Protocol of the Session on September 13, 2006

Wie unsinnig und unökonomisch die meisten politisch motivierten Entscheidungen sind, belegt die Entwicklung des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am anschaulichsten. Vor fünf Jahren von Rot-Grün gegen Sinn und Verstand durchgepeitscht, hat es sein Eigenkapital nahezu aufgezehrt und schreibt jährliche Verluste von 20 Millionen €; Mit jährlich steigender Tendenz. Letzte Woche gab es eine vielfarbige Präsentation. Es wurde versprochen, dass der Landtag nur den Vorstellungen der Regierung folgen müsse, dann werde das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in fünf Jahren Gewinn abwerfen. Gleiches hat übrigens der damalige Staatssekretär im Bildungsministerium, Dr. Ralf Stegner, für die Fusion der Universitätsklinika verantwortlich, vor fünf Jahren versprochen. Vor fünf Jahren sagte er im Ausschuss und im Plenum: In fünf Jahren wird das Universitätsklinikum schwarze Zahlen schreiben. Wahrscheinlich hält Herr Dr. Stegner 20 Millionen € Verlust für einen Gewinn. Die einzigen, die übrigens bei der ganzen Operation gewonnen haben, sind die Vorstandsmitglieder des UK S-H, die nach den Aussagen des Landesrechnungshofs im wahrsten Sinne des Wortes für das Ergebnis ihrer Tätigkeit fürstlich belohnt werden.

Wir haben während und unmittelbar nach der Sommerpause vernommen, es kämen jetzt die großen Themen auf den Tisch, zum Beispiel das Schulgesetz, das Hochschulgesetz, die Sanierung der Klinika und das Landesnaturschutzgesetz. Bezeichnend ist, dass bereits im Vorfeld der Streit zwischen den Koalitionspartnern manchmal heftiger ist als zwischen Regierung und Opposition. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass es einem der beiden Partner der großen Koalition an Orientierung fehlt. Das wirkt

sich leider auf das ganze Land aus. Ich darf wiederum zitieren:

„Es fehlt die Richtung in der Nord-CDU und es mangelt an Richtlinienkompetenz in der Landesregierung. Der Ministerpräsident, im Nebenjob noch Parteivorsitzender, lässt den Karren wieder einmal laufen.“

So schrieben die „Lübecker Nachrichten“ am 7. September 2006.

Viele Forschungsergebnisse zeigen, dass unser Bildungssystem im internationalen Vergleich zurückfällt. Zu viele Kinder lernen nicht mehr rechtzeitig genug Lesen, Rechnen und Schreiben und leiden dafür den Rest ihres Lebens sowohl in den weiterführenden Schulen und in der Ausbildung sowie im Berufsleben, wenn sie denn überhaupt einen Ausbildungsplatz oder einen Beruf finden. Was plant nun die großem Koalition? Kindergärten verteuern, weiterführende Gemeinschaftsschulen einführen und Studiengebühren möglichst vermeiden. Es mag übrigens sein, dass die CDU anderes will, aber sie kann sich offensichtlich nicht durchsetzen. Gemacht wird hier, was die SPD im Herzen trägt. Vom Verstand will ich hierbei nicht reden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dabei ist das alles offensichtlicher Unfug, eine Schulformdebatte, die uns überhaupt nicht weiterhilft. Es steht außer Frage, dass die Bildungsmängel, die vielen Schülerinnen und Schülern das Leben schwer machen, in den ersten zehn Lebensjahren entstehen, in der Lebensphase, in der die Kinder in den Gemeinschaftskindergarten und die Gemeinschaftsgrundschule gehen. Was hier verbockt wird, ist später kaum noch aufzuholen.

Es bleibt deshalb die Frage: Wie sollen die Ursachen von Bildungsmängeln in der Kindergartenund Grundschulzeit durch Gemeinschaftsschulen im weiterführenden Schulwesen beseitigt werden? Angesichts der Tatsache, dass dort wegen der Lehrerknappheit differenzierter Unterricht gar nicht geleistet werden kann - nur dann würde das doch Sinn machen, wenn wir differenzierten Unterricht leisten könnten -, hilft der Ruf nach der Gemeinschaftsschule nicht weiter. Mit Gemeinschaftsschulen werden nur die Bildungsmängel gleichmäßiger verteilt werden.

