Protocol of the Session on September 16, 2009

Bereits 40 Städte in ganz Deutschland nehmen an der Kampagne „Save me - Flüchtlinge aufnehmen!“ teil. 4781 Menschen unterstützen das Projekt persönlich. In Schleswig-Holstein hat die Stadt Kiel beschlossen, Flüchtlinge aus einem Resettlementprogramm aufzunehmen. Lübeck, Reinbek und Pinneberg machen bereits Veranstaltungen im Rahmen der sogenannten Save-Heaven-Kampagne.

Nun komme ich zu unserem Verfahrensvorschlag: Auf unseren Antrag für Humanität und Menschenrechte konnten sich alle Fraktionen einigen, nur die CDU steht nach wie vor mit ihrer ablehnenden Haltung allein da. Für den Tagesordnungspunkt 30 das war die Verlängerung der Altfallregelung - beantrage ich, dass über unseren Antrag und nicht über die Beschlussempfehlung, Frau Präsidentin, abgestimmt wird, also im ersten Fall Beschlussempfehlung-Abstimmung und im zweiten Fall - nämlich Tagesordnungspunkt 30 - Abstimmung über unseren ursprünglichen Antrag.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Angelika Birk)

Ich danke der Frau Abgeordneten Birk und erteile für die CDU-Fraktion Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu Tagesordnungspunkt 30 haben wir uns in den Fraktionsarbeitskreisen und im Innenund Rechtsausschuss intensiv beschäftigt. Ich brauche nicht noch einmal auf den Inhalt einzugehen, denn Frau Birk hat das freundlicherweise schon getan.

Im Rahmen der Beratungen ist noch einmal klar geworden, dass der im Antrag bezeichnete Personenkreis, für den über eine Bundesratsinitiative eine Fristverlängerung erwirkt werden soll, seit Ende August 2007 bereits allen anderen Arbeitsuchenden in Deutschland gleichgestellt ist. Außerdem weist § 104 a bereits erhebliche Ermessensspielräume für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Rahmen von Einzelfallbetrachtungen aus.

Darüber hinaus gibt es eine Reihe von Härtefallregelungen für zum Beispiel Auszubildende, Familien mit Kindern, Alleinerziehende und Erwerbsunfähige, die zunächst ausgeschöpft werden können. Alle diese Möglichkeiten werden vom Innenministerium bereits genutzt, wie in der Anhörung zu erfahren war. Im Übrigen räumt der Vertreter des Innenministeriums einer derartigen Bundesratsinitiative kaum eine Chance ein und empfiehlt das Verfahren, das das Innenministerium bisher schon praktiziert. Insofern halte ich es für richtig, dass wir uns im Innen- und Rechtsausschuss für eine Entschließung ausgesprochen haben, die übrigens weitestgehend aus der Feder des von mir sehr geschätzten Kollegen Puls stammt. Daher werden wir bei der Ablehnung des Antrags der Grünen bleiben, denn diese Kompromisslösung steht offensichtlich nicht mehr zur Debatte.

Zum zweiten Antrag, um den es hier geht, möchte ich nur auf Folgendes hinweisen: Ausgangspunkt sind das vom UNHCR im letzten Jahr veröffentlichte Resettlementkonzept sowie der Beschluss der Innenministerkonferenz vom 5. Dezember 2008, 2.500 Flüchtlinge aus dem Irak auf dieser Basis aufzunehmen. Diese beiden Weichenstellungen sind zweifellos richtig und von Bedeutung. Die nun von den Grünen propagierte neue Flüchtlingspolitik dagegen erschöpft sich in einer wenig sorgfältigen

Adaption von Konzepten Dritter und einer ungeprüften Ausweitung von Kontingenten.

Die Einlassungen unseres Kollegen Matthiessen leider ist er nicht im Raum - zur niederdeutschen Kultur haben mich auf eine Anmerkung gebracht. In Position 2 dieser Resolution im Spiegelstrich 4 heißt es - ich darf mit Erlaubnis der Präsidentin zitieren -:

Es muss eine Regelung über finanzielle Förderung der Kommunen durch das Land, den Bund oder die EU erstellt werden.

Wenn ich das richtig interpretiere, ist das ausgabenträchtig, und mich würde durchaus interessieren, was denn Frau Heinold zu dieser Ausgabe sagt, die hier in keiner Weise spezifiziert wurde.

