Drittens: Die Handhabbarkeit des Gesetzes. Die Neuregelungen im verfahrensrechtlichen Teil des Gesetzes sind im Vergleich zum bisher geltenden IFG tatsächlich übersichtlicher. Es entsteht aber an einigen Punkten leider der Eindruck, dass das Gesetz eher am leichteren Behördenvollzug als an den Interessen der Informationssuchenden orientiert ist. Das bezieht sich zum Beispiel auf manche Fristen oder die Vermeidung von erhöhtem Verwaltungsaufwand, wenn die Informationen auch anders zugänglich sind. Die Stichworte Service und Kundenorientierung sollten vielleicht eine gewichtigere Rolle spielen.
Beispielsweise der Zugang zu externen Gutachten oder der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen in Abwägung zur Bekämpfung von Korruption sind ebenfalls diskussionswürdige Punkte fürs weitere Verfahren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich habe die Autoren des Gesetzes wirklich nicht um die Aufgabe beneidet, einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen finden zu müssen. Die Autoren haben uns jedoch eine gute und aktuelle Grundlage - denn an
Unabhängig davon sind die Erfahrungen mit dem bestehenden Gesetz ganz überwiegend positiv. Die Anträge, also die Informationsersuche der Bürgerinnen und Bürger, waren zu über 90 % erfolgreich. Den Behörden wurde vielfach ein souveräner und konstruktiver Umgang mit dem Gesetz bescheinigt. Misserfolge liegen im Wesentlichen darin begründet, dass die gewünschten Informationen bei der Behörde gar nicht vorhanden waren. Auch der vor allem von den Kommunen befürchtete übermäßige Arbeits- und Verwaltungsaufwand ist weitgehend ausgeblieben. Ganz im Gegenteil: Das Gesetz dient vielmehr der Vermeidung von Widerspruchs- und Klageverfahren.
Nachlesen kann man all das in den Datenschutzberichten der letzten Jahre. Ich bin mir sicher, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass sich diese positive Gesetzesgeschichte fortsetzen lässt.
Das Wort hat nun der Oppositionsführer, der Fraktionsvorsitzende der Freien Demokraten, Herr Abgeordneter Wolfgang Kubicki.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hoffe, dass nun nicht alle Redebeiträge damit begonnen werden, wie erfolgreich die große Koalition im ersten Jahr ihres Bestehens gewesen sei.
- Bei einer großen Koalition, Frau Kollegin Sassen, nicht. - Denn dieser Realitätsverlust ist bei der rotgrünen Koalition erst nach zehn Jahren eingetreten und ich möchte nicht, dass die mangelnde Wahrnehmung der Wirklichkeit bei Ihnen bereits nach so kurzer Zeit Platz greift.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Informationsfreiheitsgesetz ist missglückt. Er ist aus unserer Sicht handwerklich missglückt, weil er quasi zwei Gesetze in einem Gesetz nebeneinander regelt. So ist es zwar zu begrüßen, Herr Innenminister, dass die Umsetzung der europäischen Umweltinformationsrichtlinie nicht durch ein gesondertes Gesetz erfolgt, sondern aufgrund der inhaltlichen Sachnähe im allgemeinen Informationsfreiheitsgesetz vorge
sehen ist. Der Mangel ist aber, dass die Regelungen für Umweltinformationen und allgemeine Informationen nicht gleichermaßen gelten.
Der Gesetzentwurf trennt vielmehr den Anwendungsbereich zwischen allgemeinen Informationen und Umweltinformationen. So macht der begrüßenswerte Anlass, die europäische Umweltinformationsrichtlinie in das IFG zu übernehmen, keinen Sinn, weil es sich zwar formal um ein Gesetz, inhaltlich aber um zwei verschiedene Gesetze in einem Kleid handelt.
Darüber hinaus bedeutet diese Vorgehensweise zusätzliche Arbeit für die Behörden. Es muss bei einem bestimmten Akteneinsichtswunsch erst geprüft werden, ob er sich auf Umweltbelange oder sonstiges behördliches Handeln bezieht. Das bedeutet zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass der sehr verehrte Herr Staatssekretär Schlie, der mit einer großen Abteilung die Entbürokratisierung betreiben soll, mit dieser Vorgehensweise einverstanden gewesen ist, als der Gesetzentwurf im Kabinett behandelt wurde. Ich gehe davon aus, dass er anwesend war.
Der Gesetzentwurf ist vor allem aber missglückt, weil er einen Rückschritt gegenüber den momentan geltenden Regelungen zur Informationspflicht bei der Erledigung von öffentlichen Aufgaben bedeutet. Ich mache hier keinen Hehl daraus, Anke, dass wir als FDP-Fraktion - bis auf ganz wenige Ausnahmen - diesem Gesetzentwurf am Anfang dieser nun so genannten Erfolgsgeschichte äußerst skeptisch gegenüberstanden.
