Protocol of the Session on September 17, 2009

Sechstens. Mindestlöhne sind keine bundespolitische Frage, sondern sie betreffen auch uns in der Landespolitik sehr wohl. Wir haben gestern darüber gesprochen; Herr Kollege Arp war dabei, er hatte wenig Vergnügen damit, weil er der Einzige war, der bei der Demonstration der Firma Berendsen aus Glückstadt nicht dafür hat werben können, dass auch die Beschäftigten dort Mindestlöhne verdient haben, weil das UK S-H das untergräbt,

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Das haben Sie doch gegründet!)

indem Dumpinglöhne unterstützt werden.

Deswegen macht es einen Unterschied, ob eine SPD-geführte Landesregierung da ist oder eine schwarz-gelbe, weil wir im Bundesrat Initiativen einbringen würden, Mindestlöhne einzuführen statt abzuschaffen oder zu verhindern.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

4 Millionen Menschen haben in Deutschland Gott sei Dank Mindestlöhne dank der Aktivitäten von Olaf Scholz und der Sozialdemokraten in der Bundesregierung. Das haben wir den Christdemokraten schwer genug abtrotzen müssen, die das wieder rückgängig machen wollen gemeinsam mit ihren Freunden von der FDP.

(Zurufe)

- Herr Kollege, Sie wollen das wieder abschaffen habe ich gesagt -, wenn Sie die Gelegenheit dazu hätten.

Siebtens. Mindestlöhne sind eine Frage der Demokratie. Willy Brandt hat einmal gesagt: Die Demo

kratie ist keine Frage der Zweckmäßigkeit, sondern der Sittlichkeit. - Das gilt genau für diesen Punkt. Gerade in der Wirtschafts- und Finanzkrise muss die Lehre doch wohl sein, dass nicht Druck auf Menschen ausgeübt werden darf von Managern, die kurzfristig Renditen erwirtschaften wollen und anschließend Provisionen und Abfindungen kriegen, die von der Steuer abgesetzt werden können, sondern dass die Menschen Löhne und stabile Arbeitsverhältnisse haben und dass sie auf Augenhöhe verhandeln können und nicht Druck ausgeübt wird. Die sogenannten christlichen Gewerkschaften sind weder christlich noch Gewerkschaften, sondern sie sind arbeitgebergestützte Scheingewerkschaften, Lohndrückervereine und halbkriminell.

(Beifall bei der SPD)

Es ist übrigens auch eine Frage der Demokratie, weil die Mehrheit der Bevölkerung für Mindestlöhne ist. Umfragen zufolge sind übrigens zwei Drittel der FDP-Mitglieder und Dreiviertel der CDU-Mitglieder für Mindestlöhne, anders als ihre Führung.

Weil das so ist, wollen wir jedem von Ihnen die Gelegenheit geben, in einer namentlichen Abstimmung, nicht in der Anonymität Ihrer Parteiführung und Parteibeschlüsse, sich dazu zu bekennen, ob Sie für oder gegen Mindestlöhne sind, sodass die Menschen in Schleswig-Holstein wissen, woran sie sich zu halten haben, wenn sie schauen, was der Abgeordnete X oder die Abgeordnete Y gemacht hat.

(Ministerpräsident Peter Harry Carstensen: Sehr schön! Ypsilanti!)

Es gibt in Berlin ein großes Plakat, auf dem steht: „Die große Mehrheit ist für die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns. Wir nicht!“ Darunter steht: www.hungerlohnpartei.de. Da sind die Konterfeis von Frau Merkel, Herrn Westerwelle und Herrn von und zu Guttenberg zu sehen. Das finde ich natürlich eine sehr drastische Form, das stammt nicht von der SPD, wir machen so etwas zurückhaltender.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Schön, dass Sie es hier erwähnen!)

- Ich erwähne das hier, weil das ja viele Berliner sehen. Ich wollte Ihnen einen Gefallen tun, Herr Kollege Wadephul.