(Beifall bei der CDU)

Ich stehe deshalb auf dem Standpunkt, dass wir die Ergebnisse des gerade anlaufenden ResettlementProjekts abwarten sollten, um sie mit der gebotenen Sorgfalt bewerten und gegebenenfalls nachsteuern beziehungsweise das Projekt verlängern zu können. Das wäre allemal besser, als das Projekt bereits zu diesem Zeitpunkt durch überzogene Forderungen zu gefährden. Die CDU wird diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Wengler und erteile für die SPD-Fraktion Herrn Abgeordneten KlausPeter Puls das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Landtagsfraktion befürwortet eine Verlängerung der Altfallregelung für Flüchtlinge über den 31. Dezember 2009 hinaus. Wir stimmen heute für den Antrag der Grünen, mit dem die Landesregierung beauftragt werden soll, sich im Rahmen einer Bundesratsinitiative für flüchtlingsfreundliche Fristverlängerungen im Aufenthaltsgesetz des Bundes einzusetzen. Im Innen- und Rechtsausschuss waren wir am 16. Juli 2009 aus koalitionsvertraglichen Gründen daran noch gehindert.

Der Ausschuss hat dem Landtag am 16. Juli 2009 außerdem und sozusagen hilfsweise von mir selbst formuliert - der Kollege Wilfried Wengler hat eben darauf hingewiesen - eine Entschließung zur Annahme empfohlen, die darauf abzielt, alle bei derzeitig unveränderter Bundesrechtslage vorhandenen

untergesetzlichen Möglichkeiten der Landesregierung auszuschließen, um für die Inhaber von Probeaufenthaltserlaubnissen den Aufenthalt in Schleswig-Holstein über den 31. Dezember 2009 hinaus zu verlängern. Das ist weniger als die mit dem Grünen-Antrag angestrebte Änderung des Bundesrechts, kann aber hier als Ergänzung zum Antrag der Grünen - ich habe das eben auch mit den Mitgliedern der Grünen-Fraktion besprochen - ebenfalls beschlossen werden. Wir werden auch der Entschließung zustimmen.

Den Grünen-Antrag zum Resettlement für eine neue Flüchtlingspolitik habe ich schon in der ersten Lesung als gute und aus der Sicht der SPDLandtagsfraktion unterstützungswürdige Initiative bezeichnet. Heute können wir auch hier gegen die CDU stimmen, für den Grünen-Antrag und die entsprechende Ausschussempfehlung.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Wir begrüßen mit den Grünen die Aufnahme irakischer Flüchtlinge im Rahmen des ResettlementProgramms des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen. Wir sind mit den Grünen der Meinung, dass die Landesregierung aufgefordert werden sollte, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, dass in Zukunft regelmäßig Flüchtlinge im Resettlement-Verfahren aufgenommen werden. Wir halten es mit den Grünen auch für richtig, den Innenminister aufzufordern, mit dem Netzwerk „Safe Haven“ und den Kommunen gemeinsam in Beratungen einzutreten, wie die Aufnahme von Flüchtlingen von Anfang an so gestaltet werden kann, dass die schnelle Integration der Flüchtlinge in den Kreisen und Städten sichergestellt wird.

Zur weiteren Begründung unserer Position beziehe ich mich auf die Stellungnahme unseres Beauftragten für Flüchtlings-, Asyl- und Zuwanderungsfragen, Wulf Jöhnk, dem ich gleichzeitig von dieser Stelle - aus für mich gegebenem Anlass - namens der SPD-Landtagsfraktion und sicherlich auch des ganzen Hauses für seine langjährige verdienstvolle Arbeit herzlich danken möchte.

(Beifall)

Wir teilen die Auffassung des Flüchtlingsbeauftragten, dass das deutsche Ausländerrecht im Aufenthaltsgesetz eine ausreichende Rechtsgrundlage für eine Aufnahme, Zusage und Erteilung eines sicheren Aufenthaltsstatus für Flüchtlinge im Rahmen einer Resettlement-Aktion bietet. Wir teilen die Auffassung des Flüchtlingsbeauftragten, dass unabhängig von der Rechtslage die Zustimmung zu einem Resettlement-Programm aus humanitären

Gründen geradezu geboten ist. Bei den Flüchtlingen, die für eine Resettlement-Aktion in Betracht kommen, handelt es sich nach der zuverlässigen Beurteilung durch den UNHCR um Betroffene, die in hohem Maße schutz- und hilfsbedürftig sind und die nach den verfassungsrechtlichen und anderen rechtlichen Grundsätzen der Bundesrepublik Deutschland Asyl oder Flüchtlingsschutz beanspruchen könnten.

Wir teilen schließlich auch die Auffassung des Flüchtlingsbeauftragten, dass für eine Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen eines ResettlementProgramms speziell in Schleswig-Holstein auch der Umstand spricht, dass sich in Schleswig-Holstein unter dem Namen „Safe Haven“ eben dieses Netzwerk gebildet hat, das nicht nur Resettlement-Programme fordert, sondern bereit ist, bei der Umsetzung derartiger Programme konkret mitzuhelfen.

