Protocol of the Session on May 3, 2006

Ich freue mich, dem Parlament heute den angekündigten Gesetzentwurf vorlegen zu können, der im Innenministerium mit tatkräftiger Unterstützung durch das Umweltministerium erarbeitet worden ist und eine ausführliche, von konstruktiver Kritik begleitete Anhörung durchlaufen hat. Herr Abgeordneter Harms, Anhörungen heißen so, da man in ihnen jene anhört, die etwas zu sagen haben. Wenn dies etwas Vernünftiges ist, wird es auch berücksichtigt.

(Beifall beim SSW - Zuruf von der FDP)

So haben wir es auch in diesem Fall gehandhabt. Übrigens ist Lernfähigkeit etwas Gutes; wer nicht lernt, hat ein Problem. Insofern empfinde ich das, was Sie gesagt haben, durchaus als Ermunterung, in der Weise fortzufahren.

Wir haben den Entwurf aufgrund der Anhörung noch einmal überarbeitet und einige wichtige Regelungen geändert, zum Beispiel bei der Abwägungsklausel zu den Ablehnungsgründen und beim Beanstandungsrecht des Datenschutzbeauftragten. Im Großen und Ganzen unverändert geblieben sind allerdings die Regelungen des Anwendungsbereichs; ich komme noch darauf zurück.

Was sind die Eckpunkte des Entwurfs? - Erstens. Er ist bisher der einzige in der Bundesrepublik, der die Bereiche Umweltinformation und allgemeine Verwaltungsinformation in einem Gesetz regelt. Es handelt sich um klare, verständliche Regelungen. Wir reden immer von Deregulierung von Normen. Hier haben Sie ein gutes Beispiel dafür.

Zweitens. Er orientiert sich in fast allen Regelungen an den weitgehend bürgerfreundlichen Regelungen des EG-Umweltinformationsrechts und geht in einigen Bereichen sogar über das Informationsfreiheitsgesetz hinaus.

Drittens. Er regelt die bisher umstrittene Frage des Anwendungsbereichs eindeutig und schafft dadurch verlässliche Rechtspositionen für die Bürger und die Verwaltung.

Viertens. All das führt dazu, dass dieser Gesetzentwurf für andere Länder vermutlich eine Vorreiterrolle wird einnehmen können.

In der Anhörung wurden auf der einen Seite insbesondere vom Datenschutzbeauftragten und von zwei Umweltverbänden die Regelungen zum Anwendungsbereich stark kritisiert, auf der anderen Seite haben die kommunalen Landesverbände und die IHK die Regelungen als konsequent und sachgerecht bewertet. Deswegen ein paar Bemerkungen hierzu!

Es gibt gesetzgeberischen Handlungsbedarf, weil die Frage des Anwendungsbereichs im Hinblick auf allgemeine Verwaltungsinformationen bisher umstritten geblieben ist. Das gilt übrigens nicht nur für unser Informationsfreiheitsgesetz, sondern auch für die der drei anderen Länder und des Bundes. Nun wollen wir diese Frage nicht Gerichten oder der juristischen Fachliteratur überlassen. Deswegen schlagen wir vor, den Anwendungsbereich danach zu unterscheiden, ob es sich um Umweltinformationen oder allgemeine Verwaltungsinformatio

(Präsident Martin Kayenburg)

nen handelt. Im ersten Fall schreibt das EU-Recht aus verständlichen Umweltschutzgründen einen weiten Anwendungsbereich vor, der auch fiskalisches Behördenhandeln und bestimmte Umwelttätigkeiten Privater umfasst. Solche rechtlichen Vorgaben gibt es für allgemeine Verwaltungsinformationen aber nicht. Die Landesregierung sieht nicht nur deshalb, sondern aus Überzeugung hier von einer entsprechenden Regelung ab. Wir stellen uns damit an die Seite der Kommunen und der Wirtschaft.

Ich glaube auch, dass kein Anlass besteht - das sage ich in Richtung der Kollegen von der FDP -, der öffentlichen Hand Wettbewerbsnachteile zuzufügen und sie anders als Private zu behandeln, wenn die öffentliche Hand auf Vorrechte des öffentlichen Rechts bewusst verzichtet und sich privatrechtlicher Handlungsformen bedient. Was macht es für einen Sinn, wenn man das tut, was Sie immer wieder fordern, und dann aber nicht gleiche Wettbewerbsbedingungen schafft?

Mit der eindeutigen Regelung zur Informationsgewährung bei öffentlich-rechtlichem Verwaltungshandeln wird zur Wahrung der behördlichen Transparenz eine umfassende Informationsverpflichtung als Ausgleich für die Sonderrechte, die der öffentlichen Verwaltung bei der Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben eingeräumt werden, normiert. Das ist sinnvoll, das ist ausreichend.

Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz erfährt eine Stärkung als Schiedsrichter im Konflikt zwischen Bürgern und Verwaltung. Zukünftig kann der Datenschützer auch bei Streitigkeiten über die Verweigerung von Umweltinformationen als Ombudsmann eingeschaltet werden.

