Protocol of the Session on June 1, 2006

(Günter Neugebauer [SPD]: Was ist eigent- lich daraus geworden?)

Die Verlage wurden so verpflichtet, viermal im Jahr im Impressum offen zu legen, wer an der Finanzierung des Druckwerks beteiligt ist. Bis heute ist dem nach meiner Kenntnis keine in SchleswigHolstein erscheinende Zeitung nachgekommen. Auch die Landräte, die die Verpflichtung hätten, dies in ihren Bereichen zu kontrollieren, sind bisher in keinem mir bekannten Fall tätig geworden.

(Zurufe)

Meine Damen und Herren, meine Fraktion schlägt Ihnen vor, den Bericht in den Innenausschuss zu

(Peter Eichstädt)

überweisen. Wir werden dem Innen- und Rechtsausschuss vorschlagen, eine Anhörung zu dem Bericht durchzuführen, damit aus unterschiedlicher Sicht der Verlage, Journalistenverbände, Institute und Gewerkschaften die Situation der Printmedien in Schleswig-Holstein beleuchtet werden kann.

(Beifall)

Damit tragen wir zur Transparenz bei.

Die Anhörung kann auch Aufklärung darüber bringen, warum sich der „sh:z“ einer Stellungnahme für den Bericht verweigert hat. Wir jedenfalls werden auch weiterhin dem „sh:z“-Verlag und seinen Journalisten bereitwillig über uns und unsere Arbeit Auskunft geben.

(Beifall)

Ich danke Herrn Abgeordneten Peter Eichstädt und erteile für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kann schon jetzt konstatieren, dass die Idee der drei Oppositionsparteien, einen solchen Bericht anzufordern, hier zu einer ausgesprochen fruchtbaren Diskussion führt, auch wenn ich feststelle, dass die Meinungen der beiden Regierungsfraktionen zu der Frage sehr unterschiedlich sind, welche Konsequenzen daraus gezogen werden können. Die Diskussion darüber können wir ja noch weiter führen.

Als der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag im letzten Sommer seine Sportredakteure an die EventAgentur überführte, stellte dies einen vorläufigen Höhepunkt in der Entwicklung der Medienlandschaft in Schleswig-Holstein dar. Der Vorgang fand allgemeine Aufmerksamkeit. An diesem Beispiel kristallisierte sich das Unbehagen, das viele angesichts der Veränderungen in der schleswig-holsteinischen Zeitungslandschaft empfinden.

Bei der politischen Bewertung von Veränderungen in der Zeitungsbranche muss man zwischen den Interessen der betroffenen Redakteure an fairen Arbeitsbedingungen und den Interessen der Allgemeinheit an einer freien Presse sauber unterscheiden. Diese Interessen überschneiden sich teilweise, sind aber mit verschiedenen Mitteln zu schützen.

Außerdem muss in der Debatte die Frage der wirtschaftlichen Veränderungen durch einen schrumpfenden Anzeigenmarkt berücksichtigt werden, denen die Printmedien begegnen müssen. Aber es ist richtig, was meine Vorredner hier gesagt haben: Printmedien können auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht einfach als Wirtschaftsunternehmen betrachtet werden.

Das Outsourcing an sich und die damit verbundene schlechtere Situation der Arbeitnehmer ist sicher kein Phänomen, das nur in der Verlagsbranche auftritt. Allerdings haben das Outsourcing und die Verschlechterung der Bedingungen der Arbeitnehmer Auswirkungen auch auf die Pressefreiheit, die betrachtet werden müssen.

Wenn - wie in einigen outgesourcten Gesellschaften in Schleswig-Holstein - ausgerechnet die Zeitungsredakteure, die ja Hüter der Demokratie sein sollen, aus Angst um ihren Arbeitsplatz nicht mehr die Kraft haben, einen Betriebsrat zu wählen, dann ist die Pressefreiheit offensichtlich in Gefahr. Dann stellt sich auch die Frage, welche Konsequenzen die Politik daraus zieht.

