Protocol of the Session on November 29, 2006

Wir als Grüne haben in die letzte Sitzung einen Antrag eingebracht, in dem wir uns zu dem staatlichen Lottomonopol bekennen. Ich fände es ausgesprochen gut, wenn es dieses Lottomonopol in Deutschland weiterhin geben könnte. Ich glaube auch, dass wir darauf angewiesen sind, dass wir Mittel für die Suchtprävention haben und dass wir sie dort abschöpfen, wo Sucht auch verursacht wird. Ich sage ausdrücklich „auch“. Es geht nämlich immer um Lotto- und um Sportwetten. Insofern halten wir an unserem Beschluss fest. Aber wir haben gesagt, es macht keinen Sinn, jetzt einem Staatsvertrag zuzustimmen, von dem niemand - außer Herrn Kubicki sagen kann, ob er länger als drei Monate durchstünde.

Insofern hat unsere Landesregierung in ihrem Kampf gegen die Windmühlen tatsächlich den ganzen Landtag hinter sich. Der Herr Ministerpräsident wird die Begründung dazu hoffentlich so vorbringen, wie sie hier sehr unterschiedlich dargestellt worden ist.

Es gibt verschiedene Probleme. Es ist auf die Frage hingewiesen worden: Was entscheidet eigentlich der Europäische Gerichtshof? Hier sagen die einen, das Urteil des Europäischen Gerichtshofes werde gar keine Auswirkungen auf Schleswig-Holstein und auf Deutschland haben. Andere sagen, natürlich könne es sein, dass aus dem Urteil oder der Begründung Rückschlüsse auf Deutschland möglich wären.

Wenn wir uns anschauen, was gerade zur Dienstleistungsrichtlinie beschlossen worden ist, müssen wir sagen: Hier ist explizit das Lotto- und Spielwesen aus der Liberalisierung herausgenommen worden. Beriefen wir uns an dieser Stelle auf Europa, hätten wir eine Orientierung. Wir wissen aber nicht, was weitere Beschlüsse mit sich bringen.

Ich sage für meine Fraktion: Wir würden uns freuen, wenn das staatliche Lottomonopol bestätigt würde. Das würden wir in Deutschland gern weiter behalten. Das muss aber rechtlich auf sicheren Füßen stehen.

(Wolfgang Kubicki)

Ich sage auch ganz deutlich: Wenn es in Deutschland Spielsucht gibt - und die wird es immer geben -, dann muss es auch Haushaltsmittel geben, um Hilfe zu leisten. Darauf sind die Wohlfahrtsverbände als Träger der Suchthilfe auch angewiesen. Der Landeshaushalt hätte große Probleme, wenn diese Einnahmen wegbrächen.

Insofern: Kein Nein zum Staatsvertrag, sondern ein Ja dafür, ihm jetzt nicht zuzustimmen, solange die rechtliche Situation nicht geklärt ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Günter Neugebauer [SPD])

Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Das Wort für den SSW im Landtag erhält die Frau Abgeordnete Anke Spoorendonk.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sowohl die Diskussion hier im Landtag als auch die Debatte in der Öffentlichkeit haben gezeigt, dass die Zukunft des staatlichen Lotteriemonopols sehr umstritten und die Sachlage äußerst unübersichtlich ist. Die Fortsetzung dieser Geschichte, nämlich das Internetspiel, macht deutlich, wie kompliziert alles geworden ist. Ich kann dem Kollegen Wadephul nur Recht geben, dass die Auseinandersetzung zwischen der Kartellbehörde und den Bundesländern eher ein Streit um den Föderalismus darstellt und von daher nicht hinnehmbar ist.

Deshalb hofft der SSW, dass sich die Landesregierung dafür einsetzt, mit der Entscheidung über die Neufassung des Staatsvertrages über das Lotteriewesen zumindest so lange zu warten, bis der Finanzausschuss die Anhörungen der Ministerpräsidentenkonferenz ausgewertet hat.

