Protocol of the Session on January 27, 2006

Ich möchte eines besonders hervorheben: Der Kinder- und Jugend-Aktionsplan ist ein integrativer, also ressortübergreifender Politikansatz, der für Kinder und Jugendliche in Schleswig-Holstein entwickelt worden ist. Ich halte das für einen richtigen und notwendigen Weg, um den Anforderungen und Wünschen von Kindern, Jugendlichen und auch Familien zu begegnen. Wir brauchen hier eine vernetzte Politik über alle Ressorts; ich sehe im Moment zwar nur die Jugendministerin, richte dies aber auch an die abwesenden Kollegen im Kabinett.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr. Hei- ner Garg [FDP])

Aus Sicht der SPD-Fraktion möchte ich klarstellen: Mit dem Aktionsplan ist die Arbeit nicht getan; ich gehe jetzt auf das ein, was Frau Heinold vorhin angeführt hat. Sie fängt erst an. Der Plan zeigt nur einige der Instrumente, die nützlich sein können. Weitere Instrumente werden sich erst im Verfahren und in der Beurteilung des Vorgehens herausstellen

und finden lassen. Der Plan ist nicht starr, sondern bewusst so flexibel angelegt. Das umfasst sowohl die Instrumente als auch die Maßnahmen.

Mit dieser Plenarbefassung verabschieden wir nicht den Aktionsplan und können ihn dann in die Hände des Ministeriums oder zu den Akten legen, sondern wir sind alle aufgefordert, unsere politischen Ziele weiter einzubringen und die Umsetzung zu begleiten. Jedem hier im Hause muss klar sein, dass wir das nicht zum Nulltarif bekommen werden.

(Beifall beim SSW)

Die Befassung mit Kindern und Jugendlichen ist nicht vorrangig Zukunftspolitik, sondern handfeste Gegenwartspolitik.

Wir beantragen die Ausschussüberweisung an alle Ausschüsse, weil das Thema ressortübergreifend ist. Federführend soll der Sozialausschuss sein. Zum Antrag der Grünen kann ich mich den Worten von Herrn Herbst anschließen. Ich verschweige aber auch nicht, dass dies ein ureigenes sozialdemokratisches Thema ist. Dieses Thema werden wir niemals wieder weggeben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die FDP-Fraktion hat Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst ist es die Rede des Kollegen Herbst wert, hier mit einigen Anmerkungen bedacht zu werden. Liebe Kollegin Redmann, ich schlage zunächst vor, dass sich die jüngeren Abgeordneten des Parlaments nicht bei einem Kaffee, sondern bei einem Schokoladenpudding treffen, um diese Rede noch einmal Revue passieren zu lassen.

(Zurufe)

- Das mögen Sie nicht verstehen. Es reicht, wenn die Kolleginnen Herdejürgen und Redmann dies verstehen. Herr Kollege Herbst, ich möchte Ihnen ausdrücklich beipflichten. Kinder- und Jugendpolitik ist nicht nur Problempolitik, sondern sie sollte von uns allen auch mit Spaß und Freude betrieben werden und sich auf alle Felder und nicht nur auf die Problemfelder ausdehnen. Ihre Anmerkungen waren zwar rhetorisch brillant und witzig, aber sie gingen - so fand ich -in der Sache eine Spur vorbei.

Der Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kam nicht von ungefähr. In der vergangenen Woche musste der Eindruck entstehen, dass die Landesre

gierung möglicherweise etwas an den Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen ändern wollte. Ich habe mich bei der zuständigen Ministerin dafür bedankt, dass sie sich gestern ganz klar entschieden und öffentlich dazu geäußert hat, dass das nicht der Fall sein wird. Es musste aber der Eindruck entstehen. Insofern denke ich, es ist für eine Opposition ganz klar legitim zu sagen: Bis hier hin und nicht weiter, jedenfalls nicht mit uns.

(Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Der von der Landesregierung vorgelegte Kinderund Jugend-Aktionsplan bestätigt uns darin, dass eine Rahmenplanung das richtige Instrument dafür ist, politische Ziele nicht nur zu planen, sondern sie auch in einem festgesetzten Zeitrahmen erreichen zu wollen, sie umzusetzen und sie auch offen zu halten. Frau Ministerin, ich denke, in allen Bereichen, die wir als politische Querschnittsaufgabe definieren, ist solch ein Rahmenplan notwendig. Wir glauben, dass der Kinder- und Jugendaktionsplan die Möglichkeit bietet, die in den sechs definierten Handlungsfeldern gesteckten Ziele durch entsprechende Initiativen, Projekte und Vorhaben auszufüllen. Die auf die Handlungsfelder abgestimmten Leitprojekte können dabei die Zielrichtung vorgeben. Die Kolleginnen und Kollegen haben es vorher bereits gesagt und ich finde es richtig: Das ist kein abgeschlossener Rahmen, sondern er ist erweiterbar und man kann aktuell auf ihn reagieren.

