Protocol of the Session on September 15, 2006

werden. Denn mit Sprechstunden von Rechtspflegern im Rathaus, mit Amtsgerichtsnebenstellen, die ja auch bezüglich des Verwaltungsoverheads Geld einsparen, mit E-Government und mit auswärtigen Gerichtstagen im Ratssaal ist eine Präsenz der Rechtsprechung überall zu gewährleisten, auch ohne den formalen Sitz eines Gerichtes.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Kubicki [FDP]: Da redet ein Blin- der vom Sehen! Das glaube ich nicht!)

Leider bringt die Landesregierung zu keiner dieser grundsätzlichen Reformen den Mut auf und es gibt auch keine Ansätze, die Strukturen neu zu denken. Das, was hier vorliegt, ist eine Einzelreparatur von Standorten, aber kein großer Wurf und auch kein Abschluss einer 30-jährigen Debatte.

Wir werden deshalb den vorliegenden Gesetzentwurf ablehnen. Die Debatte muss weitergehen, wir werden unsere Vorschläge einbringen und ich bin auf die zukünftigen Entwicklungen in der Justiz gespannt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hentschel und erteile für den SSW im Landtag der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Bemerkung vorweg.

Lieber Kollege Puls, es war ja ganz nett, dass wir jetzt noch einmal die Gründe der SPD für die Annahme dieses Gesetzentwurfes zu hören bekamen. Aber ich muss sagen: Es war arrogant, dass Sie uns nicht schon im Ausschuss dargelegt wurden.

(Beifall bei SSW und FDP - Widerspruch des Abgeordneten Klaus-Peter Puls [SPD])

- Ja, das muss ich ehrlich sagen.

Unterm Strich bringt diese Reform nichts außer Unmut und Frustration in den zu schließenden Amtsgerichten. Die Landesregierung drückt hier eine Strukturänderung bei den Amtsgerichten durch, ohne dass dem ein erkennbares inhaltliches Konzept zugrunde liegt.

(Beifall bei der FDP)

Der Landesregierung geht es einzig und allein darum, die Amtsgerichte so zurechtzuschneiden, dass künftig eine Mindestzahl von acht Richtern je Amtsgericht - zwei Richter für jedes Rechtsgebiet

(Karl-Martin Hentschel)

vorgehalten werden sollen. Die Gesamtbeschäftigtenzahl - das haben wir schon mehrfach gehört soll bei mindestens 67 Mitarbeitern liegen. Dies ist nach Auffassung des Ministers das Minimum für die Richterschaft.

Die von der Landesregierung zugrunde gelegte Wirtschaftlichkeitsberechnung läuft über einen Zeitraum von 50 Jahren und auch das ist - so denke ich - mehr als unüblich.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Muss sie ja, sonst rechnet sie sich nicht!)

Daher möchte ich auf die von der Landesregierung genannten Einsparungen gar nicht weiter eingehen, da sie aus Sicht des SSW überhaupt nicht zu erkennen sind.

Die Konklusion, die wir aus der Anhörung zum Gesetzentwurf der Landesregierung ziehen können, ist: Es gibt keine tatsachenbasierten und belegten Grundannahmen, wonach sich die Notwendigkeit zur vorgeschlagenen Neuordnung der Amtsgerichte ableiten lässt.

(Beifall beim SSW)

Gegen eine Neuordnung oder Reform innerhalb der schleswig-holsteinischen Justiz hat sich niemand ausgesprochen und auch der SSW stellt sich in diesem Punkt nicht quer.

Es hat auch in den letzten Jahren viele Reformen in der Justiz gegeben. Dies ist aber immer im konstruktiven Miteinander zwischen Ministerium und Vertretern der Justiz geschehen. Daher wurden diese Reformvorhaben im Wesentlichen von der Justiz in Schleswig-Holstein mitgetragen. Davon hat sich die Landesregierung verabschiedet.

(Beifall bei der FDP - Wolfgang Kubicki [FDP]: Das ist bedauerlich!)

Dies ist bedauerlich - jawohl -, da somit der Eindruck vermittelt wird, dass die Landesregierung ihre Reform der schleswig-holsteinischen Justiz einfach überstülpt. Diese Vorgehensweise sehen wir sehr kritisch. Hier hätte man ergebnisoffener vorgehen müssen und man hätte die Ergebnisse bereits laufender Reformen - Stichwort „große Justizreform“ - abwarten müssen. Die mit der Neuordnung gebundenen Kräfte, die aufgewendet werden müssen, hätten aus unserer Sicht besser in laufende Reformen gesteckt werden müssen.

Jetzt komme ich noch mal zum Amtsgericht Kappel. Ich möchte deutlich sagen, dass wir unsere Kritik hinsichtlich der Schließung weiter aufrechterhalten. Sowohl die Anhörung als auch die Diskussion dazu, die doch noch im Ausschuss stattfand, haben

für uns deutlich gemacht, dass es für die Schließung des Amtsgerichtes keine nachvollziehbaren Gründe gibt.

(Beifall beim SSW)

Im Gegenteil: Für den Standort Kappeln bleibt festzustellen, dass man dort vorzügliche Arbeit leistet; dies ist dem Amtsgericht auch vom Ministerium bescheinigt worden. Hier bedarf es also keiner Reform, um auch zukünftig qualitativ hochwertige und effiziente Arbeit zu gewährleisten. Das Amtsgericht Kappeln weist hierfür alle technischen und strukturellen Voraussetzung auf.

