungen, die in den letzen Jahren zunehmend auch die Opfer eines Verbrechens in den Blick nahmen und gegebenenfalls Unterstützung anbieten, ist es nur redlich, auch weiterhin davon auszugehen, dass sich im Opferschutz noch weitere Veränderungen ergeben werden.
So hat die zunehmende Zahl der Videoaussagen wohl noch vor wenigen Jahren niemand ahnen können. Auch die Vernehmung in neutraler Umgebung, bei den Senioren sogar oftmals zu Hause, ist auf dem Vormarsch. Sie lässt die Opfer nicht noch einmal das Trauma des Erlebten durchleiden. Außerdem kommen ständig neue Verbrechen hinzu, wie das Mobbing oder die im Bericht angeführte beharrliche Nachstellung, das so genannte Stalking. Wir hoffen, dass wir durch das neu eingebrachte Stalking-Gesetz da einen Schritt weiterkommen. Stalking-Opfer sind durch die Nachstellung in ihrem Leben meist sehr stark eingeschränkt. Aber nicht nur bei diesem Tatbestand ist es gut, wenn Schleswig-Holstein am Ball bleibt.
Einmal eingeführte Maßnahmen müssen nicht über Jahre hin gültig sein. Darum begrüßt es der SSW ausdrücklich, dass der Justizminister eine ständige Evaluierung aller Maßnahmen verspricht.
Aus Opfern familiärer Gewalt werden oftmals Täter. Wer als Kind nur Gewalt als Konfliktlösungsstrategie kennengelernt hat, wird genau das als Vater oder Mutter den eigenen Kindern gegenüber einsetzen. Das wissen wir aus vielen Studien. Die Wegweisung des Täters aus der Familienwohnung dreht diesen Automatismus um. Wer Gewalt ausübt, muss gehen. Der SSW hat sich in der letzten Legislaturperiode für die Wegweisung starkgemacht. Letztlich haben wir einvernehmlich ein Gesetz beschlossen. Die Erfahrungen geben uns recht: Die frühere Praxis, wonach die Opfer das bekannte Umfeld verlassen und woanders neu anfangen mussten, ist heute zum Glück auf dem Rückzug. Kinder erleben ihre Mutter als Handelnde, wenn sie zusammen mit der Polizei den Gewalttäter vor die Tür setzen kann.
Vielen Frauen reicht offenbar bereits die Entschärfung einer akuten Situation. Sie können damit einmal Luft holen. Nach der gesetzten Frist aber geht die Gewalt oftmals weiter. Daher begrüßt der SSW es ausdrücklich, dass die Polizei die zuständigen Beratungsstellen von der Wegweisung informiert. Diese nehmen dann Kontakt zu den Frauen auf. Die Flankierung durch unterstützende Maßnahmen ist unerlässlich. Gut, dass sich in fast allen Städten ein kurzer Draht zwischen der Polizei und den Beratungsstellen etabliert hat. Die Wegweisung bleibt
Leider hat der Justizminister beim Täter-OpferAusgleich keine Evaluierung vorgelegt. Die immens hohen Zahlen, muss ich sagen, fand ich dennoch bemerkenswert. Das soll keine Kritik den Gerichten gegenüber sein. Aber ich finde schon, dass wir diesbezüglich im Ausschuss noch einmal nachhaken sollten; denn es stellt sich die Frage, ob das Gespräch zwischen Opfer und Täter bei Letzteren eher zur Einsicht führt als zum Beispiel eine Geldoder Gefängnisstrafe. Der Bericht lässt zu meinem Bedauern die Frage offen, ob der Täter-Opfer-Ausgleich ein wirkungsvolles Mittel zur Prävention ist. Als genau das wurde er aber bei der Einführung gepriesen. So steht es auch im Bericht, in dem es heißt, der Täter-Opfer-Ausgleich sei ein Instrument dialogischer Konfliktschlichtung. Ich finde es gut, wenn detailliert darauf eingegangen wird. Aber gerade weil es für uns alle wichtig ist, auch in diesem Bereich weiterzukommen, hätte ich dazu im Ausschuss gerne noch einige Fragen beantwortet.
