Protocol of the Session on September 17, 2009

sprechung. Das sage ich Ihnen als Arbeitsrechtler. Es gibt eine gefestigte Rechtsprechung aller Arbeitsgerichte in Deutschland. Diese wird auch durchgesetzt, wenn man es denn will. Danach müssen zwei Drittel eines jeweiligen Tariflohnes gezahlt werden. Alles darunter ist sittenwidrig. Das kann auch durchgesetzt werden.

Das führt dazu, dass beispielweise eine Angestellte eines Textildiscounters, die jahrelang 5,20 € pro Stunde bekommen hat, eine Nachzahlung von über 10.000 € durchgesetzt hat, weil der Stundenlohn im nordrhein-westfälischen Einzelhandel bei 9,82 € brutto liegt. Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Eindruck ist schlichtweg falsch, als wären solche Menschen in Deutschland bei einer derart ausgefeilten arbeitsgerichtlichen Rechtssprechung rechtlos. Das ist eine Volksverdummung, und das muss richtiggestellt werden.

(Beifall bei CDU und FDP)

Dann kommen wir zu der Frage -

(Zuruf von der SPD)

- Wenn ein gesetzlicher Mindestlohn nicht gezahlt würde, müsste auch geklagt werden. Herr Kollege Baasch, so viel sollten mittlerweile auch Sie von unserem Rechtsstaat verstanden haben. Es gibt jedoch eine Menge gesetzlicher Vorschriften, an die sich die Menschen nicht halten. Darüber kann ich Ihnen eine Menge erzählen.

Nun stellt sich die Frage, welcher gesetzliche Mindestlohn der richtige ist. - Herr Kollege Stegner, dazu haben Sie in der Debatte nichts gesagt. Dabei fängt die Streiterei an, die wir übrigens auch schon in der neuen Mindestlohnkommission unter dem Vorsitz des ehemaligen SPD-Politikers Klaus von Dohnanyi führen. DGB-Chef Sommer fordert einen Mindestlohn von 7,50 €. Die Sinnhaftigkeit dieser Forderung wird von anderen Mitgliedern dieser Kommission bestritten. Die Linke fordert bekanntlich 10 €. Das heißt, wir würden es den Koalitionsverhandlungen von Herrn Stegner und einigen politischen Verrückten in der Linkspartei in SchleswigHolstein überlassen, welcher Mindestlohn in Schleswig-Holstein gezahlt werden soll.

Meine Damen und Herren, wer das den Menschen ernsthaft als eine bessere Form der Lohnfindung verkaufen will, der soll das meinetwegen auch in einer namentlichen Abstimmung im Landtag Schleswig-Holstein darstellen. Damit gewinnen wir jede Wahl.

(Beifall bei CDU und FDP)

(Dr. Johann Wadephul)

Vor einigen Tagen war ich am Brahmsee und bin am Hause des früheren Bundeskanzlers Helmut Schmidt vorgefahren. Dabei dachte ich an die heutige Debatte und überlegte mir, ein Zitat von Helmut Schmidt - ein anerkannter Sozialdemokrat, den auch Sie kürzlich besucht haben und mit dem Sie sich für Ihr Parteiblättchen ablichten ließen - herauszusuchen. Über dieses Thema hätten Sie einmal mit ihm sprechen sollen. Mit der freundlichen Genehmigung der Präsidentin darf ich Helmut Schmidt zitieren:

„Wenn Sie den Mindestlohn zu hoch ansetzen, dann provozieren Sie Schwarzarbeit, oder Sie provozieren die Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Wenn Sie ihn zu niedrig ansetzen, dann provozieren Sie Frühverrentung oder freiwillige Arbeitslosigkeit.“

Wo der Sozialdemokrat Helmut Schmidt recht hat, hat er recht, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Damit steht er übrigens nicht allein.

(Dr. Ralf Stegner [SPD]: Das ist nur kein Ar- gument gegen Mindestlöhne!)

- Das waren zwei ganz klare Argumente gegen Mindestlöhne. So äußert sich nicht nur Helmut Schmidt, sondern auch der Vorsitzende der IG BCE, Hubertus Schmoldt. Ihn als Gewerkschaftler sollten Sie vielleicht noch ernst nehmen, wenn Sie für Gewerkschaften noch etwas ausrichten wollen. Es stellt sich sonst die Frage, was Sie letztlich noch regeln wollen. Er ist der Auffassung, dass gesetzlicher Mindestlohn das deutsche Tarifmodell untergräbt und die Gewerkschaften bei ihrer ureigensten Aufgabe der Lohnfindung schwächt.