(Dr. Johann Wadephul [CDU]: Das gehört zu Ihrem fairen Stil!)

(Dr. Ralf Stegner)

Ich erwähne das deswegen hier, Herr Kollege Wadephul, weil ich glaube, dass das eine Frage ist, wo jeder Abgeordnete und jede Abgeordnete wirklich Farbe bekennen muss. Sie müssen den Menschen sagen: Jawohl, ich bin dafür, dass du, wenn du hart arbeitest, von deiner Arbeit leben und deine Familie ernähren kannst. Oder aber Sie müssen sagen: Nein, ich bin dagegen und will, dass der Staat weiterhin mit den Steuergeldern von allen Hungerlöhne subventioniert und damit dazu beiträgt, dass immer mehr solche Lohnverhältnisse dabei herauskommen, von denen man nicht leben kann.

Für uns ist das eine zentrale Frage sozialer Gerechtigkeit in diesem Land, und wir sind uns mit der großen Mehrheit unseres Volkes einig, dass das richtig ist. Wenn diese große Mehrheit unseres Volkes heute zu einer Mehrheit von Sozialdemokraten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW führt, dann ist das ein guter Tag in diesem Parlament.

(Zuruf von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen)

- Sehr verehrter Herr Carstensen, in diesem Parlament sitzen diese drei Parteien. Lassen Sie doch einmal das mit den „roten Socken“. Das wird Ihnen nicht helfen. Das hat so einen Bart. Herr Ministerpräsident, bekennen Sie sich dazu, dass Sie Mindestlöhne ablehnen. Die Bevölkerung hat am 27. September 2009 die Gelegenheit, darüber abzustimmen. Ich ahne, wie das ausgeht. Dann werden wir einmal gucken, wer am Ende lacht.

Ich freue mich auf die Debatte mit Ihnen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Stegner. - Das Wort für die CDU-Fraktion hat nun der Vorsitzende und Abgeordnete Dr. Johann Wadephul.

Frau Präsidentin! Mein sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Stegner, es mutet schon etwas eigenartig an, dass gerade Sie in dieser Landtagsdebatte uns auffordern, Farbe zu bekennen. Das machen wir beim Thema Mindestlohn natürlich sehr gern, weil die Meinung der Union dazu bekannt ist. Ich werde sie gleich noch einmal darlegen und versuchen, Ihnen das in einer gewissen Differenziertheit zu erklären, weil manches von dem, was sie gesagt haben, schlicht Phrasendrescherei war. Das hilft uns bei der Frage auch nicht weiter.

(Beifall bei CDU und FDP)

Mindestlohn ist wirklich ein Frage, die auch nach allen Föderalismuskommissionen zur Bundesgesetzgebung gehört.

(Beifall der Abgeordneten Sylvia Eisenberg [CDU])

Ich rede gern über diese Themen und werde mich damit - so der Wähler es will - im nächsten Deutschen Bundestag auch beschäftigen. Aber dass Sie als Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten beim Thema Schuldenbremse in der Landesverfassung Schleswig-Holstein hier schweigen, beim Thema HSH Nordbank, wo Sie vom Oppositionsführer direkt einige Fragen präsentiert bekommen haben, schweigen und als Einziges bisher Dreiminutenbeiträge abliefern, wo Sie in der Tat berechtigterweise verdienten Kollegen Ihrer Fraktion Lorbeerkränze geflochten haben - wer so ausfällt in der letzten Sitzung dieses Landtags, kann uns nicht auffordern, hier Farbe zu bekennen!

