Protocol of the Session on September 13, 2006

- Nein. Herr Kubicki, ich habe vorher eine Umfrage gemacht. Denn ich musste mich selber einstellen: Wie soll ich Ihnen antworten? Das ist immer eine große Aufgabe. Ich habe im Landeshaus bei Journalisten, Politikern und Beobachtern dieses Hauses eine Umfrage gemacht.

(Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Bei mir waren Sie nicht! - Heiterkeit)

- Ich bitte mir diese spezielle Form der persönlichen Vernachlässigung nachzusehen, Frau Heinold. Nehmen Sie es nicht persönlich.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Bei mir war er auch nicht!)

Ich habe herumgefragt: Was wird Kubicki zum Haushalt sagen?

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Wen haben Sie denn gefragt?)

- Ich habe knapp 50 Leute befragt. Einer hat gesagt: Wieso Kubicki? Lütkes ist doch Oppositionsführerin. Insofern: Der Bekanntheitsgrad kann noch erhöht werden, Herr Kollege. Alle anderen haben gesagt: HSH Nordbank. Sie haben uns nicht enttäuscht, Herr Kubicki. Ich habe ein neues Betätigungsfeld. Ich kann jetzt Meinungsumfragen machen. Das war genau das Ergebnis meiner Meinungsumfrage. Sie haben das voll bestätigt. Sie haben genau dieselben Vorschläge gebracht, die wir in den letzten Jahren gehört haben. Es gibt heute eine Neuerung: Der Kollege Hentschel hat an dieser Stelle applaudiert.

(Heiterkeit bei CDU und SPD)

Das scheint auf einen Meinungswandel bei den Grünen hinzudeuten. Das wird er uns wahrscheinlich noch weiter erläutern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesen ollen Kamellen können Sie den Haushalt in Schleswig-Holstein wirklich nicht renovieren. Das wird nicht gelingen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Noch ein Satz zu den Wahlprogrammen. Lassen Sie uns in Parteikategorien hineingehen. Sie haben ein paar Bemerkungen zur Parteienlandschaft gemacht. Das will ich nicht vertiefen, auch nicht die Anklänge an den Staatssozialismus. Denn danach wären Sie Erster Sekretär des ZK der FDP, jedenfalls wenn man einigen Äußerungen aus der FDP Glauben schenken darf, was Ihren Führungsstil angeht.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU - Wolf- gang Kubicki [FDP]: Das waren Zitate aus der CDU! Soll ich Ihnen sagen, wer das ge- sagt hat?)

- Herr Kollege Kubicki, Wahlprogramme werden in der Tat vor den Wahlen formuliert. Sie haben selber über Frust und Nichtteilnahme von Wählern an der Kommunalwahl in Niedersachsen gesprochen. Es ist ein Problem, Wählern hinterher zu erklären, wenn man Kompromisse gemacht hat. Aber so ist das nun einmal. Wir haben immerhin das Vergnügen gehabt - bedauerlicherweise nicht mit Ihnen -, einen Koalitionsvertrag schließen zu können.

(Wolfgang Kubicki)

(Holger Astrup [SPD]: Das nehmen Sie zu- rück!)

- Das nehme ich nicht zurück, Holger. Das bleibt bestehen.

So ist das nun einmal in der Politik, dass man mit Wahlaussagen in eine Wahl hineingeht, für die man reinrassig steht, und dass man dann, wenn man die absolute Mehrheit nicht erreicht, Kompromisse schließen muss. Das ist so. Es ist schmerzhaft, wenn man auf eigene Positionen verzichtet. Nur, Herr Kollege Kubicki: Wenn wir uns fünf Jahre lang gegenseitig unsere Wahlprogramme vorhalten, dann kommen wir in diesem Land nicht weiter. Dann werden wir den Wählerfrust eher verstärken. Deshalb messen Sie uns am Koalitionsvertrag. Das ist das Programm. Messen Sie uns an der Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: In einem Jahr machen wir das!)

