Protocol of the Session on June 28, 2006

(Lothar Hay [SPD]: Kürzen!)

- Ja, es wird aber immer von Sparen gesprochen. Das ist irgendwie eine Begriffsverwirrung. Denn es stellt sich natürlich die Frage, was die Entnahme von 120 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse mit Sparen zu tun hat. Man nimmt es anderen weg.

(Zuruf von der SPD: Wer redet denn davon? - Weitere Zurufe von der SPD)

- Da kann ich Ihnen genug Quellen nennen. Selbst der Ministerpräsident hat von der größten Sparaktion seit Bestehen des Landes Schleswig-Holstein gesprochen. Dafür habe ich also einen sehr guten Zeugen.

(Beifall des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

Diese Begriffsverwirrung findet sich teilweise auch in dem Beschluss des kleinen Parteitages der CDU wieder, wenn da beispielsweise unter dem Punkt 3.2.1 steht: Der kommunale Finanzausgleich stellt einen der größten Ausgabeposten im Landeshaushalt dar. Das mag so sein, aber hier wird so getan, als wäre das ein Ausgabeposten wie jeder andere. Das ist aber nicht so.

(Beifall der Abgeordneten Anke Spooren- donk [SSW])

Denn die Kommunen haben ein verbrieftes, verfassungsmäßiges Recht und die Pflicht der ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben. Dafür ist auch die entsprechende Finanzausstattung erforderlich. Deshalb ist es eben kein normaler Ausgabeposten im Landeshaushalt. Deshalb ist es meines Erachtens auch verfassungsmäßig nicht zulässig, dass hier eine Entnahme erfolgt. Denn damit haben die Kommunen nicht mehr die Chance, ihre Aufgaben vernünftig zu erfüllen.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Die CDU will also 120 Millionen € 100-prozentig kompensieren. Wir sind sehr gespannt, welche Vorschläge dazu im Einzelnen gemacht werden. Die SPD sagt - auch vorhin ihr Fraktionsvorsitzender -, dass eine volle Kompensation nicht möglich sei. Im Ergebnis kommt das auf dasselbe heraus. Darüber können sich die Gemeinden auch nicht besonders freuen, denn es bleibt dabei, dass es keine Kompensation geben wird. Dafür sind einfach die Interessenlagen der beiden großen Koalitionäre zu unterschiedlich. Die werden sich nachher nicht einigen und die Kommunen müssen sehen, wie sie letztlich damit fertig werden.

(Karl-Martin Hentschel)

Dabei ist die finanzielle Lage - das ist das Perfide, wenn man sich diese beiden Anträge durchschaut der Kommunen desaströs. In Ihren Parteitagsbeschlüssen und Ihrer Begründung schreiben Sie das auch. Sie beschreiben, wie schlimm die finanzielle Lage ist, nehmen aber trotzdem 120 Millionen € aus dem Finanzausgleich heraus. Das ist sehr merkwürdig.

Auf der Grundlage einer Kleinen Anfrage von mir haben wir festgestellt und ist uns von der Regierung mitgeteilt worden, dass alle Kreise und kreisfreien Städte sogar nicht nur ihren Haushalt nicht ausgleichen können - der einzige Kreis, der das konnte, war der Kreis Steinburg, der nur durch eine Entnahme aus dem Vermögenshaushalt den Ausgleich vornehmen konnte -, sondern auch noch Fehlbetragszuweisungen vom Land bekommen. Der Innenminister hat also festgestellt, dass die Finanzlage der Kreise so katastrophal ist, dass es Fehlbetragszuweisungen geben muss. Obendrauf nehmen sie noch 120 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse.

Auf die Anfrage des Kollegen Kubicki ist in einer Anlage dargestellt worden, welche Kommunen Fehlbetragszuweisungen bekommen. Ich möchte sie jetzt nicht alle vorlesen, aber das ist das Who is who im Lande. Da stellt sich natürlich die Frage, wenn dieser Tatbestand der Landesregierung bekannt ist, wie sie überhaupt auf die Idee kommen kann, hier noch einmal 120 Millionen € aus der Finanzausgleichsmasse zu nehmen. Das bleibt mir völlig rätselhaft.

(Beifall bei der FDP)

Das kann eigentlich nur bedeuten, dass es eine zusätzliche Schuldenverlagerung vom Land auf die Kommunen ist. Denn die haben überhaupt keine freien Finanzmittel mehr, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können. Deshalb macht es meines Erachtens überhaupt keinen Sinn. Es ist nur eine Schuldenverlagerung.

Wenn man sich auf der anderen Seite anschaut, wer Mittel aus der Finanzausgleichsmasse bekommt, sind das die Kommunen, die Schlüsselzuweisungen bekommen. Das heißt, die finanzstarken Gemeinden sind höchstens mittelbar davon betroffen, vielleicht nachher über die Kreisumlage, oder dadurch, dass die Kreisumlage erhöht wird. Aber betroffen sind in erster Linie die Kommunen, die aufgrund ihrer geringen Finanzkraft die Schlüsselzuweisungen nicht mehr bekommen. Das heißt, die finanzschwachen Gemeinden sind durch diese Entnahme zusätzlich betroffen. Wenn das jetzt die Politik der

Landesregierung ist, der Wille der großen Koalition, tut es mir wirklich Leid.