Ich freue mich besonders darüber, dass mit diesem vorgelegten Kinder- und Jugendaktionsplan allen beteiligten Akteuren ein Stück Planungs- und Rechtssicherheit gegeben wird. Das ist gerade in der heutigen Zeit nicht nur, aber auch unter finanzieller Hinsicht sehr wichtig. Wenn wir verlässliche und tragfähige Kooperationsstrukturen und die Bündelung vorhandener Ressourcen wollen, dann darf man sich nicht auf einzelne Modellprojekte beschränken. Auch das tun Sie mit Ihrem Aktionsplan ausdrücklich nicht.

Einzig eine Anmerkung, die keine Kritik sein soll, möchte ich machen. Das soll eine Anregung sein. In der letzten Legislaturperiode hat die Landesregierung zur Situation von Kindern und Jugendlichen hier in Schleswig-Holstein bereits etliche Berichte vorgelegt. Darin wurden regelmäßig eine Fülle von regional abgestimmten Einzel- und Modellprojekten und landesweiten Initiativen vorgestellt und aufgelistet, wie zum Beispiel in den Berichten über die Zusammenarbeit von Schule und Jugendhilfe, zur Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, über die Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen und über die Angebote der Prä

(Sandra Redmann)

vention bei Kindern und Jugendlichen. Dabei wurde immer hervorgehoben, dass ein niedrigschwelliges Angebot für Kinder, Jugendliche und Eltern zur Verfügung gestellt werden sollte.

Ich würde mich freuen, wenn wir im Rahmen der Debatte nicht nur im Ausschuss, sondern auch im Rahmen der Weiterentwicklung erfahren, welche Erfahrungen aus eben diesen Projekten möglicherweise in den neuen Aktionsplan einfließen können. Welche Projekte können modifiziert oder mit veränderter Zielsetzung flächendeckend weiter fortgeführt werden? Ich nenne beispielsweise die Projekte „Be Smart - Don’t Start“ bei der Sucht- und Drogenprävention im Handlungsfeld „Gesund aufwachsen“. Welche Rolle spielen die Fördernetzwerke zur Integration benachteiligter Jugendlicher in der beruflichen Bildung, „FÖN“, beispielsweise im Handlungsfeld für ganzheitliche Bildung? Was fließt aus den Projekten „Planen mit Phantasie“ oder „Fit für Mitbestimmung“ in das Handlungsfeld Kinderrechte ein?

Inwieweit die sechs Säulen der im Kinder- und Jugendaktionsplan definierten Handlungsfelder tragfähig sind und die Lebensbedingungen von Familien mit Kindern und von Kindern und Jugendlichen verbessern, wird sich in der Praxis zeigen. Es liegt im Übrigen nicht zuletzt an uns, was wir als Parlament daraus machen. Wir glauben, dass der vorgelegte Plan ein guter Ansatz ist, die definierten Ziele zu erreichen. Diesen werden wir gern kritisch begleiten.

(Beifall bei FDP, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Garg. - Für den SSW hat Herr Abgeordneter Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch wir möchten uns dafür bedanken, dass der Bericht erstellt wurde. Augenscheinlich hat er wirklich deutlich gemacht, welche Handlungsziele sich die Landesregierung für diese Legislaturperiode vorgenommen hat. Kinder und Jugendliche sind in unserem Land in der Minderheit. Nach der Statistik aus dem Jahr 2001 ist nicht einmal jeder Fünfte in Schleswig-Holstein 18 Jahre und jünger. Als ausgewiesene Minderheitenpartei liegt dem SSW natürlich daran, diese Gruppe zu unterstützen. Der SSW macht sich für Kinder und Jugendliche stark, weil sie unsere Zukunft sind. Die Kollegin Redmann hat es gesagt: Zukunft ist das Wort, das

wir damit verbinden. Die Politik hat ein existenzielles Interesse daran, Kindern und Jugendlichen angemessene Chancen zu ermöglichen. Viele Kinder und Jugendliche leben in einem stabilen sozialen Umfeld und führen ein behütetes Leben. Gerade auf dem Land können Kinder und Jugendliche gemeinsam die Welt entdecken. Andere Kinder erleben bereits kurz nach der Geburt Ablehnung und Isolation. Ihre Eltern sind überfordert und bedürfen dringend professioneller Unterstützung.

