Protocol of the Session on July 16, 2009

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einem Kurzbeitrag nach § 56 Abs. 4 der Geschäftsordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Karl-Martin Hentschel das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich gehe noch einmal rein, weil mir sehr daran liegt, dass wir hier nicht wieder eine populistische oder kontroverse Debatte führen, die letztlich betroffenen Menschen nichts nützt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht darum, tatsächlich etwas zu erreichen und zu einer neuen Art der Flüchtlingspolitik zu kommen, die auch die Fehler der Vergangenheit korrigiert.

Weil der Kollege von der CDU noch einmal versucht hat, mit den Zahlen zu schrecken: 20.000 wären zu viel. Wir haben zahlreiche Studien über eine abgestimmte Einwanderungspolitik. Selbst wenn wir jährlich 200.000 Menschen einwandern ließen was wir zwischenzeitlich hatten, aber wovon wir seit langem entfernt sind -, würde das bedeuten, dass die Bevölkerung in Deutschland trotzdem in den nächsten Jahren kontinuierlich sinkt. Das heißt, wir werden dadurch nicht übervölkert, sondern die Bevölkerungszahl wird weiter sinken. Ich halte so eine Zahl für sinnvoll, auch aus demografischen Gründen. Das Entscheidende ist, dass wir es vernünftig organisierten und die Menschen auch integrieren können.

Deswegen wollte ich auch noch einmal auf die Flüchtlinge eingehen: Ich kann mir vorstellen, dass, wenn ich ein Resettlement-Programm auflege, dann die Menschen, die wir über Resettlement aufneh

(Anke Spoorendonk)

men, Teil eines solchen Einwanderungsprogramms sind. Die Probleme mit Flüchtlingen sind wesentlich geringer als die Probleme mit klassischen Einwanderern, die als Arbeitsmigranten aus anderen Ländern kommen. Das muss man deutlich aussprechen, denn Flüchtlinge sind häufig besser ausgebildete Menschen. Sie kommen meistens aus der Mittel- oder Oberschicht und sind in ihren Ländern politisch verfolgt worden, gerade weil sie sich engagiert haben. Es sind engagierte Menschen, und sie sind selber sehr integrationsaktiv. Von daher ist die Befürchtung, dass das ausgerechnet die Menschen sind, die schwer zu integrieren sind, einfach falsch. Das Gegenteil ist der Fall. Ich appelliere also auch noch einmal an die Union, darüber nachzudenken, ob nicht Resettlement, also die bewusste Aufnahme von Flüchtlingen mit dem Ziel der Ansiedelung und Integration, ein ausgesprochen sinnvoller Teil eines Integrations- und Einwanderungsprogramms sein kann.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Dr. Heiner Garg [FDP])

Wenn wir das wollen, dann müssen wir es natürlich tun. Das heißt, dass wir die Kommunen gewinnen müssen, weil die Integration die vernünftige Lösung ist. Platz zu schaffen kann nur in den Kommunen passieren.

(Beifall der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], Jürgen We- ber [SPD] und Anke Spoorendonk [SSW])

Für die Landesregierung erteile ich Herrn Innenminister Lothar Hay das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mit ihrem Antrag wollen BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN erreichen, dass sich die Landesregierung bei der Bundesregierung für die Einführung eines dauerhaften Resettlements einsetzt. Ferner soll der Innenminister aufgefordert werden, mit dem Netzwerk Safe Haven und den Kommunen gemeinsame Verfahren zu erarbeiten, die eine schnelle Integration der Flüchtlinge sicherstellen.

Das Thema hat durch die aktuell laufende Aufnahme irakischer Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien eine neue Gewichtung erhalten, wobei ich Wert darauf lege, dass es nicht nur um verfolgte irakische Christen geht, sondern generell auch um andere

verfolgte religiöse Minderheiten. Möglicherweise ist diese erste Aufnahmeaktion der erste Schritt, um Resettlement als eine ständige Säule der humanitären Flüchtlingspolitik Deutschlands beziehungsweise der Europäischen Union zu institutionalisieren. Ich habe ein persönliches Interesse, dass das in diese Richtung geht.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Karl-Martin Hentschel [BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN])

Der Begriff Resettlement definiert sich im klassischen Sinne als Neuansiedlung von Flüchtlingen, die in einem Drittland zeitweiligen Schutz, aber keine dauerhafte Lebensperspektive gefunden haben beziehungsweise finden werden. Er findet zusätzlich und parallel zur Aufnahme von Asylbewerbern statt, ersetzt aber keineswegs die Durchführung von Asylverfahren.

