Protocol of the Session on December 15, 2005

Aber unabhängig davon hat der Kollege Müller unter Bezug auf Jürgen Koppelin dessen doch beachtlichen Vorschlag, man möge das Weihnachtsgeld nicht besteuern, hinterfragt. Dazu besteht natürlich vor allem bei denjenigen Anlass, die kein Weihnachtsgeld bekommen.

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)

Es ist natürlich auch unheimlich stringent für eine Partei wie die meine, die die Abschaffung der Feiertags- und Sonntagszuschläge fordert, die Freiheit der Besteuerung des Weihnachtsgeldes zu fordern. Insofern kann ich das in etwa nachvollziehen. Aber das in Zusammenhang mit der Vorweihnachtszeit und den Genuss von Punsch zu bringen, also zu insinuieren, das könne ja nur eine Schnapsidee gewesen sein,

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Das habe ich gar nicht gesagt!)

- aber insinuiert, Herr Kollege Müller –, bringt mich doch zu der Frage - die sollten Sie dann auch beantworten –: Wann ist denn Minister Jürgen Trittin aus dem Delirium aufgewacht?

(Beifall und Heiterkeit bei der FDP)

Denn es war doch der Minister Trittin, der eine Verlängerung für die Sonderabschreibungsmöglichkeiten bei Filmförderungsfonds und Schiffsbeteiligungsfonds erwirkt hat und das auch noch als große steuerpolitische Maßnahme der Grünen verkauft hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, jetzt aber im Ernst. Ich greife etwas auf, was der Fraktionsvorsitzende der SPD gesagt hat. Ich hätte meine Rede eigentlich damit beginnen sollen, denn ich wusste, warum er mir den Vortritt gelassen hat. Das war die einzige Möglichkeit zu sagen: Ich habe von Kubicki nichts Neues gehört. Damit hätte ich ja anfangen können.

Wir sollten auf eins achten, gerade angesichts der Tatsache, dass wir tatsächlich neue politische Konstellationen haben und der Kollege Wadephul gesagt hat, Gegnerschaften, geradezu Feindschaften hätten sich in relativ kurzer Zeit aufgelöst - nach der Devise: Über allen Gräbern ist Ruh.

(Heiterkeit bei der FDP)

(Wolfgang Kubicki)

Wir sollten vielleicht einmal versuchen, angesichts der unterschiedlichen Gemengelage, in der wir uns befinden, und der Probleme, der unser Gemeinwesen insgesamt ausgesetzt ist, aus den tradierten Rollenklischees herauszufallen.

(Konrad Nabel [SPD]: Fangen Sie damit an, Herr Kollege!)

- Herr Kollege Nabel, ich hätte mir nie träumen lassen, dass es mir einmal gelingt, Sie zu loben. Aber Ihr Verhalten gestern

(Beifall bei der FDP)

bei der Abstimmung zum Landesverwaltungsgesetz hat bei mir nicht nur Lob, sondern auch Respekt ausgelöst.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ekkehard Klug [FDP])

- Nein, nein, Herr Kollege Klug, so würde ich das gar nicht formulieren.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es hat bei mir Respekt ausgelöst, weil ich weiß, wie schwierig es ist, in einer solchen Frage, von der die Mehrheit glaubt, dass es sich nicht um eine Gewissensfrage handelt, seinem eigenen Gewissen trotzdem zu folgen. Das sage ich in allem Ernst.

(Beifall bei der FDP und des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Und es stünde - das habe ich früher schon einmal gesagt - der parlamentarischen Demokratie durchaus an, wenn man bei Mehrheitsverhältnissen in dieser Größenordnung dem einen oder anderen auch noch erlaubt, deutlich zu machen, dass es auch in großen Koalitionen und auch in großen Parteien durchaus abweichende Meinungen geben kann, die beachtlich sind, auch wenn sie nicht mehrheitsfähig sind. Das würde uns allen, auch in unserer Außenwirkung, deutlich besser zu Gesicht stehen.