(Beifall bei CDU und FDP)

Sie weichen auf ein bundespolitisches Allerweltsthema der deutschen Linken aus, was Sie auf das Engste mit der Linkspartei Oskar Lafontaines und Gregor Gysis verknüpft. Lange hat es Widerstand in der Sozialdemokratischen Partei gegen die Mindestlohnforderung gegeben, irgendwann sind Sie an der Stelle umgekippt. Ich glaube, in allen weiteren Fragen wird das wahrscheinlich auch noch geschehen. Es ist bemerkenswert und soll in diesem Hohen Haus auch festgehalten werden: Alles, was das Herz linker Traditionalisten erwärmt, kommt von Ralf Stegner.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Wer so eine dezidiert linke Politik will, soll sie wählen. Wer eine Politik der Mitte für Deutschland und Schleswig-Holstein will, der soll Peter Harry Carstensen und Angela Merkel wählen.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe)

In der Sache will ich gern das aufgreifen, was Sie vorhin gesagt haben: Es ist in der Tat - da sind nicht Sie der Erfinder, auch nicht derjenige, der in diesem Hause der Erste wäre, der darauf hingewiesen hat - ein hohes christliches - Kollege Fischer, das wird Sie als kirchenpolitischer Sprecher Ihrer Fraktion vielleicht interessieren - Anliegen, Menschen aus der Armut zu führen sowie einen anständigen Lohn für anständige Arbeit zu zahlen.

(Dr. Ralf Stegner)

(Beifall des Abgeordneten Konrad Nabel [SPD])

Herr Kollege Nabel, aber die Päpste, die das schon vor Jahrhunderten gefordert haben, waren keine Sozialisten, und die brauchen wir auch heute nicht, um so einen Grundsatz in der deutschen Politik durchzusetzen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Für die Sozialdemokraten - das stellen wir fest - ist der Mindestlohn das Zaubermittel gegen alles, gut gegen Lohndumping, gegen Abhängigkeit von ergänzenden Transferleistungen, gegen Armut.

(Konrad Nabel [SPD]: Sehr gut!)

Dabei sollte allen in diesem Hohen Haus die fatale Nebenwirkung, die der Kollege Stegner gerade missachtet hat, spätestens seit dem Post-Mindestlohn bekannt sein: Entlassene PIN-Mitarbeiter können am Mindestlohn nichts, aber auch gar nichts Zauberhaftes entdecken; sie sind arbeitslos, sie haben Arbeitsplätze verloren. Deshalb gilt der Satz: Sozial ist, was Arbeit schafft.

(Beifall bei CDU und FDP - Zurufe von der SPD)

Für uns als CDU-Fraktion ist die Linie klar: Der Staat - das haben wir bei der HSH Nordbank und anderswo gesehen - ist nicht der bessere Banker, der Staat ist auch nicht der bessere Tarifpartner oder der bessere Lohnfestsetzer, sondern das ist Aufgabe der Tarifvertragsparteien.

(Beifall bei CDU und FDP)

Bei Ihrer Solidarität zu den Gewerkschaften, die Sie immer wieder verspüren, unterstützen Sie doch die Gewerkschaften dabei, deren Job es ist, mit den Arbeitgebern Lohn auszuhandeln! Da hat sich der Staat in keiner Weise einzumischen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, vorhin haben wir wieder das Friseurbeispiel gehört. Jeder wird aber sicherlich unterschreiben, dass das kein Stundenlohn sein kann. Bei manch einem Haarschnitt ist es sicherlich möglich, mehrer Kunden innerhalb einer Stunde zu bedienen, abgesehen von meinem Kollegen Stritzl - um einmal ein unverdächtiges Beispiel zu wählen.

Ich will mit einer Mär aufräumen, die Sie gerade wieder einmal versucht haben zu verbreiten, Herr Kollege Stegner. Sie erweckten den Eindruck, als ob es in Deutschland erlaubt wäre und es gar keine Sanktionen dagegen gäbe, derart niedrige Löhne zu zahlen. Hierzu gibt es eine gefestigte Recht

sprechung. Das sage ich Ihnen als Arbeitsrechtler. Es gibt eine gefestigte Rechtsprechung aller Arbeitsgerichte in Deutschland. Diese wird auch durchgesetzt, wenn man es denn will. Danach müssen zwei Drittel eines jeweiligen Tariflohnes gezahlt werden. Alles darunter ist sittenwidrig. Das kann auch durchgesetzt werden.