Natürlich ist Resettelment nicht die Lösung, Frau Spoorendonk, für alle weltweit betroffenen Millionen von Menschen in Flüchtlingslagern. Allerdings wird in den USA, Australien, Neuseeland und Kanada, aber auch in einer Reihe von EU-Staaten wie den Niederlanden, Großbritannien, Irland sowie den skandinavischen Ländern gegenwärtig durch eine festgelegte Aufnahmequote mehreren 10.000 Menschen jährlich geholfen. Das heißt, Skandinavien ist erheblich weiter als die Bundesrepublik Deutschland, was die Aufnahme von Flüchtlingen betrifft. Man sollte sich dann vielleicht auch einmal nach Norden orientieren.

(Beifall der Abgeordneten Holger Astrup [SPD] und Detlef Buder [SPD])

Eine Zusammenarbeit aller EU-Staaten könnte also deutlich erhöhte Aufnahmequoten ermöglichen. Die Europäische Kommission plant noch für 2009 Vorschläge für ein EU-weites ResettlementProgramm mit gemeinsamen Kriterien und Koordinierungsmechanismen, an denen sich die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis beteiligen können. Im Vorgriff darauf hat der Rat der Justiz- und Innenminister nach mehrmonatigen Diskussionen im November 2008 konkret für die Aufnahme irakischer Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien wegweisende Schlussfolgerungen verabschiedet. Die Mitgliedstaaten werden darin aufgefordert, auf freiwilliger Basis im Rahmen der jeweiligen Kapazitäten besonders schutzbedürftige Flüchtlinge aufzunehmen.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich gemäß Beschluss der Innenministerkonferenz festgelegt, 2.500 irakische Flüchtlinge von insgesamt 10.000 Personen in Deutschland aufzunehmen. Inzwischen

(Karl-Martin Hentschel)

sind circa 600 Flüchtlinge in Deutschland eingetroffen. Davon sind 14 Personen nach SchleswigHolstein gekommen und dort auf vier Kreise beziehungsweise kreisfreie Städte verteilt worden.

Am 14. Juli 2009, das heißt in dieser Woche, ist ein weiterer Flug aus Amman, Jordanien, eingetroffen. Fünf der insgesamt 130 eingetroffenen Personen sollen bis Ende Juli nach Schleswig-Holstein kommen. Die Verteilung auf die Kreise und kreisfreien Städte erfolgt in Schleswig-Holstein über das Landesamt für Ausländerangelegenheiten nach den Bestimmungen des Landesaufnahmegesetzes und der Ausländer- und Aufnahmeverordnung. Wichtig ist: Familiäre und sonstige besonders integrationsfördernde Bindungen werden dabei berücksichtigt. Das heißt, wir nehmen Rücksicht darauf, wenn schon Familienangehörige in einem bestimmten Kreis sind, dass man Nachgereiste dort hinbringt.

Die Erstaufnahme im Landesamt soll grundsätzlich vermieden oder auf den unumgänglichen Zeitraum beschränkt sein. Wir erwarten insgesamt nach dem berühmten „Königssteiner Schlüssel“ circa 80 Flüchtlinge aus dem Irak. Eine Informationsveranstaltung durch das Innenministerium im Februar zum Ablauf der Aufnahmeaktion belegt, dass die von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gewünschte Zusammenarbeit aus meiner Sicht bereits gut funktioniert. Ein weiteres Berichtswesen an dieser Stelle einzuführen, halte ich allerdings nicht für erforderlich. Die Erfahrungen mit der Aufnahmeaktion werden jedoch nach deren Abschluss evaluiert und die Grundlage für Schlussfolgerungen und Empfehlungen bei der Einschulung eines dauerhaften gemeinsamen Resettlement-Prozesses innerhalb der Europäischen Union bilden.

