Es gibt ja schon Vorzeigbares. Ich will das Stichwort Mehrgenerationenhäuser nennen. Allein festzustellen, dass wir das Angebot verbessern, reicht in diesem Fall nicht. Es geht um die Forderung, dass junge Menschen älteren Menschen auch begegnen können müssen. Das heißt, dass entsprechende Angebote nicht irgendwo an die Ortsränder gelegt werden, unabhängig davon, ob sie ambulant oder stationär sind, unabhängig davon, ob neu geplant wird oder ob Vorhandenes verbessert werden soll. Ich finde, Generationen müssen die Möglichkeit haben, sich auch in 20 Jahren begegnen zu können und sich auszutauschen. Darauf ist in so einem Zusammenhang ebenfalls hinzuweisen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will eines, was ich in diesen Debatten immer deutlich mache, noch einmal herausstreichen, weil ich davor warnen will, dass wir falsche Erwartungen wecken. Der Grundsatz ambulant vor stationär ist richtig und muss so weit wie möglich auch gelebt werden können. Ich warne aber davor, insbesondere die weniger aufmerksamen Vertreter der Union, darin eine Sparbüchse für den Pflegebereich zu sehen.
Älter werden wir alle, lieber Kollege Kalinka, und sind dann im Zweifel froh, wenn auch an unsere Bedürfnisse in 20 oder 30 Jahren gedacht wird. Ich sage ganz deutlich, ambulante Pflege kann teurer sein als stationäre Unterbringung. Das muss man sich vergegenwärtigen, bevor man einmal schnell eine solche Formel in den Mund nimmt, ohne sie entsprechend unterlegen zu können.
Bevor ich der Ausschussüberweisung für meine Fraktion selbstverständlich auch zustimme, will ich einfach als Anregung für die Beratung im Sozialausschuss folgende Punkte mitgeben, weil ich denke, wir sollten uns im Sozialausschuss über folgende Punkte noch einmal eingehend unterhalten:
Erstens. Nach der Föderalismusreform ist es an der Zeit, dass wir uns an die Ausarbeitung eines Heimgesetzes machen, das die Ergebnisse der Föderalismusreform berücksichtigt, und dass wir uns darüber einig sind, welche Standards eigentlich in einem solchen Heimgesetz auf Landesebene verankert werden sollen.
Zweitens. Verabredung landesweit einheitlicher Standards hinsichtlich der Prozessqualität pflegepraktischer Handlungen gerade im ambulanten Bereich. Dabei sind die Ergebnisse aus dem Modellprojekt ProQua zugrunde zu legen. Ich weiß, das ist alles schon irgendwo aufgeschrieben, dass das passieren soll, wir sind aber gefordert, auch für die konsequente Umsetzung zu sorgen.
Drittens. Die Frau Sozialausschussvorsitzende hat angesprochen, wir brauchen nicht nur eine Datenerhebung bei der Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung, sondern die Ergebnisse sind regelmäßig auf die Prozessqualität zu überprüfen, zum Beispiel anhand der objektiven Messung der Ergebnisse am zu Pflegenden, also die sogenannte Ergebnisqualität ist einfach festzustellen. Gemeinsam mit den Anbietern von ambulanten und stationären Pflegeangeboten und den Hausärzten sind Grundlagen für eine landesweite Vernetzung zu erarbeiten.
Gestatten Sie mir einen letzten Punkt, Frau Präsidentin, der mir ganz besonders wichtig ist. Wir sollten uns als Sozialausschuss einmal Gedanken darüber machen, wie wir die Attraktivität des Pflegeberufs steigern können und wie wir das vor allem nach draußen tragen können, also eine wirkliche Informations- und Imageoffensive für die Pflegeberufe. Das haben nicht nur die Angehörigen dieser Berufe verdient, sondern wir müssen auch an die Nachwuchsrekrutierung denken. Der Pflegeberuf kann ein sehr spannender und sehr erfüllender Beruf sein.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Dr. Garg. - Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt Frau Abgeordnete Monika Heinold.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden, wir haben schon einiges erreicht, unter anderem unseren Beschluss zur Landesverfassung, indem wir das Recht auf menschenwürdige Pflege aufgenommen haben. Es bleibt noch viel zu tun im Bereich der Pflege im Bund wie im Land, auch in den Kommunen.
Ich nenne ein paar Stichworte: Es ist die Zukunft der Pflegeversicherung, es ist die Frage des Heimrechts - Herr Dr. Garg hat es erwähnt -, das wird in Landesrecht gegossen werden müssen, es ist die integrierte Ausbildung statt der separierten Altenpflegeausbildung - wir haben diesen Punkt der Pflegeausbildung noch im Ausschuss liegen und noch keine Entscheidung -, es sind Pflegestandards und Qualitätssicherung, die uns die nächsten Jahre mit Sicherheit weiter beschäftigen werden, es ist aber auch der Bereich Pflegeforschung und Pflegewissenschaft. Zu Letzterem gab es gerade einen ablehnenden Antrag von SPD und CDU. Dabei werden wir es aber nicht belassen können, weil sich da etwas tun muss.