Im deutschen Kartellrecht gelten im Printmedienbereich für Presseverlage grundsätzlich die gleichen Regeln wie für sonstige Unternehmen. Das gilt insbesondere auch für Zusammenschlüsse von Presseverlagen, die in der Fusionskontrolle nach den gleichen wirtschaftlichen Kriterien beurteilt werden wie andere Unternehmensfusionen.

Im Unterschied zu Rundfunk und Fernsehen gibt es daneben keine besondere publizistische Konzentrationskontrolle. Ich denke daher, auch dies ist ein Thema, dessen sich die Politik annehmen sollte.

Bereits jetzt ist das Problem fehlender Pressevielfalt vor allem im lokalen und regionalen Bereich angesiedelt. Laut Informationen des Branchennachrichtendienstes „Media-Perspektiven“ steht in über 50 % der deutschen Landkreise und kreisfreien Städte der Bevölkerung nur eine lokale Zeitung zur Verfügung. In Großstädten sind teilweise alle Lokalzeitungen in der Hand eines Verlegers. Wenn dazu kommt, dass kleine Redaktionen nur noch Agenturmeldungen verarbeiten oder alle Medien eines Konzerns auf eine politische Redaktion zurückgreifen, dann droht in den Medien Einheitsbrei.

Unter publizistischer Beurteilung ist dies wohl vor allem unter dem Gesichtspunkt der Berichterstattung über kommunale Politik relevant. Denn in der kommunalen Politik stehen die Zeitungen allein. Ich glaube, auch das, was wir über Landratswahlen und so weiter diskutieren, ist in dem Zusammenhang zu betrachten. Denn wenn es keine kommuna

(Peter Eichstädt)

len Medien mehr gibt, die kontrovers über das, was in der Kommunalpolitik betrieben wird, berichten, dann hat man ein Problem. Beispielsweise ist in meinem Kreis die offen formulierte Meinung der Lokalredaktion, dass Politik die Leute nicht so sehr interessiert.

(Zuruf von der CDU: Das liegt an den Abge- ordneten vor Ort!)

- Natürlich! Dort sind aber Abgeordnete aller Parteien vorhanden. Es gab ja durchaus kontroverse Debatten. Ich erinnere gerade an die entsprechenden Vertreter Ihrer Partei vor Ort. Damit meine ich den Kreis Plön.

Ich denke, ich brauche niemanden in diesem Hause vom Wert vielfältiger Berichterstattung und eines unabhängigen Journalismus zu überzeugen. Wir wollen Medien haben, die sich nicht nur im Namen, sondern vor allem durch die Inhalte und ihre Quellen voneinander unterscheiden.

Dabei spielt auch die Ausbildung der Journalisten eine wichtige Rolle. Recherchefähigkeit und kritischer Umgang mit Informationen müssen einen hohen Stellenwert haben und müssen deshalb auch geübt werden, wenn es dem Zeitdiktat im Wege steht.

Auch die Medienkompetenz eines kritischen Publikums ist notwendig. Aber genauso müssen wir uns erneut an das Tabuthema „innere Pressefreiheit“ wagen. Es darf kein In-die-Feder-Diktieren der Zeitungs-, Fernseh- oder Interneteigentümer geben.

Journalisten müssen die Freiheit haben, sich in ihrer Arbeit allein an journalistischen und ethischen Standards zu orientieren. Dann ist zumindest die Chance größer, vielfältige Meinungen trotz Finanzinvestoren, fusionierter Verlagshäuser, eingekaufter Inhalte und mächtiger Anzeigenkunden zu erhalten.

Mir ist durchaus bewusst, dass das Grundgesetz einen verlegerischen Tendenzschutz garantiert. Dennoch kann ich mich nicht damit zufrieden geben. Die Medienunternehmen haben einen großen Einfluss und Möglichkeiten, die Tendenz der Berichterstattung festzulegen und Druck auf ihre Redaktionen und einzelne Journalisten auszuüben. Teilweise findet das auch im Zusammenhang mit Anzeigenkunden statt.

Manche handeln da verantwortungsbewusst und liberal. Andere vertreten ganz bewusst eine Tendenz und erwarten diese Orientierung auch von ihren Journalisten. Das Letztere ist zu akzeptieren, wenn es vergleichbare Medien anderer Tendenz gibt, die die Ausgewogenheit herstellen.

