Protocol of the Session on May 25, 2005

und behinderten Menschen. Zu den unabdingbaren Maßnahmen gehören die schrittweise zu verbessernden Leistungen aus der Pflegeversicherung, die nach unserer Meinung wie die Krankenversicherung im Sinne einer solidarischen Bürgerversicherung weiterentwickelt werden muss.

Wir werden die ambulante Pflege stärken und den Schutz alter Menschen in Einrichtungen vor mangelhafter Pflege weiter erhöhen. Gerade das, was wir in der Vergangenheit erlebt haben - ich will nun nicht die Namen nennen -, macht deutlich, dass es ein wichtiges Anliegen der Landespolitik sein muss, dass Menschen, die pflegebedürftig sind, diese Pflege fach- und sachgerecht erhalten und dass es nicht weiter zu Mängeln in der Pflege kommt. Das ist eine humane Gesellschaft, das müssen wir erreichen.

(Beifall bei SPD, CDU und FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insgesamt bietet unsere Koalitionsvereinbarung eine gute Grundlage für eine sinnvolle, kooperative Zusammenarbeit, die unser Land voranbringen kann. Wenn ich auf grundlegend unterschiedliche Auffassungen hingewiesen habe, so bleiben doch große Bereiche, in denen es fast durchweg eine Übereinstimmung gibt, soweit die Landespolitik betroffen ist. Das macht deutlich, warum wir diese große Koalition eingegangen sind. Diese großen Schnittmengen gibt es im Bereich der Sozialpolitik ebenso wie im Bereich der Arbeitsmarktpolitik, das gilt für die Wirtschaft- und für die Verkehrspolitik. Deshalb bin ich auf diese Bereiche nicht näher eingegangen.

All diese Dinge, die Sie hier zu den Verkehrsvorhaben vorgetragen haben, Herr Ministerpräsident, treffen ausdrücklich auf die Unterstützung der SPDFraktion. Das ist immer unser Anliegen gewesen. Wir wissen, dass wichtige verkehrliche Infrastrukturmaßnahmen die Grundlage für die wirtschaftliche Weiterentwicklung unseres Landes bilden.

(Beifall bei CDU, SPD, FDP und SSW)

Wir sollten gemeinsam mutig genug sein, um als große Koalition mehr zu versuchen, als nur auf der Ebene des Minimalkonsenses voranzugehen. Viele Menschen im Land haben überzogene Erwartungen an eine große Koalition. Aber sie können zu Recht erwarten, dass wir uns am Riemen reißen, dass wir nicht nur Gremien und Arbeitsgruppen bilden, dass wir nicht Gutachten in großer Zahl erstellen lassen,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Sehr gut! - Bei- fall der Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU] und Frauke Tengler [CDU])

sondern dass wir nach konkreter Analyse der politischen Situation Vorschläge machen und dann Entscheidungen treffen, die in überschaubarer Zeit positive Veränderungen für das Land bringen.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und CDU)

Soll dies alles gelingen, dann müssen die Menschen bereit sein, aufgrund unserer haushaltspolitischen Situation weitere Einschränkungen hinzunehmen. Ich bin mir sicher, sie werden dazu bereit sein, wenn wir ihnen dies mit Offenheit und Deutlichkeit erklären. Zu den weiteren Einschränkungen wird es keine Alternative geben. Das lassen die Zahlen einfach nicht zu.

Die Menschen müssen aber auch selbst mit anpacken. Nur mit Unterstützung der Menschen im Land und einer gemeinsamen Aufbruchstimmung kann es klappen. Wir brauche Impulse für die Wirtschaft, Impulse für den Arbeitsmarkt und eine positive Grundhaltung bei dem gemeinsamen Projekt „Wir bringen Schleswig-Holstein nach vorn“.

Wir können heute nicht sagen, wo wir in 60 Monaten, am Ende dieser Legislaturperiode, stehen werden; aber wir können alle unsere Energien darauf verwenden, dass es für unser Land in 60 Monaten deutlich besser aussieht.

Lassen Sie uns dies gemeinsam anpacken und den Menschen deutlich machen, dass wir uns mit aller Kraft für sie, für ihre Zukunft und für ihre Kinder einsetzen.