Bei den beiden vorgelegten Berichten geht es einmal um die Träger unabhängiger Pflegeberatungsstellen, aber auch um Angebote im ambulanten Bereich der Betreuung und Pflege. Zu den trägerunabhängigen Beratungsstellen möchte ich sagen, dass der Bericht sehr positiv ist, auch volkswirtschaftlich zeigt, dass das ein Erfolg ist. Herr Geerdts, ich finde, es ist eine Schande, dass die CDU im Kreis Herzogtum Lauenburg im Sozialausschuss beschlossen hat, dass die Pflegeberatungsstelle im Kreis Herzogtum Lauenburg nicht mehr finanziert wird.
Es ist eine Schande, es ist volkswirtschaftlich dumm und falsch. Sie haben heute hier gesagt, da sei noch viel Überzeugungsarbeit notwendig. Nutzen Sie die Herbstpause, Herr Geerdts, auch im Kreis Herzogtum Lauenburg! Noch hat ja offenbar der Kreistag nicht beschlossen, sondern nur der Sozialausschuss. Nehmen Sie Ihre Kollegen an die Hand, machen Sie mit ihnen die Rechenbeispiele, die Sie hier aufgemacht haben, und überzeugen Sie Ihre Kollegen vor Ort von der Notwendigkeit und der finanziellen Sinnhaftigkeit dieser Pflegeberatungsstelle!
Herr Kalinka, wenn Sie es noch nicht verstanden haben, dann gehen Sie zu Herrn Geerdts, der hat vorhin begründet, warum es notwendig ist.
Hinzu kommt, dass es aus unserer Sicht notwendig ist, das Informationsangebot für Pflegebedürftige und ihre Angebote zu verbessern. Wir hatten hierzu ja einen Landtagsantrag eingebracht. Das ist ja einer der Gründe, warum dazu heute Berichte vorgetragen wurden. Es gilt eine Informationsplattform einzurichten, damit sich Pflegebedürftige und An
gehörige selbst und übergreifend informieren können. Es geht darum, dass die Qualität der Einrichtungen, der Leistungsumfang, die Kosten bekannt sind. Wir wissen alle, dass es gerade in diesen Fällen oft sehr schnelle Entscheidungen geben muss und dass es sehr schwierige Entscheidungen für die Angehörigen sind. Sie müssen schnell eine Lösung finden. Sie wollen wissen, wo es in der Nähe ein Angebot gibt, wenn stationär untergebracht werden muss, aber auch wenn ambulante Hilfe notwendig ist. Was kostet es, welche Leistung und welche Qualität gibt es? Nach dem Motto „Senioren surfen in ihre neue Heimat“ können und müssen wir noch viel tun, damit diese Angebote durch ein Internetportal gefunden werden können.
Die Landesregierung macht deutlich, dass sie versuchen will, den bestehenden elektronischen Pflegeatlas zu überprüfen. In einem Gutachten wird derzeit überprüft, inwieweit diese Daten zukünftig für die Öffentlichkeit, für die Betroffenen zu nutzen sind. Ich hoffe, dass die Überprüfung zum Erfolg führt. Damit wären wir einen Schritt weiter.
Ich komme zu meinem letzten Punkt. Ich finde, dass wir in Zukunft auch über Qualitätssiegel diskutieren müssen. Das soll nicht zu mehr Bürokratie führen, aber es kann dazu führen, dass Angehörigen und Pflegebedürftigen geholfen wird, wenn sie vor der Frage stehen, für welches Angebot sie sich entscheiden.
Ich danke der Frau Abgeordneten Heinold. - Das Wort für den SSW im Landtag hat der Herr Abgeordnete Lars Harms.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung berichtet darüber, dass der weit überwiegende Teil der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein zu Hause versorgt wird. Das liegt nicht daran, dass es keine ausreichenden stationären Betreuungsangebote gibt, sondern daran, dass Menschen auch im Falle der Pflegebedürftigkeit lieber zu Hause bleiben wollen. In der Tat, Herr Garg, das spart unserem Sozialstaat eine Masse Geld. Das 18. Altenparlament hat in seinen Beschlüssen kürzlich darauf hingewiesen, dass die Senioren den „eigenen vertrauten vier Wänden“ einer Unterbringung im Heim vorziehen, solange dem
keine größeren Risiken entgegenstehen. Das Altenparlament fordert eine angemessene Betreuung, um diesem Wunsch der Pflegebedürftigen entsprechen zu können.
Die Experten in eigener Sache haben die Pflegeberatungsstellen ausdrücklich gelobt; das tut die Landesregierung auch. Deren Fortbestand ist aber keineswegs gesichert, wie das Beispiel Lauenburg zeigt, obwohl ihre Arbeit unbestritten wichtig ist. Keine Öffentlichkeitskampagne kann die solide Beratungsarbeit vor Ort ersetzen. Schließlich geht es darum, die Fakten zu erfahren: Wer kann mir wie helfen? Die Beratungsstellen bieten individuelle Beratung im Einzelgespräch und geben den Angehörigen die nötigen Hilfsmittel an die Hand, ohne diese zu bevormunden.