(Beifall bei FDP und SSW sowie vereinzelt bei CDU und SPD)

Fazit: Herr Ministerpräsident, wir wollen im Rahmen unserer Möglichkeiten daran mitwirken, das Land Schleswig-Holstein nach vorn zu bringen. Aber wir werden selbstverständlich die Union auch daran erinnern, welche Überlegungen sie in 17 Jahren Oppositionszeit entwickelt hat. Es ist für mich schwer vorstellbar, dass diese Überlegungen, die von Sachverstand geprägt waren - wie ich bisher gemeint habe –, innerhalb kürzester Zeit einer großen Koalition zum Opfer gebracht werden kön

nen. Das müssen Sie uns als Oppositionsfraktion FDP erlauben.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Oppositionsführer. Die verbleibende Redezeit der FDP-Fraktion beträgt 10 Minuten.

Nun erteile ich für die Landesregierung dem Herrn Finanzminister Rainer Wiegard das Wort. Die angemeldete Redezeit beträgt noch knapp 20 Minuten. - Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kubicki, in der Tat wäre es schon interessant zu untersuchen, auf wen die bessere Stimmung zurückzuführen ist. Wenn man den Demoskopen noch trauen könnte, könnte man eine Umfrage starten. Aber auch die haben sich disqualifiziert. Insofern müssen wir auf unser eigenes Urteil bauen und da schließe ich mich dem Urteil des Ministerpräsidenten darüber an, woran das liegt.

Meine Damen und Herren, der Haushalt 2006 ist der erste Haushalt der großen Koalitionen. Das haben heute schon mehrere Redner festgestellt, das war im Übrigen auch nicht so schwer zu ermitteln.

(Heiterkeit bei CDU und SPD)

Es wurde auch schon erwähnt, dass dieser Haushalt solide und ehrlich aufgestellt ist, so wie auch die Nachträge 2005.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist auch gut. Dieser Hinweis bedarf wahrscheinlich heute noch der Erwähnung, wird aber in Zukunft zunehmend entbehrlich werden, weil wir das immer so machen werden. Das wird zur Regel und dann brauchen wir darauf auch nicht mehr besonders hinzuweisen. Alle uns vorliegenden Erkenntnisse und Bewertungen sind in diesen Haushalt eingeflossen. Von Experten eingeschätzte, nicht von uns selbst manipulierte, zukünftige Einnahmen aus der wirtschaftlichen Entwicklung sind berücksichtigt. Darüber hinaus ist Vorsorge getroffen worden für den Fall, dass auch diese Prognosen wider Erwarten nicht eintreffen werden. Ich sage das vorsorglich, weil es auch Vorschläge von anderen Seiten dieses Hauses gibt, diese Vorsorge wieder zu beseitigen.

(Wolfgang Kubicki)

Herr Kubicki, ich gebe gern zu, dass nicht alles von dem, was ich hier fünf Jahr lang vorgetragen habe, innerhalb von acht Monaten umsetzbar ist. Ich bitte um Nachsicht. Vielleicht kann das jemand besser, möge er sich melden.

Aber lassen Sie mich doch einmal einige Dinge nennen und gleich an den Anfang stellen. Es gibt keine virtuellen Zubuchungen bei den Einnahmen. Es gibt keine ungewissen globalen Mehreinnahmen, von denen niemand weiß, wo sie herkommen sollen. Es gibt auch keine virtuellen Reduzierungen bei den Ausgaben und es gibt deshalb auch keine ungewissen globalen Minderausgaben, von denen keiner weiß, wie sie je erzielt werden sollen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Sie meinen, so wie das früher war!)

Das sind schon ein paar Punkte, über die wir viele, viele Jahre lang in diesem Haus miteinander gestritten haben.

Dieser Haushalt beschreibt klar, präzise und ungeschminkt, wie es aussieht. Ich finde es schon fast einen Wert an sich, dass das so ist. Darüber hinaus zeigen wir erste Lösungsansätze auf, wie diese Landesregierung Schleswig-Holstein finanziell und damit politisch handlungsfähig machen will, mit welchen Zielen, welchen Instrumenten und welchen Maßnahmen.