Ich hoffe, dass sich die Bundesrepublik Deutschland an einem solchen freiwilligen Programm der EU beteiligen wird.

Die Unterstützung durch den Landtag ist dabei sehr hilfreich. Die in dem Antrag angeregte gemeinsame Vorbereitung der Flüchtlinge auf die Aufnahme wird übrigens bereits umgesetzt. Ich bin mir sicher, dass die Betreuungsorganisationen unsere Maßnahmen auch weiterhin aktiv unterstützen und damit einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Neuansiedlung der betroffenen Menschen leisten. Ich halte es jedenfalls für zwingend, dass Politik, Behörden und Organisationen diesen Weg auch weiterhin aufmerksam verfolgen und alles tun, damit die Flüchtlinge bei uns möglichst schnell heimisch werden.

(Beifall bei SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und SSW)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Herr Kollege Hentschel, ich habe Sie so verstanden, dass Ausschussüberweisung gewünscht wird. Es ist beantragt worden, den Antrag in Drucksache 16/ 2594 dem Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Es ist einstimmig so beschlossen.

Auf der Tribüne begrüßen wir ganz herzlich Schülerinnen und Schüler der Domschule Schleswig mit ihren Lehrkräften und einige weitere Gäste, vor allem ganz junge Gäste. - Seien Sie uns alle herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe nunmehr zur gemeinsamen Beratung die Tagesordnungspunkte 26 und 27 auf:

Gemeinsame Beratung

a) Prüfungsrecht des Landesrechnungshofs in der Satzung der HSH Nordbank verankern

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/2735

b) Sonderprüfung der HSH Nordbank AG nach dem Aktiengesetz

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2736

Wird das Wort zur Begründung von einem der beiden Anträge gewünscht? - Das ist nicht der Fall.

Dann eröffne ich die Aussprache und erteile zunächst dem Oppositionsführer und Vorsitzenden der FDP-Fraktion, Herrn Abgeordneten Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit dem 5. Juli 2009 berichtet die Presse fast täglich aus dem Ende 2008 in Auftrag gegebenen KPMG-Gutachten zur Wirtschaftsführung der HSH Nordbank. Die Prüfer werfen den Verantwort

(Minister Lothar Hay)

lichen unter anderem Verstöße gegen die Richtlinien der BaFin vor. Wörtlich heißt es in dem Bericht laut NDR-Info:

„In dem Umstand, dass wesentliche Vorstandsentscheidungen … nicht beziehungsweise nicht nachvollziehbar dokumentiert wurden, sehen wir einen Verstoß gegen die Mindestanforderungen an das Risikomanagement.“

Weiter wurde bekannt, dass die HSH Milliardengeschäfte im Eilverfahren durchgesetzt hat. Der zuständige Vorstand sei erst bei Engagements im Wert von mehr als 100 Millionen € zwingend informiert worden. Offenbar ist der Aufsichtsrat seiner Kontrollpflicht in keiner Weise nachgekommen, denn es heißt laut NDR-Info wörtlich weiter - ich zitiere -:

„Zumindest seit dem Inkrafttreten der Mindestanforderungen an das Risikomanagement sehen wir einen weiteren Verstoß in der fehlenden Nachvollziehbarkeit einer kritischen Auseinandersetzung … im Aufsichtsrat.“

Mit diesen Feststellungen der Wirtschaftsprüfer von KPMG werden sowohl die Mitglieder des Vorstandes als auch des Aufsichtsrates belastet. Wenn diese Feststellungen zutreffen, sind dies erhebliche Pflichtverletzungen, die möglicherweise aktienrechtliche Haftungsansprüche auslösen können.

Es muss in unser aller Interesse liegen, schnell festzustellen, ob tatsächlich Pflichtverletzungen vorliegen. Aus Sicht der FDP-Fraktion sind dazu neben der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses und der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zwei weitere Maßnahmen umzusetzen.

Wir schlagen Ihnen heute vor, dem Landesrechnungshof ein umfassendes Prüfungsrecht für die HSH Nordbank einzuräumen.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)