Protocol of the Session on June 28, 2006

(Beifall)

(Dr. Johann Wadephul)

Besonders erfreulich ist, dass es das Team der Bürgerbeauftragten erneut geschafft hat, in allen sozialpolitischen Fragestellungen für schnelle Informationen für die Ratsuchenden zu sorgen. Bei vielen sozialen Ungerechtigkeiten wurde für schnelle unbürokratische Abhilfe gesorgt. Denn gerade die sozial Schwächeren können nicht lange auf die Bearbeitung ihrer Beschwerden warten. Sie brauchen schnelle Hilfe, damit zum Beispiel Widerspruchsfristen eingehalten werden können.

Von 2.997 Eingaben wurden im vergangenen Jahr 2.891 abschließend bearbeitet. Und noch erfreulicher ist die Tatsache, dass 2.540 Eingaben für die Ratsuchenden positiv bearbeitet werden konnten. Allein diese Zahl macht deutlich, in welchem Umfang durch diese Arbeit ein Beitrag zur Wahrung der sozialen Gerechtigkeit geleistet wird.

Um die Arbeit der Bürgerbeauftragten umfassend zu würdigen, gehört es dazu, darauf hinzuweisen, in welch hohem Maße auch die Abgeordneten hier im Hause auf die Kompetenz des Bürgerbüros angewiesen sind und auch vermehrt zurückgreifen. Viele von uns, die von Zeit zu Zeit Bürgersprechstunden durchführen, leiten viele Sorgen und Beschwerden an die Bürgerbeauftragte direkt weiter. Von daher ist es wichtig festzustellen, dass wir als Parlamentarier noch nie so stark wie heute auf das Büro der Bürgerbeauftragten, auf die dort vorhandene Kompetenz, auf den Sachverstand und auch auf die schnellen Rückmeldungen angewiesen waren.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Nur so können wir auch als Landtagsabgeordnete eine wirklich sehr bürgernahe Arbeit leisten und nur so können wir auf sozialpolitische Fragen ganz konkrete Antworten geben. Auch dafür möchte ich ganz herzlich danken.

Angesichts der erfolgten Änderungen in der Sozialgesetzgebung ist sowohl die Steigerung der Beschwerdezahl um 21 % als auch die Schwerpunktverschiebung hin zu Beschwerden zum Sozialgesetzbuch II nicht überraschend. Wir sollten uns im Sozialausschuss bei der Behandlung dieses Berichtes auf die Auswirkungen der Hartz-IV-Reform konzentrieren. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass sich ein Großteil der Beschwerden auf die Art und Dauer der Bearbeitung sowie auf mangelnde telefonische Erreichbarkeit in den Arbeitsgemeinschaften und in den Optionskommunen bezog.

Das Problem ist zwar im Laufe der Monate geringer geworden - das sollten wir auch erwähnen -, aber es ist noch nicht überall abgestellt. Ein großes Problem ist noch immer, dass ein persönlicher Ge

sprächstermin mit dem zuständigen Fallmanager, mit dem Sachbearbeiter nur schwer zustande kommt, obwohl gerade das die Stärke einer zusammengelegten Arbeitslosen- und Sozialhilfe sein soll: kurze Wege, Hilfe aus einer Hand, ein persönlicher Fallmanager, der weniger Fälle zu bearbeiten hat und dadurch gezielter vermitteln kann - hier gilt es weiter nachzuarbeiten. Denn nur mit der Erreichbarkeit eines Fallmanagers können wir das Fördern und das Fordern in eine vernünftige Balance bringen.

Die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft das hat jeder von uns in seiner Wahlkreisarbeit gespürt - war ein Schwerpunkt der Eingaben und der Beschwerden an die Abgeordneten vor Ort. Die Anregung der Bürgerbeauftragten, die Ermittlungsgrundsätze der Mietobergrenzen in den Kommunen nachvollziehbar und transparent zu machen, teilt meine Fraktion ausdrücklich. Kein Leistungsempfänger darf in dieser Frage das Gefühl haben, dass die Grenzen willkürlich gegriffen sind und er persönlich überhaupt keine Chance hat, einen angemessenen Wohnraum in seinem Heimatort zu finden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Ich finde, das ist ein ganz zentraler Punkt, den wir auch im Sozialausschuss aufgreifen sollten. Wir müssen einen Beitrag dazu leisten, dieses Problem abzustellen.

Die Anregungen der Bürgerbeauftragten hinsichtlich der Verständlichkeit von Leistungsbescheiden und zur häufig noch verbesserungsfähigen Bürgernähe teilt die CDU-Landtagsfraktion ausdrücklich. Der Bürger ist bei den Behörden kein Bittsteller.

(Beifall bei der CDU)

Er hat Anspruch auf Beratung, ausreichende Unterstützung und - meine Damen und Herren, das müssen wir gerade in dieser Debatte immer wieder sagen - einen respektvollen Umgang, auch wenn er in soziale Not geraten ist.

