Protocol of the Session on December 14, 2005

es, in den anstehenden Beratungen der parlamentarischen Gremien zu behandeln.

Wir beantragen die Überweisung in den Innen- und Rechtsausschuss.

(Beifall bei CDU und SPD)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Wengler. - Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Klaus-Peter Puls.

(Zuruf von der SPD: Schrei nicht so!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

(Günter Neugebauer [SPD]: Der Start war schon mal gut! - Beifall bei der SPD)

Wir haben heute den ersten gesetzlichen Schritt einer umfassenden Reform der Landes- und Kommunalverwaltung in Schleswig-Holstein vorzunehmen. Der heute vorgelegte Gesetzentwurf bezieht sich konkret nur auf geplante Änderungen der kommunalen Verwaltungsstrukturen, kann aber nicht isoliert und losgelöst von den ebenfalls vorgesehenen Strukturveränderungen im Bereich der Landesverwaltung gesehen werden. Wir halten es für wichtig und richtig - auch der Minister hat darauf hingewiesen –, dass sich die Landesregierung von ihren Reformvorschlägen nicht selbst ausnimmt und dass Landes- und Kommunalverwaltungsreformen konstruktiv und systematisch aufeinander abgestimmt und dann auch umgesetzt werden. Genau so wird es geschehen.

Anfang 2006 wird der Finanzminister durch den zuständigen Staatssekretär, unseren ehemaligen Kollegen Schlie, sein Konzept zur Aufgabenkritik, zum möglichen Verzicht auf Landesaufgaben und zu möglichen Deregulierungen und Entbürokratisierungen im Verwaltungsvollzug vorlegen. Wir werden daran anschließend und darauf aufbauend über die Verlagerung von Landesaufgaben auf die Kreise und über die organisatorische Zusammenfassung der Erledigung bestimmter Kreisaufgaben in Kreisverbünden, so genannten kommunalen Verwaltungsregionen, beraten und entscheiden. Wir werden auch über die Abgabe von Kreisaufgaben in die Ämter und Gemeinden des kreisangehörigen Raums zu befinden haben.

Nach Ablauf einer Phase freiwilliger Verwaltungszusammenschlüsse - die gerade läuft - werden wir Ende 2006, Anfang 2007, also rechtzeitig

vor der nächsten Kommunalwahl, eine landeseinheitliche Regelung für die Mindestgrößen hauptamtlich geleiteter Kommunalverwaltungen und für die bis dahin freiwillig nicht erfolgten Verwaltungsfusionen treffen müssen. All dies wird heute mit einem ersten vorbereitenden Gesetzentwurf des Innenministers eingeleitet.

Die SPD-Landtagsfraktion wird die Landesregierung auf dem eingeschlagenen Weg zu der, Herr Wengler, in der Tat seit Jahren immer wieder neu diskutierten und jetzt endlich in Angriff genommenen Verwaltungsstrukturreform in Schleswig-Holstein unterstützen. Drei Punkte sind dabei für uns ganz besonders wichtig. Ich werde nicht müde, sie bei jeder möglichen - vielleicht manchmal auch als unmöglich empfundenen - Gelegenheit zu benennen.

Erstens. Die Identität stiftende und stärkende Souveränität auch kleinerer Gemeinden muss erhalten bleiben. Eine Gebietsreform durch landesgesetzlichen Zwang wird es mit uns nicht geben.

(Beifall bei SPD und CDU)

Zweitens. Bei der Verlagerung einzelner Landesaufgaben auf die Kreise darf keine neueVerwaltungsebene zwischen Land und Landkreisen geschaffen werden. Am kundenfreundlichsten ist immer noch eine möglichst weitgehende Verlagerung von Kreisaufgaben vor Ort in die kreisangehörigen Ämter und Gemeinden.

(Beifall bei SPD und CDU)

Drittens. Die Konzentration kleinerer kommunaler Verwaltungseinheiten darf nicht zu Verlusten und Einbußen an orts- und bürgernaher Aufgabenerledigung führen. Auch in Gemeinden ohne eigene hauptamtliche Verwaltungsleitung müssen dezentrale Bürgerbüros als erste Anlaufstellen für Rat suchende und antragstellende Einwohnerinnen und Einwohner erhalten bleiben oder eingerichtet werden.

Wir unterscheiden uns in diesen drei Punkten diametral zum Beispiel von dem Konzept der GrünenFraktion zur Bildung großer so genannter Amtsgemeinden mit mindestens 20.000 Einwohnern. Das Grünen-Konzept ist an den Menschen in unseren Kommunen vorbei geplant, aber es kann und wird zum Glück nicht so weit kommen, dass die Identifikation der Menschen mit ihrer Gemeinde und das Bedürfnis zur Entscheidung wichtiger Angelegenheiten vor Ort durch Reformpläne vom grünen Tisch ausgehebelt werden.