Die deutsche Tarifautonomie, die durch Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes garantiert ist, ist ein hohes Verfassungsgut, um das uns viele beneiden. Viele, die einen Mindestlohn eingeführt haben, haben das deswegen gemacht, weil sie keine starken Gewerkschaften haben, die die Arbeitnehmerrechte wahrnehmen. Die CDU steht hinter den Gewerkschaften und traut ihnen zu, die Lohnfindung durchzuführen. Sie will, dass sie weiterhin ihre Kernaufgabe wahrnehmen.

(Beifall bei der CDU)

Sie führen an, alle EU-Länder hätten einen Mindestlohn eingeführt. Diese rein quantitative Betrachtung ist natürlich auch daneben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: Stimmt ja auch gar nicht!)

Wer sich intensiv mit dieser Frage auseinandersetzt, kommt zu dem Ergebnis, dass Mindestlöhne in Rumänien und Polen bei etwa 1 € liegen. In Frankreich liegen sie bei 8,82 €. Infolgedessen ist die Jugendarbeitslosigkeit fast doppelt so hoch wie die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland. Auch das ist mittlerweile anerkannt.

(Zurufe von der SPD)

Viele Franzosen bedauern diesen Umstand. Wir kommen also auf einen interessanten Punkt. Das muss einmal gesagt werden. Sie machen Politik für diejenigen, die Arbeit haben. Wir machen Politik für diejenigen, die Arbeit bekommen sollen. Diese hoffen mittlerweile auf die Union, aber nicht mehr auf Sie.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege, die Zeit ist abgelaufen.

Ich nehme zur Kenntnis, dass meine Redezeit und im Übrigen auch meine Zeit in diesem Hohen Haus abgelaufen ist. Ich bedanke mich für die lebhafte Begleitung meiner Rede. Ich bedanke mich für das gute Miteinander, das wir abgesehen von einigen Zwischenrufen insgesamt in diesem Hohen Haus hatten. Insbesondere bedanke ich mich für das große Vertrauen, das ich auf Vorschlag des Ministerpräsidenten in meiner Fraktion gefunden habe. Wir haben viele schöne und auch viele schwierige Stunden miteinander gehabt. In dieser Stunde denke ich besonders an Monika Schwalm, die mir nach wie vor fehlt.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und FDP)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. Das Wort für die FDP-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Dr. Heiner Garg.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal möchte ich mich beim Spitzenkandidaten der SPD, Herrn Dr. Stegner, dafür bedanken, dass er trotz der ständigen Lügen, die er über Inhalte meiner Partei verbreitet -

(Dr. Johann Wadephul)

Das Wort „Lüge“ ist ein unparlamentarischer Ausdruck. Das habe ich bereits mehrfach zur Geltung gebracht. Das bleibt auch heute so.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das Wort „Lüg- ner“ ist vielleicht unparlamentarisch! Das gilt aber nicht für das Wort „lügen“!)

- Ich bleibe bei meiner Auffassung.

Trotz der permanenten Verbreitung von Unwahrheiten über Inhalte unserer Politik bin ich Herrn Dr. Stegner sehr dankbar, dass er bisher noch nicht behauptet hat, bei einer CDU-FDP-Regierung würde die Sklaverei wieder eingeführt oder das allgemeine Wahlrecht abgeschafft.

(Zurufe von der SPD)

Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW - das muss man feststellen, wenn man dem selbsternannten Arbeiterführer zuhört – bieten heute als sozialpolitische Lösung eines großen Problems den gesetzlichen Mindestlohn an. Ich will Ihnen ganz deutlich sagen, dass ich diese Lösung nicht für geeignet halte, um Menschen mit niedrigem Einkommen treffsicher zu helfen. Statt das angestrebte sozialpolitische Ziel zu erreichen, droht ein erheblicher Abbau von Arbeitsplätzen für niedrig entlohnte Arbeitnehmer. Mit Ihren Eingriffen wider die ökonomische Vernunft nimmt man genau diesen Menschen die Chance zur Teilnahme am ökonomischen und gesellschaftlichen Geschehen. Das ist genau das, was wir nicht wollen.