(Beifall)

Die Leistungsbezieher und Ratsuchenden von heute sind in den meisten Fällen die Beitrags- und Steuerzahler aus den vergangenen Jahren und sie würden es gern möglichst schnell wieder werden.

Und die Leistungsempfänger haben auch einen Anspruch darauf, dass sie ihre Leistungsbescheide verstehen können; auch hier gibt es dringenden Handlungsbedarf. Der Weg, wie man zur Höhe der Leistung gekommen ist, muss für den Leistungsemp

(Torsten Geerdts)

fänger rechnerisch nachvollziehbar sein. Hier ist mehr Transparenz gefordert. Und genau in dieser Frage gibt es noch erhebliche Mängel.

Die Aussage, dass die zum Verständnis notwendigen Berechnungen den Bescheiden einfach nicht beiliegen, können wir nicht akzeptieren.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn kein Mensch wird den Bescheid eines Amtes akzeptieren, an dessen Ende zwar eine Summe steht, wenn ihm aber niemand erklären kann, wie die Behörde auf die Summe gekommen ist.

Akzeptanz kann man nur schaffen, wenn man sehr offen mit den Leistungsempfängern umgeht. Die in dem Bericht geäußerte Kritik der Bürgerbeauftragten zur Anrechnung des Pflegegeldes nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz bei Pflegeeltern teilt meine Fraktion ebenfalls. Hier sind die Fraktionen von CDU und SPD im Frühjahr 2006 bereits aktiv geworden. Es gab einen einvernehmlichen Beschluss und hier erwarten wir schnelle Abhilfe.

Wir sind in unserem Land mehr denn je auf die unermüdliche Arbeit von Pflegeeltern angewiesen. Sie dürfen an dieser Stelle nicht Opfer von Benachteiligungen werden. Pflegeeltern ersparen der Gesellschaft viele Kosten.

(Beifall)

Soziale Gerechtigkeit schafft man nur, wenn man die Ungerechtigkeiten überall bekämpft. Wir freuen uns darüber, dass die Arbeit der Bürgerbeauftragten in allen Landesministerien auf eine hohe Akzeptanz stößt. In vielen Gesprächen wie auch in ihrem Bericht macht Frau Wille-Handels deutlich, dass ihre Anregungen in allen Ministerien diskutiert und, wenn immer möglich, Missstände beseitigt werden.

An dieser Stelle danke ich beispielhaft dem Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Verkehr, weil das auch ein Thema ist, das sie immer wieder im Ausschuss bearbeitet haben. Die dortigen Bemühungen, die in Schleswig-Holstein geltenden Parkerleichterungen für Schwerbehinderte auch in anderen nördlichen Bundesländern anerkennen zu lassen, sind lobenswert. Was in dieser Frage in Süddeutschland gelungen ist, das darf an mangelnder Zusammenarbeit in Norddeutschland nicht scheitern. Daher die Bitte oder auch die Aufforderung an das Ministerium, hier weiter für eine Akzeptanz zu sorgen, damit wir wirklich die Parkerleichterungen über Landesgrenzen hinweg auch im norddeutschen Raum anerkennen können.

Abschließend danke ich noch einmal der Bürgerbeauftragten und ihrem Team für die ausgezeichnete Arbeit im Berichtszeitraum. Sie leisten mit Ihrer Mannschaft einen herausragenden Beitrag zur Wahrung der sozialen Gerechtigkeit in diesem Land.

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Geerdts.

Bevor ich das Wort weitergebe, möchte ich sehr herzlich den Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderung, Herrn Dr. Hase, begrüßen. - Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun der Herr Abgeordnete Wolfgang Baasch.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Jahr 2005 hat die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten ihre Wirksamkeit in der Hilfe und Unterstützung von Menschen, die sich im Gesetzesdschungel nicht zurechtfinden, bewiesen. In fast 88 % aller Fälle konnte die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten hilfreich eingreifen. Dies ist eine enorme Quote und verdient Respekt und Anerkennung. Ihnen, Frau Wille-Handels, und Ihrem Team ein herzliches Dankeschön für diesen Bericht und für die Arbeit, die Sie in dem Zeitraum geleistet haben.

(Beifall)

Im vorliegenden Bericht für das Jahr 2005 wird deutlich, dass die gesetzliche Neuregelung im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende zu einem Tätigkeitsschwerpunkt geworden ist. Mit 30 % aller Eingaben, die sich im Jahr 2005 an die Bürgerbeauftragte gerichtet haben, ist dies der Hauptbereich der Eingaben. Aus den Eingaben geht ganz klar hervor, dass es noch Einiges an der Umsetzung dieser Arbeitsmarktreform zu verbessern gibt.

