Man muss anerkennen, dass Deutschland bei der kurzfristigen Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten bereits erhebliche Hilfe geleistet hat, an Resettlement-Aktionen im Gegensatz zu anderen europäischen und nordamerikanischen Staaten jedoch nicht teilgenommen hat. In den USA und in Kanada sowie in den skandinavischen Ländern sind regelmäßige Resettlement-Programme bereits Standard.
In Deutschland ist dies rechtlich auch bereits heute möglich. Das Aufenthaltsgesetz bietet in § 23 darüber hinaus schon heute eine ausreichende Rechtsgrundlage. Daher sollten die bereits laufenden Maßnahmen zur Aufnahme irakischer Flüchtlinge in Deutschland im Rahmen des Resettlement-Programms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen nur ein Anfang sein. Wir halten es - wie der Flüchtlingsbeauftragte in seiner Stellungnahme - auch aus humanitären Gründen geboten.
Wir unterstützen dabei ebenfalls die Aufforderung an die Landesregierung, sich bei der Bundesregierung für die weitere regelmäßige Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen eines weiterentwickelten Resettlement-Programms einzusetzen.
Was die von den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ursprünglich aufgeführte Zahl von 700 weiteren Flüchtlingen pro Jahr nach Schleswig-Holstein angeht, wollten wir uns dieser Initiative zwar nicht verschließen, aber es hätte über diesen Punkt noch einer vertieften Anhörung bedurft. Daher haben wir zunächst - wie auch die Kollegen von der CDU und SPD - diesem Punkt nicht zustimmen können. Hier müssen erst noch Fragen der Erstaufnahmekapa
zitäten, die auch bei der Aufnahme im Wege von Resettlement-Flüchtlingen zunächst in Anspruch genommen werden müssten, geklärt werden.
Ebenso ist die spätere Verteilung in die kommunale Ebene ein Thema, das mit den Landesverbänden geklärt werden muss. Den Grundsatzbeschluss für die weitere Verfolgung der Resettlement-Initiative der UNHCR tragen wir jedenfalls mit.
Da beide Anträge eine Mehrheit finden, kann man heute von einem guten Tag für die Flüchtlingspolitik in Schleswig-Holstein reden. Das war, lieber Kollege Puls, in den letzten 21 Jahren, in denen die Sozialdemokraten die Regierung gestellt beziehungsweise mitgestellt haben, nicht immer so, vor allen Dingen nicht in der Zeit, in der das Innenministerium von Ihnen geführt wurde.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Flüchtlinge, die keinen Asylanspruch in Deutschland geltend machen können, aber auch nicht in ihr Heimatland abgeschoben werden können, leben in einem Schwebezustand. Regelmäßig müssen sie sich bemühen, dass ihr Antrag auf Duldung verlängert wird. Eine Duldung nach der anderen mündet in vielen tausend Fällen in eine jahrelange Kettenduldung, die den Betroffenen an die Nieren geht: Einerseits können sie nicht in ihr Heimatland zurück, andererseits dürfen sie in Deutschland nicht Fuß fassen. Man wirft den Flüchtlingen immer wieder einen neuen Rettungsring hin, anstatt ihnen aus dem Wasser zu helfen.
Mittels des Resettlement-Programms soll diese Praxis ergänzt werden, weil sie die absehbare, oftmals Jahre dauernde Hängepartie überspringt und den Flüchtlingen gleich bei ihrer Ankunft ein ernsthaftes Integrationsangebot macht. Lassen wir einmal den Aspekt der irakischen Flüchtlinge weg. Auch das ist vom SSW früher befürwortet worden, und dazu stehe ich immer noch.
land wohnen, dieses überhaupt keine Lösung darstellt, weil es sie schlechtweg nicht betrifft. Für sie wurde die sogenannte Altfallregelung eingeführt, die eine Aufenthaltserlaubnis auf Probe vorsieht, die in eine dauerhafte Erlaubnis umgewandelt werden kann, wenn die Geduldeten ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten können. Doch viele Flüchtlinge scheiterten bereits bei der Antragstellung, weil sie aufgrund ihres Status kein Anrecht auf einen Sprachkurs haben.