Abschließend darf ich darauf hinweisen, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren wegen nicht rechtzeitiger Umsetzung der EG-Umweltinformationsrichtlinie auf Länderebene eingeleitet hat. Das heißt, wir haben erheblichen Bedarf für baldige gesetzliche Regelungen. Insofern will ich denjenigen, die das jetzt in den Ausschüssen beraten, gern die Unterstützung meines Hauses und die des Kollegen von Boetticher anbieten. Insgesamt ist das sachgerecht, das ist vernünftig, geht nicht zu weit; es ist auch schnell genug und setzt das um, was ich, als die Kollegin Spoorendonk hier geredet hat, angekündigt habe.

(Beifall bei der SPD und des Abgeordneten Axel Bernstein [CDU])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich wollte den Innenminister nicht unterbrechen, bitte aber, Terminabsprachen etwas unauffälliger zu treffen. - Ich erteile nunmehr für die Fraktion der CDU Herrn Abgeordneten Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein Jahr große Koalition in Schleswig-Holstein, ein Jahr erfolgreiche große Koalition in Schleswig-Holstein

(Lachen bei der FDP)

hat in vielfacher Weise Anlass zur kritischen Würdigung, aber auch zum Feiern geboten. Ich möchte diesen Tagesordnungspunkt nutzen, um auch meinen Beitrag zu einer versöhnlichen Stimmung zu leisten, und freue mich, dass ich als Abgeordneter aus dem Kreis Segeberg an dieser Stelle den Innenminister ausdrücklich loben kann.

Uns liegt der Entwurf eines Informationsfreiheitsgesetzes der Landesregierung vor, der in einer schlanken und möglichst unbürokratischen Art und Weise die Umweltinformation im Lande regelt. Im Januar 2003 hat die Europäische Union ihre Richtlinie über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen neu gefasst und die Umsetzung in nationales Recht binnen zwei Jahren gefordert. Der Bund hat sein Umweltinformationsgesetz im Dezember 2004 neu geregelt und die Umsetzung somit gewährleistet. Allerdings hat er - anders als im alten Umweltinformationsgesetz - den Tätigkeitsbereich der Länder nicht mit geregelt und somit wurde eine Umsetzung in Landesrecht erforderlich.

Der erste Anlauf dazu wurde bereits in der vergangenen Wahlperiode unternommen. Der damalige Gesetzentwurf fiel jedoch - was terminlich damals auch nicht anders zu erwarten war - der Diskontinuität zum Opfer und das war auch gut so.

Die große Koalition hat sich ausdrücklich auf die Eins-zu-eins-Umsetzung von europäischen Vorgaben verständigt. Einen schleswig-holsteinischen Sonderweg, der den Umweltinformationsbegriff über das von Brüssel geforderte Maß hinaus ausdehnt, gibt es nicht mehr. Der heutige Gesetzentwurf der Landesregierung kommt somit zahlreichen Anregungen nach, die bereits in der Anhörung zum alten Entwurf gegeben worden sind.

Die CDU-Fraktion begrüßt, dass mit diesem Entwurf ein Beitrag zur Deregulierung geleistet und die Normierung ähnlicher Sachverhalte in einem Gesetz ermöglicht wird. Besonders zu loben ist,

(Minister Dr. Ralf Stegner)

dass die Umsetzung dieses Gesetzes im Rahmen der im Haushalt heute zur Verfügung stehenden Mittel geleistet werden soll. Mit nennenswertem Mehraufwand für die Verwaltung wird nicht gerechnet. Der Aufwand für allgemeine Verwaltungsinformationen soll sich sogar verringern. Mir wäre an dieser Stelle fast das nächste Lob für den Innenminister herausgerutscht. Das hebe ich mir aber auf, bis Sie die Verringerung des Aufwandes beziffert haben; Gelegenheit dazu wird sich sicherlich bieten.

Ausdrücklich unterstützt die CDU-Fraktion die angestrebte noch stärkere Nutzung des Zugangs zu elektronischen Daten. Das kann nicht nur die Verwaltung weiter entlasten; für immer mehr Bürger, die ganz selbstverständlich moderne Medien nutzen, ist das ein wichtiger Beitrag zur Kundenfreundlichkeit.

Auf die kritischen Anmerkungen des ULD möchte ich mit Hinweis auf die Eins-zu-eins-Umsetzung europäischen Rechts nicht im Detail eingehen. Bemerkenswert ist hingegen, dass die FDP nicht nur zunehmend Schwierigkeiten mit Privatisierungen, sondern anscheinend auch Schwierigkeiten mit der Deregulierung bekommt. Dass ausgerechnet die FDP fordert, der Landesgesetzgeber müsse Privaten mehr Informationspflichten aufbürden, als es Europa von uns fordert, ist bemerkenswert, an dieser Stelle aber immerhin ein kontinuierlicher Widerspruch.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

Wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass alle verfügbaren Umweltinformationen so, wie es die EU fordert, zugänglich sind. Eine Ausdehnung der allgemeinen Informationsrechte wird nicht gefordert und ist nicht sinnvoll. Dabei geht es nicht nur um den möglichen Mehraufwand.