Letzter Punkt! Das 17. Opferforum des Weißen Rings tagt zurzeit in Mainz. Zur Arbeit des Weißen Rings ist heute schon viel gesagt worden. Wir vom SSW schließen uns dem natürlich an. Also auch von unserer Seite noch einmal herzlichen Dank für dieses Engagement. Die anerkannte Opferschutzorganisation hat - wie wir wissen - viel bewegt. Einerseits engagiert sie sich direkt im Gespräch mit den Opfern und leistet unbürokratisch Zahlungen. Andererseits ist sie eine funktionierende Lobby, die schon einiges auf den Gesetzesweg gebracht hat. In Mainz befassen sich Experten mit der Schaffung und Umsetzung von Informationsrechten der Opfer auf europäischer Ebene. Die umfassende Information über strafprozessuale und sozialrechtliche Schutzmöglichkeiten erfolgt laut Bericht in Schleswig-Holstein in hohem Maße. Auch das, denke ich, sollte noch einmal hervorgehoben werden.
Alles in allem können wir die Fortschritte und die offene Haltung in Sachen Opferschutz nur loben. Ich denke trotzdem - wie ich schon andeutete -, dass es angebracht ist, an der einen oder anderen Stelle noch einmal etwas genauer nachzufassen. Ganz aktuell und passend zur heutigen Debatte fand in der letzten Woche im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages eine Anhörung zur Stärkung der Opferrechte bei Jugendgerichtsverfahren statt. Ich denke, das wird uns in der kommenden Zeit auch noch beschäftigen. Dabei ging es - das will ich hinzufügen - um Nebenklagerechte. Wir wissen, dass wir uns, ich denke irgendwann im nächsten Jahr,
mit einer Novellierung des Jugendstrafvollzugsgesetzes zu befassen haben. Das ist ein Punkt, an dem wir uns hoffentlich wieder alle gemeinsam treffen können.
Ich bedanke mich bei der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe damit die Beratung.
Es ist beantragt worden, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/1075, dem Innen- und Rechtsausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Das ist einstimmig so beschlossen.
Bericht zum Abschluss des Projekts „Weiterentwicklung der Beruflichen Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren (RBZ)“
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Gewerbliche Berufliche Schule in Flensburg heißt seit Kurzem Eckener-Schule. Dieser Namenswechsel ist von symbolischer Bedeutung für diese Schule; denn er ist vor allem Ausdruck eines veränderten Selbstverständnisses von Schule als RBZ, also für einen Prozess, der von dem Schulträger der Berufsbildenden Schule selbst in Zusammenarbeit mit regionalen Partnerunternehmen sehr engagiert vorangebracht worden ist. Die Eckener-Schule ist für diesen Prozess vom Bundesinstitut für Berufliche Bildung mit dem Weiterbildungsinnovationspreis 2006 ausgezeichnet worden. Das ist ein Beispiel für den richtigen und guten Weg, der landesweit Schule machen soll.
Mit der Umgestaltung der Beruflichen Schulen zu Regionalen Berufsbildungszentren verfolgen wir drei Ziele, die von den Schulen und von den Partnern im dualen System seit Langem schon gewünscht worden sind: erstens die Beruflichen Schulen so zu stärken, dass sie auf die dynamische Entwicklung im Bereich der beruflichen Bildung sowohl im nationalen Kontext - auf die Anforde
rungen der Wirtschaft und auf die Veränderungen von Berufsbildern bezogen - als auch im europäischen Kontext und den neuen Herausforderungen reagieren können.
Zweitens. Wir geben den Schulen Raum für Eigenverantwortung, für Entwicklungsmöglichkeiten. Wir geben ihnen je nach Bedarf und Situation Freiheit vor Ort.
Drittens. Wir ermöglichen den Schulen auf der Grundlage ihrer Kompetenz im dualen System in Abstimmung und in Zusammenarbeit mit den anderen Anbietern von Fort- und Weiterbildung, das Bildungsangebot in der Region auszubauen, die vorhandenen Ressourcen und Kompetenzen so zu nutzen, dass damit die wirtschaftliche Entwicklung einer Region gefördert und unterstützt wird.
