Erstens. Das Schienennetz darf nicht auf die profitablen Strecken zwischen den Metropolen konzentriert und in der Fläche zurückgebaut werden. Die Sorge besteht bei einem Teil derer, die bestimmte Positionen vertreten, dass man sagt, hinterher gebe
Zweitens. Das Land darf nicht mehr als heute zur Finanzierung von Neubau- und Sanierungsmaßnahmen herangezogen werden.
Ich halte eine endgültige Festlegung, wie sie der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vorsieht, für verfrüht, da der Diskussionsprozess noch andauert und viele Parameter noch nicht feststehen. Ich weiß, dass sich die Regierungsfraktionen im Koalitionsvertrag für eine Trennung ausgesprochen haben, aber diese Zielsetzung basiert auf unserem Kenntnisstand vom April 2005. Ich bin im Zweifel immer dafür, dass sich politischer Wille den Gesetzen der Vernunft beugt und nicht umgekehrt. Das bedeutet, dass man über diese Frage noch einmal im Zusammenhang mit der Berücksichtigung dessen redet, was jetzt zur Begutachtung vorliegt. Lassen Sie uns nichts überstürzen, lassen Sie uns die Erkenntnisse aus dem neuen Gutachten von Booz Allen Hamilton ohne ideologische Scheuklappen weiter diskutieren.
Ich danke Herrn Minister Dietrich Austermann. Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort für die antragstellende Fraktion dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister, vielen Dank für Ihren Bericht. Zumindest einem Ihrer letzten Sätze kann ich voll und ganz zustimmen. Auch ich würde mir wünschen, dass sich die politische Willensbildung der Vernunft unterordnet. Nur, nach dem, wie Sie Ihre Ausführungen angeordnet haben, befürchte ich, dass wir eine unterschiedliche Interpretation von Vernunft haben an dieser Stelle. Nichtsdestotrotz ist es richtig: Der geplante Börsengang der Deutschen Bahn AG steht ganz oben auf der verkehrspolitischen Agenda, zumal es eine entscheidende Weichenstellung sein wird, die man auch nicht wieder rückgängig machen kann. Wenn man erst einmal eine Entscheidung - wahrscheinlich im Herbst - im Bundestag und Bundesrat getroffen hat, dann wird die über zukünftige Generationen hinweg bestim
men, wie erfolgreich der schienengebundene Verkehr in Deutschland und somit auch in SchleswigHolstein sein kann. Dabei ist die Bezeichnung durch den Vorsitzenden der Deutschen Bank AG als „integrierter Börsengang“ vermeintlich klug gewählt. Sie klingt positiv, so ähnlich wie Ganztagsschulen. Davon darf man sich in der Diskussion nicht täuschen lassen.
Herr Mehdorn geht bei der Weichenstellung, wozu Herr Austermann eine sehr klare Meinung hat - zumindest bei der Antrittsvorstellung im Wirtschaftsausschuss hat sich unser Verkehrsminister schon einmal deutlicher dazu geäußert, als jetzt in seiner Rede -, davon aus, dass auf jedem Fall das Schienennetz bei der DB verbleiben soll. Meine Fraktion ist der Auffassung - unterstützt von vielen verkehrswissenschaftlichen Experten -, dass wir eher das Modell einer Trennung verfolgen, wobei es richtig ist, dass das neue Gutachten von Booz Allen Hamilton eine Reihe von weiteren Varianten aufmacht, die alle ungefähr entlang eines Trennungsmodells gehen und in der Tat verschiedene Vorund Nachteile haben, die sehr sorgfältig miteinander diskutiert werden müssen. Auch hier ist es nach meinen Informationen so, dass es im Bundesverkehrsausschuss eine offene Diskussion gibt, ohne dass man jetzt schon mit einem Präjudiz in diese Frage, die keine unwichtige Teilfrage ist, hineingeht.