Lassen Sie sich bitte neue Dinge einfallen, als immer wieder HSH Nordbank oder das Wahlprogramm der Union. Das war gut, aber es kann leider nicht der alleinige Maßstab der großen Koalition sein.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich möchte Sie mit dem konfrontieren, was Sie im vergangenen Jahr gesagt haben. Sie haben den Wirtschaftsminister des Landes in den Mittelpunkt Ihrer Rede gerückt, der damals gesagt hatte: Schleswig-Holstein strebt das höchste Wirtschaftswachstum aller Bundesländer an. Das ist im ersten Jahr noch nicht ganz gelungen. Aber der Herr Finanzminister hat darauf hingewiesen und die „Kieler Nachrichten“ haben am 25. August geschrieben: Besonders Norddeutschland steht auf der Sonnenseite. Es war die Vorstellung der aktuellen Regionalstudie der HSH Nordbank.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten ist immer wieder gesagt worden, wenn die Lage schlecht war: Das hat die Regierung gemacht. Dann gilt, bitte schön, auch der Umkehrschluss. Natürlich liegt es an der Konjunktur. Aber es liegt an der guten und richtigen Arbeitsmarktpolitik von Uwe Döring; an der guten Wirtschaftspolitik von Dietrich Austermann und an der Arbeit dieser großen Koalition, dass wir eine dermaßen gute wirtschaftliche Lage in Schleswig-Holstein haben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Wir haben eine spürbare Verbesserung der wirtschaftlichen Stimmung. Die Unternehmen sind wieder bereit, mehr zu investieren. Der private

Konsum erholt sich. Der Geschäftsklimaindex bestätigt diese Entwicklung. Ende 2004 war das Geschäftsklima in Schleswig-Holstein mit knapp über 90 Punkten schlechter als in der Bundesrepublik. Mit dem Amtsantritt von Peter Harry Carstensen begann eine Aufholjagd, die ihresgleichen sucht. Binnen eines Jahres haben sich die wirtschaftliche Stimmung und das Geschäftsklima deutlich verbessert.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Das Klima schon!)

Der Geschäftsklimaindex stieg auf über 120 Punkte und liegt damit weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich Schleswig-Holstein im Bundesvergleich nicht nur durch ein gutes Geschäftsklima, sondern auch durch hervorragende wirtschaftliche Daten auszeichnet. Stieg 2005 das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Durchschnitt um 0,9 %, konnte Schleswig-Holstein dagegen einen Anstieg um 1,5 % verzeichnen. Das setzte sich im ersten Halbjahr 2006 fort. Das durchschnittliche Wachstum in Schleswig-Holstein betrug 2,25 %, in Gesamtdeutschland 2,0 %.

Dass unser eingeschlagener Kurs richtig ist, bestätigen auch die aktuellen Arbeitsmarktdaten. Gegenüber August 2005 konnte die Arbeitslosigkeit in Schleswig-Holstein um 12,1 % reduziert werden, um 8,9 % auf Bundesebene. 18.800 mehr Menschen aus Schleswig-Holstein haben wieder Arbeit, können wieder einem geregelten Tagesablauf nachgehen und zahlen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung.

Nicht nur bei der Reduzierung der Arbeitslosigkeit ist Schleswig-Holstein spitze, nein - und das ist viel wichtiger -, es sind auch neue sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen worden. Ihre Zahl stieg um 7.800 für Schleswig-Holstein.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt Beifall bei der SPD)

Das ist bundesweiter Spitzenplatz bei den Flächenländern.

Diese guten Daten müssen wir zur Kenntnis nehmen. Wir sind stolz darauf. Ich kann alle nur aufrufen, sie nach draußen zu tragen. Aber wir müssen auch wissen, dass wir eine Menge Arbeit vor uns haben. Wir wissen: Das Haus Schleswig-Holstein muss grundlegend renoviert werden, um mittel- und langfristig den Erfolg zu stützen. Dazu benötigen wir erstens einen konsequenten Schuldenabbau, zweitens einen radikalen Bürokratieabbau, drittens leistungsfähige Schulen und Hochschulen und vier

(Dr. Johann Wadephul)

tens Deregulierung und Ausbau der Infrastruktur für die Wirtschaft. Was heißt das konkret?

Erstens. Der konsequente Schuldenabbau. Unser Ziel bleibt die Halbierung der Nettoneuverschuldung. Ich habe mit Aufmerksamkeit Vorschläge des SSW auf dem Parteitag am vergangenen Wochenende zur Kenntnis genommen, Frau Kollegin Spoorendonk. Das ist für uns ein Mindestziel. Selbst wenn es so ist, dass wir - wohl zum Glück; der Finanzminister hat es angedeutet - mehr Steuern einnehmen werden, als angenommen worden war, ist es für uns eine Selbstverständlichkeit, diese Mehreinnahmen in die Absenkung der Schulden zu packen. Die dürfen wir nicht gleich wieder ausgeben.