Herr Kollege, die Redezeit!

Ich kann nur nach wie vor die Gemeinden auffordern, so wie bei der letzten Landtagstagung dagegen vorzugehen und alles zu versuchen, um diese Entnahme aus dem Finanzausgleich abzuwenden.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege, ich weise Sie darauf hin, dass Sie Ihre Redezeit deutlich überschritten haben.

Für die Landesregierung erteile ich nunmehr Herrn Innenminister Dr. Ralf Stegner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Finanzlage der Kommunen ist schwierig, sie ist auch sehr unterschiedlich. Deshalb sind die beiden gravierenden Veränderungen im Koalitionsvertrag, die SPD und CDU auf ihren großen Parteitagen, respektive im Landesausschuss, beschlossen haben, schwierig und schmerzhaft. Das gilt übrigens für die 100 Millionen € Kürzung beim Personal genauso.

Das sind zwei gravierende Änderungen, die von beiden Seiten beschlossen worden sind. Darüber hinaus ist nicht beschlossen worden, dass wir jetzt sozusagen einen Wunschzettel- oder eine Tabutauschbörse eröffnen. Wunschzettel gibt es - wie ich von meinen Söhnen weiß - Weihnachten und auch da wird nicht alles erfüllt. Im Sommer gilt das erst recht.

Was die Finanzlage der Kommunen angeht, gilt eben auch: Wenn man die Situation der Kommunen im Land mit der der Kommunen in anderen Ländern vergleicht, muss man sagen, dass die Kommunen in Schleswig-Holstein vergleichsweise immer noch besser gestellt sind, wohingegen das Land kurz vor der Haushaltsnotlage steht. Deswegen hilft es nicht, eine Klientelpolitik zu betreiben. Das, Herr Kubicki, kann man sich immer nur leisten, wenn man als großartiger Haushaltspolitiker

(Dr. Heiner Garg [FDP]: So wie Sie!)

(Günther Hildebrand)

seit Jahren in der Opposition ist. Aber in der Regierung muss man dafür sorgen, dass dieser Konsolidierungsbeitrag von allen erhoben wird.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wer sich vor das Landeshaus stellt und sagt: „Im Himmel ist Jahrmarkt“, der kann das gern tun. Dafür bekommt man Applaus. Vernünftig ist das nicht.

(Günther Hildebrand [FDP]: Das sagen Sie doch! - Zuruf des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Ich füge ausdrücklich hinzu: Zu behaupten, man könne allein mit Steuersenkungen und mit Kürzungen die öffentlichen Haushalte sanieren, ist genauso sinnvoll wie bei der Bekämpfung der demographischen Herausforderung auf den Klapperstorch zu setzen. Das funktioniert nicht. Vielmehr werden wir bei der Handlungsfähigkeit dieses Staates in Teilen auch über Einnahmeverbesserungen reden müssen.

Ich fand es bemerkenswert, dass darauf hingewiesen wurde, das Land würde nicht sparen. Immer wenn wir Vorschläge machen, sind komischerweise die Kollegen dagegen, die sagen, wir würden nicht sparen. Verehrter Herr Kollege Hentschel, auch für Sie gilt, was Goethe schon gesagt hat: Durch Heftigkeit ersetzt der Irrende, was ihm an Kraft und Einsicht fehlt.

(Heiterkeit und vereinzelter Beifall bei der CDU)

Denn Sie haben an bestimmten Punkten auch nicht erkannt, dass wir sehr wohl sparen und dass Sie dagegen argumentieren.

Der Kommunalminister sieht seine Aufgabe im Wesentlichen darin, dass die Kommunen ihren Beitrag, der ihnen zur Konsolidierung der Landesfinanzen abgefordert wird, tragen können, indem sie eben nicht immer in ihrer kommunalen Selbstbestimmung getroffen werden. Und das werden sie nicht. Denn die Kommunen werden im Jahr 2007 unter dem Strich mehr Geld haben als im Jahr 2006. - Nicht jede einzelne Kommune, aber insgesamt. - Sie würden das sogar haben, wenn wir nicht über Entlastungsmaßnahmen redeten, was wir aber tun. Deswegen sind die Vorschläge, die zum Beispiel der Innenminister gemacht hat, darauf bezogen. Wir führen momentan Gespräche darüber, wie wir allein durch direkte Entlastungen bei den Kommunen schon im Jahr 2007 einen erheblichen Millionenbetrag, der deutlich über 50 Millionen € liegen wird, zustande bringen, sodass die Kommunen am Ende direkt entlastet werden, zu dem, was sie ohnehin mehr haben.

