Protocol of the Session on September 16, 2009

(Beifall)

Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Gibt es Wortmeldungen zum Bericht? - Das ist nicht der Fall. Dann eröffne ich die Aussprache. Das Wort für die CDU-Fraktion hat Herr Abgeordneter Tobias Koch.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben den Ersten Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im Juni einstimmig eingesetzt, weil wir ein gemeinsames Interesse daran haben, die Vorkommnisse bei der HSH Nordbank vollständig aufzuklären. Von diesem gemeinsamen Anliegen ist auch die bisherige Arbeit des Untersuchungsausschusses gekennzeichnet. Alle bisher gefassten Entschlüsse wurden einstimmig getroffen.

Mittlerweile füllen die angeforderten Unterlagen Dutzende Aktenordner und umfassen mehrere tausend Seiten Papier. In der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit hat der Untersuchungsausschuss die entscheidende Basis für die weitere Aufklärungsarbeit gelegt. Ich stelle für meine Fraktion fest: Die Arbeit des Untersuchungsausschusses wird nach der Wahl fortgesetzt.

(Hans-Jörn Arp)

(Beifall bei CDU, FDP sowie der Abgeord- neten Jürgen Weber [SPD] und Lars Harms [SSW])

Mein besonderer Dank gilt heute dem Ausschussvorsitzenden Hans-Jörn Arp sowie seinem Stellvertreter Wolfgang Kubicki.

(Beifall bei der CDU und der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN])

Beide haben mit besonderem Einsatz und Engagement bis hin zur Androhung von Zwangsmitteln dafür gesorgt, dass die vom Ausschuss angeforderten Unterlagen heute fast vollständig vorliegen.

Wir haben aber nicht nur Akten gewälzt, sondern auch die Betroffenen, also die Bank selbst sowie die Vorstandsmitglieder und die Aufsichtsräte, hatten die Möglichkeit zu einer Stellungnahme vor dem Ausschuss. Das Schuldeingeständnis der HSH Nordbank, das am vorletzten Montag abgelegt wurde, ist ein erstes wichtiges Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses.

Vieles, was sonst erst mühsam hätte ermittelt werden müssen, liegt jetzt offen auf dem Tisch. Insofern kann man schon jetzt sagen: Der Untersuchungsausschuss hat wesentlich zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen.

(Jürgen Weber [SPD]: Sehr optimistische Formulierung!)

Der Untersuchungsausschuss soll und wird allerdings nicht nur den Sachverhalt klären, sondern auch das Handeln der Mitglieder unserer Landesregierung daraufhin untersuchen, ob ihr Handeln darauf abzielte, die Interessen des Landes zu vertreten und Schleswig-Holstein vor finanziellem Schaden zu bewahren. Wenn man die Krise aus heutiger Sicht betrachte, dann sind die Fehlentwicklungen allzu offensichtlich. Wie konnte es dazu kommen? Die Antwort ist schlicht: Die Risiken wurden damals nicht erkannt. Wie der Justiziar der HSH Nordbank erklärte, betrachtet man insbesondere das Kreditersatzgeschäft als risikoarmen Ertragsbringer - ein folgenschwerer Fehler, wie wir heute wissen. Heide Simonis hat es im Rückblick auf ihre Zeit als damalige Aufsichtsratsvorsitzende so formuliert: „Wir waren wie besoffen vom Erfolg.“

Nach dem jetzt vorliegenden Kenntnisstand wird deutlich, dass die entscheidenden Weichenstellungen bereits im Anschluss an die Fusion im Jahr 2003 vollzogen wurden. Damals wurde entschieden, die Restlaufzeit der Gewährträgerhaftung zum Aufbau zusätzlicher Liquidität zu nutzen. Damals

wurde entschieden, das Kreditersatzgeschäft aktiv zu managen; und damals wurde entschieden, Zweckgesellschaften im Ausland zu gründen, um die in Deutschland geltenden Eigenkapitalanforderungen gezielt zu umgehen.

2004 wurde das Schnellankaufverfahren eingeführt, um Investitionsentscheidungen unter hohem Zeitdruck treffen zu können. Der Aufsichtsrat wurde erst im März 2005 darüber informiert. Dies war leider durch die 2003 beschlossene Zuständigkeitsrichtlinie möglich geworden. Die Untersuchungen der KPMG haben eindeutig aufgedeckt, dass gerade dieses Verfahren einen entscheidenden Anteil an den Milliardenverlusten der HSH Nordbank hatte. Ich behaupte wohlgemerkt nicht, dass die unverantwortlichen Risiken aus damaliger Sicht offenkundig waren. Unbestreitbar ist jedoch: Sie waren ursächlich dafür, dass die Bank stärker als andere von der Krise betroffen wurde. Denn ohne die Ausnutzung der Gewährträgerhaftung, ohne die Gründung von Zweckgesellschaften im Ausland und ohne die Einführung des Schnellankaufverfahrens hätte es die spätere Krise der HSH Nordbank so nicht gegeben.