Deutlich wird dies daran, dass die derzeitige Organisationsform der Arbeitsgemeinschaften von Kommunen und Agenturen für Arbeit darunter leidet, dass die Verantwortlichkeiten in der Entscheidung nicht klar geregelt sind. Dies spürt auch die Bürgerbeauftragte, wenn sie anmerkt:

„Eine Folge der Umstrukturierung der Arbeitsagentur war, dass bei der Bearbeitung der Eingaben die Bürgerbeauftragte nicht mehr direkt mit den verantwortlichen Mitar

(Torsten Geerdts)

beitern zur Sachverhaltsklärung in Kontakt treten konnte. Die Kontaktaufnahme wird nunmehr zentral über die Regionaldirektion gelenkt. Hier ist es wünschenswert, dass nach dem Prozess der organisatorischen Umgestaltung wieder unmittelbar mit den Verantwortlichen vor Ort Kontakt aufgenommen werden kann.“

Dies scheint umso wichtiger und notwendiger zu sein, da sich knapp 80 % der 852 Eingaben im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Frage der Leistungsgewährung befassen. Das sind Fragen zu den einzelnen Anspruchsvoraussetzungen der Anspruchsberechtigten, zu den Regelleistungen, zu den Mehrbedarfen, zur Einkommensund Vermögensanrechnung und den sich daraus ergebenden Freibeträgen, also sehr individuelle Fragen und sehr individuelle Ansprüche, die auch nur im direkten Kontakt geklärt werden können.

Die Bürgerbeauftragte weist darauf hin, dass die Grundsicherung für Arbeitsuchende bei vielen Bürgerinnen und Bürgern große Unsicherheit und häufig Existenzängste begründete, denen nur durch eine umfassende Beratung und Aufklärung entgegenzutreten war.

So ist es denn auch nur konsequent, dass die Bürgerbeauftragte unter dem Kapitel „Neue Anregungen und Vorschläge zur Änderung oder Ergänzung gesetzlicher Regelungen“ Folgendes vorschlägt. Von zehn Vorschlägen beschäftigen sich acht ausschließlich mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Hier sind im Wesentlichen die Adressaten die Bundesagentur für Arbeit, die Arbeitsgemeinschaften und die Optionskommunen. In einem Fall haben wir als Landtag bereits durch einstimmiges Votum des hohen Hauses reagiert - Herr Kollege Geerdts hat das auch schon angesprochen - und die Landesregierung aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der Erziehungsbeitrag des Pflegegeldes nicht als Einkommen im Rahmen der Grundsicherung angerechnet wird. In diesen wie auch den meisten anderen Forderungen der Bürgerbeauftragten gibt es für mich eine große Übereinstimmung.

Eine wichtige Forderung der Bürgerbeauftragten ist auch, dass die Bürgerinnen und Bürger ein Anrecht darauf haben, ihre Leistungsbescheide verstehen zu können. Ein Großteil der Ratsuchenden beklagt, dass sie die Bescheide nicht nachvollziehen und die Berechnung nicht verstehen können. Zum einen sind die Bescheide unübersichtlich aufgebaut, zum anderen lassen sich die Bescheide wegen des Fehlens der Berechnungsgrundlage über die Anrechung von Vermögen und Einkommen sowie die Berechnung der Unterkunftskosten nicht nachvollziehen.

Dies ist keine gute Grundlage, um für die Reformen am Arbeitsmarkt auch bei den Betroffenen Akzeptanz zu erreichen.

Diese Feststellung hat auch der Ombudsrat zu Hartz IV deutlich gemacht. Der Ombudsrat, der am Freitag letzter Woche seinen Abschlussbericht vorgelegt hat, hat diesen Umstand ebenfalls mit an vorderster Stelle beklagt. Der Ombudsrat der Bundesregierung zu Hartz IV hat trotz Fortentwicklungsgesetz und vieler ungelöster Probleme mit Vorlage seines Abschlussberichtes seine Arbeit eingestellt. Da haben es die Bürgerinnen und Bürger in Schleswig-Holstein besser. Die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten wird ihnen in diesem Jahr und den nächsten Jahren mit Rat und Tat auch in den Fragen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Seite stehen.

Die Reformen am Arbeitsmarkt wie die Grundsicherung für Arbeitsuchende machen deutlich, dass gerade bei so komplexen Reformwerken die Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger groß ist und dass viele Menschen Unterstützung brauchen, wenn sie sich mit neu geschaffenen Behörden auseinander setzen müssen.

Darum noch einmal herzlichen Dank an Sie, Frau Wille-Handels. Die Arbeit, die Sie in den letzten Jahren geleistet haben und die in den nächsten Jahren mit den Reformen im Gesundheitswesen und der Fortentwicklung der Reformen am Arbeitsmarkt zu leisten sein wird, wird Ihnen nicht ausgehen.

Ich will den Gedanken des Kollegen Geerdts aufgreifen: Wir sollten uns im Sozialausschuss mit den Vorschlägen der Bürgerbeauftragten zu Veränderungen im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende konzentrieren, das finde ich richtig. Ich freue mich auch, dass wir dann in direkter Diskussion im Sozialausschuss mit der Bürgerbeauftragten genau diesen Bereich vertiefen können.