Protocol of the Session on May 4, 2006

(Konrad Nabel [SPD]: Quatsch!)

und war im Zweifelsfall wohl auch auf weitere Bundesländer, lieber Kollege Nabel, ausdehnbar, wenn es denn gepasst hätte. Wir haben diese zweifelhafte Vorgehensweise schon vor drei Jahren angeprangert. Wer selbst Müll verursacht, muss diesen auch entsorgen beziehungsweise verarbeiten.

Das war unsere Haltung und ist unsere Haltung. Deshalb haben wir kein Verständnis dafür, dass die Grünen immer noch an der Nordstaat-Lösung in dieser Frage festhalten und unbedingt ein großes Konzept möchten.

(Beifall beim SSW)

Wir sind selber für unseren Müll verantwortlich und dürfen diese Verantwortung weder ganz noch teilweise auf andere Länder abschieben. Das würde aber geschehen, wenn wir der Logik der Grünen folgen würden.

Die bisherige Schaffung von neuen Kapazitäten diente dazu, die neuen Müllmengen, die nach der Einführung der TASi entstanden, aufnehmen zu können. Dem Mülltourismus gebiete ich nicht Einhalt, indem ich die Behandlungskapazitäten verkleinere oder auf einem niedrigen Stand halte, sondern indem ich in unserem Land die Kapazitäten schaffe, die notwendig sind. Hierfür muss ich in unserem Land eine Planung vorhalten und die haben wir bis heute nicht. Davon sind wir noch einige Schritte entfernt.

Dies kann man auch daran erkennen, dass es den befürchteten Mülltourismus jetzt schon gibt und schon immer gab. Wer aus höheren politischen Erwägungen heraus Mülltourismus in billigere Regionen und in billigere Länder verhindern will, kann dies nicht schaffen, indem er die Kapazitäten bei uns begrenzt. Man kann hier nur vorbeugen, indem die Kapazitäten passgenau geschaffen werden und wir uns Gedanken machen, wie wir Mülltourismus auf andere Art verhindern können.

Wir müssen ganz andere Strukturen schaffen, wenn wir den Mülltourismus - wie in der Antragsbegründung beschrieben - angehen wollen. Wir verhindern

(Günther Hildebrand)

den Mülltourismus nur dann, wenn wir ihm die wirtschaftliche Grundlage entziehen, das heißt, wenn es sich nicht mehr lohnt, seinen Müll in die entlegensten Ecken Europas zu verfrachten, um Geld sparen zu können.

Dies geht nur, wenn ich marktgerechte Mittel hierfür nutzbar mache. Beispielsweise kann ich die Qualität der Abfallentsorgung vorschreiben, sodass Anlagen mit einer minderen Qualität nicht zum Zuge kommen. Ich kann Lohn- und Ausbildungsstandards vorschreiben, wenn ich Aufträge an Abfallentsorger gebe. Ich kann ebenfalls vorschreiben, dass Qualitäts- und Lohnstandards einzuhalten sind, wenn der Müll in entlegene Gegenden transportiert werden soll. Ich schaffe es aber nicht, wenn ich die Kapazitäten begrenze und nur einfach sage, dass Müllexport in die nähere Umgebung nun nicht mehr als Müllexport zu bewerten sei.

Herr Abgeordneter, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Garg?

Nein, leider nicht. Ich habe nicht so fürchterlich viel Zeit.

Verhalte ich mich so, verhalte ich mich, als würde ich Ware umdeklarieren, um einen noch größeren Reibach zu machen.

Für uns ist es immer noch klar, dass wir als Land Schleswig-Holstein eine eigene Verantwortung für unseren Müll haben und wir selber sehen müssen, dass wir diesen so verantwortungsbewusst wie möglich behandeln.

Dazu zählen für uns drei Kriterien: Wir müssen den Müll selbst behandeln. Wir müssen diesen nach ökologischen Kriterien und unter Beachtung der Ausnutzung von entstehender Energie und Wärme nutzen. Und wir müssen die Verkehrsbelastung minimieren. Diese Ziele stellen wir voran und daher ist die Lösung, unseren Müll von anderen entsorgen zu lassen - sei es von Hamburgern, Bayern oder Rumänen - nur die zweit- oder drittbeste Lösung.

Nach unserer Auffassung hat diese Problematik aber auch noch eine andere Komponente: Die Behandlung von Müll bedeutet auch Wertschöpfung. Dadurch, dass der Müll bei uns entsorgt wird, wird hier auch das Geld damit verdient. Wer diese Möglichkeiten von vornherein aufgibt, nur weil er zu Regierungszeiten die eigenen Ziele nicht hat erreichen können, handelt nicht nur unter ökologischen Aspekten verantwortungslos, sondern hat auch die

ökonomischen Aspekte nicht erkannt. Für uns ist es wichtiger, dass die Anlagen, die in Schleswig-Holstein entstehen und in Betrieb sind, den höchsten Standards entsprechen und dass wir die Abfallentsorgung genau an diesen Standards messen. Wir wollen auf keinen Fall unsere Verantwortung auf andere Bundesländer abwälzen.

(Beifall des Abgeordneten Martin Kayenburg [CDU])

Wir wollen leistungsfähige Anlagen, die an unserem Bedarf orientiert sind und den Investoren in unserem Land Möglichkeiten geben, Geld zu verdienen.