Dabei muss man sich vor allem vor Augen halten, was der Hintergrund der Einführung des IFG seinerzeit war. Sinn und Zweck für ein Informationsfreiheitsgesetz war seinerzeit die Möglichkeit der mittelbaren Kontrolle staatlichen Handelns durch die Bürgerinnen und Bürger. Es sollte die politische Mitgestaltung der Menschen sowie die Transparenz der Arbeit der Behörden erhöhen und somit auch das Vertrauen und die Akzeptanz der Bevölkerung in das behördliche Tun verstärken.
Dabei war es bis zum Jahr 2004 strittig, ob auch das fiskalische Handeln der Behörden vom Informationsanspruch mit umfasst ist. Eine Entscheidung des VG Schleswig hat dann allerdings klargestellt, dass der Gesetzgeber 1999 bewusst das privatrechtliche Handeln der Behörde in den Anwendungsbereich mit einbezogen hat.
Übrigens macht auch nur das Sinn. Denn es kann ja nicht richtig sein, dass sich der Staat in die private Rechtsform flüchtet - wie Sie es genannt haben, Kollege Rother -, um anschließend die Informationsmöglichkeiten, die wir eigentlich wollen, zu umgehen, und zwar mit der Bemerkung, man befinde sich im Wettbewerb.
Es muss doch auch den christlich-demokratisch Unionierten langsam den Schauer über den Rücken laufen lassen, dass sich die öffentliche Hand in den Wettbewerb mit Privaten begibt und ihre öffentlichrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten nutzt, um sich im Zweifel einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Privaten zu verschaffen. Ich bin immer davon ausgegangen: Subsidiarität heißt, überall dort, wo es Private gleich oder besser machen können, machen es Private und nicht der Staat. Da scheint bei Ihnen ein Umdenken nach der Devise: „Wir organisieren demnächst alles staatlich in privater Rechtsform, weil wir dann die Privaten nicht mehr brauchen“, stattgefunden zu haben.
- Herr Innenminister, es tut mir Leid, dass ich Ihren Ansprüchen hinsichtlich des intellektuellen Niveaus nicht genügen kann. Ich muss damit leben. Ich nehme an, andere können dies im Zweifel auch.
In allen anderen Bundesländern, liebe Kolleginnen und Kollegen, die einen freien Informationszugang gewähren, ist die Einbeziehung der privatrechtlichen Handlungsform in den Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger gegenüber den Behörden ebenfalls geregelt. Die Herausnahme des fiskalischen Handelns aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes steht also im Widerspruch zu der Rechtslage all dieser Bundesländer, die entsprechende Regelungen haben.
Es fällt schon auf, Herr Kollege Rother, dass wir bei der Verschärfung von Gesetzen und bei der Möglichkeit, die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürgern zu überwachen, immer auf die Beispiele der anderen Bundesländer verweisen und auf einheitliche Regelungen achten. Ansonsten wäre beispielsweise die Rasterfahndung wohl auch aus Sicht der beiden großen Fraktionen überflüssig. Wenn es aber umgekehrt darum geht, dass die Bürgerinnen und Bürger den öffentlich-rechtlichen Körperschaften bei der Erledigung ihrer Arbeit in die Karten sehen sollen, dann sind wir restriktiver als die anderen. Warum eigentlich?
Warum hat die große Koalition eigentlich ein größeres Misstrauen gegenüber den Menschen dieses Landes, als es dies vorher die rot-grüne Koalition, der SSW oder das Parlament insgesamt hatten? Warum ist die Landesregierung im Land Schleswig-Holstein misstrauischer gegenüber ihren Einwohnern als anderswo? - Diese Frage bedarf der Beantwortung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Informationsfreiheitsgesetz in Schleswig-Holstein hat sich bewährt. Es hat die Skeptiker, zu denen auch ich gehörte - das gebe ich zu -, überzeugt. Es hat dazu beigetragen, dass sich die Öffentlichkeit jederzeit über die Arbeit ihrer Verwaltung informieren kann und es hat vor allen Dingen das Vertrauen in die Arbeit der Behörden eher gestärkt. Es hat dazu beigetragen, dass die Bürgerinnen und Bürger bei der politischen Mitgestaltung gerade auf kommunaler Ebene mehr Möglichkeiten erhalten haben, aktiv auch die Politik vor Ort mit zu bestimmen. Wir sollten ihnen diese Möglichkeiten nicht unnötig einschränken.
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich deren Fraktionsvorsitzenden, der Frau Abgeordneten Anne Lütkes, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein lieber Herr Oppositionsführer, wir haben einen sehr realistischen Blick auf unser Regierungshandeln auch jetzt nach zehn Jahren. Insofern finde ich es richtig, noch einmal daran zu erinnern, dass Schleswig-Holstein im Jahr 2000 eines der ersten Bundesländer war, die ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen hatten.