Das ist unsere Position zu den beiden Anträgen der Grünen. Wir haben in den vergangenen viereinhalb Jahren nicht immer im Sinne ausländerfreundlicher Politik agieren können,

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Davor auch schon nicht!)

weil wir uns - wie gesagt - in einer Koalition befanden, in der unser Partner eher - ich will es einmal vorsichtig ausdrücken –

(Zuruf von der CDU: Ja?)

nur mit vorsichtiger Aufnahmebereitschaft diese Themen behandelt hat. Deswegen sind wir froh, dass wir in der letzten Sitzung noch zwei solche Anträge mit unterstützen können.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Puls und erteile für die FDP-Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Puls, Sie wissen ja, dass ich Sie schätze. Deshalb gleich vorweg die Bemerkung: Es war auch schon vor der Großen Koalition so, dass die Sozialdemokraten gelegentlich bei der Frage einer vernünftigen Flüchtlingspolitik reserviert waren.

(Klaus-Peter Puls)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die FDP unterstützt beide Beschlussempfehlungen im Bereich der Flüchtlingspolitik.

(Beifall des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Das ist ja nichts Neues; das haben wir früher auch schon gemacht.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich weiß, dass es Ihnen schwer- fällt, in dieser Koalition!)

- Herr Kollege Hentschel, Sie befinden sich genau wie die Union in einem Irrtum. Wir befinden uns noch in keiner Koalition. Das soll erst noch vereinbart werden.

(Zuruf des Abgeordneten Karl-Martin Hent- schel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Herr Kollege Stegner, mit Ihnen will ja keiner eine Koalition bilden, insofern haben Sie das Problem nicht. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so freuen, aber vielleicht freut Sie gerade das, dass Sie gar nicht in die Verlegenheit kommen, mit uns verhandeln zu müssen.

Die FDP unterstützt beide Beschlussempfehlungen. Aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation ist aus unserer Sicht eine Verlängerung der sogenannten Altfallregelung für Flüchtlinge angebracht. Auch die Initiative zur künftigen Gestaltung des sogenannten Resettlements findet unsere grundsätzliche Unterstützung.

Zunächst zur Altfallregelung: Durch die Altfallregelung soll Geduldeten, die sich bereits langjährig in unserem Land aufhalten und sich hier integriert haben, die Chance gegeben werden, auch die Integration in den Arbeitsmarkt zu bewältigen. Wenn die Betroffenen nach der jetzt geltenden Regelung nicht bis zum 31. Dezember 2009 nachweisen können, dass sie ihren und den Lebensunterhalt der Familie „überwiegend eigenständig“ gesichert haben, geht die Aufenthaltserlaubnis auf Probe verloren. Dann drohen wieder Kettenduldungen und nicht durchsetzbare Ausreisepflichten. Familien sitzen wieder auf gepackten Koffern und wissen nicht, ob und wann sie gegebenenfalls ausreisen müssen und das über Wochen, Monate und Jahre.

Wir haben in den vergangenen Debatten alle vielfach betont, dass dieser Zustand mit der Menschenwürde nur schwerlich in Einklang zu bringen ist. Der Flüchtlingsrat wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass von den 505 Personen, die im Frühjahr 2009 eine Aufenthaltserlaubnis nach der

Altfallregelung erhalten hätten, 391 Personen oder 77 % diese nur auf Probe erhalten hätten. Diese wären insbesondere aufgrund der angespannten Arbeitsmarktsituation durch die Finanzkrise nun verstärkt von einem Rückfall in die Kettenduldung bedroht. Es ist daher richtig, wenn der Landtag heute beschließt, dass die Landesregierung sich mit allen Möglichkeiten für eine Verlängerung einsetzt.

(Vereinzelter Beifall bei FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SSW)

Beim Thema Resettlement trägt die FDP ebenfalls die wesentlichen Punkte des ursprünglichen Antrags der Grünen mit. Durch das sogenannte Resettlement soll Flüchtlingen, die in ihrem Erstaufnahmeland keinen dauerhaften Schutz finden und die auch nicht mehr in ihr Herkunftsland umgesiedelt werden können, durch Umsiedelung in einen so genannten Aufnahmestaat eine neue Lebensperspektive eröffnet werden.

Man muss anerkennen, dass Deutschland bei der kurzfristigen Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten bereits erhebliche Hilfe geleistet hat, an Resettlement-Aktionen im Gegensatz zu anderen europäischen und nordamerikanischen Staaten jedoch nicht teilgenommen hat. In den USA und in Kanada sowie in den skandinavischen Ländern sind regelmäßige Resettlement-Programme bereits Standard.