(Anhaltender Beifall bei SPD, CDU, FDP und SSW)

Ich erteile nun dem Vorsitzenden der FDP-Fraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Haben Sie SPD gesagt? - Heiterkeit)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach den beeindruckenden Reden der Kollegen Fraktionsvorsitzenden von CDU und SPD

(Beifall bei CDU und SPD)

kann man als Liberaler nur mit einem großen Wort eines großen Sozialdemokraten antworten: Man hat das Gefühl, hier wächst zusammen, was zusammen gehört.

(Heiterkeit und Beifall)

(Wolfgang Kubicki)

In seiner Regierungserklärung stellte der Ministerpräsident fest, dass sich die wirtschaftlichen Strukturen weltweit rasant ändern, dass aber unser Land nur unzureichend auf die Herausforderungen dieses Wandels vorbereitet ist. Die Zukunftsmärkte SchleswigHolsteins sind nicht genügend erschlossen. Schulen, Hochschulen und die Infrastruktur sind vernachlässigt worden. Die Schulden sind, die Kreditaufnahme ist schrecklich hoch, bedrückend hoch. Der geltende Haushalt ist weder klar noch wahr. Es gibt kaum noch finanzielle Spielräume; bei dieser desolaten Finanzlage ist es auch bei äußerster Sparsamkeit längere Zeit nicht möglich, den Haushalt zu konsolidieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wissen Sie, was das Bedrückendste an dieser Feststellung ist? Dies ist die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Björn Engholm vor 17 Jahren in diesem Haus.

Leider ist die Ausgangslage heute schlechter als vor 17 Jahren. Denn im Vergleich zu den anderen westdeutschen Flächenländern ist Schleswig-Holstein unter den sozialdemokratisch geführten Regierungen seitdem stetig zurückgefallen.

Vielleicht kündigte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen heute Morgen gerade deshalb große Taten der großen Koalition an, mit denen SchleswigHolstein wieder auf Kurs gebracht werden soll, auf den Kurs nach oben weg vom Tabellenende der westdeutschen Bundesländer.

Unser schönes Land hat dabei keine Zeit mehr zu verlieren, sagte er uns. Und jetzt geht sie doch verloren, diese wichtige Zeit für Schleswig-Holstein. Denn es scheint ausgemacht, dass im Herbst der Deutsche Bundestag neu gewählt wird. Trotz aller VorwärtsMarsch-Rhetorik der Landesregierung wird sich bis zur Bundestagswahl gar nichts tun, weil CDU und SPD darum kämpfen werden, gewählt zu werden. Selbstverständlich werden sie nicht miteinander darum kämpfen, sondern gegeneinander.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundeskanzler hat beschlossen, das Ende der rot-grünen Tragödie um ein Jahr vorzuziehen. Anstatt dieses Ende bis zum Herst 2006 zu durchleiden, will er mit Rot-Grün lieber kurzen Prozess machen. Dem langen Schrecken zieht er das frühe Ende vor. Denn er will von der SPD retten, was er glaubt, noch retten zu können. Dafür opfert der Kanzler gern die rot-grüne Koalition, wie man heute allenthalben in den Medien lesen kann. Deswegen hat er gestern schon einmal auf eine Koalitionsaussage zugunsten der Grünen verzichtet. Wer will ihm dies verdenken? Schließlich macht sich die wahre Partei der Besserverdienenden bei allen

schmerzhaften Reformen einen schlanken Fuß, denn die grüne Klientel ist nicht betroffen.

Rot-Grün hat schwach angefangen, dann stark nachgelassen und implodiert jetzt. Der Marsch der 68er durch die Institutionen geht zu Ende und endet in einer Sackgasse vor dem Müllhaufen der Geschichte.

(Beifall bei der FDP)

Das herrliche Schauspiel dieser Implosion vollzieht sich in drei Akten und Schleswig-Holstein hat dabei eine ganz herausragende Bedeutung.

Der erste Akt endete am 20. Februar: Die Menschen in Schleswig-Holstein wählten Rot-Grün ab. Selbstverständlich wollten die Sozialdemokraten das damals und die Grünen wollen das bis heute nicht einsehen. Sie versuchten ihre Spielzeit zu überziehen, aber eine mutige Seele hat ihnen am 17. März einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Der zweite Akt des rot-grünen Unterganges endete am vergangenen Sonntag um sechs Uhr abends: Die Menschen in Nordrhein-Westfalen hatten die letzte rot-grüne Landesregierung abgewählt.