Wenn nun das ehemalige Mitglied des Risikoausschusses Ralf Stegner sagt, zu seiner Zeit im Aufsichtsrat sei bei der HSH Nordbank alles in Ordnung gewesen, so ist das eine unglaubwürdige Flucht aus der Verantwortung.

(Beifall bei CDU und FDP)

Es kann nicht sein, dass sich diejenigen aus der Verantwortung stehlen, die die wesentlichen Entscheidungen mit getroffen haben. Es ist deshalb absolut unverständlich, dass die damaligen Mitglieder der Landesregierung von ihrem Recht zur Stellungnahme im Untersuchungsausschuss bislang keinen Gebrauch gemacht haben. In ihrem jüngsten Interview in den „Lübecker Nachrichten“ hat Frau Simonis erklärt, sie habe sich als Aufsichtsratsvorsitzende voll und ganz darauf verlassen, dass das, was der Risikoausschuss sagt, richtig sei. Derjenige, auf den sich Frau Simonis dabei offenbar ganz besonders verlassen hat, nämlich ihr eigener Finanzminister, lehnt es jedoch bis heute ab, noch vor der Landtagswahl eine Stellungnahme im Untersuchungsausschuss abzugeben.

(Zuruf von der CDU: Unglaublich!)

Grundsätzlich will Herr Stegner gern eine Stellungnahme als Betroffener abgeben, aber eben nicht am 31. August, nicht am 7. September und auch nicht am 14. September, und überhaupt müsse er erst noch die Akten studieren und könne deshalb erst

(Tobias Koch)

nach der Wahl im Untersuchungsausschuss erscheinen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Ralf Stegner [SPD])

Da ist man doch fassungslos angesichts dieser Dreistigkeit.

(Beifall bei der CDU - Jürgen Weber [SPD]: Der Rechtsstaat zählt bei Ihnen wohl nichts?)

- Natürlich geht es hier um die Rechte von Betroffenen, Herr Kollege Weber. Aber wer in diesem Land mit dem Slogan „kompetent, durchsetzungsstark und glaubwürdig“ wirbt, dem darf man so etwas nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Stegner, entweder waren Sie nicht kompetent genug, die Risiken zu erkennen, oder Sie waren nicht durchsetzungsstark genug, unser Land davor zu bewahren. In jedem Fall sind Sie nicht glaubwürdig mit der Behauptung, mit der Schieflage nichts zu tun zu haben.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Weber, Sie erklären dann, die unternehmerischen Fehlentscheidungen seien erst nach 2005 getroffen worden. Ich frage mich, welche Aussagen des Risikoausschusses Frau Simonis denn meint, wenn damals gar keine falschen Entscheidungen getroffen worden sind. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln und ein öffentliches Bekenntnis zur eigenen Rolle in der Vergangenheit der HSH Nordbank ist doch das Mindeste, was man erwarten kann

(Lars Harms [SSW]: Das gilt aber auch ab 2005!)

wenn schon nicht von einem Bankvorstand wie Herrn Waas, dann doch zumindest von einem Spitzenpolitiker dieses Landes. Sich geschickt an die Spitze der Kritiker zu setzen, wie es Ralf Stegner laut „Focus“ tut, reicht dafür nicht aus. Auch das floskelhafte Einräumen von eigenen Fehlern in vergangenen Landtagssitzungen ist wenig glaubhaft, wenn man gleichzeitig argumentiert, die Bank habe während der eigenen Tätigkeit bis einschließlich 2007 immer nur Gewinne erwirtschaftet.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, bereits heute steht fest, dass sich auch in der kommenden Wahlperiode ein Untersuchungsausschuss mit der HSH Nordbank beschäftigen wird. Ich sehe deshalb mit Spannung der Erklärung von Ralf Steg

ner entgegen, die er nach der Landtagswahl zu seiner Rolle bei der HSH Nordbank abgeben wird.

(Beifall bei CDU und FDP)

Das Wort für die SPD-Fraktion hat der Herr Abgeordnete Jürgen Weber.

(Karl-Martin Hentschel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede eben war ja echt selbstkritisch!)

