Protocol of the Session on July 23, 2009

die Wahl in Schleswig-Holstein wird am 27. September 2009 die Alternative sein zwischen einer handlungsfähigen Regierung - - Ja, ich bin gern groß, das gebe ich zu. Die FDP möchte gern noch größer und bedeutender werden. Dafür werden wir kämpfen, weil die Menschen es nicht verdient haben, weiter mit einer Sozialdemokratie unter Ihrer Führung konfrontiert zu werden, die mit Halbwahrheiten arbeitet und ansonsten nichts zustande gebracht hat.

(Beifall bei FDP und CDU)

Gestatten Sie mir zur Diskussion über die Rolle des Oppositionsführers den Hinweis, dass die Landtagsverwaltung pflichtgemäß - Artikel 12 Abs. 2 der Landesverfassung - den Vorsitzenden der stärksten Oppositionsfraktion, den Fraktionsvorsitzenden der SPD, gefragt hat, nachdem es eine Erklärung gab, er trage die Koalition nicht mehr mit, ob er sich als Oppositionsführer verstehe. Dies ist bestätigt worden. Da nach § 52 Abs. 4 der Geschäftsordnung der Oppositionsführer als Erster nach dem Ministerpräsidenten reden kann, ist die Redezeit so verteilt worden. Über dieses Verfahren sind alle Fraktionen informiert worden.

Nunmehr erteile ich dem Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Koalition ist gescheitert. Sie ist vordergründig gescheitert, weil die Akteure nicht miteinander konnten. Aber inhaltlich war sie schon längst am Ende. Sie hat seit mindestens zwei Jahren nichts mehr auf die Reihe bekommen und ist schließlich an der HSH Nord-Wand zerschellt.

Aber das Scheitern dieser Koalition ist nicht der Grund dafür, dass wir heute noch einmal zusammenkommen müssen. Dass die Koalition ausgerechnet jetzt beendet wurde, ist offensichtlich das Ergebnis des Machtkalküls von CDU-Strategen, die die Landtagswahl zusammen mit der Bundestagswahl durchführen wollen.

(Wolfgang Kubicki)

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Rolf Fi- scher [SPD])

Sie tun das, weil sie befürchten, dass bis zum Mai nächsten Jahres die FDP wieder auf ein Normalmaß zurückgestutzt wird und dann angesichts der Finanzkrise, angesichts des Untersuchungsausschusses und angesichts neuer Horrormeldungen aus der HSH die CDU noch weiter in den Keller sinkt.

Der Vorwand für den Bruch, den Sie letzte Woche geliefert haben, Herr Carstensen, nämlich dass Ihr Koalitionspartner nicht zu den Entscheidungen über die HSH Nordbank steht, spricht Bände. Denn Ihre diesbezügliche Aussage - das ist hier ja ausführlich diskutiert worden -, das Gehalt von Nonnenmacher sei mit den Fraktionsspitzen abgestimmt, hat sich als frei erfundene Unwahrheit herausgestellt.

Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass Lothar Hay informiert war. Ich sage hier auch: Lothar Hay hätte, wenn er sein Amt ernsthaft wahrgenommen hätte, spätestens im November 2008 informiert sein können. Denn schließlich hat er all die Zeit im Aufsichtsrat der Bank gesessen und Zugriff auf alle Informationen gehabt. Natürlich erwartet man von einem Minister, der für die SPD-Seite im Aufsichtsrat sitzt, dass er mindestens seine eigene Fraktion informiert.

Aber, Herr Carstensen, dieses Chaos rechtfertigt nicht den einseitigen Bruch der Koalition. Wenn Sie eine Woche brauchen, um festzustellen, dass Sie eine Falschaussage gegenüber dem Parlament gemacht haben, dann können Sie hinterher nicht sagen, das sei ein Irrtum gewesen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz absurd aber war die Veranstaltung am letzten Mittwoch: Vormittags machen Sie noch auf ,,Friede, Freude, Eierkuchen“ und verabschieden im Landtag gemeinsam mit der SPD den Nachtragshaushalt, und abends erklären Sie nach einer Fraktionssitzung, jetzt könne man nicht mehr zusammen regieren. Das war unterirdisch.

Herr Carstensen, Sie sind schon lange nicht mehr Herr des Verfahrens. Sie unterschreiben Briefe, die Unwahrheiten enthalten, ohne sie gelesen zu haben. Sie erklären, dass für Sie die Vertrauensfrage nicht infrage kommt, und machen dann das Gegenteil. Sie erklären, dass Sie die SPD-Minister nicht entlassen wollen, weil Sie mit denen so gut zusammengearbeitet haben, und jagen sie dann wie Hunde vom Hof.

Längst diktieren Ihnen die Scharfmacher in Ihrer Partei den Weg. Der Bruch der Koalition genau zu diesem Zeitpunkt erweckt den Eindruck, Sie hätten sich zur Marionette von Parteistrategen gemacht.