Gleichzeitig verschlimmert die Landesregierung die Lage an den Kindergärten. Denn rechnerisch zieht sich das Land aus ihrer Finanzierung zurück. Letztes Jahr hat sich die Regierung zwar über alle Maßen selbst dafür gelobt, dass sie den Zuschuss an die Kommunen nicht abschafft, sondern ihn nur auf 60 Millionen € jährlich deckelt. Ab diesem Jahr

(Wolfgang Kubicki)

streicht sie aber den kommunalen Finanzausgleich jährlich um das Doppelte zusammen, 120 Millionen €. Zwar ist der Zuschuss für die Kindergärten zweckgebunden, aber wer ernsthaft glaubt, Kollege Wadephul, dass die Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs an den Kindergärten spurlos vorübergeht, ist naiv. Herr Geerdts hat ja den Koalitionspartner aufgefordert, endlich die Blockadehaltung gegen die Modellversuche aufzuheben, die Kindergartenstandards in zwei Kreisen abzusenken als Kompensation für die Kürzungen im Finanzausgleich.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Pfui Deibel!)

Die Eltern sollen es ausgleichen, zumindest die Eltern, die auch die großkoalitionären Steuer- und Beitragserhöhungen bezahlen müssen, weil sie noch Arbeit haben. Denn bei den anderen zahlt ja der Staat ganz oder teilweise den Elternbeitrag zum Kindergarten.

Zu den Nettozahlern gehören übrigens auch die Beamtinnen und Beamten des Landes, denen die Landesregierung vorher die Gehälter kürzt. Gleichzeitig windet sich die große Koalition davor, von den Studentinnen und Studenten an unseren Universitäten einen marginalen Teil der Kosten ihrer akademischen Ausbildung einzufordern. Ich nenne dies schizophren. Vielleicht sollten die Sozialdemokraten darüber noch einmal ernsthaft nachdenken. Es ist zweifelsfrei nachgewiesen, dass die Nutzen einer akademischen Ausbildung finanziell zunächst von den akademisch Ausgebildeten bezogen werden. Denn Studierte verdienen im Mittel mehr als Nichtstudierte.

(Jürgen Weber [SPD]: Deshalb zahlen sie auch mehr Steuern!)

Deshalb ist es verkehrt, Kindergärten zu verteuern, das Studium aber ganz von der Allgemeinheit bezahlen zu lassen. Im Ergebnis können viele ärmere Eltern es sich nicht mehr leisten, ihre Kinder in den Kindergarten zu schicken, weil sie das Studium derjenigen mitbezahlen müssen, die hinterher für das geschenkte Studium mit höheren Gehältern belohnt werden.

Um den Bildungssozialismus komplett zu machen, will darüber hinaus Wissenschaftsminister Austermann die Universitäten des Landes mit einem Sowjetrat beglücken.

(Lachen und Zurufe)

Ein Rat aus Bildungskommissaren soll ihnen vor die Nase gesetzt werden. Das ist die Autonomie der Hochschulen und Forschungs- und Wissenschaftsfreiheit der Union im 21. Jahrhundert!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Landesregierung will in den nächsten vier Jahren 800 Millionen € mehr ausgeben als 2006 und die Schulden des Landes von 22,7 Milliarden auf 27,2 Milliarden € steigern, um satte 20 %. Und gleichzeitig kürzt sie Beamtinnen und Beamten die Gehälter.

Letztes Jahr hat die große Koalition deren Arbeitszeit ohne Lohnausgleich verlängert, also das Gehalt real gekürzt. Dieses Jahr kommt die Gehaltskürzung ohne Arbeitszeitausgleich obendrauf. Gleichzeitig - und das ist das Problem - sollen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landes immer mehr und immer komplexere Aufgaben erfüllen. Das passt nicht zusammen.

Mit der Dezentralisierung des Beamtenrechts im Zuge der Föderalismusreform werden längere Arbeitszeiten und höhere Anforderungen bei schlechterem Gehalt eine langsame, aber sichere Abwanderung von Personal bewirken. Gleichzeitig werden Zahl und Qualifikation von Bewerbern zurückgehen. Dies wird die Effizienz der Aufgabenwahrnehmung nicht steigern.

(Claus Ehlers [CDU]: Mach mal einen Ge- genvorschlag!)