Der Flüchtlingsrat wies daneben auf die schleppende Bearbeitung der Anträge auf Verwaltungsebene hin. So hätten viele Jobvermittler aufgrund unzureichender Vorbereitung die Anträge der Betroffenen ohne großes Federlesen auf den Stapel „schwer vermittelbar“ geparkt, sodass keine Chance für die Betroffenen besteht, einen Existenz sichernden Job zu finden. Für sie läuft am Jahresende die Aufenthaltserlaubnis auf Probe aus. Das gilt wohl für über 100 Personen in Schleswig-Holstein, wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Bundestag hervorgeht. Diese Menschen werden am Jahresende in die Duldung zurückfallen und damit ihre Ansprüche auf Qualifikation und Unterstützung einbüßen. Für diesen Personenkreis hat sich bis auf die kurze Atempause nichts verändert.
Der Flüchtlingsbeauftragte hat darauf hingewiesen, dass wir uns in dieser Frage nicht mit Appellen aufhalten dürfen. Die Zeit drängt ganz einfach.
Die Änderung muss bis Ende des Jahres verabschiedet sein, sagte vorhin schon die Kollegin Birk in ihrem Redebeitrag. Ansonsten greift der Automatismus der Altfallregelung, nach dem die Altfälle in die Duldung zurückfallen, wenn sie keinen Job haben.
Ich hatte vor, an die SPD zu appellieren, diesem Antrag zustimmen. Das tut sie bereits. Darüber freue ich mich, denn ich denke, das ist wirklich ein guter Tag für die Flüchtlingspolitik in SchleswigHolstein. Aber besser wird der Tag noch, wenn die Landesregierung auch wirklich dieser Bundesratsinitiative auf den Weg hilft. Wir werden zusehen, dass das auch geschieht.
§ 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung dem Fraktionsvorsitzenden der SPD, Herrn Abgeordneten Dr. Ralf Stegner.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte gern zu dem Thema drei Bemerkungen machen.
Erstens. Was die Flüchtlingspolitik angeht, ist Schleswig-Holstein unter den Bundesländern das Bundesland gewesen und geblieben, das die meisten humanitären Spielräume, die es zugunsten von Flüchtlingen überhaupt gibt, gewahrt hat. Das galt sogar in den Zeiten der Großen Koalition, obwohl das da deutlich schwieriger gewesen ist, weil unser Partner da etwas anderes wollte. - Das ist die erste Bemerkung.
Zweitens. Herr Kollege Kubicki, lassen Sie mich das sagen: In den Ländern, in denen die FDP mitregiert oder gar den Innenminister stellt, wie in Nordrhein-Westfalen, ist das anders. Um das einmal so zu sagen: Das Land, das die restriktivste Flüchtlingspolitik überhaupt in der Bundesrepublik betreibt, ist das Land Niedersachsen. Das ist von einer schwarz-gelben Regierung geführt. Da haben Sie auch Anteile. Insofern sollten Sie sich hier nicht hinstellen und dicke Backen bei dem Thema machen; denn für eine humanitäre Flüchtlingspolitik haben insbesondere Sozialdemokraten gestanden.
Drittens. Erlauben Sie mir die Gelegenheit zu nutzen, mich von dieser Stelle bei dem Kollegen Klaus-Peter Puls zu bedanken, der heute nach vielen Jahren der Zugehörigkeit hier im Parlament seine letzte Rede gehalten hat und dieses Thema für uns immer sachkundig und kompetent vertreten hat.
Das Wort für einen weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich wiederhole meinen Satz von vorhin, Herr Dr. Stegner: Fünf Sätze, drei Lügen! Sie wissen, dass das falsch ist, dass Niedersachsen die restriktivste Flüchtlingspolitik betreibt. Aber darauf kommt es mir momentan gar nicht an. Ich finde das ganz toll, dass in Schleswig-Holstein immer die fortschrittlichste Flüchtlingspolitik betrieben worden ist, was
ich jedenfalls nicht habe erkennen können und mit mir einige andere Kolleginnen und Kollegen dieses Hohen Hauses auch nicht. Sonst hätten wir uns nicht dauernd mahnende Worte des Flüchtlingsbeauftragten, der auch aus Ihrer Partei kommt, ins Stammbuch schreiben lassen müssen.