Immer mehr Kinder wachsen in materieller Armut auf, die sie sehr früh aus der Gesellschaft ausgrenzt. Ungefähr jedes sechste Kind unter 15 Jahren lebt in Schleswig-Holstein von staatlichen Unterstützungsmaßnahmen. Der Landesjugendring und der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein haben vor diesem Hintergrund die Idee eines eigenen Kinderund Jugendplans entwickelt. Die Landesregierung hat diese Idee nun aufgegriffen. Die Sozialministerin hat diesen Plan bei der Auftaktveranstaltung zum Kinder- und Jugendaktionsplan am 29. Juni 2005 zu einem der wichtigsten Regierungsvorhaben für die 16. Legislaturperiode erklärt. Das werden die anwesenden Verbandsvertreter gern gehört haben, doch noch fehlen die entsprechenden Maßnahmen.

Der SSW ist davon überzeugt, dass die alten Instrumente der Jugendpolitik angesichts des sozialen Wandels nichts mehr taugen. Immer mehr Kinder ziehen sich von den klassischen Jugendverbänden zurück und wollen nichts mit Jugendfeuerwehr, Sportverein oder Jugendzentrum zu tun haben. Hier ist wirklich Einfallsreichtum gefragt. Meiner Ansicht nach sind auch unbedingt finanzielle Mittel gefragt. Es sind Mittel gefragt, die nicht nur kurzfristig und für eine kurze Zeit gewährt werden, sondern Mittel, die nachhaltig eingesetzt werden. Modellprojekte dienen, wie ihr Name sagt, als Modell für eine flächendeckende Maßnahme oder ein flächendeckendes Angebot. Man darf sie also nicht mit dem Regelprojekt verwechseln, das ihnen folgen soll. Die Landesregierung begeht an manchen Stellen des Kinder- und Jugendplans aber genau diesen Fehler.

Ich möchte hier ein Beispiel herausgreifen, über das wir gestern schon geredet haben. Das Flensburger Projekt „Schutzengel“ steht jungen Müttern bei der Erziehung tatkräftig zur Seite. Es geht dabei mehr als nur um ein Netzwerk und um eine Begegnungsstätte. Es geht darum, für die Mütter auch außerhalb von Büroöffnungszeiten und Sprechstunden da zu sein. Die Europäische Kommission hat das Projekt ausgezeichnet und vor Ort besucht. Die Sozialministerin lobte es seinerzeit als Juwel. Es ist

(Dr. Heiner Garg)

aber ein Juwel, das beim Betreuungspersonal kaum Kontinuität realisieren kann. Wegen offener Finanzierungsfragen können mit den Betreuerinnen immer nur kurzfristige Verträge abgeschlossen werden; so sieht die Realität in Flensburg derzeit aus. Die Landesregierung will das „Schutzengel“-Projekt auf ganz Schleswig-Holstein ausweiten. Der Aktionsplan kündigt an, dass im Herbst Fragen der Finanzierung erörtert werden. Der SSW fordert die notwendige Aufstellung eines realistischen Kostenplans, der selbstverständlich auch die Einstellung professioneller Unterstützer beinhaltet. Die Ankündigung einer Erörterung über die Finanzierung ist erst einmal noch zu wenig.

Ich habe dieses Beispiel vertieft, weil es symptomatisch für die gesamte Ausrichtung des Planes ist. Die Aufforderung der Ministerin lautet: Setzt euch zusammen, dann wird es schon werden! Schaut euch die guten Beispiele im Land an und macht es genauso! - Das ist die Aufforderung zur Selbstausbeutung. Für die wenigen Profis und die vielen Ehrenamtler, die im Bereich der Kinder- und Jugendpolitik tätig sind, ist das aber der falsche Weg. Zwei Leuten fällt doppelt so viel ein wie einem allein, das stimmt schon, darum begrüßt der SSW ausdrücklich die Bündelung von Aktivitäten und Kooperationen, aber allein damit ist es nicht getan, auch wenn das schön bequem und billig für die Politik ist. Aufsuchende Hilfe kostet Geld. Wer es ernst damit meint, der nachfolgenden Generation angemessene Lebenschancen zu eröffnen, muss sagen, was die Politik zu tun bereit ist. Investitionen in Kinder- und Jugendpolitik sind genauso viel wert wie Millionen, die wir in ein Infrastrukturprojekt investieren.

Ich möchte noch ein Beispiel anführen. Unter Punkt 2.5.1., ,,Armutsrisiken vermeiden“, führt die Landesregierung nicht eine einzige konkrete Maßnahme zur Vermeidung von Armut an. Stattdessen Konferenzen, Unterstützung und Konzepte, die erarbeitet werden. Ich weiß, wie schwer in diesen Zeiten die Mobilisierung von Haushaltsmitteln ist, aber als Abgeordneter erwarte ich von einem Plan der Landesregierung konkrete Zahlen und Maßnahmen. Das ist schließlich keine Broschüre, sondern eine Festlegung des jugendpolitischen Weges, den sich diese große Koalition vorgenommen hat - nicht nur die Ministerin allein, sondern die ganze Truppe.

(Holger Astrup [SPD]: Falsch verstanden, Herr Kollege! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Ich glaube nicht, dass ich das falsch verstanden habe. Das ist eure Politik, die ihr hier durchführen wollt, und die darf nicht bei Konferenzen stehen

bleiben, sondern ihr müsst dann auch Haushaltsmittel bereitstellen.

In der Zusammenfassung des Planes ab Seite 58 steht es auch klipp und klar: Die Landesregierung versteht ihre Rolle in der Kinder- und Jugendpolitik vor allem darin, Ansprechpartner zu benennen und Kooperationsstrukturen zu fördern. Das ist zu wenig, um wirklich etwas an der Lebenssituation von Kindern und Jugendlichen zu ändern. Hier muss nachgearbeitet werden.

Ich darf an die Redezeit erinnern, Herr Harms.

Zu guter Letzt auch noch vom SSW ein Wort zu der Überlegung der Landesregierung bezüglich Bürokratieabbau und § 47 f Gemeindeordnung. Es ist eindeutig der falsche Schritt in die falsche Richtung. Er sendet ein verheerendes Signal in Sachen Kinderfreundlichkeit, und das in einem Bereich, wo Schleswig-Holstein einmal die Vorreiterrolle hatte.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht alles, was Geld kostet, ist gleich Bürokratie. Das sollten sich die so genannten Experten, die diesen Vorschlag gemacht haben, sich hinter die Ohren schreiben.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der SSW fordert daher alle in diesem Hause auf, diesen Vorschlag des Bürokratieabbau-Staatssekretärs nicht zu übernehmen.

Damit ansonsten nicht ein falscher Zungenschlag entsteht: Wir sehen den Plan sehr, sehr positiv. Wir finden es auch in Ordnung, dass Ziele festgelegt werden. Wir wollen nur anmahnen, das mit diesen Zielen irgendwann Finanzmittel zu verbinden sind. Da müssen wir Sozialpolitiker uns dann auch einig sein. Die müssen zur Verfügung gestellt werden nach genau den gleichen Berechnungen wie Wirtschaftsförderung und andere Geschichten.

(Beifall beim SSW)

Für einen Kurzbeitrag hat die Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abgeordnete Anne Lütkes, das Wort.

(Lars Harms)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mein lieber junger Kollege Herbst, Herr Staatssekretär Schlie hat im Innen- und Rechtsausschuss Gelegenheit gehabt, den Plan zur Entbürokratisierung vorzulegen. Er hat die Gelegenheit versäumt, wohl nicht aus eigenem Verschulden, sondern verursacht durch das Kabinett. Insofern halten wir die große Koalition und ihre Vertreter all überall im Land an dem fest, was gesagt worden ist. Ich war schlicht dabei, als Herr Schlie es als einen bedenkenswerten Vorschlag postuliert hat, § 47 f der Gemeindeordnung abzuschaffen mit der Begründung

(Wortmeldung des Abgeordneten Holger As- trup [SPD])

- ich habe leider keine Zeit für Zwischenfragen, aber wir können uns gleich unterhalten -, er transportiere doch einen sehr intensiven bürokratischen Apparat. Das ist eine Aussage, die steht. Solange die hier nicht hieb- und stichfest zurückgenommen wird, halten wir unseren Antrag aufrecht und werden Sie heute auch bitten, in der Sache zu entscheiden.