Der SSW hat im Finanzausschuss der gemeinsamen Resolution zugestimmt. Dabei bleiben wir. Wir sehen aber Probleme in der weiteren Formulierung dieser Beschlussempfehlung, nämlich dort, wo es heißt, dass der Beschluss zur Neuordnung des Lotteriewesens verschoben werden soll, bis der Europäische Gerichtshof über das Sportwetten- und Lotteriewesen entschieden hat.

Nach unseren Informationen, die uns letzte Woche leider noch nicht vorlagen, soll der Europäische Gerichtshof - das ist vom Kollegen Neugebauer bereits gesagt worden - nur über einen Fall in Italien entscheiden, in dem es im Kern um die Frage geht, ob die italienischen Strafvorschriften Grund

lage für die Versagung der Erteilung von Konzessionen sein können. Allerdings wird das staatliche Monopol in Deutschland mit einer anderen Zielsetzung als in Italien begründet, nämlich mit dem Schutz vor den Gefahren der Spielsucht. Das heißt, jedweder Ausgang des Verfahrens in Italien ist für die deutsche Regelung des Glücksspiels ohne Bedeutung - das sind wenigstens unsere Informationen -, zumal der zuständige EU-Kommissar nicht das Glücksspielmonopol an sich infrage gestellt hat, sondern genau wie die Karlsruher Verfassungsrichter nur die konkrete Umsetzung dieses Monopols.

Dazu ist schwer absehbar, wann der Europäische Gerichtshof seine Entscheidung in diesem Fall treffen wird. Wenigstens ist mittlerweile gesagt worden, dass dies nun doch schon im Frühjahr nächsten Jahres der Fall sein wird. Hoffen wir also das Beste.

Unabhängig von den Formulierungen in unserer gemeinsamen Beschlussempfehlung sieht der SSW aber immer noch eine ganze Reihe von Fragen, die geklärt werden müssen, bevor wir als Abgeordnete die Neufassung des Staatsvertrages bewerten können. Wir meinen, der Finanzausschuss muss die Zeit bis zur Entscheidung im Frühjahr nutzen, um diese Fragen zu klären. Im Folgenden möchte ich auflisten, was für uns zu den wichtigen Fragen gehört.

Erstens. Wie hoch wird ein möglicher Umsatzrückgang wirklich sein, wenn der jetzt vorliegende Staatsvertrag mit den Restriktionen des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt wird? Die bisher in die Diskussion eingebrachten Zahlen von einem Umsatzrückgang von bis zu 40 % erscheinen uns viel zu hoch, und ich muss sagen: Nach unseren Informationen wird mit diesen Zahlen auch Stimmung gemacht.

Zweitens. Die Befürworter einer Liberalisierung wollen in Zukunft private Glücksspielanbieter beziehungsweise deren Veranstalter und Vermittler besteuern, um so die Förderung für die Bereiche Soziales, Kultur und Sport im gebotenen Umfang weiterhin zu ermöglichen. Allerdings stellt sich die Frage, wie man zum Beispiel nach einer Liberalisierung ausländische Glücksspielanbieter besteuern will. Das wäre doch eigentlich nur über eine europaweite Besteuerung möglich, und das, denke ich, ist unrealistisch. Oder gibt es andere Ansätze, über die wir noch nichts erfahren haben? Auch das müsste im Finanzausschuss noch einmal diskutiert werden.

Die Frage lautet also, ob eine Aufhebung des Glücksspielmonopols nicht letztlich zum Wegfall

(Monika Heinold)

der Förderung für die genannten Bereiche führen würde. Das, denke ich, wollen wir alle verhindern.

Dritter Punkt. Dieser ist für den SSW besonders wichtig. Aus unserer Sicht ist weiterhin unklar, wie private Wettanbieter wirkungsvoll zur Suchtbekämpfung beitragen können, wenn sie doch gleichzeitig das Unternehmensziel der Gewinnmaximierung haben. Auch insoweit schulden uns die Liberalisierungsbefürworter klare Auskunft.

Eine letzte Bemerkung noch zu dem, was der Kollege Wadephul vorhin ebenfalls ansprach. Er sagte, Sportwetten hätten etwas mit Dienstleistung zu tun. Indirekt - so habe ich das aufgefasst - sprach er die europäische Dienstleistungsrichtlinie an. Aber genau dieser Punkt ist aus der europäischen Dienstleistungsrichtlinie wieder herausgenommen worden. Meines Wissens hat sich die Europäische Kommission nicht grundsätzlich gegen die Aufrechterhaltung des staatlichen Lotteriemonopols ausgesprochen und wird das wohl auch nicht tun.