(Wilfried Wengler)

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das Konzept der Landesregierung lässt neben der Kirche auch die politische Verantwortung im Dorf und das ist gut so.

(Lebhafter Beifall bei SPD und CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Günther Hildebrand das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das erste Gesetz zur Reform kommunaler Verwaltungsstrukturen spricht es schon in seinem Titel an: Hierbei handelt es sich nicht um ein Gesetz, das die Pläne der Landesregierung zur Verwaltungsstruktur abschließend regelt, sondern vielmehr um den Einstieg in den entsprechenden Prozess. Weitere Gesetze werden sicherlich folgen.

Wir als FDP hätten uns einen anderen Einstieg gewünscht, nämlich dass Entbürokratisierungsstaatssekretär Schlie heute als Voraussetzung für eine neue Struktur der Verwaltungen einen Gesetzentwurf zur künftigen Aufgabenstruktur des Landes und der Kommunen vorgelegt hätte.

(Beifall bei der FDP - Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das macht er Silvester!)

Denn genau darum geht es. Das Land muss zuerst entscheiden, welche Aufgaben von staatlicher Seite überhaupt noch erfüllt werden sollen, welche Aufgaben mit welchen Standards versehen werden, und erst dann, bei welcher Gebietskörperschaft oder staatlichen Ebene die Aufgabe am besten erfüllt werden kann.

Was heute hier verabschiedet wird, ist aber der Einstieg in neue Verwaltungsstrukturen, ohne zu wissen, für welche Aufgabenbereiche diese vorgehalten werden sollen. Das ist bedauerlich. Offensichtlich kann der Entbürokratisierungsstaatssekretär dem vom Innenminister vorgelegten Tempo nicht folgen. So wird leider das Pferd wieder einmal von hinten aufgezäumt. - So hat es Kollege Schlie in vielen Diskussionen der letzten Jahre immer wieder beschrieben. - Es sei denn, er ist mit seiner Arbeit bereits fertig, hat es der Öffentlichkeit und uns bisher vorenthalten und nur dem Innenminister mitgeteilt. Aber wir haben heute dazu einige Aussagen gehört. Wie schon bei der letzten Tagung, in der wir dieses Thema abgehandelt haben, ist er heute

bei der Diskussion wieder nicht dabei. Wahrscheinlich ist er sehr stark mit seiner Arbeit beschäftigt und kann der Diskussion deshalb nicht folgen.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Er entbürokratisiert wie der Teufel!)

Nun hat er zwar zum Beispiel mit dem Landesumweltminister - oder war es der Umweltminister alleine? - kürzlich eine nach absoluten Zahlen umfangreiche Erlassbereinigung vorgenommen, dabei handelte es sich aber um Vorschriften, die in der täglichen Verwaltungsarbeit wenig bis gar keine praktische Tätigkeit mehr auslösen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Eine solche Erlassbereinigung ist wichtig, reicht aber bei weitem nicht aus und beschränkt sich zudem lediglich auf den Umweltbereich.

(Zurufe von der CDU)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf der Landesregierung sieht erstmalig vor, dass Ämter und Verwaltungen im Regelfall für eine Region mit mindestens 8.000 Einwohnern zuständig sein sollen. Er sieht weiterhin vor, dass die Einwohnergrenze für die Pflicht zur Bestellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter von 10.000 Einwohnern auf 15.000 Einwohner angehoben wird. Außerdem regelt der Gesetzentwurf den Wegfall von Genehmigungserfordernissen im kommunalen Haushaltsrecht, die Durchführung von Wahlen hauptamtlicher Bürgermeister, die Bestellung der leitenden Verwaltungsbeamten und dass die Einführung einer hauptamtlichen Amtsverwaltung der Zustimmung des Innenministers bedarf.

Zunächst zu den Gleichstellungsbeauftragen. Schon aus rein gesetzestechnischer Sicht ist es interessant, dass dieser Gesetzentwurf inhaltlich nicht mit dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen vom Sommer dieses Jahres übereinstimmt. Das haben wir mit Interesse festgestellt. Vielleicht wurde ja seinerzeit von beiden Fraktionen ein Schnellschuss abgegeben. So regelt dieses Gesetz zwar, dass die Ämter nach Inkrafttreten des Gesetzes erst ab einer Einwohnerzahl von 15.000 Einwohnern hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte einstellen müssen, bei den Verwaltungsgemeinschaften hat es die Landesregierung aber bei der alten Grenze von 10.000 Einwohnern belassen. Dies ist nachzulesen in § 22 Abs. 4 der Amtsordnung. Ist das so beabsichtigt und wenn ja, warum, Herr Minister?