Das neue Gutachten lese ich etwas anders, als es der Minister gerade dargestellt hat, weil es sagt, alle Modelle seien kapitalmarktfähig. Das ist gar keine Frage. Auch dieses wurde von Herrn Mehdorn lange Zeit bestritten. Da ist man ein Stück weiter. Sehr wohl ist es so, dass die verschiedenen Modelle für die Frage des Wettbewerbs und wie weit wir Verkehr auf die Schiene verlagern, unterschiedliche Auswirkungen haben. Darum haben wir auch keine Scheu, hier eine klare Auffassung zu vertreten. Aus meiner Sicht sind die verschiedenen Modelle der Trennungsvariante der des integrierten Börsengangs eindeutig vorzuziehen.
Vergangene Woche hat die Beratung des erwähnten Gutachtens im Bundesverkehrsausschuss eine Reihe von hektischen Diskussionen ausgelöst. Was war geschehen? Es ist noch strittig, wer genau geschwärzt hat, aber eine Seite des Gutachtens wurde den Abgeordneten geschwärzt übergeben. Sie wurde dann, wie das so passiert, einer Fraktion ungeschwärzt zugespielt. Da dies bereits öffentlich zitiert worden ist, will ich dies noch einmal deutlich machen. Auf Seite 203 wurde in dem Gutachten „Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz“ ausgeführt:
„Den größten Anteil am Effekt investiver Fehlallokation hat nach Einschätzung der Deutschen Bahn AG eine Verlangsamung beziehungsweise Verminderung der Stilllegung unwirtschaftlicher Teile des Schienennetzes nach einer Trennung. Eine eher staatsnahe Infrastrukturgesellschaft wäre nicht in der Lage, Rationalisierung des Netzes in dem Ausmaß und in der Geschwindigkeit nachzuvollziehen, wie das ein privatisierter, integrierter Konzern wahrnehmen könnte.“
Herr Minister, ich bin sicher, auch Sie kennen diese Ausführungen, und ich wäre dankbar, wenn Sie mir Ihr Ohr leihen würden. Es handelt sich hier nicht um eine rein theoretisch-ordnungspolitische Frage. Vielmehr ist das, wenn es hier schon einen erklärten Willen der Deutschen Bahn AG gibt, unter bestimmten Bedingungen weitere Strecken stillzulegen, etwas, was ganz elementar die Lebenswirklichkeit und die verkehrspolitischen Wahlmöglichkeiten der Menschen auch in Schleswig-Holstein betreffen würde. Ich glaube, das ist genau der Weg, wo wir fraktionsübergreifend zu dem Ergebnis kommen werden: Das können wir nicht wollen. Wir wollen ein Mehr an schienengebundenem Verkehr und nicht ein Weniger.
Wir würden gern im Wirtschaftsausschuss darüber beraten, inwieweit die DB Netz seit 2001 die insgesamt ungefähr 2,1 Milliarden € Bundesmittel nicht verbauen konnte und inwieweit Projekte in Schleswig-Holstein davon betroffen waren.
Letztlich bleibt aber die Kernfrage: Für welches Modell entscheidet sich die schleswig-holsteinische Landesregierung? Sie wird ja über den Bundesrat an der Willensbildung mitwirken.
Entscheidend ist allerdings auch die Frage: Wie kommen wir dazu, dass es eine mögliche Trennung weiteren Wettbewerbern ermöglichen oder erleichtern würde, mit Problemen fertig zu werden? Wenn es eine integrierte Version wäre, müsste gefragt werden, ob Wettbewerber nach wie vor mit Problemen zu kämpfen haben. Ich erinnere an die letzte Sitzung des Wirtschaftsausschusses, wo uns Herr Wewers im Zusammenhang mit den unbestreitbaren Problemen bei der NOB ein farbiges Organigramm vorgelegt hat, aus dem erkennbar war, dass zumindest in den letzten Wochen ein Großteil der Probleme nicht mehr die NOB betrafen, sondern die DB Netz. Ich finde, auch dies muss man in aller Ruhe und Sachlichkeit dabei berücksichtigen.