Es war wegweisend - nicht nur weil es das Prinzip der Öffentlichkeit von Verwaltungshandeln postuliert hat, sondern weil es vor allem einen weitest möglichen Anspruch auf Transparenz hatte, ohne die Privatsphäre und den Datenschutz zu verletzen. Wir - das heißt, sehr viele in diesem Haus - waren seinerzeit zu Recht stolz auf dieses Gesetz, das bundesweit unter Bürgerrechtlern als gelungen und zukunftweisend gefeiert wurde.
Das Gesetz hat sich rundum bewährt. Es hat sich auch nicht die oft geäußerte Befürchtung bewahrheitet, es käme zu einer Flut von Anträgen oder Gemeinden und Landesbehörden würden durch das Informationsbegehren der Bevölkerung lahm gelegt. Nichts dergleichen ist passiert. Denn das Gesetz hat sehr pragmatisch und sehr klug nicht unangemessene, aber doch sehr sorgfältig durchdachte Antragsanforderungen formuliert.
Die relativ geringe, aber doch stetig wachsende Zahl von Anfragen an die Verwaltung zeigt, dass eine Verbesserung in der Informationspolitik für die Behörden notwendig war und sich auch langsam herausbildet. Wir können feststellen: Einerseits nimmt die Bevölkerung ihr Auskunftsrecht selbstbewusst wahr, andererseits erkennen die Behörden das sagen sie selber -, dass sie wichtige Informationen freiwillig und schnell herausgeben müssen. Sie veröffentlichen die Informationen insbesondere auf ihren Websites, die durchaus nutzbar sind und immer benutzerfreundlicher werden.
Was passiert jetzt? - Die Landesregierung will den Spieß umdrehen und die Zeit zurückdrehen. Ohne Not wird mit diesem Gesetz die Informationsfreiheit eingeschränkt.
Die Integration der Umsetzung der Umweltinformationsrichtlinie in Landesrecht ist formell gelungen, faktisch wird aber eine Grenze quer durch das Gesetz gezogen. Das selbst formulierte Ziel der Regierung, die Zusammenlegung solle die Verständlichkeit und damit die Rechtsanwendung erleichtern, wird verfehlt. Bei jeder Prüfung eines Anspruchs ist zukünftig eine Differenzierung zwischen allgemeinen Informationen und Umweltinformationen nötig. Meine Damen und Herren, ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Will man die Materie vielleicht komplizierter und weniger nutzerfreundlich machen, um später festzustellen: Oh Gott, das Gesetz muss leider komplett revidiert werden, weil das so nicht geht? Wir sagen jetzt schon: Das ist keine Vereinfachung, sondern das ist eine Verschlechterung der Informationsfreiheit.
Der ausdrückliche Ausschluss privatrechtlichen Handelns des Staates aus dem Informationsfreiheitsgesetz ist ein weiterer dramatischer Rückschritt. Die bisherige Regelung war nicht optimal. Das ist keine Frage; das will ich gern zugeben. Sie hatte die Frage nach dem Informationsanspruch bei privatrechtlichem Handeln nicht gelöst. Das war ein Manko des Gesetzes. Es ist jedoch hier schon zitiert
worden, dass das Verwaltungsgericht zwischenzeitlich in seiner Klugheit die entsprechende Rechtsprechung entwickelt hat. Der Bereich der Verwendung öffentlicher Mittel durch die Vergabe von Aufträgen unterliegt dem geltenden IFG und sollte auch unter dem zukünftigen Gesetz der Informationsfreiheit zugänglich sein. Darüber sollten Sie noch einmal nachdenken. Denken Sie nur einmal an die große Korruptionsanfälligkeit - nicht Korruption - in diesem Bereich! In diesem Bereich müssen die Bürger die Informationsfreiheit erhalten. Hier hat die Öffentlichkeit ein ganz besonderes Interesse.
Aufgabenübertragungen auf privatrechtliche Institutionen werden - wenn das Gesetz zur Wirklichkeit wird - die Essenz des Gesetzes nach und nach aushöhlen. Das Outsourcing bekommt damit eine stärke Bedeutung. Wenn diese Tätigkeiten komplett und ohne nähere Prüfung aus dem IFG herausgenommen werden, dann kann man möglicherweise eine Flucht ins Privatrecht und damit eine Flucht aus der Informationsfreiheit sehen. Das ist ein falscher Schritt. Das ist bürgerrechtlich eine falsche Entwicklung.
Lieber Kollege Rother, man darf dem Gesetz dann nicht zustimmen, denn die von Ihnen erhoffte Interpretationsmöglichkeit ist im vorgelegten Gesetz so nicht enthalten. Es ist eine klare Entscheidung gegen eine Informationsfreiheit im privatrechtlichen Handeln.