Herr Carstensen, Ihr Vorgehen ist aber nicht nur politisch anrüchig, es ist auch, wie mir gestern in einer Runde von Juristen, mit denen ich mich darüber ausgetauscht habe, gesagt wurde, verfassungsrechtlich zumindest riskant. Es gibt drei verfassungsrechtliche Bedenken.

Die Vertrauensfrage ist für den Fall gedacht, dann, wenn der Ministerpräsident konkrete politische Entscheidungen für zwingend geboten hält, zu überprüfen, ob er dafür noch die Mehrheit hat. Damit kann er schwankende Koalitionspartner, die Teile seiner Politik nicht mehr mittragen wollen, zwingen, sich zu entscheiden. Entweder sie stützen ihn, oder er ruft Neuwahlen aus.

Genau diese Situation ist in Schleswig-Holstein aber nicht gegeben. Denn am Morgen des Koalitionsbruchs hat die Koalition noch den Haushalt und die Eckpunkte der Arbeit der Landesregierung ohne Abweichler verabschiedet. Das spricht aber dafür, dass es sich um keine eigentliche Vertrauensfrage im Sinne der Verfassung handelt.

Dazu kommt noch der Akt der Entlassung der SPDMinister. Sie haben bis zuletzt gesagt - das haben Sie heute wiederholt -, dass Sie mit den Ministerinnen und Ministern der SPD gut zusammengearbeitet haben. Es gab keine Differenzen, die öffentlich geworden sind. Es spricht deshalb Vieles dafür, dass Sie die Entlassung der Minister nur deshalb vorgenommen haben, um die SPD zu zwingen, in der Vertrauensfrage gegen Sie zu stimmen.

All das verstärkt die Vermutung, dass es sich heute nicht um eine echte, sondern um eine fingierte Vertrauensfrage handelt.

Das zweite verfassungsrechtliche Problem besteht darin, dass Schleswig-Holstein - anders als der Bund - das Selbstauflösungsrecht des Parlaments kennt. Dieses fordert aber die hohe parlamentarische Hürde einer Zweidrittelmehrheit. Das gewählte Vorgehen des Ministerpräsidenten riecht deshalb geradezu danach, als sollte mit dem Trick der Vertrauensfrage die Zweidrittelmehrheit des Parlaments ausgehebelt werden. Auch das kann verfassungsrechtlich problematisch sein.

Herr Abgeordneter Hentschel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kubicki?

(Karl-Martin Hentschel)

Herr Kollege Hentschel, ist Ihnen die Äußerung des Fraktionsvorsitzenden der SPD, Dr. Stegner, vom 18. Juli 2009 in den „Kieler Nachrichten“ unter der Überschrift „Die CDU hat den Koalitionsbruch seit Monaten bewusst geplant“, bekannt, der auf die Frage: „Peter Harry Carstensen wird wahrscheinlich nächste Woche die Vertrauensfrage stellen; wie soll sich Ihre Fraktion in der anschließend geheimen Abstimmung verhalten?“ geantwortet hat: „Die SPD-Fraktion wird einem Koalitionsbrecher nicht das Vertrauen aussprechen.“ Diese Äußerung ist gefallen, deutlich bevor die Vertrauensfrage gestellt worden ist.

- Herr Kubicki, ich kann dazu wenig sagen, weil ich kein Verfassungsrechtler bin. Was ich vortrage, sind Bedenken, die mir gestern Abend von Juristen, die sich mit der Frage beschäftigt haben, vorgetragen worden sind. Wir debattieren heute über die Vertrauensfrage. Wir müssen damit rechnen, dass es möglicherweise aus den Reihen des Parlaments zu einer Klage kommen kann. Deshalb müssen wir uns diese Dinge bewusst machen, wenn wir heute entscheiden. Es muss zumindest vorgetragen werden.

(Beifall der Abgeordneten Detlef Matthies- sen [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Rolf Fischer [SPD] - Zurufe von der FDP)

Die größten Bedenken bestehen aber gegen die Terminierung. Es spricht alles dafür, dass der Ministerpräsident schon seit Monaten, spätestens seit seiner berühmt gewordenen Ankündigung, er sei ,,bereit zu Neuwahlen“, den Bruch der Koalition und damit Neuwahlen angestrebt hat. Deshalb besteht der Verdacht, dass er den Bruch bewusst auf Mitte Juli gelegt hat, um den Wahltermin auf den 27. September zu legen. Unsere Verfassung sieht aber aus gutem Grund gerade nicht vor, dass der Ministerpräsident den Wahltermin bestimmen kann. Deswegen spricht viel dafür, dass die Manipulation des Wahltermins durch die willkürliche Terminierung des Bruchs der Koalition am letzten Mittwoch ohne einen aktuellen Anlass verfassungsrechtlich problematisch ist.