Wir vom SSW sind für ein sauber abgearbeitetes Staatsmonopol. Von daher, denke ich, könnten wir auch dem Staatsvertrag zustimmen. Aber auf jeden Fall müssen wir uns zunächst im Finanzausschuss noch einmal mit diesen ungeklärten Fragen auseinandersetzen.

(Beifall beim SSW)

Für die Landesregierung hat zunächst der Herr Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete! Wer Monopole verteidigt, darf in der Regel als ewig gestrig gelten. So kann auch, finde ich jedenfalls, in der heutigen Debatte nicht von irgendjemandem die Verteidigung des Monopols als Selbstzweck in den Mittelpunkt gestellt werden. Allerdings geht es um zwei Themen. Zum einen geht es um die Frage des Wettbewerbs im Glücksspielbereich mit immer neuen Spielanreizen und aggressiver Werbung. Das Thema Suchtbekämpfung ist ohnehin relativ schwierig. Allerdings, Herr Kollege Wadephul, ob das dadurch besser wird, dass man den suchtanfälligeren Bereich liberalisiert, wage ich zu bezweifeln. Dann entfiele ja in dem anderen Bereich, der deutlich weniger anfällig ist, jede Berechtigung, dies durch den Staat zu regeln. Mit anderen Worten, wäre es ein Automatismus, folgte man Ihrem Vorschlag.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das habe ich überhaupt nicht gesagt, Herr Minister!)

- Das ist nur die Konsequenz Ihres Vorschlages.

Zweitens. Mir geht es als Sportminister darum, dass wir die Erträge für den Sport und für die anderen Zwecke sicherstellen können.

Wer über Europa redet, der muss auch wissen: In Europa gilt die Niederlassungsfreiheit. Ich sage noch einmal: Wer ernstlich glaubt, dass ein Unternehmen aus Vaterlandsliebe in Altenholz bleibt, anstatt nach Gibraltar zu gehen, der täuscht sich. Denn auch hier herrscht soziale Marktwirtschaft beziehungsweise Marktwirtschaft pur.

(Beifall der Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD] und Lars Harms [SSW])

Wenn wir dann die gleichen Bedingungen haben wie in England - das ist ja der Punkt -, dann werden wir eben das 20-Fache an Spielaufkommen brauchen, um die gleichen Erträge zu erwirtschaften. Da kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch! Dann brauchen wir jedenfalls nicht mehr von Suchtbekämpfung zu reden.

Das will ich sagen, ohne damit in irgendeiner Form, wie das bereits in Anflügen versucht worden ist, in Abrede zu stellen, was der Europaminister zu Recht sagt, dass wir nämlich die europarechtlichen Bedenken ins Kalkül ziehen müssen, dass wir darüber nachdenken müssen, dass am Ende nur etwas Bestand haben kann, was dem Europarecht entspricht. - Übrigens, lieber Herr Kollege Neugebauer, mein Vertrauen gegenüber dem Europäischen Gerichtshof ist nicht ganz so ausgeprägt wie Ihres. In Teilen haben wir auch schlechte Erfahrungen gemacht. Ich fürchte, wenn sich manche Auffassung durchsetzt, werden wir am Ende alles zulassen müssen. Dann hätten wir sozusagen das Las-VegasPrinzip.

Im Übrigen will ich auch deutlich sagen, dass das, was das Kartellamt gemacht hat, aus meiner Sicht unzulässig gewesen ist.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Ich will doch einmal darauf hinweisen, dass sich das Kartellamt in Dinge einmischt, die die Länder selbst zu regeln haben und übrigens auch regeln müssen, wenn sie den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes folgen wollen. Ich sage auch: Ich bin als Verfassungsminister etwas altmodisch. Ich glaube tatsächlich, dass das Bundesverfassungsgericht das höchste Organ der Interpretation des Rechts ist und nicht das Bundeskartellamt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

(Anke Spoorendonk)

Aber es gibt dieses Risiko, und mit diesem müssen wir umgehen.