Aber ich möchte daran erinnern - das ist ganz wichtig - dass die Malaise, die wir jetzt haben und mit der wir uns beschäftigen müssen, von Rot-Grün, als Sie in der Bundesregierung waren, deshalb nicht beseitigt worden ist, weil der damalige Innenminister Otto Schily massiv dagegen war. Es waren die Sozialdemokraten auf Bundesebene, die eine vernünftige Regelung verhindert haben, weshalb wir uns hier mit lauter Krücken beschäftigen müssen, die wir hätten beseitigen können, wenn unter RotGrün - das ist kein Vorwurf an die Grünen - eine entsprechende bundesgesetzliche Regelung ins Werk gesetzt worden wäre. Also, kommen Sie nicht hierher, und spielen sich auf, als wären Sie die besseren Flüchtlingspolitiker als alle anderen!
Das Wort für einen weiteren Beitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erhält der Fraktionsvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Abgeordneter Karl-Martin Hentschel.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Flüchtlings- und Einwanderungspolitik ist, glaube ich, ein ausgesprochen schwieriges Thema. Es beschäftigt mich seit vielen Jahren. Ich bin sehr froh, dass wir heute eine solche Resolution gemeinsam hinkriegen. Ich weiß, dass das Thema leicht anfällig für Populismus ist. Wir wissen alle, dass es ein schwieriges Thema ist und dass leicht damit Wahlkampf gemacht werden kann. Ich finde es gut - das geht auch an die Union hier in Schleswig-Holstein -, dass die Union auch in den letzten Wahlkämpfen nicht dem Versuch erlegen ist, damit Politik zu machen, wie das in anderen Bundesländern der Fall war.
Ich finde es schade, dass Sie heute nicht zustimmen können. Aber ich möchte durchaus meinen Respekt dafür aussprechen, dass diese billige Art von Politik nicht betrieben worden ist.
Ich weiß auch, dass es teilweise auch für die Sozialdemokratie schwierig ist; das ist völlig klar. Und dass die Situation in anderen Bundesländern anders ist, wissen wir auch. Ich sehe durchaus, dass in Schleswig-Holstein in vielen Bereichen Dinge liberaler oder freundlicher gehandhabt worden sind als in anderen Bundesländern. Aber ich sehe auch, dass es auch in Schleswig-Holstein erhebliche Probleme gibt, wenn ich zum Beispiel an die Betreuung von minderjährigen Jugendlichen denke, wenn ich an die Situation in Neumünster denke. Es gibt noch vieles zu tun, was wir tun könnten.
Das Bleiberecht ist für mich ein Herzensanliegen. Es kann nicht sein, dass Ende dieses Jahres praktisch qua Datum Tausende von Menschen in der Bundesrepublik ihr Aufenthaltsrecht verlieren. Das wäre wirklich furchtbar.
Ich möchte noch etwas zu den Zahlen zum Resettlement sagen, weil das von Herrn Kubicki angesprochen worden ist. Ich respektiere, dass man darüber eine Anhörung machen möchte und dass man sich das genauer anguckt. Ich gehe von folgender Überlegung aus: Wenn wir 200.000 Menschen pro Jahr die Möglichkeit der Einwanderung nach Deutschland geben, dann heißt das, dass wir nicht in der Lage sind, unsere Bevölkerungsverluste durch geringe Geburtenzahlen auszugleichen. Wir werden dann trotzdem in den nächsten 30 Jahren einen massiven Bevölkerungsrückgang haben, selbst wenn wir jedes Jahr 200.000 Einwanderer haben. Das sagen die statistischen Zahlen. Die Frage ist: Wollen wir das, und wenn wir es wollen, wie kriegen wir eine vernünftige Integration, wie kriegen wir eine vernünftige Steuerung hin?
Ich gehe davon aus, dass man es quotieren sollte, dass man 100.000 Einwanderer im Sinne einer Green Card zulassen sollte, die sich bewerben können, wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, und die dann auch entsprechend selber die Voraussetzungen dafür liefern sollten, dass eine Integration ohne Probleme stattfinden kann.
Ich gehe davon aus, dass weitere 100.000 Menschen über Flüchtlingskontingente und andere Kontingente aufgenommen werden sollten, wobei ich das Resettlement-Programm das absolut span
nendste finde, weil es ein Programm ist, das anders als die bisherigen Programme nicht auf vorübergehenden Aufenthalt, sondern von Anfang an auf eine feste Eingliederung in Deutschland, in den Kommunen abzielt.