Die trägerunabhängige Beratung kann in enger Kooperation mit den bestehenden Einrichtungen den Wechsel in eine stationäre Einrichtung verhindern oder zumindest aufschieben. Informationen über Hilfen zu Hause, aber auch technische Hilfsmittel und finanzielle Unterstützung bilden den Grundstein für die häusliche Pflege. Die Pflegeberatungsstellen müssen erhalten und in eine institutionelle Förderung überführt werden. Sie bieten einen guten Service und sparen darüber hinaus uns allen, auch den Kommunen, eine richtige Stange Geld.
Es ist besonders schade, wenn in einem Bericht über ambulante Betreuung und Pflege bestimmte Angebote nicht aufgezählt werden, obwohl ausdrücklich nach den Angeboten gefragt wurde. Weder die Senioren-WG noch das Service-Büro Fruerlund werden genannt. Beide Ideen stammen übrigens aus Flensburg - woher auch sonst? - und werden mitfinanziert vom Selbsthilfebauverein. Diese Wohnungsbaugesellschaft versucht, der steigenden Nachfrage nach möglichst selbstständigem Leben im Stadtteilquartier gerecht zu werden. Direkt in einem Wohngebiet mit hohem Anteil älterer Mieter wird eine qualifizierte Beratung angeboten und ein soziales Unterstützungsnetzwerk geknüpft. Das kommt dem Mehrgenerationenhaus des Altenparlaments schon ziemlich nahe.
Der SSW teilt den Enthusiasmus der Sozialministerin nicht, dass Information der Schlüssel zum Erfolg ist. Nicht für alle Fälle hilft eine umfassende Information. Wer sich nicht betroffen fühlt, wird nicht auf Vorrat Informationen sammeln. Weite Bevölkerungskreise bleiben also außen vor, wenn Infokampagnen gefahren werden. Nachhaltige Überzeugungsarbeit muss mit stabilen Strukturen verbunden sein und hierzu gehört eine entsprechend gesicherte Förderung.
Wir lehnen Kampagnen nicht durchweg ab. Die sehr rührige „Landesagentur Demenz“ zeigt, wie Informationen nachhaltig an den Mann gebracht werden können. Die Agentur reist durchs Land und hat viele Mitstreiter für eine umfassende Infokampagne in diesem Herbst gefunden. Dabei geht es durchaus nicht nur um Angehörige und Pflegebedürftige selbst, sondern auch um das Schärfen des professionellen Blicks, wenn es um Demenz geht, die am wenigsten verstandene Volkskrankheit überhaupt. Ein ganzes Bündel von Veranstaltungen werden diese Krankheit und die damit verbundene Betreuung in den Blick rücken. Bedauerlichweise gibt es keine Termine der Landesagentur in Nordfriesland, wo ich herkomme. Ich finde, wir sollten im Ausschuss einmal klären, worin der Grund für diese einmalige regionale Ausnahme liegt.
Zum Alter gehört auch das Sterben. Wir haben vor kurzem im Landtag und als sozialpolitische Sprecher über die Hospizversorgung gesprochen und Veranstaltungen durchgeführt. Würdevolles Sterben-können in den eigenen vier Wänden ist nach langer Krankheit nur möglich, wenn ein Netz ambulanter Betreuung existiert. Die Situation ist noch lange nicht optimal; das gilt insbesondere für meinen Heimatkreis, den Kreis Nordfriesland. Dass Sterbenskranke für ein Sterben jenseits des Krankenhauses die Dienste des Katharinenhospizes in Flensburg in Anspruch nehmen müssen, wird in Nordfriesland oftmals beklagt. Auch der rührige Hospizverein Husum oder die Ehrenamtler auf Eiderstedt können kein gleichwertiges Angebot bieten. Die ehrenamtlichen Helfer stoßen an ihre Grenzen. Sie sind in der Trauerarbeit sehr engagiert und stehen den Familien nach einem Trauerfall bei. Die Pflege eines Sterbenskranken können sie aber nicht leisten. Wir brauchen deshalb ein flächendeckendes Hospizangebot und das wird mehr kosten als die 30.000 € jährliche Unterstützung. Da muss richtig vom Land und - das sage ich ganz deutlich - insbesondere von der kommunalen Seite in Infrastruktur investiert werden. Das sollten wir nicht vergessen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung. Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden. Wer die Berichte der Landesregierung, Drucksachen 16/936 und 16/945, dem Sozialausschuss zur abschließenden Beratung überweisen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegen
Meine Damen und Herren, wir sind am Schluss dieser Tagung. Ich gebe den Beginn der nächsten, der 17. Tagung des Landtages bekannt: 29. November 2006, 10 Uhr. Ich wünsche Ihnen eine erholsame sitzungsfreie Zeit.
Herausgegeben vom Präsidenten des Schleswig-Holsteinischen Landtags - Stenographischer Dienst und Ausschussdienst