Der Gemeindetag lässt sich hierzu wie folgt ein: Die von der Landesregierung behaupteten und von allen erwünschten Einsparungen durch Verwal

(Klaus-Peter Puls)

tungszusammenschlüsse würden durch die neu entstehende Pflicht zur Bestellung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter in vielen Fällen konterkariert werden.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Hört, hört!)

Lassen wir den Kommunen doch freie Hand bei der Entscheidung, ob eine Gleichstellungsbeauftragte haupt- oder ehrenamtlich tätig sein soll, wie wir von der FDP dies schon immer gefordert haben.

Ich komme zum nächsten Bereich, dem Wegfall von Genehmigungspflichten im kommunalen Haushaltsrecht. Die Genehmigungspflicht der Kommunalaufsicht zur zulässigen Höhe der Kassenkredite, der Übernahme von Bürgschaften und zu den Verpflichtungsermächtigungen soll wegfallen. Auch der Gemeindetag begrüßt die vorgesehene Regelung, die wir allerdings etwas kritischer sehen. Sicherlich ist es ein Beitrag zur Deregulierung. Gleichzeitig sehen wir aber die Gefahr, dass notleidende Gemeinden oder Kommunen - die Zahl steigt bedauerlicherweise rapide an - über zu hohe Kassenkredite eine noch höhere Verschuldung erfahren werden. Die Landesregierung hat hier aber eine Verantwortung wahrzunehmen und darf sich nicht aus selbiger stehlen, nach dem Motto: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

Ob dies so gewollt ist, muss wirklich geklärt werden. Problemlösend ist es auf jeden Fall nicht.

(Beifall bei der FDP)

Die Kassenkredite der schleswig-holsteinischen Kommunen sind nämlich wegen deren Finanznot in den Jahren 2000 bis 2004 von 62 Millionen € auf 473 Millionen € angestiegen. In immer stärkerem Umfang können die laufenden Aufgaben nur noch auf Pump finanziert werden.

Überhaupt die Finanzen. Ich möchte in diesem Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Finanzierung der staatlichen Aufgaben und die Finanzierung der Selbstverwaltungsaufgaben voneinander getrennt werden müssen. Es kann nicht sein, dass Kreise zu etwa 80 % bis 90 % mit Landesaufgaben beschäftigt sind und sich diese Arbeit über die Kreisumlage finanzieren lassen. So weit ist es schon gekommen: Die Gemeinden finanzieren die Durchführung staatlicher Aufgaben!

Ich hoffen, dass Staatssekretär Schlie, wenn er irgendwann sein Aufgabenübertragungspaket präsentiert, auch einen konkreten Finanzierungsvorschlag unterbreitet, der vieles wieder geraderückt.

Nun komme ich aber zurück zum Gesetzentwurf. Der Gesetzentwurf regelt die künftige Struktur der Ämter. Diese muss sich nicht an Kreisgrenzen orientieren. Das Gebiet eines Amtes kann sich also über mehrere Kreise erstrecken. Ihre Regelgröße liegt bei 8.000 Einwohnern, für hauptamtlich verwaltete Ämter ist dies allerdings die Mindestgröße. Die Einführung hauptamtlicher Amtsverwaltungen bedarf aber der Genehmigung des Innenministers und da wird es nun interessant.

Durch diesen Genehmigungsvorbehalt kann das Innenministerium künftig die angeblich bis Ende 2006 freiwilligen Ämterfusionen so steuern, wie es ihm beliebt. Passt eine freiwillig angestrebte Fusion nicht ins Konzept oder droht eine Verwaltungseinheit links oder rechts liegen zu bleiben, gilt der Wille vor Ort nicht mehr. Dann gibt es ein Veto. Es wird im Jahre 2007 zwangsfusioniert oder besser: zwangsbeglückt. Ehrlicher wäre es vom Innenminister, wenn er einmal die Hosen herunterließe, indem er die Pläne aus der Schublade holt und den Kommunen mitteilt, wie sich seiner Meinung nach die Verwaltungseinheiten zukünftig darstellen sollten.

Der Städteverband legt in zutreffender Weise gleich nach. Er moniert zu Recht, dass die Änderungsbestimmungen zur Amtsordnung für die Zukunftsgestaltung wesentliche Informationen nicht enthalten, um bereits in der Freiwilligkeitsphase den Städten eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für die Verwaltungsstruktur an die Hand zu geben.