Des Weiteren hat sich das Amtsgericht Kappeln bisher immer durch seine gute Serviceleistung ausgezeichnet.

(Beifall bei SSW und FDP)

Man hat sich dort durch die kurze Dauer bei Straf-, Zivil- und Familienverfahren und die schnelle Erledigung der Grundbuchsachen hervorgehoben. Gerade das sind die Sachen, mit denen es ein Amtsgericht zu tun hat; das ist ja nicht so spezialisiert. In Bezug auf die Erledigungszahlen haben wir es dort mit einer effektiven Einheit zu tun, die sich im Vergleich mit größeren Gerichten positiv hervorgetan hat.

(Beifall beim SSW)

Zu den regionalpolitischen Argumenten ist schon vieles gesagt worden; wegen der Kürze der Zeit will ich das nicht wiederholen. Diese sind aber wichtige Gründe für uns, weshalb wir der Neustrukturierung nicht zustimmen können.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: So ist es!)

Das hat etwas mit der Region Kappeln zu tun. Das hat etwas mit der Verkehrsinfrastruktur zu tun und es hat es etwas damit zu tun, dass in Kappeln in den letzten vielen Jahren alle öffentlichen Institutionen geschlossen worden sind.

(Anhaltender Beifall bei der FDP und Beifall beim SSW)

Ich danke der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk und erteile für die Landesregierung Herrn Minister Uwe Döring das Wort.

(Anke Spoorendonk)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Struktur der Gerichte auf den Prüfstand zu stellen, insbesondere die Amtsgerichtsgröße an zukünftige Anforderungen anzupassen. Mit dieser abschließenden Lesung wird der Vorsatz in die Tat umgesetzt. Vorausgegangen ist über ein Jahr intensiver Diskussionen bis hin zum Termin des Petitionsausschusses in Geesthacht in der letzten Woche.

Im August letzten Jahres ist bereits das Konzept vorgestellt worden. Es ist umfänglich angehört worden und im Übrigen, Herr Kubicki, sind immer auch die Betroffenen angehört worden. Dass Betroffene dagegen sind, dass ihr Standort aufgelöst wird, ist verständlich. Ich sage etwas sarkastisch dazu: Die verwaltungsmäßige Selbstentleibung hat nur in Japan Tradition. - Deswegen habe ich auch nichts anderes erwartet.

Das Konzept ist in den Anhörungen immer weiter konkretisiert worden. Wir haben die Anzahl der Schließungen von ursprünglich sieben auf fünf reduziert. Wir haben die Zuschnitte der neuen Gerichtsbezirke neu konstruiert. Es hat aufgrund von Wünschen der Betroffenen Änderungen gegeben und dies wiederum hat Auswirkungen auf die dann folgenden Baumaßnahmen und die Schließungstermine.

Ich sage es hier noch einmal: Die Auflösung ist kein Urteil über zurückliegende oder gegenwärtige Leistungen der Gerichte, sondern eine Entscheidung für die Zukunft. Das Gesetz orientiert sich an Mindestgrößen, die nach unserer Auffassung für die langfristige Leistungsfähigkeit wichtig sind. Damit wird auch die bisher ausgesprochen buntscheckige Gerichtsstruktur zumindest ein wenig vereinheitlicht. Jeder weiß, dass die überkommene Struktur in diesem Punkt allenfalls historische, aber keine fachlichen Gründe hat. Ich verweise auch darauf, dass wir hier noch nicht einmal die Kreisstrukturreform von 1970 abbilden.

Es gab und es gibt Kritik; das ist nachvollziehbar und war nicht anders zu erwarten. Jede Stadt, jeder Landgerichtsbezirk kämpft darum, dass kein Gericht verloren geht.

Es gibt auch Kritik am Konzept. Doch ich habe bisher nur Kritik gehört. Ich habe nicht ein einziges überzeugenderes Konzept gesehen. Ich bin sogar geneigt zu sagen, dass ich überhaupt kein Konzept gesehen habe. Das, was Herr Hentschel hier vorgestellt hat, halte ich nicht für ein Konzept. Denn es

ist in vielen Punkten ausgesprochen unausgegoren, was beispielsweise den IT-Ansatz und ähnliche Dinge anbelangt.

Herr Hentschel, warum haben Sie meine Vorgängerin in den letzten fünf Jahren nicht ermutigt, eine Amtsgerichtsstrukturreform in Ihrem Sinne auf den Weg zu bringen, obwohl Sie Ihrer Meinung nach doch so gute Ideen haben?

(Beifall bei SPD und CDU)

Ich habe auch dem vorigen Kabinett angehört und weiß, wie sie immer gedrängt wurde, endlich irgendetwas vorzulegen. Aber die werte Frau Kollegin hat nichts vorgelegt. Jetzt Kritik zu üben, ist Ihr gutes Recht, aber zu sagen, die Grünen würden es besser machen, ist unangebracht. Sie hatten fünf Jahre dazu Zeit, aber sie nicht genutzt.

(Beifall bei der CDU)

Bei der Wirtschaftlichkeitsberechnung, Herr Kubicki, kritisieren Sie den 50-Jahres-Zeitraum. Bei den Gebäuden ist dieser üblich, das wissen Sie. Wir haben im Wesentlichen Kostenfaktoren, die über Gebäude zustande kommen. Insofern sage ich: Wessen Vorstellungskraft nicht 50 Jahre in die Zukunft reicht, der sollte sich den 20-Jahres-Zeitraum anschauen. Auch dieser ist wirtschaftlich.