Protocol of the Session on November 10, 2005

der das dann standardisierte Beschwerdemanagement der Bürgerbeauftragten, des Petitionsausschusses und der neu zu schaffenden Beschwerdestellen in den verschiedenen Behörden koordiniert.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Guter Vor- schlag! - Zuruf des Abgeordneten Karl- Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Hentschel, Sie können gern später das Wort ergreifen. - Damit konterkarieren wir dann endgültig alle Bemühungen der Regierungskoalition um Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau.

(Beifall bei der CDU)

Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Hentschel, warten Sie es doch ab! - sind das Fundament für Bürgerfreundlichkeit und Kundenorientierung. Der Staat kann nicht über die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit hinaus neue Stellen einrichten. Selbstverständlich - da gehen wir wieder konform - haben die Bürgerinnen und Bürger einen

Rechtsanspruch auf umfassende Information, unterstützende Beratung und selbstverständlich auf Gewährung ihrer Leistungsansprüche. Wir werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei CDU und SPD)

Für die Fraktion der SPD erteile ich dem Herrn Abgeordneten Klaus-Peter Puls das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPDLandtagsfraktion hält einen staatlich verordneten Behördenknigge für bürokratischen Unsinn.

(Beifall bei SPD und CDU)

Der Antrag der Grünen, Standards für Bürgerfreundlichkeit und Kundenorientierung landesweit verbindlich zu vereinbaren, ist von A bis Z - A wie Anmaßung und B wie Zumutung -

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Und was ist Z?)

genau das: Anmaßung und Zumutung gegenüber der überwältigenden Mehrheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst des Landes und der Kreise, Städte, und Gemeinden, für die Bürgerfreundlichkeit keine lästige und lässliche Verpflichtung, sondern tägliche Selbstverständlichkeit ist.

(Beifall bei SPD und CDU)

Es ist richtig, dass im Tätigkeitsbericht unserer Bürgerbeauftragten für soziale Angelegenheiten Einzelfälle abweichenden und in der Tat kritikwürdigen Behördenverhaltens aufgezeigt werden. Einzelfälle als Begründung für eine generelle Standardisierung bürgerfreundlichen Behördenhandelns heranzuziehen, halten wir indes für sachlich nicht gerechtfertigt; das ist weit über das Ziel hinausgeschossen.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Kubicki [FDP]: Unglaublich!)

Kann man, Herr Kollege Kubicki, Bürgerfreundlichkeit überhaupt standardisieren? Es geht doch in der Verwaltungspraxis - so auch die Bürgerbeauftragte in ihrem Jahresbericht 2004 - „im Kernbereich um den Umgang der Behörden mit Bürgerinnen und Bürgern, um Fragen des Stils und der respektvollen Kommunikation“. Persönliche Qualifikation ist gefragt. Den Umgang von Menschen mit Menschen durch Verwaltungsvorschriften zu reglementieren, halten wir für abwegig.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

(Klaus-Peter Puls)

Im Übrigen - darauf haben der Kollege Wengler und gestern auch der Kollege Wadephul hingewiesen - wollen wir in allen Verwaltungen unseres Landes nicht mehr, sondern weniger Bürokratie. Wo Einzelfälle zu Recht kritisierten und bemängelten Behördenfehlverhaltens berichtet und angezeigt werden, begrüßen wir die Bereitschaft unserer Bürgerbeauftragten, sich in dieser Funktion als Bürgerbeauftragte konstruktiv einzumischen und „die Verwaltungseinheiten durch Konfrontation mit Beschwerden und durch das Aufgreifen von Missständen dazu zu motivieren, Handlungsmuster zu überdenken, Einstellungen zu revidieren und Fehler zu überwinden“.

Von Standards, Frau Kollegin Heinold, ist an keiner Stelle des Berichts die Rede. Letztlich aber bleibt es doch die ureigene Verantwortung jedes Behördenleiters, Bürgermeisters oder Landrats, in seinem Dienstbereich selbst für bürgerfreundliches und kundenorientiertes Verwaltungshandeln zu sorgen. Insbesondere im Bereich der kommunalen Selbstverwaltung sollte sich das Land tunlichst zurückhalten und den ohnehin schon im Übermaß vorhandenen Vorschriften und Standards nicht auch noch formelle Vorgaben für Menschenführung und Behördenleitung hinzufügen.

(Beifall bei SPD und CDU)

Die SPD-Landtagsfraktion lehnt den Antrag der Grünen ab.

(Beifall bei SPD und CDU)

Für die FDP-Fraktion erteile ich dem Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So ganz habe ich insbesondere die Schärfe in dem Beitrag des Kollegen Puls nicht verstanden; denn aus unserer Sicht greift der Antrag der Fraktion der Grünen ein wichtiges Thema auf. Es geht in diesem Antrag um den Umgang öffentlicher Stellen mit den Bürgerinnen und Bürgern und um das Selbstverständnis des Mitarbeiters im öffentlichen Dienst als freundlicher Dienstleister gegenüber seinem Kunden, der ja zugleich auch sein Arbeitgeber ist.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Tat ist es so - das kann man hier nicht einfach mit großen Sprüchen wegdiskutieren -, dass die Bürgerbeauftragte für soziale Angelegenheiten, Frau Wille-Handels, eine zunehmende Verschlechterung

des Umgangs von behördlichen Mitarbeitern mit Hilfe suchenden Bürgerinnen und Bürgern beklagt. Das lässt sich nicht wegdiskutieren, auch wenn man es hier ganz laut versucht.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dennoch gebe ich zu, dass der Antrag, wie er hier im Wortlaut vorliegt, eine Gefahr birgt. Wir sollten nicht in den Tenor verfallen, der die Behördenmitarbeiter als grundsätzlich schlecht gelaunte und herablassend agierende Zeitgenossen darstellt. Das hat die Kollegin Heinold in ihrem Beitrag aber auch nicht getan. Das wäre nicht gerechtfertigt. Ich erinnere nur daran, dass es vor wenigen Jahren eine Umfrage im „FOCUS“ gegeben hat, nach der die Schleswig-Holsteinerinnen und Schleswig-Holsteiner im Bundesvergleich zum Beispiel mit ihrer Polizei am zufriedensten waren. Das sind bekanntermaßen auch Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.