Wir wären dankbar, wenn der Wirtschaftsminister heute erklären könnte, dass er die Antworten auf die Fragen, die er jetzt nicht geben konnte - dafür
habe ich Verständnis -, dem Wirtschaftsausschuss in schriftlicher Form vorlegen würde, sodass wir in aller Ruhe, wenn es dem Sommer entgegengeht, darüber beraten können. Deshalb sollten wir den zweiten Teil des Antrages an den Wirtschaftsausschuss überweisen. Das beantrage ich hiermit. Vielleicht können wir dann dem Landtag einen in Ruhe erarbeiteten gemeinsamen Antrag im Herbst vorlegen.
Ich danke dem Herrn Abgeordneten Klaus Müller. Ich erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Hans-Jörn Arp das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Klaus Müller, ich sage vorweg: Ihrem Antrag stimmen wir zu. Nach den Sommerferien werden wir in Ruhe und Sachlichkeit darüber diskutieren.
Es gibt einen Grund, weshalb wir auch heute darüber diskutieren. In Art. 87 e des Grundgesetzes ist die Verwaltung der Eisenbahnen des Bundes geregelt. Absatz 5 sieht die Zustimmung des Bundesrates zu Gesetzen vor, „die die Auflösung, die Verschmelzung und die Aufspaltung von Eisenbahnunternehmen des Bundes … regeln“. Insofern ist es richtig, dass wir in diesem hohen Haus darüber diskutieren. Allerdings, lieber Klaus Müller, halte ich den Zeitpunkt, jetzt darüber zu diskutieren, für falsch. Denn er liegt viel zu früh. Um eine vernünftige parlamentarische Beratung durchzuführen, müssen wir weitere Informationen erhalten. Ich halte den Zeitpunkt deshalb für eindeutig zu früh, weil eine dezidierte Entscheidung auf Bundesebene bisher noch nicht getroffen wurde.
Mich wundert es aber nicht, dass die Grünen diesen Antrag eingebracht haben. Ihnen geht es - glaube ich - weniger um die Sache als darum, die Deutsche Bahn, die immer im hundertprozentigen Besitz der Bundesrepublik Deutschland war, zu zerschlagen. Ihnen geht es darum, Herrn Mehdorn in seine Schranken zu verweisen. Das, meine Damen und Herren, machen wir so nicht mit. Wir müssen in Ruhe über das Ergebnis des Hamilton-Gutachtens diskutieren, das Für und Wider der untersuchten Modelle abwägen und aus schleswig-holsteinischer Sicht bewerten. Dafür ist es allerdings notwendig, dass uns Parlamentariern, die letztlich die Entscheidung treffen müssen, alle erforderlichen Informationen bereitgestellt werden.
Ich halte es für einen Skandal - das sage ich deutlich -, was letzte Woche im Verkehrsausschuss des Deutschen Bundestages gelaufen ist. Nur gut und richtig informierte Abgeordnete können eine sachlich korrekte und ökonomisch sinnvolle Entscheidung treffen, die frei jeglicher Ideologie ist.
Wir werden uns zum richtigen Zeitpunkt - also nicht heute - im Wesentlichen zwischen zwei Modellen entscheiden müssen. Entweder wird der Börsengang der Bahn mit dem Schienennetz stattfinden - das wäre der integrierte Konzern -, oder es findet eine Trennung von Netz und Betrieb statt, wie es der Antrag der Grünen verlangt. Beide Modelle sind, wie das Gutachten zeigt, kapitalmarktfähig, sodass die Voraussetzungen für einen Börsengang gegeben wären.