Manche Beiträge heute, aber auch einige Berichterstattungen in den vergangenen Wochen sowie manche Diskussionen im Lande mit Verbänden und Organisationen zeigen indes, dass offensichtlich die tatsächliche Lage Schleswig-Holsteins noch nicht von jedem verstanden worden ist, dass wir sie möglicherweise noch nicht hinreichend haben vermitteln können. Mancher leidet zudem - das hat der Ministerpräsident eben dargestellt - an erheblichen Störungen seines Kurzzeitgedächtnisses.

Wie ist die Lage in Schleswig-Holstein? Die Steuereinnahmen werden im kommenden Jahr voraussichtlich etwa 5,3 Milliarden € betragen. Das ist weniger als 1998. Aber die Aufgaben sind die des Jahres 2006. Vereinfacht dargestellt: Wir haben die Einnahmen des vorigen Jahrhunderts und die Aufgaben des neuen Jahrtausends zu bewältigen. Das ist unser Problem. Ich glaube, diesem Problem müssen wir uns stellen. Aus dieser Konstellation erwachsen die Aufgaben für die nächsten Jahre, nämlich einerseits die Aufgaben den verfügbaren Einnahmen anzupassen und andererseits die verfügbaren Einnahmen zu erhöhen, indem die Rahmenbedingungen zur Erzielung von staatlichen Einnahmen deutlich verbessert werden.

Zur Beschreibung der Lage gehört nach wie vor daran hat sich mit dem Haushalt 2006 noch nichts Bedeutendes verändert –: Nach Abzug der den Kommunen zustehenden Mitteln reichen die Steuereinnahmen des Landes nicht einmal mehr aus, um nur die Kosten für Personal, Verwaltung und Zinsen zu bezahlen. Das ist Realität. Das hat aber offensichtlich noch nicht jeder so verstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt, zu dem wir aus unseren eigenen Einnahmen nur Personal, Verwaltung und Zinsen knapp bezahlen können, ist noch kein Cent für richtige Politik ausgegeben worden, noch keine Kinderbetreuung gefördert, keine Hochschule finanziert, keine Forschung angeschoben, keine Verkehrsinfrastruktur zukunftsfähig gemacht. Das ist die Realität, in der wir leben. Für alle diese Aufgaben müssen wir auf Geld von Dritten zurückgreifen. Das sind entweder die anderen Bundesländer die lassen bei manchen Standards, die wir diskutieren, fröhlich grüßen –, die EU oder der Bund. Dort müssen wir komplementieren.

Komplementärmittel haben wir allerdings auch nicht. All dies müssen wir uns schließlich von der Sparkasse holen. So klafft im Jahre 2006 zwischen den laufenden Einnahmen und den laufenden Ausgaben eine Lücke von knapp 1,6 Milliarden €, die derzeit nur über neue Kredite geschlossen werden kann. Wer sich diese Zahlen nicht vorstellen kann, der möge einmal nachrechnen, wie wir diese Debatte heute bestreiten. Jede Stunde nimmt das Land 200.000 € neue Schulden auf. In jeder Stunde zahlen wir die Hälfte davon gleich in Form von Zinsen zurück.

Zur Beschreibung der Lage gehört auch - weil sich manche nicht mehr erinnern, dass sie vor acht, neun Monaten noch in einer anderen Funktion waren –, dass die Verschuldung des Landes allein in den Jahren von 2000 bis 2005 von etwa 600 Millionen € um 1.000 Millionen € auf 1,6 Milliarden € gestiegen ist. Das war in den fünf Jahren, Herr Minister Müller, in denen Sie dieser Regierung angehört haben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er war nicht der Finanzminister! Das kann man nicht sagen!)

Ich will das in Erinnerung rufen, weil es offensichtlich in Vergessenheit geraten ist.

Die Kreditfinanzierungsquote, 2000 bei 8,5 %, ist auf knapp 20 % angewachsen. Seit 1996 gibt Schleswig-Holstein Jahr für Jahr mehr Geld für Zinsen für die Vergangenheit aus als für Investitionen in die Zukunft. Seit 2001 übersteigt die Summe der neuen Schulden die Summe der Investitionen.

(Minister Rainer Wiegard)