Zu all dem kommt hinzu, dass der Ministerpräsident den Beamtinnen und Beamten letztes Jahr versprach, dass ihre Gehälter nach der Arbeitszeitverlängerung nicht und für die Polizei nach der Eigenbeteiligung an der Heilfürsorge nicht noch weiter gekürzt würden. So wie die Union in ihrem Wahlprogramm versprach, dass es unter den Kommunen nur freiwillige Zusammenschlüsse geben werde, keine Gemeinschaftsschule und dass mit der Mehrwertsteuererhöhung ganz und gar die Senkung der Lohnnebenkosten finanziert werden solle. - Aber was kümmert die Union ihr Geschwätz von gestern!

Früher galt der Spruch: Wem Gott gibt ein Amt, dem gibt er den Verstand. - Nach mehr als einem Jahr der Regierungsbeteiligung der Union können wir feststellen - wir haben ja mit den meisten handelnden Personen lange Zeit der Zusammenarbeit im Parlament hinter uns -: Wem Gott gibt ein Amt, dem nimmt er den Verstand.

Die sogenannte Gesundheitsreform in Berlin macht uns krank. Wir erhalten höhere Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und nicht geringere. Wir erhalten höhere Bürokratiekosten durch den Gesundheitsfonds und nicht geringere. Und nur, weil kein Koalitionspartner sich zur nächsten Wahl in eine schlechte Ausgangsposition bringen will und deshalb nur der kleinste gemeinsame Nenner herauskommen kann. Mit viel Werbeaufwand werden der Mangel und der inhaltliche Stillstand

(Wolfgang Kubicki)

als Erfolg verkauft. Die Kosten des Versagens werden anderen aufgebürdet.

Ich habe nicht viel mit den Linken in der SPD gemein, aber hier haben sie recht: Diese Gesundheitsreform sollte besser nicht ins Werk gesetzt werden, etwas, was übrigens auch von wesentlichen Teilen der deutschen Wirtschaft getragen wird und neuerdings auch von den Ministerpräsidenten der Union.

Angela Merkel wollte anfangs noch „mehr Freiheit wagen“, jetzt nimmt sie sich die Freiheit, Steuern und Sozialversicherungsbeträge zu erhöhen.

Die Mehrwertsteuererhöhung ist Unsinn. Herr Wirtschaftsminister, Sie sehen das doch genauso. Es wäre ein weiteres Signal für Wachstum und Beschäftigung, wenn sie entweder teilweise zurückgenommen oder verschoben würde. Sie würgt die Konjunktur ab und damit auch sprudelnde Steuereinnahmen, die jeder Aufschwung mit sich bringt. Wir haben bereits jetzt eine Staatsquote von 55 %.

Das Argument, die Mehrwertsteuer müsse trotz des Aufschwungs erhöht werden, damit Politik verlässlich bleibe, wie es Franz Müntefering gesagt hat, ist einfältig. Stellen Sie sich vor, Ihr Arzt sagt Ihnen, er müsse Ihnen im nächsten Jahr Ihren Fuß amputieren, wenn sich Ihr Zustand nicht bessere. Dann bessert sich Ihr Zustand und Ihr Arzt sagt Ihnen, er müsse Ihren Fuß trotzdem amputieren, damit seine Aussage verlässlich bliebe. - Das ist die Ratio der Argumentation von Franz Müntefering und Peer Steinbrück ebenso wie von einigen Vertretern von CDU und CSU.

Diese große Koalition sollte sich lieber die Koch/ Steinbrück-Liste vornehmen und Subventionen streichen. Darin sind noch mehr als genug enthalten, selbst wenn man die Kürzung der Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr weglässt, die ja keine Subvention sind, sondern Staatseinkäufe für einen Teil der gesetzlich festgelegten öffentlichen Daseinsvorsorge.

Herr Innenminister, Ihr Zwischenruf, die FDP stimme immer dagegen, ist bedauerlicherweise wie so häufig falsch. Sie werden feststellen, dass ein wesentlicher Teil der Koch/Steinbrück-Liste von der FDP-Bundestagsfraktion zu den Haushaltsberatungen eingebracht und von der großen Koalition abgelehnt worden ist.