Wir werden natürlich auch Maßnahmen beschließen und haben zum Teil schon Maßnahmen beschlossen, die die Belastung abfedern. Wer hier immer wieder gegen die Verwaltungsreform polemisiert, der sollte bedenken: Es gibt genügend Beispiele dafür, dass das alles zutreffend ist und dass das Geld dorthin kommt. Ich zitiere den Rechnungshof: Es gibt schon reale Entlastungen in diesem Jahr. Im Übrigen zitiere ich zum Teil sogar die Kommunen selbst. Herr Erps hat seine Aussage bezüglich des Wasserrechts, dass das nämlich 10 Millionen € bringe, kürzlich erneuert. Gibt es etwas Kommunalfreundlicheres, als Angaben der Kommunen ernst zu nehmen, meine sehr verehrten Damen und Herren?

Insofern sollten also jene, die gegen die Verwaltungsreform polemisieren, diese lieber unterstützen. Denn wenn wir die Verwaltungsreformen machen, tut das den Bürgern überhaupt nicht weh, was ja bei anderen Dingen anders wäre. Bei den Verwaltungsreformen ist es eher so, dass diese den einen oder anderen Amtsträger ärgern - dafür habe ich sogar Verständnis -, aber in Zeiten, in denen alle den Gürtel enger schnallen müssen, muss man den Bürgern eine kostengünstige Verwaltung bieten. Das ist die Chance der Kommunen selbst, dass sie eine direkte Entlastung haben. Andere Entlastungen haben sie übrigens dort, wo die Demonstrationen gegen Maßnahmen vor dem Landeshaus stattfinden, beispielsweise wenn wir die Arbeitszeit verlängern oder wenn wir Sonderzuwendungen kürzen müssen, was ja schwierig genug ist. Die finanziellen Entlastungen treten unmittelbar bei den Kommunen ein.

Zu fragen ist, wie wir das Delta schließen. Ich stimme dem Kollegen Hay ausdrücklich in dem zu, was er über weitere Bedrohungen gesagt hat, die vorhanden sind, beispielsweise bezogen auf die folgende Föderalismusreform oder bezogen auf Vorstellungen zur Unternehmensteuerreform, die ja zum Teil sogar regelrecht abwegig sind. Es gilt also, das Delta zu schließen.

So ist zum Beispiel zu fragen, ob man den Kommunalen Investitionsfonds bis zu einem gewissen Grad zur Überbrückung nutzen kann, bevor die Verwaltungsstrukturreformen greifen. Darüber reden wir diese Woche und darüber verhandeln wir.

Herr Kubicki, es ist schade, dass Sie sagen, wir sollten nicht über Parteitagsbeschlüsse reden. Ihre Parteitagsbeschlüsse zur Verwaltungsreform sind zum Beispiel außerordentlich interessant und ich finde es gut, dass sie bei der Frage, was eigentlich hereinkommen kann, mit diskutiert werden. Insofern prägt das natürlich sehr wohl auch das, was hier vorgeschlagen wird.

(Minister Dr. Ralf Stegner)

Allerdings können wir nicht immer dazu beitragen, Widerstände vor Ort noch anzustacheln. Deswegen will ich auch ein Wort zu jenen sagen, die sich zum Teil in Ostholstein oder anderswo - maßlos äußern, beispielsweise nach dem Motto, man müsse jetzt Widerstand üben, und die so tun, als hätten sie mit dem, was sie tun, allein das Landeswohl im Auge. Ich rate sehr dazu, die ausgestreckte Hand, die dahin geht, den Interessenausgleich zu organisieren und direkte Entlastung für die Kommunen auch herzustellen, zu ergreifen und das Ganze nicht zum Beispiel dadurch zu gefährden, dass man sich dem, was wir hier beschlossen haben, verweigert oder Angaben nicht macht. Das ist aus meiner Sicht nicht vertretbar.

(Beifall bei SPD und CDU)

Das kann man übrigens den Bürgern auch nicht verkaufen.

Auch die virtuellen Einsparungen, die uns Herr Kubicki vorgerechnet hat, retten uns nicht. Was er nicht alles angeblich verkaufen will, zehnmal hintereinander zu völlig überzogenen Preisen! Das nimmt außerhalb Ihrer eigenen Fraktion niemand ernst, Herr Kollege Kubicki. Insofern sollten Sie uns damit verschonen. Damit werden wir den Landeshaushalt wirklich nicht sanieren.

(Zurufe der Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP] und Wolfgang Kubicki [FDP])

Zum Schluss sage ich mit Goethe: Die Schwierigkeiten wachsen, je näher man dem Ziel kommt. Wir sind nah vor dem Ziel. Ich bin ziemlich sicher, dass wir uns innerhalb der Koalition in dieser Woche vernünftig verständigen können, dass wir zu der wirklich schwierigen Maßnahme, in den kommunalen Finanzausgleich einzugreifen, Vorschläge machen werden, die es den Kommunen erlauben, diesen Beitrag zu leisten, ohne dass sie in ihrer Substanz getroffen werden. Das ist schwierig. Das ist der Teil von Verantwortung, den man eben nur in der Regierung vollziehen kann. Wir sind froh, dass wir in der Regierung sind. Sie sind da, wo Sie hingehören, Herr Kollege Kubicki.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zu einem weiteren Beitrag erteile ich der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk das Wort.