Wir haben in der Erprobungsphase Erfahrungen gesammelt, die auch für andere Schulen und Schularten genutzt werden sollen, und wir haben Erkenntnisse gewonnen, die für die Umwandlung in die Regionalen Berufsbildungszentren als Anstalten öffentlichen Rechts nach dem neuen Schulgesetz unabdingbar waren.
Insgesamt haben wir - wie Sie dem Bericht entnehmen können - von allen Beteiligten positive Rückmeldungen erhalten. Dieser Prozess wirkt sich auf alle drei Säulen der Entwicklung des beruflichen Systems positiv aus, für die Entwicklung eines Unterrichts, der zu lebenslangem Lernen befähigt, für die Entwicklung des Personals, das insbesondere auf der Ebene der Führungskräfte, also der Schulleitung selbst, und der Abteilungsleiterebene Führungsverantwortung übernimmt und dafür auch entsprechend qualifiziert wird, und schließlich für die Entwicklung der Organisation durch die rechtliche Rahmengestaltung, die Einführung von Kosten-Leistungsrechnung, kaufmännischer Buchführung, von Geschäftsberichten und Wirtschaftsplänen, aber auch durch die Einführung von Verwaltungsräten und durch die Profilierung als Orte lebenslangen Lernens.
Meine Damen und Herren, allein diese Stichworte machen deutlich, welcher umfassender Veränderungsprozess dort in Gang gebracht worden ist.
Wir haben diese Umgestaltung an 15 beziehungsweise nach der Zusammenlegung von je zwei Standorten an 13 Standorten mit teilweise sehr gutem Erfolg erprobt. Es hat sich herausgestellt, dass diese Veränderungen, die von den Beteiligten immer gewünscht worden sind, nicht nur aufwendig sind, sondern auch ein sehr gründliches Umdenken
und Umlernen verlangen. Das betrifft zum Beispiel den Bedarf an gezielter Fortbildung für die Übernahme von Leitungsverantwortung und das betrifft grundsätzlich den Zeitaufwand, der vor Ort nötig ist, um diese Weiterentwicklung auf ein stabiles Fundament zu stellen.
Das Umsteuern von einer Verlaufskontrolle hin zu einer Output-Orientierung ist nicht mit einem Knopfdruck zu bewältigen. Das verlangt großen, auch zeitlich umfangreichen Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern. Aber dieser Einsatz ist mittelfristig ein Gewinn für alle und sogar kurzfristig überall dort, wo man sich auf die Vorarbeit der Kolleginnen und Kollegen aus den Projektschulen stützen kann. Das betrifft schließlich auch die Weiterbildungsangebote, die nicht als Konkurrenz zu den bereits existierenden Weiterbildungsanbietern zu verstehen sind, sondern als Ergänzung
- es ist wichtig, das immer wieder zu betonen, weil die Befürchtungen ja da waren - auf der Basis der umfassenden und der speziellen Kompetenz, die sich die Beruflichen Schulen erworben haben. Die Vollkostenrechnung bei der Kalkulation der Weiterbildungsangebote und die Abstimmung mit den Weiterbildungsverbünden gewährleisten, dass vielfältige Angebote ohne Verdrängungswettbewerb möglich sind.
Meine Damen und Herren, wir haben jetzt von der überwiegenden Zahl der Beruflichen Schulen und von den Projektschulen das Signal, dass sie diesen Weg weitergehen wollen. Mit dem Schulgesetz wird für alle, die sich umwandeln möchten, der Rahmen verlässlich festgeschrieben. Die Erprobungsphase hat von allen Beteiligten wirklich hohen Einsatz gefordert.
Allen, die diesen grundlegenden Prozess gestaltet, mitgestaltet, begleitet, unterstützt haben, danke ich an dieser Stelle sehr herzlich für ihren hochengagierten Einsatz.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im Rahmen der Schulgesetznovelle sollen die Regionalen Berufsbildungszentren aus dem Versuchsstadium herauswachsen und zu einem festen Bestandteil des berufsbildenden Schulwesens werden. Vor den damit im Landesparlament zu treffenden Entscheidungen bietet der Abschlussbericht zum Pilotvorhaben eine hilfreiche Diskussions- und Arbeitsgrundlage.