Protocol of the Session on December 14, 2005

(Zuruf des Abgeordneten Holger Astrup [SPD])

- Holger, ich kann das leider nicht verstehen, was du dazwischenredest. Da habe ich meine Schwierigkeiten. Aber ich bin gern bereit, das mit dir extra zu erörtern.

Ich habe bei alledem folgendes Bild.

Erstens. Die kreisübergreifende Ämterbildung ist nichts anderes als die schleichende Ankündigung der Einführung von Großkreisen.

Zweitens. Das Innenministerium wird nur diejenigen Amtsfusionen genehmigen, die den Vorstellungen des Ministeriums entsprechen. Das aber hat mit Freiwilligkeit bei den Ämterzusammenschlüssen, die ja offiziell bis 2007 garantiert wird, nichts mehr zu tun.

Das ist aber noch nicht alles. Der Gesetzentwurf regelt ebenso, dass die Durchführung der Wahl hauptamtlicher Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in Gemeinden mit weniger als 8.000

(Günther Hildebrand)

Einwohnern bis zum 31. Oktober 2007 unter das Zustimmungserfordernis des Innenministeriums fällt. Dies ist auf der einen Seite logisch. Der Gemeindetag hat es jedoch als verfassungsrechtlich bedenklich bezeichnet. Er verweist darauf, dass die Gemeindeordnung grundsätzlich die Wahl der Bürgermeister den Bürgerinnen und Bürgern verbrieft. Hierzu gibt es nur einen eng bemessenen Spielraum. So muss zum Beispiel für den Fall des plötzlichen Ausscheidens eines Bürgermeisters aus dem Amt innerhalb eines halben Jahres eine Neuwahl durchgeführt werden.

Eine Aussetzung der Wahlrechte der Bürger für einen vom Gesetz vorgesehenen Zeitraum bis Ende 2007 ist rechtlich zumindest zweifelhaft und muss hinterfragt werden. Dies ist auch in den Ausschussberatungen zu klären.

Insgesamt besteht zu diesem Gesetzentwurf noch ein hoher Nachfrage- und Klärungsbedarf im Ausschuss. Sicherlich werden auch die Stellungnahmen der kommunalen Landesverbände in der Anhörung die eine oder andere Änderung nach sich ziehen.

(Beifall bei der FDP)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Hildebrand. Das Wort für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich dem Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

„Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren.“

Dieser Satz aus dem dritten Teil von Goethes „Maximen und Reflexionen“ setzt für unsere Regierung mit Sicherheit einen Maßstab, an dem sie sich noch lange abarbeiten kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Nicht nur deswegen erwartet das Land SchleswigHolstein voller Spannung seit längerem die große Verwaltungsreform. Nun liegt das erste Gesetz vor. Ich schaue es mir an und stelle fest, diesmal mit dem Dichter Horaz: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. - Nichts gegen Mäuse, sie sind possierliche Tiere, Herr Stegner. Aber dem Ergeiz unseres Innenministers ist das sicher nicht angemessen.

Gestatten Sie mir trotzdem einige grundsätzliche Anmerkungen. Im Anschluss daran gehe ich auf das Gesetz im Besonderen ein. Meine Fraktion legte im Januar 2004 das Konzept für eine große Verwaltungsstrukturreform vor. Es ist nicht am Reißbrett entstanden, sondern es ist mit ganz vielen Menschen vor Ort, auch mit Fachleuten aus Verwaltungen, einschließlich Landräten von der schwarzen Seite - wie es sie in Schleswig-Holstein in letzter Zeit überwiegend gibt - intensiv diskutiert worden. Ich habe ganz viele Anregungen von Bürgern, von Bürgermeistern, von Amtsleitern, von Behördenleitern bekommen, wie man die Aufgaben verteilen könnte. Das haben wir letzte Woche vorgestellt.

Wie kann eine konkrete Aufgabenverteilung in Schleswig-Holstein zwischen den verschiedenen Ebenen aussehen? Was bedeutet es ganz konkret für den Bürger, wenn wir einen Großteil der Aufgaben vom Kreis auf die Gemeinde übertragen? Damit kommen die Aufgaben vor Ort zum Bürger hin. Die Entfernung ist kürzer, nicht weiter. Der Bürger muss nicht mehr zum Kreis. Alles, was den Bürger interessiert, kann er vor Ort erledigen. Wir haben durchdekliniert und dargestellt, wie das umsetzbar ist.

Wir diskutieren, während Sie bereits einen Gesetzentwurf vorlegen, Herr Minister, ohne dass klar ist, wohin Ihre Reise geht. Wir warten voller Spannung, aber nicht auf Godot, sondern

(Minister Rainer Wiegard: Auf den Weih- nachtsmann!)

auf den „Entbürokratisierungsspezialsekretär“ Schlie.

Wir haben auch dargestellt: Wenn wir als zweite kommunale Ebene die unteren Landesbehörden und die Restaufgaben der Kreise zusammenfassen, dann haben wir die Möglichkeit, eine komplette Verwaltungsebene im Lande aufzulösen, die Kreise. Von der Landesplanung bis zu den Berufsschulen, vom Natur- und Umweltschutz bis hin zur Gewerbeaufsicht, vom Straßenbau bis hin zum öffentlichen Busverkehr, von den Krankenhäusern bis hin zu den Theatern und Opernhäusern können wir die Aufgaben in den Regionen zusammenfassen.