Genauso unsinnig wie die Mehrwertsteuererhöhung ist die geplante Unternehmensteuerreform, bei der Zinsen, Mieten und Leasingraten besteuert werden sollen. Das wäre eine lupenreine Sollertragsund Substanzbesteuerung, denn dann müssten Unternehmen selbst dann Steuern zahlen, wenn sie

Verluste schrieben. Herr Finanzminister, eine solche Steuerreform wird nicht dazu anhalten, dass Unternehmen, die in Deutschland ihre Gewinne versteuern könnten, tatsächlich in Deutschland bleiben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die großen Hoffnungen in die großen Koalitionen in Kiel und Berlin sind mittlerweile verflogen. Mehr als die Hälfte des Publikums wendet sich von der Politik insgesamt ab - die Wahlbeteiligungen geben ein überaus klares Bild. Man traut Politik nichts mehr zu, jedenfalls keine sinnvolle Problemlösung. Man glaubt, viele Politiker seien ein Teil des Problems, sie versagten kläglich an den zu bewältigenden Aufgaben.

Damit komme ich auf die Finanzpolitik hier im Land zurück. Für das laufende Jahr will die Landesregierung 737,4 Millionen € investieren. Würde sie dieses Niveau bis 2010 jährlich halten, dann würde sie in diesem Zeitraum nur 3,6 Millionen € weniger investieren als nach dem aktuellen Finanzplan. Mit anderen Worten: Das Land investiert nicht mehr, obwohl die Ausgaben deutlich steigen. Und das versucht uns der Finanzminister als den letzten Ton seines Dreiklangs aus Sparen, Reformieren und Investieren zu verkaufen.

Der jetzige Bundesfinanzminister Peer Steinbrück hat, als er noch Wirtschaftsminister in SchleswigHolstein war, mit beeindruckender Offenheit ausgeführt, dass staatliche Investitionen unmittelbar und mittelbar mit verantwortlich sind für die Höhe der Beschäftigung in einem Land. Er hat in einem Redebeitrag, der beachtlich war, von uns applaudiert, von den Sozialdemokraten mit Schweigen quittiert, erklärt, eine Investitionsquote von unter 10 % jährlich sei nicht mehr tolerabel. Von einem solchen Ziel sind wir weiter entfernt denn je.

Dieser Haushalt mit der dazugehörigen Finanzplanung vermittelt den Eindruck, diese Regierung, diese große Koalition habe bereits aufgegeben, bevor sie richtig gestartet ist.

Ich darf ein das Zitat einer anderen Tageszeitung, möglicherweise einer seriöseren als der von mir genannten „Lübecker Nachrichten“, zum Besten geben:

,,Tatsächlich reihen sich in der Staatskanzlei handwerkliche Fehler aneinander. Und tatsächlich ist nach über einem Jahr großer Koalition augenfällig, dass sie wenig lenkt und so gut wie keine Akzente im Regierungshandeln setzt."

- So die „Kieler Nachrichten“ vom 19. August dieses Jahres.

(Wolfgang Kubicki)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden in den anstehenden Haushaltsberatungen zeigen, dass es auch anders möglich ist, dass man Verwaltung effizient strukturieren kann, wenn man sich auf die notwendigen Aufgaben beschränkt - von der Abteilung Schlie haben wir Vorschläge dieser Art nach über einem Jahr Tätigkeit bisher nicht erhalten -, dass man die Menschen nicht belügen muss, sondern für gute Arbeit auch gutes Geld bezahlen kann, dass man Vermögen sehr ertragreich veräußert und nicht verschleudern muss. Dass man die Kinder und Jugendlichen unseres Landes auf den globalen Wettbewerb vorbereitet und nicht für die Arbeitslosigkeit, dass man Forschung und Lehre wieder die Freiheit zurückgibt, aus der heraus allein Kreativität und Fortschritt entspringen, dass man die Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler wieder mehr Geld verdienen lässt, statt ihnen immer mehr vom geringeren Verdienst abzunehmen, und dass man sich auf politische Aussagen wieder verlassen kann und Wahlversprechen nicht Mittel zum Zweck, sondern Anleitung für politisches Handeln in Verantwortung sind.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weise darauf hin, dass der Zwischenruf „Pfui Deibel“ sicher kein angemessener parlamentarischer Ausdruck ist.

Ich erteile nunmehr dem Fraktionsvorsitzenden der CDU, Herrn Abgeordneten Dr. Johann Wadephul, das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Rede des Herrn Oppositionsführers hat nicht wirklich überrascht.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Nicht?)

- Nein. Herr Kubicki, ich habe vorher eine Umfrage gemacht. Denn ich musste mich selber einstellen: Wie soll ich Ihnen antworten? Das ist immer eine große Aufgabe. Ich habe im Landeshaus bei Journalisten, Politikern und Beobachtern dieses Hauses eine Umfrage gemacht.