Je nach Modell kann der Bundesfinanzminister mit unterschiedlichen Privatisierungserlösen rechnen. Im Idealfall wären es 23,3 Milliarden €, sofern man sich für einen integrierten Börsengang entscheidet. Trennt man dagegen den Betrieb vom Netz und privatisiert nur die Betriebsgesellschaft, sind es im schlechtesten Fall nur 10,3 Milliarden €.
Bei dieser Spanne zeigt sich, vor welcher Entscheidung wir stehen. Allerdings relativieren sich die Privatisierungserlöse im Vergleich zu den Haushaltsmitteln, die in den vergangenen zehn Jahren sie haben immerhin 200 Millionen € betragen - der Steuerzahler in dieses Netz gesteckt hat.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ist der Privatisierungserlös geradezu bescheiden. Trotzdem müssen wir uns die Frage stellen, welchen Privatisierungsweg wir wählen sollten. In der Kurzfassung des Gutachtens heißt es dazu auf Seite 5:
„Alle Strukturmodelle weisen in den einzelnen Bewertungsdimensionen Vorzüge gegenüber ihren Alternativen aus. Diese sind jedoch insgesamt noch dominierend. Dadurch wird insbesondere die Abwägung der Vorteile im Bereich des Wettbewerbs, die durch alternative Strukturmodelle regeneriert werden, mit den Nachteilen, wie sie durch die Trennung bei der möglichen Haushaltsentlastung entstehen, erforderlich.“
Wir müssen uns also politisch zwischen möglichst viel Wettbewerb auf der einen Seite und der Höhe der Privatisierungserlöse auf der anderen Seite entscheiden.
Holstein haben wir mit viel Geld Eisenbahnstrecken reaktiviert. Ich erinnere nur an die Strecke zwischen Neumünster und Bad Oldesloe.
Zweitens. Es darf keine Einschränkung des Wettbewerbs geben. Es war schon immer Politik der CDU, möglichst viel Wettbewerb zuzulassen. Dabei müssen aber Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen den Marktteilnehmern durch die Politik geschaffen werden.
Drittens. Der Bund darf sich seiner Verantwortung für das Streckennetz nicht entziehen. Das Land kann und will nicht einen größeren Beitrag zur Finanzierung des Streckennetzes leisten.
Viertens. Zwar haben wir als Landtagsabgeordnete auf diesen vierten Punkt nur wenig Einfluss, aber ich möchte mich dennoch dafür einsetzen, Kollege Ritzek, dass es uns gelingt, in Europa einheitliche Wettbewerbsbedingungen auf der Schiene zu schaffen. Es darf nicht sein, dass sich ausländische Unternehmen auf dem deutschen Markt die Filetstücke aussuchen, während die Deutsche Bahn keine Chance hat, diese Unternehmen auf ihren Heimatmärkten anzugreifen.
Bevor die Entscheidung über das Modell des Börsengangs fallen wird, müssen wir Antworten auf die genannten vier Fragen gefunden haben. Diese Dinge werden wir nach der Sommerpause, Herr Kollege Müller, ganz ideologiefrei im Wirtschaftsausschuss diskutieren, wie wir das auch bei anderen wichtigen Themen gemacht haben.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass ich die zeitliche Überziehung des Herrn Arp wieder gutmachen kann.
trieb vereinbart. Bevor es so weit ist, stehen noch viele Fragen zur Beantwortung an. Herr Austermann hat das eben schon angesprochen. Der Börsengang der Deutschen Bahn AG wird kommen. Es ist nur die Frage, wann und in welcher Form das sein wird. Es wird entweder einen integrierten Börsengang geben, bei dem das Unternehmen in Gänze erhalten bleibt, oder es wird nur die Transportgesellschaft, also ohne Schienennetz, endgültig privatisiert.
Die Deutsche Bahn AG entwickelt sich immer weiter zu einem Logistikunternehmen. Auf Straße, Schiene und Wasserweg ist die DB AG aufgestellt, entweder selbst oder durch Tochterunternehmen.