Wir haben zwei wichtige Ergebnisse unseres Vorschlages. Das Erste: Eine komplette Verwaltungsebene, die der Kreise, fällt weg. Das Zweite: Der Bürger kann alles im Rathaus erledigen. Die Verwaltung wird dezentralisiert. Da, wo selbst das dem Bürger oder der Bürgerin zu weit ist, kann vor Ort ein Bürgerbüro eingerichtet werden, wo dann die

(Günther Hildebrand)

Sachbearbeiterin des Rathauses fast alle Dienste für die Bürgerin oder den Bürger am Bildschirm abwickeln kann. Elektronic-Government lässt grüßen.

Sie können sagen: Das ist grüne Spinnerei. Immerhin haben wir große Teile dieses Konzepts, Herr Astrup, im Frühjahr gemeinsam so verabredet.

(Holger Astrup [SPD]: Nein, nein!)

- Wir haben das verabredet,

(Vereinzelter Beifall bei der CDU - Lothar Hay [SPD]: Nein!)

einschließlich der Direktwahl der Amtsausschüsse durch die Bürgerinnen und Bürger.

(Holger Astrup [SPD]: Das ist etwas anderes, Herr Kollege!)

Wo Sie allerdings nicht springen wollten, war bei der Frage, Kiel und Lübeck in die Regionen zu integrieren. Das ist der zentrale Unterschied. Ich glaube, auch da wird sich in der Diskussion noch einiges bewegen.

(Lothar Hay [SPD]: Und der SSW hat das al- les abgelehnt!)

Damit sind Maßstäbe gesetzt, an denen sich die jetzige Regierungskoalition messen lassen muss. Dass das nicht unrealistisch ist, zeigen die früheren Äußerungen des Finanzministers Wiegard. Er sprach damals von Einsparungen von 2.650 Stellen allein beim Land. Darin sind die Einsparungen bei den Kommunen, die ja mittlerweile deutlich mehr Beschäftigte als das Land haben, noch nicht enthalten. Was bedeutet das? Ein dreistelliger Millionenbetrag ist nicht unrealistisch.

Wie sagte Herr Stegner vorhin: Wenn man das mit der großen Mehrheit im Parlament nicht zustande bringen kann, wann dann?

Schauen wir uns an, was die große Koalition von ihrer Reform an Einsparungen erwartet. Darauf hat sie auf eine Kleine Anfrage meines Kollegen Müller mit aller Deutlichkeit geantwortet. Auf seine Frage, mit welchen strukturellen Reformen die Landesregierung welche Einsparungen bis 2010 erzielen will, nennt sie folgende Punkte: Durch die Heilfürsorgebeteiligung der Polizei, die kostenneutral für die Finanzierung des Personalkonzeptes eingesetzt wird, werden keine Einsparungen erwartet; über Einsparungen durch die Amtsgerichtsreform können zurzeit noch keine Angaben gemacht werden - wir wissen mittlerweile, warum –; die Bildung der Landesuniversität wird Effizienzgewinne

bringen - wenn sie kommt –, die aber dort verbleiben sollen.

So bleiben allein das Personaleinsparungskonzept und die regionalen Dienstleistungszentren mit der Bildung der größeren Ämter? Hier beziffert der Finanzminister auf Landesebene die Personaleinsparungen in den Ministerien gerade noch mit 10 Millionen €. Das ist ein Bruchteil der Summe, über die in den letzten Jahren auch vonseiten der damaligen CDU-Opposition in ihrem Wahlkampf geredet worden ist. Sie haben immer über dreistellige Millionenbeträge geredet. Jetzt wird noch über 10 Millionen € geredet. Das ist der Grund, warum ich glaube: Die Regierung springt mit ihrem Konzept zu kurz.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch der Grund, warum ich glaube, dass sich unser Konzept kurz- oder mittelfristig in diesem Land durchsetzen wird. Denn es gibt angesichts der Landeshaushalte keine Alternative.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun zu dem vorliegenden Entwurf. Einige Punkte an dem Gesetz begrüßen wir, erstens die Regelung, dass in Zukunft Gemeinden mit eigener Verwaltung einen hauptamtlichen Bürgermeister haben sollen, Gemeinden ohne Verwaltung aber nicht. Das finden wir richtig.

Zweitens. Ich begrüße, dass in einigen Fällen die Pflicht, kommunale Haushalte genehmigen zu lassen, reduziert wird. Das ist sinnvoll.

Drittens. Ich begrüße, dass bei der Zusammenlegung von Ämtern und Gemeinden die bisherigen Personalräte bis zur Neuwahl eines Personalrates im Amt bleiben. Auch das ist richtig.

Wir werden dieses Gesetz in der vorliegenden Fassung jedoch aus folgenden Gründen ablehnen:

Erstens. Das Gesetz legt die Größe der Ämter auf mindestens 8.000 Einwohner fest. Das reicht nicht aus, um die wesentlichen Aufgaben von den Kreisen auf die Gemeinden zu übertragen, wie zum Beispiel Schulämter, Bauämter, Jugendämter.

(Zuruf von der CDU: Das will auch niemand, Herr Kollege!)

Zweitens. Das Gesetz sieht immer noch keine direkt gewählte Vertretung in den Ämtern vor, die die Verwaltung kontrolliert und steuert. Der jetzige Leiter der Abteilung Verwaltungsmodernisierung des Finanzministeriums, Dr. Utz Schliesky, hat in einem Gutachten für den Gemeindetag vor einigen

(Karl-Martin Hentschel)