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute einen Sachstandsbericht und keinen Abschlussbericht, da es einen Abschlussbericht noch nicht gibt, weil der Untersuchungsausschuss in der Kürze der Zeit noch nicht zu einem Ergebnis kommen konnte. Ich will einen Punkt aufgreifen, in dem ich die Auffassung des Kollegen Koch teile: Wir haben dem Ausschussvorsitzenden und seinem Stellvertreter für eine faire, ordentliche und vernünftige Arbeit sowie den Sachverständigen, die uns dabei geholfen haben, die Dinge zusammenzutragen, zu danken. Der Kollege Arp hat zu Recht darauf hingewiesen, dass wir noch gar nicht über alle Akten verfügen. Insofern ist es erstaunlich, dass manche schon wissen, was am Ende bei der Arbeit des Ausschusses herauskommen wird.

Auch wenn es mittlerweile riesige Aktenberge gibt, sind wir, was die Erkenntnisse angeht, nicht sehr viel weiter als zu Beginn der Arbeit des Untersuchungsausschusses. Das ist auch kein Wunder, denn wir sind noch nicht in die Beweisaufnahme eingetreten und konnten dies auch noch nicht tun. Denn diese Wahlperiode wird schnell beendet sein. Das ist insofern bedauerlich, als es dadurch zu einer leichten Verzögerung kommen wird.

Aber diese Verzögerung ist nicht das eigentliche Problem, denn sie wird relativ kurz sein, da wir gemeinsam vereinbart haben, in der neuen Legislaturperiode sehr schnell einen neuen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Etwas bedauerlicher ist allerdings, dass Klarheit und Ergebnisse des Untersuchungsauftrages nicht vor, sondern erst nach der Wahlentscheidung der Bürger auf den Tisch kommen.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN, SSW und vereinzelt bei der CDU)

(Tobias Koch)

Wir haben das nicht zu verantworten, aber es muss hier einmal deutlich gesagt werden. Dabei geht es um nicht weniger als die Aufklärung der Ursachen der krisenhaften Entwicklung bei der HSH Nordbank sowie natürlich um die Verantwortlichkeit einzelner handelnder Personen. Schließlich ist es uns aber auch - das wird gern vergessen - besonders wichtig, Erkenntnisse zu gewinnen, wie solche Fehlentwicklungen künftig verhindert werden können. Das ist ein ganz zentraler Punkt, den wir mit in den Fokus nehmen wollen.

(Beifall bei SPD und SSW)

Ich betone das insbesondere vor dem Hintergrund des gestrigen Jahrestages des Zusammenbruchs von Lehman Brothers. Am Ende der Aufarbeitung der Finanzkrise darf es kein „Weiter so!“ geben.

Der Untersuchungsausschuss hat auch Erkenntnisse herauszuarbeiten, wie wir im Rahmen der Finanzmarktkontrolle zukünftig bessere Mechanismen finden können, um das Durchschlagen solcher Finanzkrisen auf unsere Finanzinstitute zu verhindern. Diesbezüglich liegt noch ein Stück Arbeit vor uns.

Herr Kollege Arp hat bereits vorgetragen, dass wir im PUA bisher nur eine zusammenfassende Darstellung von Vertretern der HSH Nordbank selbst - vom Leiter der Rechtsabteilung - und von dem ehemaligen Vorstandsmitglied, Herrn Waas, hören konnten. Auch wenn vertiefte Beratungen, Nachfragen und Zeugenbefragungen noch ausstehen, so ist mit diesen Stellungnahmen zumindest das bestätigt worden, was uns aus den bisher zugänglichen Quellen ohnehin schon bekannt war.

Ich will einmal zitieren, was vorgetragen wurde. Bis 2006 - so heißt es in den beiden bisherigen Stellungnahmen - sei das Geschäft der Bank von allen Beteiligten - Vorstand, Aufsichtsrat, Ratingagenturen und so weiter - als kerngesund eingestuft worden. Außergewöhnliche Risiken seien - so die Ausführungen von Herrn Waas - nicht erkennbar gewesen, das CIP-Profil sei günstig gewesen, ein mehrstufiges Entscheidungsverfahren hätte funktioniert und sei von der Bankenaufsicht nicht beanstandet worden.

Die HSH Nordbank hat in ihrer Stellungnahme ein paar Probleme in den Jahren 2007 und 2008 verortet, über die man noch wird reden müssen. Es geht zum Beispiel um die Frage, wann die Notwendigkeit von Wertberichtigungen in erheblichem Umfang gegeben war und wann die Probleme bei der Refinanzierung der Tätigkeit der Zweckgesellschaften einsetzten. In besonderem Maße wurden von

den Vortragenden Hinweise formuliert, dass mit dem Ziel der Kapitalmarktfähigkeit und des Börsengangs im Jahr 2006 auf der einen Seite und mit dem Weg der Teilprivatisierung durch den Eintritt von Herrn Flowers in den Aktionärskreis auf der anderen Seite eine Neuausrichtung der Bank verbunden war, mit der die eigentlichen problematischen Entwicklungen erst eingeleitet wurden.