(Beifall des Abgeordneten Günter Neugebau- er [SPD])

Herr Ministerpräsident, ob es zu Klagen kommt und ob sie vor Gericht durchtragen, weiß ich nicht. Auf jeden Fall aber haben Sie sich mit Ihrem Vorgehen auf ein brüchiges Glatteis begeben. Damit riskieren Sie, dass das Land mitten in der Krise auch noch monatelang ohne handlungsfähige Regierung - ich muss angesichts dieses Rests hier sagen, ohne eine noch handlungsfähige Regierung dasteht. Gerade in kritischen Zeiten ist die willkürliche Manipulation der Verfassung ein gefährliches Spiel. Dass Sie sich in dieser Situation auf ein solches parteitaktisches Manöver eingelassen haben, ist des Amtes nicht würdig.

Herr Carstensen, nun komme ich zur Antwort auf Ihre Frage. Der Ministerpräsident von SchleswigHolstein hat an dieses Parlament die Vertrauensfrage gestellt. Hier ist meine Antwort: Meine Fraktion wird Ihnen heute das Misstrauen aussprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Erstens, weil wir im Zusammenhang mit der HSH Nordbank von Ihnen und Ihrem Finanzminister systematisch hinters Licht geführt worden sind.

Zweitens, weil Sie versprochen haben, die Finanzen des Landes in Ordnung zu bringen und dazu eine große Verwaltungsreform durchzuführen, und dann eingeknickt sind, um den parteipolitischen Frieden in der CDU zu retten.

Drittens, weil Sie unser Land, das vor vier Jahren Vorreiter bei der Energiewende, beim Umwelt- und Naturschutz und beim Schaffen neuer Arbeitsplätze in diesen Sektoren war, ausgebremst haben durch die Rückkehr zu Klientelpolitik und ideologischen Entscheidungen.

Und viertens, weil Sie aus rein machtstrategischen Gründen einen Bruch der Koalition inszeniert haben, um einen Wahltermin zu bekommen, der Ihnen politisch in den Kram passt.

Immer wieder waren Ihnen Machterhalt und Parteitaktik wichtiger als das Wohl des Landes, das Sie in Sonntagsreden und auf Volksfesten so unablässig beschwören - auch heute wieder. Deswegen wird meine Fraktion Ihnen das Misstrauen aussprechen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch wenn der aktuelle Anlass fingiert ist, gescheitert ist diese Regierung schon seit mindestens zwei Jahren. Denn bereits vor zwei Jahren wurde klar, dass beide großen Vorhaben, mit denen die CDU in die Wahl gegangen war - die Verwaltungsreform und die Sanierung der Finanzen -, gescheitert sind.

Es ist allerdings auch der SPD vorzuwerfen, dass sie Monat für Monat dieses Elend mitgetragen hat.

Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Klug? - Bitte.

Herr Kollege Hentschel, wie ist eigentlich das, was Sie eben ausgeführt haben, in Einklang zu bringen mit dem Antrag auf Auflösung des Landtags, den die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN mit Ihrer Unterschrift doch mit eingebracht hat, über den wir am Montag abgestimmt haben? Das verstehe ich nicht ganz.

Der Antrag auf Auflösung des Parlaments -

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie wollten ja auch die Auflösung!)

- Ja, natürlich, ich bin ja für die Auflösung des Parlaments und für Neuwahl. Ich habe mich nur dagegen ausgesprochen, dass eine willkürliche Manipulation des Wahltermins durch die CDU stattgefunden hat.

(Dr. Ekkehard Klug [FDP]: Sie haben doch selbst den Wahltermin 27. September bean- tragt, oder sehe ich das falsch?)

- Nein, haben wir nicht. Wir haben damals gemäß der Verfassung die Auflösung des Parlaments beantragt, anders als die FDP. Es hat sich herausgestellt, dass der FDP-Antrag damals verfassungsrechtlich nicht in Ordnung war. Unser Antrag lautete „Auflösung des Parlaments nach Verfassung“. Das hätte bedeutet, dass innerhalb von 70 Tagen Neuwahlen stattgefunden hätten. Das hätte eine Neuwahl vor den Sommerferien bedeutet, Herr Dr. Klug. - Das zur Klärung.

Meine Damen und Herren, es ist allerdings auch der SPD vorzuwerfen, dass sie Monat für Monat dieses Elend mitgetragen hat. Ich kann mich nicht entsinnen, dass die SPD angesichts der Finanzkrise von sich aus irgendwelche weitergehenden Vorschläge gemacht hätte.

Ich kann nur an die SPD-Fraktion und ihren Fraktionsvorsitzenden dringlich appellieren: Steigen Sie aus dem Karussell der Eitelkeiten aus! Denn die Menschen in Schleswig-Holstein haben genug von diesem Theater.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])