Mitarbeiter, die motiviert sind, sind in der Regel auch freundlich und zuvorkommend. Was in den letzten Jahren passiert ist, um die Motivation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufrechtzuerhalten oder sogar zu steigern, wissen wir vermutlich am besten; denn viele von uns haben entsprechende, auch haushaltswirksame Beschlüsse mit gefasst. Ich will auf die Kürzung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes nicht weiter eingehen.

Wir sollten aber eines nicht vergessen, nämlich welche Auswirkungen Hartz IV und die dadurch geschaffenen Arbeitsgemeinschaften auf die Motivation vieler dorthin abgestellter Mitarbeiter haben. Sie sind dort in der Regel nur für einen begrenzten Zeitraum beschäftigt und verfügen nicht über die Aufstiegsmöglichkeiten, die sie beispielsweise vorher in ihrer Stadtverwaltung hatten.

Glauben wir wirklich, dass das Hartz-IV-Gewusel die Motivation dieser Mitarbeiter steigert? Ich glaube das nicht. Wenn dies im Einzelfall dazu führt oder in letzter Zeit vermehrt dazu geführt hat, dass sich der eine oder der andere Mitarbeiter einem Bürger oder einer Bürgerin gegenüber nicht adäquat verhalten hat, dann ist das auf der einen Seite zweifellos unprofessionell. Ich finde, man muss und darf an dieser Stelle sagen: Das ist unprofessionell, mag es auf der anderen Seite auch durchaus menschlich sein. Damit will ich in keinster Weise verharmlosen, wenn sich ein Mitarbeiter gegenüber einem Hilfe Suchenden nicht korrekt verhält. Ich will nur eine etwas andere Sichtweise in die Sache hineinbringen.

Jetzt sollten wir uns vielleicht fragen: Was sind die Konsequenzen, die aus dieser Diskussion gezogen

(Dr. Heiner Garg)

werden sollten? Die Frage ist berechtigt, ob wir tatsächlich Standards für Bürgerfreundlichkeit und Kundenorientierung festlegen wollen. Dann müssten wir im Ausschuss die Frage diskutieren: Was versteht man überhaupt unter solchen Standards? Was ich nicht verstanden habe, Herr Kollege Puls, ist, dass Sie sich gegen einen Behördenknigge aussprechen, aber zu Beginn der 90er-Jahre ein Beamtenleitbild veröffentlicht haben, das nichts anderes als ein solcher heute von Ihnen geschmähter Behördenknigge ist. Sie sollten vielleicht zu dem stehen, was Sie in der Vergangenheit getan haben. Das kann ich wirklich nicht verstehen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Leitbild, von dem Sie sprachen, ist eine pure Ansammlung von Selbstverständlichkeiten, wie wir Ihnen immer vorgeworfen haben. Heute wollen Sie davon nichts mehr wissen. Dafür hätten Sie seinerzeit nicht 1,7 Millionen DM ausgeben müssen.

Frau Kollegin Heinold, die Einhaltung der Standards muss überprüft werden, wenn es Sinn machen soll. Dann müssten wir die Frage klären, ob das möglicherweise zu mehr Binnenverwaltung führt und ob die Motivation der Mitarbeiter dadurch nicht weiter leidet.

Es wird auch interessant sein, was beispielsweise im Innenministerium diskutiert wird - wenn ich in der letzten Sozialausschusssitzung richtig zugehört habe , nämlich professionelles Beschwerdemanagement.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zumindest sollen dort Eckpunkte vorbereitet werden. Auch davon haben offensichtlich weder der Kollege der SPD noch der Kollege der Union etwas gehört. Vielleicht erkundigen Sie sich einmal bei Ihrer eigenen Landesregierung, was dort im Moment geplant ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir jedenfalls wollen uns einer Diskussion um Behördenfreundlichkeit grundsätzlich nicht verschließen. Ich freue mich auf die Diskussion im Ausschuss. Ich hoffe, dass sie dort von den Vertretern der großen Koalition sachlicher geführt wird, als das bislang hier der Fall war.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für die Abgeordneten des SSW erteile ich deren Vorsitzender das Wort, der Frau Abgeordneten Anke Spoorendonk.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vor uns liegende Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN thematisiert einen in der Tat elementaren Aspekt des öffentlichen Lebens, nämlich die Schnittstelle zwischen Staat und Gesellschaft, zwischen Verwaltung und Bürger, Dienstleistern und Kunden oder - altmodisch ausgedrückt - zwischen Obrigkeit und Untertan.

Wie man sieht, können die Rollen, auf die man trifft, recht unterschiedlich sein, abhängig von Zeit, Selbstverständnis und der Seite des Schalters, auf der man steht. Wir haben uns zwar weitgehend vom obrigkeitsstaatlichen Denken verabschiedet, das insbesondere den wilhelminisch-deutschen Staat kennzeichnete. Rudimente dieser Prägung sind jedoch immer noch zu finden. Das zeigen auch die internationalen Vergleiche mit anderen Ländern, die in Bezug auf ein modernes Dienstleistungsverständnis durchaus weiter sind.