28 Minuten später öffnete Franz Müntefering den Vorhang zum Beginn des dritten und letzten Aktes. Enden wird die Implosion von Rot-Grün mit der vorgezogenen Bundestagswahl. Denn wenn der Wahltag geht und Johnny Walker kommt, dann wird Rot-Grün endgültig weg sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, warum geht das so schnell? Claus Christian Malzahn antwortete hierauf in „SPIEGEL ONLINE“ so - ich zitiere -:

„Wir erleben nichts weniger als den politischen Selbstmord eines deutschen Bundeskanzlers aus Angst vor dem Tod.“

Drastischer - wie immer - formulierte es der Innenminister Schleswig-Holsteins, Dr. Ralf Stegner: Neuwahlen seien Harakiri. Statt in Tom Cruise sieht Herr Dr. Stegner anscheinend in Gerhard Schröder den letzten Samurai. Denn Samurais töteten sich in aussichtslosen Lagen selbst, um der Schmach des Untergangs zu entgehen.

Was hat das alles mit Schleswig-Holstein und der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten zu tun? Ganz einfach: Bis auf weiteres wird die Sachpolitik zum Wohl des Landes vom Bundestagswahlkampf verdrängt.

Die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen werden dies selbstverständlich scharf zurückweisen und mit treuen Augen das Gegenteil behaupten. Wahr bleibt es trotzdem: Der Versuch des Beginns

(Wolfgang Kubicki)

der Sanierung unseres Landes wird erst einmal aufgeschoben. Denn glauben wir Franz Müntefering, dann naht jetzt die Mutter aller Richtungswahlkämpfe und die SPD droht offensichtlich, den Weg in Richtung des 19. Jahrhunderts einzuschlagen.

Rot und Schwarz werden im Land in Deckung gehen, damit die große Koalition nicht von den Querschlägern des Wahlkampfes um die Macht im Bund erschlagen wird. Schwarz-Rot in Kiel wird alles vermeiden, was den Koalitionsfrieden gefährden könnte, zum Beispiel alles, worüber Union und SPD auf Bundesebene im Wahlkampf trefflich streiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sehen wir das Positive daran: Rot-Grün hat Schleswig-Holstein an den Abgrund regiert und am Abgrund ist schwarz-roter Stillstand immernoch besser als rot-grüner Fortschritt.

(Beifall bei der FDP)

„Besser“ bedeutet aber nicht „gut“. Gut für Schleswig-Holstein wäre ein politischer Kurswechsel, weg vom Abgrund. Allerdings wäre es auch ohne vorgezogene Bundestagswahlen unwahrscheinlich gewesen, dass die große Koalition dies erreicht hätte. Erlauben Sie mir, dass ich dieser Skepsis Ausdruck verleihe. Sie wird den politischen Stillstand bewahren und verwalten, mehr nicht. Das ist das Wesen großer Koalitionen. Mögen ihre Mitglieder das auch noch so oft verneinen, wahr bleibt es doch. Jede politische Koalition ist ein Zweckbündnis, das einen gemeinsamen Nenner finden muss. Je größer die Mehrheit desto weniger diszipliniert sind die eigenen Reihen. Deshalb ist bei großen Koalitionen der gemeinsame Nenner ein ganz kleiner, denn zu viele koalitionsinterne Interessengruppen müssen befriedigt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Thomas Stritzl [CDU])

Alle wissen das, aber die Mitglieder großer Koalitionen verneinen es immer wieder, um nicht als Nestbeschmutzer dazustehen. Das ist menschlich verständlich, Kollege Stritzl. Wer möchte schon gerne als Nestbeschmutzer gelten? Wahr ist es trotzdem. Große Koalitionen verwalten regelmäßig den Status quo; denn das folgt logisch aus den Umständen ihrer Geburt. Sie sind die Folge eines unentschiedenen Kampfes um die politische Macht. Herr Ministerpräsident, wir hoffen darauf, dass aus den Ankündigungen in Schleswig-Holstein große Taten werden.

Wo steht Schleswig-Holstein am Beginn dieser Zukunft nach 17 Jahren sozialdemokratisch geführter Regierungen?

Wirtschaftskraft und Wohlstand in Schleswig-Holstein sind unter Rot-Grün immer weiter hinter den westdeutschen Flächenländern zurückgefallen. Zusätzlich stagniert der Wohlstand der Menschen.

Schleswig-Holstein hat die höchste Sozialhilfequote der westdeutschen Flächenländer, die zweithöchste Arbeitslosenquote nach Nordrhein-Westfalen und die höchsten öffentlichen Schulden pro Einwohner.