Eine privatrechtliche Tätigkeit erster und zweiter Klasse soll es nicht geben. Die künftige Tiefe der weiter gewünschten Einflussnahme sollen sich Politik oder Selbstverwaltung vorher überlegen.

Für die CDU-Fraktion kann ich feststellen: Dieser Gesetzentwurf ist eine schlanke Umsetzung der europäischen Anforderung und findet grundsätzlich unsere Zustimmung. Über Verbesserungen im Detail können wir im Ausschuss beraten, insbesondere wenn sie noch weitergehende Vorschläge zu Deregulierung und Entbürokratisierung sind.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich Herrn Abgeordneten Thomas Rother das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der Vorlage des SSW-Gesetzentwurfs haben wir nun einen Gesetzentwurf der Landesregierung für ein neues Informationsfreiheitsgesetz auf dem Tisch, der den Zugang zu Umweltinformationen und zu allgemeinen Informationen der öffentlichen Verwaltungen in SchleswigHolstein neu regelt. Der Ansatz zur Veränderung des Gesetzes und zur Zusammenfassung beider Regelungen wird von meiner Fraktion unterstützt.

Die öffentliche Diskussion über den Referentenentwurf des Gesetzes erinnert in der Art und Weise an die Auseinandersetzung um das Polizeirecht im Landesverwaltungsgesetz. Daher möchte ich vor allem die in dieser Diskussion umstrittenen Punkte aufgreifen und dazu klar Stellung beziehen.

Erstens zum Anwendungsbereich des Gesetzes: Es ist strittig, inwieweit fiskalisches Handeln, also das Handeln des Staates in seiner Rolle als Wirtschaftssubjekt und nicht als Träger hoheitlicher Aufgaben, dem Geltungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes unterliegt. Der vorliegende Gesetzentwurf der Landesregierung verneint dies ausdrücklich.

Die EU-Unweltinformationsrichtlinie hingegen fordert ganz eindeutig den Zugang zu Umweltinformationen nicht nur bei öffentlich-rechtlicher Verwaltungstätigkeit, sondern auch bei privatrechtlichem Handeln von Behörden oder privaten Trägern öffentlicher Aufgaben.

(Beifall beim SSW)

Das führt im Gesetz leider Gottes zu einer gewissen Parallelität und Nichteinheitlichkeit der Vorschriften für Umweltdaten und sonstige Informationen.

(Beifall beim SSW)

Das Verwaltungsgericht Schleswig vertritt auf der Grundlage des bestehenden IFG in einer Entscheidung aus dem Jahr 2004 die Auffassung, dass auch fiskalische Geschäfte und damit auch privatrechtliches Handeln von Behörden der Informationsfreiheit unterliegen.

(Beifall beim SSW)

Das Offenbarungsinteresse der Allgemeinheit habe ein höheres Gewicht als die Betroffenheit der Geschäftsgeheimnisse, heißt es dort.

(Axel Bernstein)

Das IFG des Bundes hingegen sieht dagegen keinen Anspruch auf Informationsgewährung vor, sofern fiskalische Interessen beeinträchtigt werden können.

Es gibt also sehr unterschiedliche Auffassungen. Daher ist im weiteren Ausschussberatungsverfahren sorgfältig zu prüfen, ob wir einen Wettbewerbsnachteil - da hat Ralf Stegner Recht - durch die Informationspflicht für die öffentliche Hand bei privatrechtlichem Handeln in der Konkurrenz mit „richtigen“ Privaten in Kauf nehmen wollen oder nicht, wofür vieles spricht. Denn erst die öffentliche Hand in andere Rechtsformen zu „treiben“, um mehr Einnahmen zu erzielen, und dann diese Vorteile auf der anderen Seite wieder einzukassieren, das passt einfach nicht zusammen.

Zweitens zur Auskunftspflicht von Privaten: Das Unabhängige Landeszentrum für den Datenschutz sieht hier in einer ersten Stellungnahme eine Abschaffung der bisherigen Auskunftspflicht von Privaten, die öffentliche Aufgaben ganz oder teilweise wahrnehmen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich lese das aus dem Text so nicht heraus. Es bleibt zu klären, ob privatrechtliche Organisationsformen der öffentlichen Hand dazu führen würden, dass diese sich der Informationspflicht entziehen, was ich nicht für richtig halte. Eventuell ist hier tatsächlich eine klarere Formulierung erforderlich.

(Beifall beim SSW)

Drittens: Die Handhabbarkeit des Gesetzes. Die Neuregelungen im verfahrensrechtlichen Teil des Gesetzes sind im Vergleich zum bisher geltenden IFG tatsächlich übersichtlicher. Es entsteht aber an einigen Punkten leider der Eindruck, dass das Gesetz eher am leichteren Behördenvollzug als an den Interessen der Informationssuchenden orientiert ist. Das bezieht sich zum Beispiel auf manche Fristen oder die Vermeidung von erhöhtem Verwaltungsaufwand, wenn die Informationen auch anders zugänglich sind. Die Stichworte Service und Kundenorientierung sollten vielleicht eine gewichtigere Rolle spielen.