Nun habe ich auch zur Kenntnis zu nehmen, dass zwei der Fraktionsvorsitzenden im Landtag herausragende Juristen sind. Das ist auch gut so. Ich fürchte allerdings, dass sich die Einschätzung, nur in Schleswig-Holstein gebe es gute Juristen, nicht ganz wird halten lassen. Deswegen ist der Beschluss des Finanzausschusses ein vernünftiger zu sagen, sich dafür einzusetzen, dass wir nicht etwas tun, was am Ende vor Europa keinen Bestand hat. Aber zu glauben, wir kämen am Ende weiter, wenn wir mit 1:15 antreten, wenn wir also etwas gänzlich anderes tun und die deutsche Einheitlichkeit sprengen, nur weil der eine oder andere Schleswig-Holsteiner besonders heftig an unseren Türen rüttelt, das halte ich nicht für eine sinnvolle Einstellung. Ich verneige mich in Demut vor der rechtswissenschaftlichen Kompetenz, ich glaube aber, es gibt sie auch in anderen Ländern. Dort gibt es nicht nur Leute, die das Recht nicht kennen.

Erlauben Sie mir, noch ein Letztes festzustellen. Herr Kollege Wadephul, das bezieht sich auf die Werbekampagne, die wir in den letzten Tagen erlebt haben. Es werden horrende Beträge investiert, um Druck auf die Politik auszuüben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Johann Wade- phul [CDU])

- Lieber Herr Abgeordneter Dr. Wadephul, das hat in Teilen schon eine Qualität, gegen die Sie sich in anderen Zusammenhängen gelegentlich verwahren.

Dies ist ein frei gewähltes Parlament. Ich finde den Beschluss, dazu beizutragen, dass wir nicht etwas tun, was uns ins europarechtliche Abseits stellt, vernünftig, ich bin aber auch dafür, dass wir das in vernünftiger Diskussion mit den anderen Ländern tun, und ich bin dagegen, dass wir es nach dem Motto tun: Die Einzigen, die wissen, wie es geht, sind die Schleswig-Holsteiner, ganz gleich, was die andere Welt tut. Sich dafür einzusetzen, ist in Ordnung, aber am Ende sollten wir uns im Geleitzug deutscher Diskussion und dessen bewegen, was die Länder insgesamt - übrigens völlig unabhängig von Parteizugehörigkeit, Herr Abgeordneter Wadephul entscheiden.

Wir wollen die Erträge für die sozialen Zwecke, für den Sport und für die Kultur sichern; denn der Finanzminister hat keinen Extratopf dafür und wird ihn, so fürchte ich, künftig auch nicht bekommen. Deswegen muss das das Ziel sein, nicht die Instrumente, nicht das Monopol an sich und nicht diese oder jene Formulierung im Staatsvertrag.

(Beifall bei SPD und SSW)

Für die Landesregierung hat nun der Herr Ministerpräsident das Wort. - Herr Kubicki, das eröffnet nach § 56 Abs. 6 der Geschäftsordnung die Möglichkeit weiterer Redezeit. Ich werde Sie zu gegebener Zeit bitten, davon Gebrauch zu machen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kubicki, die Staatssekretärin hat natürlich nicht auf eine Debatte im Landtag gedrängt. Mir hätte der weise Beschluss des Finanzausschusses gereicht. Aber ich gebe gern zu: Auch die Debatte hilft. Mich braucht man in dieser Angelegenheit auch nicht zum Jagen zu tragen. Das hat bereits die letzte Debatte, die wir hierzu geführt haben, gezeigt.

Wir haben seinerzeit über die Ausgestaltung des neuen Lotteriestaatsvertrages geredet, und wir haben die Marschlinie für die Verhandlung abgesteckt. Im Rahmen der fortschreitenden Diskussion des Staatsvertrages und nicht zuletzt durch die Anhörung auf Bundesebene ist jetzt immer deutlicher geworden, dass wir ohne Nachbesserung an diesem Entwurf nicht auskommen werden.