Was passiert denn bei der Einführung eines flächendeckenden und allgemeinverbindlichen gesetzlichen Mindestlohns? - Nehmen wir einmal einen staatlich festgelegten flächendeckenden und für alle Branchen gültigen Mindestlohn von 10 € an. Wenn der Arbeitnehmer diese 10 € erwirtschaften kann, dann passiert gar nichts. Kann jedoch ein Arbeitnehmer diese 10 € nicht erwirtschaften, ist ein verantwortlich handelnder Unternehmer gezwungen, den Arbeitsplatz abzubauen, will er nicht sein Unternehmen und damit weitere Jobs gefährden. Je niedriger die Qualifikation des Arbeitnehmers, desto höher ist die Gefahr, dass er seine Arbeitskosten nicht wieder hereinholen kann. Der Mindestlohn bedroht somit in erster Linie die Arbeitsplätze Geringqualifizierter, ausgerechnet also jene Gruppe, die es in der Rezession besonders schwer hat,

und das kann nicht im Sinne der Arbeitnehmer sein, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei FDP und CDU)

Mindestlöhne helfen nur denen, die einen mindestlohnpflichtigen Arbeitsplatz bekommen oder einen solchen behalten können. All diejenigen, die wegen des Mindestlohns ihren Arbeitsplatz verlieren oder erst gar keinen bekommen, werden durch den Mindestlohn geschädigt. Wollen Sie das ernsthaft?

Das ifo Institut hat aufgrund der Forderung des DGB nach einem flächendeckenden Mindestlohn in Höhe von 7,50 € ausgerechnet, dass 1,1 Millionen Stellen durch einen solchen Mindestlohn akut gefährdet sind, davon allein 620.000 im Niedriglohnsektor: Wollen Sie diese Stellen wirklich aufs Spiel setzen? Das können wir gern per namentlicher Abstimmung hier entscheiden, wenn Sie das heute so wollen.

In der Diskussion wird - wie auch heute - immer wieder ein Vergleich mit anderen europäischen Ländern oder den USA gezogen. Das Argument in der Diskussion, dort gebe es einen Mindestlohn, und dies habe nicht zu steigender Arbeitslosigkeit geführt, stimmt bedauerlicherweise eben nur zum Teil. Es kommt nämlich ganz entscheidend auf die Höhe des Mindestlohns an.

Nehmen wir die USA! Nach Auskunft des DGB liegt der durchschnittliche Mindestlohn in den USA derzeit bei 4,50 €. Würden wir die 4,50 € in Deutschland als Mindestlohn festlegen, würde dies wohl keine Auswirkungen auf die Arbeitslosigkeit haben. Ich frage Sie: Wollen Sie ein Mindestlohnniveau bei 4,50 €?

Auch andere - europäische - Länder haben Mindestlöhne, die schlicht extrem niedrig sind, und da braucht man gar nicht in den Ostteil der Europäischen Union zu gucken, da reicht ein Blick nach Portugal mit 2,71 €, Spanien mit 3,78 € und selbst Österreich mit 5,99 €. Selbst die Übernahme des Mindestlohns von Großbritannien mit 6,40 € hätte nur begrenzt negative Auswirkungen. Was ein hoher Mindestlohn allerdings anrichten kann - das hat der Kollege Wadephul dargestellt -, zeigt ein Blick nach Frankreich. Hier liegt der Mindestlohn derzeit bei 8,80 €. Was ist die Konsequenz? Dort bleibt vor allem jungen und gering qualifizierten Menschen der Zugang zum Arbeitsmarkt versperrt. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt dort bei 18 % und ist damit fast doppelt so hoch wie in Deutschland, und dafür haben Sie nichts anderes als übles, hämisches Gelächter übrig. So sieht die wahre soziale Kompetenz Ihrer Partei aus.

(Beifall bei FDP und CDU)

Wir wollen das nicht. Und wir machen uns auch nicht mit hämischem Gelächter über diese Menschen lustig, so wie Sie das vorhin getan haben.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Zweitens muss beachtet werden: In all diesen Ländern fehlt faktisch ein mit Deutschland vergleichbares Sozialsystem. Dort ersetzt der Mindestlohn schlicht den fehlenden Sozialstaat. Anders ausgedrückt: Der deutsche Sozialstaat stellt bereits heute faktisch einen Mindestlohn sicher, indem er niedrige Arbeitseinkommen durch ergänzende Transferleistungen aufstockt.

(Zurufe von der SPD)

- Ich freue mich, dass ich bei Ihnen so viel Aufregung verursache, denn die Art, wie Sie sich vorhin hämisch über Arbeitslose lustig gemacht haben, ist schlicht eine Unverschämtheit.