Wenn aber in Medien, die regionale Monopole oder Quasimonopole innehaben, auch noch direkt in die journalistische Arbeit eingegriffen wird, dann ist die Meinungsvielfalt in Gefahr.

Deshalb müssen wir ausloten, inwieweit sich auf dem Boden des Grundgesetzes eine weiter gehende Freiheit der Redakteure im Presserecht verankern lässt. Der Deutsche Journalistenverband und die Gewerkschaft ver.di haben dazu Vorschläge erarbeitet, die weiter zu verfolgen sich lohnt.

Last, but not least muss Transparenz über die Verflechtungen in der Medienlandschaft herrschen. Mein Vorredner hat darauf hingewiesen. Wir haben kurz vor der letzten Wahl am 5. Januar 2005 noch das Landespressegesetz geändert und eine regelmäßige Veröffentlichung der Beteiligungsverhältnisse von Printmedien ins Gesetz geschrieben. Das ist eine Verpflichtung, der meines Wissens und nach dem Wissen meines Vorredners bisher noch nicht nachgekommen worden ist, obwohl sie im Gesetz steht.

Auf unsere Kleine Anfrage vom November letzten Jahres, ob diese Verpflichtung eingehalten wird, verwies die Landesregierung lediglich auf die Zuständigkeit der Kreisbehörden. Herr Innenminister, die Kreisbehörden sind zwar zuständig, aber wenn wir wissen, dass es sich hier um eine gesetzliche Verpflichtung handelt, dann ist auch die Landesregierung verpflichtet, dafür zu sorgen, diese Verpflichtung umzusetzen. Die Landesregierung hat natürlich eine Aufsichtspflicht gegenüber den Kreisbehörden. Wenn die Kreisbehörden die Verpflichtung nicht umsetzen, ist das vielleicht auch ein Beispiel dafür, dass die Entbürokratisierung durch Kommunalisierung nicht immer hundertprozentig zufrieden stellend funktioniert. Vielleicht gibt das einigen zu denken.

Ich fasse zusammen: Der Bericht gibt uns allen Hausaufgaben auf. Meine Fraktion wird diese Verpflichtung ernst nehmen. Wir werden sehen, welche Konsequenzen der Landtag daraus zu ziehen bereit ist. Wir würden uns freuen, wenn es dazu kommt, dass wir im Landtag dazu gemeinsame Beschlüsse fassen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)

Ich erteile das Wort für den SSW der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

(Karl-Martin Hentschel)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Bericht zur Situation und Entwicklung der Printmedien in Schleswig-Holstein haben wir endlich schwarz auf weiß, was viele schon lange wissen oder vermuten: Wenn es um das Thema Pressekonzentration geht, dann leben auch wir nicht auf einer Insel der Glückseligen.

Fast in allen Landkreisen haben wir die Situation, dass nur noch eine Lokalzeitung am Kiosk zu kaufen ist. Die Konzentration ist mit dem Tausch der „Eckernförder Zeitung“ und der „Dithmarschener Rundschau“ abgeschlossen. Der Markt ist bereinigt, weil es keine konkurrierenden Lokalzeitungen mehr gibt.

Diese Situation ist nicht hinnehmbar. Denn gerade im harten Geschäft der Meinungen ist die Meinungsvielfalt unabdingbar. Bedauerlicherweise lässt das Kartellrecht diese Art der Bereinigung zu. Die Politik muss tatenlos zuschauen.

Viele Leser greifen dann gleich zu der großen Boulevardzeitung mit den vier Buchstaben. Leider findet man in dem Bericht keine Angaben zur „BILD“-Zeitung, wie übrigens auch nicht zu den anderen überregionalen Zeitungen, die sich einen Korrespondenten oder ein Büro in Schleswig-Holstein leisten.