(Beifall beim SSW)

Alles andere ist nur zweite Wahl.

Es müssen Qualitäts-, Lohn- sowie ökologische Standards festgelegt werden, nach denen Abfall behandelt werden muss. Dann lohnt sich Müllexport nicht mehr. Dann entziehen wir ihm nämlich die wirtschaftliche Grundlage. Dann haben wir die Gewissheit, dass Müllexport - wie im Antrag gewünscht - nicht stattfindet.

(Beifall beim SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Harms. - Zwei weitere Abgeordnete haben sich für Dreiminutenbeiträge gemeldet. Zunächst erteile ich dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich vier Bemerkungen zu der Debatte machen.

Erstens. Lieber Kollege Harms, eine Position, die aussagt, in der Abfallpolitik würden wir nicht mit Hamburg kooperieren, ist - mit Respekt - provinziell.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP - Zuruf des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

- Dann kannst du das gleich noch mal richtig stellen.

Wer der Auffassung ist, dass man trotz der Siedlungsstruktur in Schleswig-Holstein eine Grenze entlang der Bevölkerungs- und damit auch Abfallstaaten und den Hamburger Umlandkreisen ziehen könne und dass es keine Kooperation geben dürfe, liegt verkehrt.

(Lars Harms)

Übrigens sind die Hamburger auch sehr oft auf uns zugekommen. Es gibt an der Stelle einen sehr regen Austausch. Ich erinnere nur an die Sonderabfallbehandlung et cetera. Also, Abfallpolitik ist Regionalpolitik und macht nicht an irgendwelchen Ländergrenzen Halt.

Dazu gehört übrigens auch das Erinnern an die damaligen Bemühungen von Minister Rainder Steenblock, als es darum ging, eine kreisübergreifende Kooperation hinzubekommen. Jeder, der hier gerade groß rumgetönt hat, lieber Kollege Bernstein, das wäre in den letzten Legislaturperioden nicht passiert, der möge sich schlau machen, wie die Kreise ihn damals haben auflaufen lassen

(Thomas Stritzl [CDU]: Na, na, na!)

- doch, natürlich haben sie ihn auflaufen lassen -, als er versuchte, zu einer kreisübergreifenden Kooperation zu kommen.

(Martin Kayenburg [CDU]: Weil er die Ver- brennung verhindert hat! Sie müssen alles sa- gen!)

Inzwischen sind wir alle an der Stelle weiter und wissen, dass wir bei diesem Thema in SchleswigHolstein zu Recht kreisübergreifend arbeiten.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Zweitens. Der Schlüssel in der ganzen Diskussion auf den ist Herr Minister von Boetticher zu Recht mit sehr wohltuend kritischen und abgewogenen Argumenten eingegangen, wie ich finde - ist folgender Punkt:

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört!)

Wie es sich hier weiterentwickelt, steht und fällt mit der Norddeutschen Affinerie. - In dem Moment, in dem die Norddeutsche Affinerie ihre Pläne verwirklicht, werden viele aktuelle kommunalpolitische Planungen in Schleswig-Holstein obsolet. Und dann werden insbesondere auch die Kollegen Stritzl und Fischer und alle, die in Kiel Verantwortung tragen

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Auch die Grünen!)

- Entschuldigung, natürlich auch der Kollege Garg und alle anderen -, vor dem Problem stehen, dass womöglich in Kiel eine Entscheidung getroffen wurde, die sich nach dieser Hamburger Entscheidung nicht mehr lohnt. Darum ist hier eine enge Zusammenarbeit mit Hamburg unabhängig von dem Instrument, das man wählt - da bin ich leidenschaftslos -, ausschlaggebend für kommunalpoliti

sche Entscheidungen, die in Schleswig-Holstein getroffen werden.

Drittens. Abfall ist kein normales Wirtschaftsgut. Denn letztendlich müssen die Gebührenzahler einspringen, wenn es zu Fehlentscheidungen kommt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heiner Garg [FDP]: So ist es!)

Dafür gibt es leider ganz viele negative Beispiele aus der Vergangenheit, wo das geschehen ist.

Meine letzte Bemerkung, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, betrifft die Auseinandersetzung, die wir mit dem FDP-Kreisverband in Neumünster erlebt haben. Dort hat es eine große Koalition von CDU, SPD und Grünen gegeben. Sie waren der Meinung, die Entscheidungen zur TEV seien richtig sowie ökologisch und ökonomisch vernünftig. Diese Argumentationslinien in der kommunalen FDP diskreditieren ein Stück weit die Glaubwürdigkeit aller FDPler, die zum Thema Abfallpolitik in Schleswig-Holstein reden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für einen weiteren Dreiminutenbeitrag erhält Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Müller, es steht mir überhaupt nicht zu, irgendetwas zu den Neumünsteraner Kollegen und Kolleginnen zu sagen. Aber wenn ich richtig informiert bin, dann hat ein Kreisparteitag der Grünen hier in Kiel sehr differenziert über die Frage entschieden, ob die Kapazitäten in Kiel ausgebaut werden sollten oder nicht. Die Grünen haben sich windelweich aus der Verantwortung geschlichen: