Protocol of the Session on December 16, 2005

Worin ist die Reform des Justizministers begründet? Dem Konzept der Landesregierung ist zu entnehmen, dass es das Ziel des Ministeriums ist, die Amtsgerichte für die Zukunft fit zu machen. Denn die bereits hohe Regelungsdichte wird weiter zunehmen. Auch europäisches Gemeinschaftsrecht wird immer mehr Raum im Rechtsalltag einnehmen.

Daher ist es wichtig - so geht es aus dem Konzept hervor –, die Leistungsstärke der Amtsgerichte für die Zukunft zu sichern, damit sie auf zukünftige Herausforderungen schnell und flexibel reagieren können. Ein weiterer Grund für strukturelle Änderungen liegt natürlich auch darin begründet, dass die Landesregierung dort Sparmöglichkeiten sieht.

Wir können diesen Erklärungen natürlich einiges abgewinnen. Inhaltlich können wir ihnen also folgen. Natürlich verschließen wir uns nicht grundsätzlich einer Reform der Amtsgerichtsstruktur. Aber damit werden wir uns ja im nächsten Jahr noch ausführlicher beschäftigen, wenn das entsprechende Gesetz im Landtag behandelt wird.

Das Konzept der Landesregierung macht deutlich, dass weitere Diskussionen vonnöten sind. Das Konzept ist ja schon einmal etwas verändert worden. Ich denke, dass die Änderungen genutzt werden sollten, um zum Beispiel für das Amtsgericht Kappeln etwas zu erreichen.

Das Amtsgericht Kappeln hat einen anderen Stellenwert als andere Amtsgerichte. Das behaupte ich ganz einfach. Das hat mit regionalen Gegebenheiten zu tun. Auch bei früheren Reformvorhaben hat man ja akzeptiert, dass dieses Amtsgericht eine Sonderstellung einnimmt.

Ich möchte hinzufügen, dass es bei früheren Reformvorhaben so gewesen ist, dass die Strukturreform im Norden durchgeführt wurde, im Süden des Landes aber nicht so sehr.

(Ingrid Franzen [SPD]: Da wurde sie nicht durchgeführt!)

- Die Kollegin Frau Franzen sagt mir gerade, dass die Reform im Süden nicht durchgeführt worden ist. Es gibt also ein Ungleichgewicht, das aus unserer Sicht zum Handeln zwingen sollte.

Die struktur- und regionalpolitischen Überlegungen hat der Kollege Kubicki schon angesprochen. Ich rufe in Erinnerung: Als es um die Neustrukturierung der Finanzämter ging, spielte das natürlich eine Rolle. Es kann auch nicht anders sein. Strukturund Regionalpolitik liegt in der Verantwortung des Landes. Wenn man die Verhältnisse der Region Kappeln bedenkt, weiß man, dass eine Verkehrsanbindung in dem gewünschten Maß nicht gegeben ist. Da gibt es also besondere Schwierigkeiten für die Menschen vor Ort.

Das Amtsgericht ist auch eine Art Dienstleistungsorgan. Grundbuchsachen, Betreuungsrecht und alles, was mit dem Alltag zu tun hat, werden dort erledigt. Von daher ist es richtig, daran zu erinnern, dass wir alle hier gemeinsam einen fraktionsübergreifenden Antrag verabschiedet haben, als es bei der Neustrukturierung der Bundeswehr um den Erhalt von Olpenitz ging.

Frau Kollegin, formulieren Sie bitte Ihren letzten Satz.

Ich komme zum Schluss. Als es um diese Standortschließung ging, waren wir uns einig, dass wir diese Maßnahme gemeinsam verhindern wollten. Ich bitte darum, dass diese Gemeinsamkeit auch jetzt noch zum Tragen kommt.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Der Ausschuss empfiehlt Kenntnisnahme des Berichts der Landesregierung, Drucksache 16/342 (neu), ergänzt um den Hinweis des Kollegen Puls, ebenfalls Kenntnisnahme des Berichts in der Form des Umdrucks 16/452. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? - Einstimmig so angenommen! Ich stelle fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/303 mit dem Bericht, aber auch durch die Erklärung des Kollegen Kubicki seine Erledigung gefunden hat.

Damit kommen wir zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP. Ich schlage vor, über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP und der Abgeordneten der Fraktion des

(Anke Spoorendonk)

SSW, Drucksache 16/461 (neu), in der Sache abzustimmen.

(Zuruf der Abgeordneten Lütkes (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Dann stelle ich fest, dass Frau Lütkes diesen Antrag gemeint hat, als sie Ausschussüberweisung empfahl. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Damit ist einstimmig so beschlossen worden.

Ich rufe somit Tagesordnungspunkt 44 auf:

Situation und Entwicklung des Milchmarktes

Landtagsbeschluss vom 29. September 2005 Drucksache 16/254 (neu)

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/415

Ich erteile dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher, das Wort. - Bitte sehr, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde es einmal so versuchen, dass es alle verstehen. Das ist ja bei der Agrarpolitik und den vielen komplizierten Systemen, die wir haben, nicht immer ganz einfach. Zunächst darf ich feststellen, dass die Situation der Milch erzeugenden Betriebe in der Tat extrem angespannt ist und ich darum der Koalition herzlich dafür danke, dass wir heute die Möglichkeit haben, darüber zu diskutieren, und zwar vielleicht auch einmal in verschiedene Richtungen.

Ein erfolgreicher Milchbauer ist ja nicht nur ein Garant für qualitativ hochwertige Nahrungsmittel, sondern auch für den Erhalt von Dauergrünland und damit auch ein Garant für den Erhalt unserer Kulturlandschaft.

Die Milch in Schleswig-Holstein ist ein ganz wesentliches Merkmal und ein ganz starker Faktor im Einkommen unserer Landwirte. Die Situation ist aus verschiedenen Gründen angespannt, erstens wegen sinkender Auszahlungspreise, zweitens wegen einer sehr restriktiven – –

(Unruhe)

Ich bitte das hohe Haus um etwas mehr Ruhe; es geht schließlich um unsere Lebensmittel.

(Vereinzelter Beifall)

Sie ist zweitens angespannt wegen der restriktiven Markt- und Preispolitik der EU und des Überangebots. Dazu kommt eine immer stärkere Liberalisierung durch die Europäische Union, die weitere Quotenaufstockungen vornehmen will und damit am Ende natürlich den Preis senkt.

Das sind die Rahmenbedingungen, die sehr schwierig sind. Nun versuche ich einmal, das System und seine Probleme im einzelnen zu erklären. Es ist nicht einfach, aber versuchen Sie einmal, mir zu folgen.

Jeder Landwirt erhält eine zugeteilte Quote in Quoten-Kilo. Mehrere Hunderttausend Quoten-Kilo hat jeder von ihnen. Jeder darf sich einmal vorstellen, er sei ein Landwirt mit entsprechender Zuweisung. Wenn Sie mehr produzieren, werden Sie, wenn Sie das abliefern, in der Regel mit einer Abgabe bestraft. Gleichzeitig gibt es aber bei den Meiereien dadurch, dass wir viele Kapazitäten - auch im Osten - aufgebaut haben, so viel Kapazität, dass es sich am Ende trotzdem für Sie lohnt, mehr zu produzieren, als Sie Quote haben. Betriebswirtschaftlich kommen Sie besser dabei weg. Das heißt, jeder Landwirt, der betriebswirtschaftlich rechnet - das tun die Landwirte –, produziert, was er produzieren kann, und am Ende ist zu viel Milch auf dem Markt, mehr Milch, als wir Quote vergeben haben. Was geschieht dann? - Dann sinkt der Preis.

Auf der anderen Seiten könnte man den Landwirten sagen: Kauft euch doch Quote an einem Quotenmarkt; es gibt Quotenbörsen! Nun haben wir davon leider 21 in Deutschland, die sehr kleinteilig sind. Schleswig-Holstein ist eine Quotenbörse. Es ist noch relativ groß, aber dadurch, dass wir bei uns wachsende Betriebe haben, ist die Nachfrage groß. Was geschieht? - Der Preis steigt. Der Quotenpreis in Schleswig-Holstein liegt bei 70 ct. Wenn Sie sich einmal vorstellen, dass Sie die Milch als Lebensmittel für 50 ct bis 55 ct je Liter im Handel erstehen können, zeigt das, wie hoch der Preis an der Milchbörse in Schleswig-Holstein ist.

In anderen Gebiete, dort, wo viele Bauern verkaufen, weil die Gebiete kleinteilig sind, haben die Quotenbörsen Preise von 27 ct. So groß ist der Un

(Präsident Martin Kayenburg)

terschied in Deutschland. Das heißt, hier in Schleswig-Holstein ist es besonders schwer, diese Quote zu erwerben.

Was müssen wir also tun, um den Preis zu stabilisieren? - Insgesamt die Masse senken. Das geht, indem wir die Meiereisaldierung abschaffen. Dann nämlich kommt es zu keiner Über-Lieferung, dann kann der Landwirt, wenn er überliefern wollte, seine Milch nicht mehr absetzen. Das heißt also, wir ziehen ein Limit ein. Das bedeutet, der Preis hat eine Chance, sich zu stabilisieren. Auf der anderen Seite kann dann ein erfolgreicher schleswig-holsteinischer Landwirt, der ja aufgrund der hohen Preise nichts mehr zukaufen kann, seine Milch nicht mehr loswerden. Das ist eine schlechte Situation für Schleswig-Holstein. Darum müssen wir gleichzeitig die Börsengebiete vergrößern; denn wenn wir in einem Börsengebiet mit Baden-Württemberg, Hessen, also Standorten liegen, wo Landwirte heute immer wieder aufgeben, sinkt der Preis und der schleswig-holsteinische Landwirt kann sich dann einfacher mit mehr Quote versorgen.

Das Problem ist: Das sieht jedes Bundesland höchst unterschiedlich. Der Osten, der die hohen Meiereikapazitäten hat¸ möchte natürlich die Meiereien halten. Der Süden möchte auf den schwachen Standorten, in den Alpen, teilweise in den Mittelgebirgen auch seine Landwirte halten. Deshalb war es so schwierig, einen Kompromiss zu erzielen.

Aber unter Federführung von Sachsen und uns Schleswig-Holsteinern ist jetzt ein Durchbruch gelungen. Man hat sich zum ersten Mal auf hinreichend gleiche Spielregeln verständigt, wobei wir uns noch im Diskussionsprozess befinden. Das bedeutet nämlich eine Begrenzung der Meiereisaldierung zunächst übergangsweise auf 10 %. Ab Anfang 2007 gibt es zwei Handelsgebiete, nämlich Ost und West. Damit würde verhindert werden, dass sofort die gesamte Milch aus dem Osten kommt. Wir haben damit die Chance, unsere Landwirte zu vernünftigen Preisen wieder mit Quote zu versorgen.

Das soll nur eine Übergangslösung sein. Unser Ziel war und ist es immer, diese Saldierung ganz abzuschaffen und ein einheitliches deutsches Börsengebiet zu schaffen, weil das unseren starken Betrieben zugute kommt. Wir sind Milchstandort Nummer eins in Deutschland und wollen es aus verschiedenen Gründen bleiben, zum einen wegen der Attraktivität unserer Landwirtschaft, aber auch zum Erhalt unseres Dauergrünlands, der Kulturlandschaft. Darum ist es wichtig, dass wir diese Schritte heute gemeinsam gehen.

Wir waren in den Verhandlungen sehr erfolgreich. Sie sollen kurz vor Weihnachten nach einer Besprechung in Dresden erfolgreich abgeschlossen werden. Wir glauben, dass wir zum ersten Mal die Chance haben, dies nach jahrelangen erfolglosen Verhandlungen erfolgreich zum Abschluss zu bringen.

(Beifall bei CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Ich danke Ihnen, Herr Minister. Ich eröffne die Aussprache. Für die antragstellenden Fraktionen erteile ich dem Herrn Abgeordneten Claus Ehlers für die Fraktion der CDU das Wort. - Herr Abgeordneter, bitte sehr.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal, Herr Minister, herzlichen Dank für den vorgelegten Bericht. Er ist nicht nur informativ, sondern trifft auch den Kern der Sache.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Die Milchwirtschaft ist ein wichtiges Standbein der schleswig-holsteinischen Landwirtschaft. 50 % des Umsatzes werden im Milchviehfutterbaubereich erzielt. Rund 6.000 Milcherzeuger mit nahezu 360.000 Milchkühen sind darauf angewiesen, wenigstens kostendeckende Preise zu erzielen, um existenzfähig bleiben zu können. Das ist angesichts der Entwicklung keine Selbstverständlichkeit. Das 1984 eingeführte Mengensteuerungselement ist nie angewandt worden. In der Europäischen Union sind laufend zusätzliche Milchquoten verteilt worden. Eine weitere Quotenanhebung um 1,5 % ist in Europa beschlossene Sache, was uns alle sehr trifft. Offensichtlich will die Europäische Union mit ihrer Mengenpolitik Preisdruck erzeugen, um auf diesem Weg Haushaltsmittel einsparen zu können.

Die Agrarreform der Vergangenheit hat nicht zu einer grundlegenden Problemlösung geführt. Die Halbzeitbilanz, an die große Erwartungen geknüpft wurden, hat auch keine durchgreifende Änderung gebracht. Den Prognosen zufolge¸ Herr Kubicki, werden in den nächsten Jahren weitere Milchpreissenkungen erwartet. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Existenzfähigkeit vieler Betriebe. Bei Vollkosten müssten wir 35 ct pro Liter Milch erhalten. Wir bekommen zum jetzigen Zeitpunkt - dies kann noch weiter zurückgehen

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

- nur 25 ct. Dafür kann kein Milcherzeuger in Schleswig-Holstein Milch produzieren.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)