(Beifall bei CDU und SPD)

Was für ein Kraftakt bei einer Schuldenlast von gut 22 Milliarden € und einer Neuverschuldung von 1,5 Milliarden € in diesem Jahr! Im Doppelhaushalt 2007/2008 wird die Senkung der Nettokreditaufnahme verstetigt und die Steigerung der Nettoausgaben begrenzt. Die Nettokreditaufnahme sinkt im Jahre 2007 um 250 Millionen € auf 1,31 Milliarden € und im Jahre 2008 um weitere 86 Millionen € auf 1,225 Milliarden €.

Weiterhin - das bereitet uns größtes Kopfzerbrechen - wird die Grenze der verfassungsgemäßen Kreditaufnahme in beiden Jahren deutlich überschritten. Ich habe gestern eine öffentliche Veranstaltung mitgemacht, wo mir ein Familienvater gesagt hat - einige Kollegen waren dabei -: Wie soll ich eigentlich meinen Kindern vermitteln, dass sie Gesetze einzuhalten haben, wenn der Landtag schon jetzt sicher ist, dass er in den nächsten Jahren nicht verfassungsgemäße Haushalte verabschiedet? Diese Mahnung müssen wir ernst nehmen und jeden Euro in die Senkung der Schulden investieren.

(Beifall bei CDU und SPD)

Die Maßnahmen beruhen im Wesentlichen erstens auf den Kürzungen in den Einzelplänen der Ministerien gegenüber der mittelfristigen Finanzplanung um insgesamt 160 Millionen €, zweitens auf der Senkung der Personalausgaben ab 2007 um jährlich 100 Millionen € und drittens auf der Reduzierung der Zuweisungen an die Kommunen bei gleichzeitiger Kompensation ab dem Jahre 2007 in Höhe von 120 Millionen € jährlich.

Diese Eckpunkte werden wir einhalten. Die Opposition rufe ich auf, sie nicht infrage zu stellen, sondern eher weitergehende Vorschläge zu machen. Herr Kollege Kubicki, an der Stelle haben wir von Ihnen heute gar nichts gehört.

(Beifall bei CDU und SPD - Wolfgang Ku- bicki [FDP]: Wir haben doch erst die erste Lesung!)

Die Kraftanstrengungen sind enorm. Die Entlastung der Kommunen durch die Kompensation ist noch nicht erreicht und bleibt eine Aufgabe, die wir bei weiteren Gesetzgebungsvorhaben im Blick haben.

Ich möchte aber auch das unterstreichen, was der Herr Finanzminister gesagt hat und was manch ein kommunaler Spitzenvertreter nicht wahrhaben will, was aber alle Finanzexperten eindeutig bestätigen: Lassen wir einmal das Jahr 2006 völlig außer Betracht, in dem nicht nur das Land und der Bund, sondern auch die Kommunen erheblich mehr Steuereinnahmen, auch eigene Steuereinnahmen, haben. Selbst wenn wir überhaupt nicht kompensierten, hätten alle Kommunen in den nächsten beiden Jahren mehr in der Kasse als zuvor. Das sind 140 Millionen € in beiden Jahren. Das müssen die Kommunen auch zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Hier stehen sie auch in der Verantwortung. Denn die Konsolidierung des Landeshaushalts ist nicht die Einzelaufgabe einiger weniger, sondern es sind unsere gemeinsamen Schulden, wir haben gemeinsame Verantwortung dafür, und auch die kommunale Ebene - etwa 1 Milliarde € zahlen wir an die kommunale Ebene - wird daran mittragen müssen.

Die persönlichen Opfer und Zumutungen, insbesondere für unsere Beamtenschaft, sind hoch. Ihre Proteste und Demonstrationen, die wir wohl heute vor dem Landeshaus erleben werden, sind aus der persönlichen Betroffenheit nachvollziehbar und legitim.

Ich füge hinzu: Die Ungleichbehandlung, die die Beamten gerade gegenüber den Angestellten beklagen, sind in der Tat inakzeptabel. Wir müssen in Zukunft zu neuen Tarifabschlüssen kommen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Aber wir müssen an dieser Stelle auch am Ball bleiben. Das Kernproblem besteht nicht darin, dass der einzelne Beamte zu viel verdient, sondern das Kernproblem des Landes besteht darin, dass wir zu viele Beamte haben. Insoweit müssen wir vorankommen.