Ich bedaure sehr, dass die Landesregierung nur einen Ausschnitt der schleswig-holsteinischen Zeitungslandschaft berücksichtigt und diesen Aspekt fast links liegen lässt. Ganz zweifellos gehören „Die Welt“, das „Hamburger Abendblatt“ oder auch die „taz“ mit ihren regelmäßig erscheinenden Schleswig-Holstein-Seiten zu den Printmedien in unserem Land.

Noch einmal zurück zu den Boulevardzeitungen: Die „BILD“-Zeitung geht nicht gerade zimperlich mit Politikern um. Gerade wegen der Kampagnen dieser selbst ernannten Meinungsführer ist es immens wichtig, ein publizistisches Gegengewicht zu haben. Aktuell ist in diesem Zusammenhang die namentliche Nennung der Bundestagsabgeordneten, die für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer gestimmt haben. Ich denke dabei auch an die Zeit nach der letzten Landtagswahl. Wie uns der Bericht der Landesregierung zeigt, ist das bei uns aber nicht der Fall. Das provinzialisiert Schleswig-Holstein und ist fatal für die gesamte Medienlandschaft in unserem Land. Die Vielfalt sollte also unterstützt werden. Stattdessen wird die Vereinigung der Landesmedienanstalten weiteres Know-how und Potenzial aus Schleswig-Holstein herausziehen.

Andererseits entscheidet jeder Leser jeden Tag aufs Neue, ob er den Geldbeutel zückt und sich eine Zeitung kauft oder nicht. Nur er allein entscheidet über die Auflage einer Zeitung. Ein reiner Markttheoretiker spricht hier von der unsichtbaren Hand, die in der Bündelung der Kaufentscheidungen den optimalen Zustand herbeiführt. Aus Gesprächen mit Betriebsräten weiß ich aber auch zum Beispiel, dass die Kürze der Kaffeepause über die Lektüre entscheidet und nicht der Inhalt der Zeitungen.

Der Markt führt keineswegs zu Pressevielfalt. Solider Qualitätsjournalismus hat gegen Marktschreier keine Chance. Bei abnehmenden Abonnementenzahlen geraten die Zeitungen in einen harten Verdrängungskampf, der für Alternativen kaum noch Platz lässt. Meines Erachtens trifft diese Entwicklung im Kern das Recht auf den freien Zugang zu Informationen, also die Pressefreiheit für Leser. Da diese nicht mehr gewährleistet ist, ist die Politik gefragt, die Rahmenbedingungen zu verändern.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da liegt aber der Knackpunkt des Berichts, nämlich in der Frage nach den politischen Konsequenzen der Befunde. Werden Tageszeitungen mit einem vergünstigten Mehrwertsteuersatz gestützt, dann trifft das alle. Die Rahmenbedingungen für alle Tageszeitungen zu verbessern, bedeutet aber nicht automatisch mehr Pressevielfalt, sondern dies zementiert allenfalls den Status quo. Förderungsmaßnahmen, die den Wettbewerb zugunsten bestimmter Zeitungen verzerren, sind dagegen verfassungswidrig. Die Landesregierung kann daher nicht einzelne Zeitungen unterstützen und andere nicht. Das muss sie Gewerkschaften, Parteien oder Kirchen überlassen. Auch die rechnen aber mit spitzem Bleistift und ziehen sich zunehmend aus dem Pressegeschäft zurück. Dabei kann man insgesamt auch die Frage stellen, ob dies der richtige Weg ist.

Lange wurde ein Fondsmodell diskutiert. Die Gewerkschaft ver.di hatte 2002 einen entsprechenden Vorschlag gemacht, um bestimmte Zeitungszweige zu unterstützen. Anspruch auf Fondsmittel sollten nur konzernunabhängige Zeitungen mit kleiner Auflage und einem dauerhaft unterschrittenem Werbeanteil haben. Diese Pläne zur Erhaltung von Zeitungen in nachrangiger Wettbewerbsposition sind - ich glaube, Sie wissen es - inzwischen aufgegeben worden.

Die alternative Tageszeitung aus Berlin zeigt als einzige Tageszeitung einen neuen Weg auf. Sie finanziert sich unter anderem durch eine Genossenschaft, der mittlerweile mehr als 6.000 Leser ange