Protocol of the Session on July 15, 2009

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 15 auf:

Erste Lesung des Entwurfs eines Gesetzes über den Schutz vor genetischen Diskriminierungen in öffentlichen Dienstverhältnissen

Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/2765

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Grundsatzberatung und erteile das Wort für die antragstellende Fraktion der Frau Abgeordneten Angelika Birk.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere Landesbeamten hätten eigentlich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verdient; um die geht es nämlich bei diesem Gesetz. Es handelt sich um ein Gesetz, das auf Bundesebene schon vorhanden ist. Da müssen wir jetzt auf Landesebene nacharbeiten.

Mit der Behandlung des Gesetzes, das vor genetischer Diskriminierung schützen soll, durch den Bundesrat am 15. Mai 2009 ist das Gesetzgebungsverfahren zum Gendiagnostikgesetz abgeschlossen. Das Gesetz tritt sechs Monate nach Veröffentlichung in Kraft, das heißt vermutlich am 1. Januar oder 1. Februar 2010. Da das Inkrafttreten also noch nicht feststeht, haben wir in unserem Gesetzentwurf, der sich auf die Landesbeamten bezieht, das Datum zunächst offen gelassen und werden diese Lücke natürlich im Gesetzgebungsverfahren schließen.

Zweck des Gendiagnostikgesetzes ist es, die Voraussetzungen für genetische Untersuchungen und im Rahmen genetischer Untersuchungen durchgeführte genetische Analysen sowie die Verwendung genetischer Proben und Daten zu regeln und so eine Benachteiligung aufgrund genetischer Eigenschaften zu verhindern. Es ist also ein Stück Arbeitneh

merschutz. Es soll niemand aufgrund von Daten über seine genetischen Eigenschaften diskriminiert werden können. So soll insbesondere die staatliche Verpflichtung zur Achtung und zum Schutz der Würde des Menschen und zur Wahrung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet werden. Angesicht der Erkenntnismöglichkeiten der Humangenetik ist ein besonderer Schutzstandard erforderlich, um die Persönlichkeitsrechte der Bürgerinnen und Bürger adäquat zu schützen.

Im Abschnitt 5 - Genetische Untersuchungen im Arbeitsleben - finden sich Regelungen zu genetischen Untersuchungen und Analysen vor und nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses. Zu genetischen Untersuchungen und Analysen und zum Arbeitschutz finden sich Regelungen in den §§ 19 und 20, und es geht auch um ein arbeitsrechtliches Beteiligungsverbot; das ist in § 21 geregelt. Durch § 22 erfolgt eine Übernahme der arbeitsrechtlichen Regelungen des Gesetzes entsprechend für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse des Bundes.

Dieses Bundesgesetz gilt aber eben nicht für die Beamtinnen und Beamten der Länder und der Kommunen und auch nicht für die Richterschaft der Länder. Deshalb haben wir nun einen eigenen Gesetzentwurf vorgelegt, der diese Lücke schließt. Damit wird die sonst bestehende Ungleichbehandlung, die es zwischen Landes- und Kommunalbeamten auf der einen Seite und Bundesbeamten auf der anderen Seite geben würde, behoben.

Der Regelungsvorschlag orientiert sich dabei am § 22 des Gendiagnostikgesetzes des Bundes, der die für Arbeitnehmer geltenden Vorschriften des Gendiagnostikgesetzes auf öffentliche Dienstverhältnisse des Bundes erstreckt. Der § 1 des vorliegenden Gesetzes trifft eine entsprechende Regelung für öffentliche Dienstverhältnisse im Bereich des Landes.

Das war nun ein bisschen viel mit Paragrafen. Ich hoffe, dass wir im Ausschuss Gelegenheit haben, uns dieser Materie mit noch mehr Gründlichkeit zu widmen. Eigentlich ist es ein ganz einfacher Sachverhalt: Wir übertragen bundesrechtliche Regelungen auf unser Land, damit wir hier keine Gerechtigkeitslücken haben. Das ist sozusagen die Botschaft dieses Antrages. Wir hoffen, dass dieses Gesetz eine ordnungsgemäße Beratung findet und dass wir es bald verabschieden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte deswegen beantragen, die Materie an den Innen- und Rechtsausschuss zu verweisen, und

hoffe, dass wir noch in dieser Legislaturperiode zu einer zügigen Beratung kommen werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Frau Abgeordneter Angelika Birk und erteile das Wort für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Gesetzentwurf behandelt die Übernahme von Bestimmungen aus dem Gendiagnostikgesetz, das der Bundestag am 24. April dieses Jahres übrigens gegen die Stimmen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen hat. Es handelt sich dabei um Regelungen für den öffentlichen Dienst des Bundes, die eins zu eins für den öffentlichen Dienst in Schleswig-Holstein Gültigkeit bekommen sollen.

Angesichts der Entwicklungen der Humangenomforschung hat sich für den Bundesgesetzgeber die Notwendigkeit ergeben, die Bürgerinnen und Bürger in die Lage zu versetzen, ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung auszuüben. Mit dem Bundesgesetz wird das Ziel verfolgt, die mit der Untersuchung menschlicher genetischer Eigenschaften verbundenen möglichen Gefahren von genetischer Diskriminierung zu verhindern und gleichzeitig die Chancen des Einsatzes genetischer Untersuchungen für den einzelnen Menschen zu wahren.

Der vorgelegte Text des Gesetzentwurfs regelt ausschließlich den Bereich des öffentlichen Dienstes in unserem Bundesland. Er umfasst das Verbot genetischer Untersuchungen und Analysen sowie der Verwendung von Ergebnissen derartiger Untersuchungen vor und nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses, das Verbot genetischer Untersuchungen und Analysen im Rahmen arbeitsmedizinischer Vorsorgeuntersuchungen, er reglementiert streng den Einsatz genetischer Untersuchungen und Analysen im Rahmen des Arbeitsschutzes und spricht ein arbeitsrechtliches Benachteiligungsverbot aus.

Insgesamt, so meine ich, sind hier durchaus bedeutsame Fragen im Hinblick auf die Möglichkeiten der Gendiagnostik und den öffentlichen Dienst angesprochen. Insofern halte ich eine vertiefte Erörterung im Innen- und Rechtsausschuss für sinnvoll und geboten.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke Herrn Abgeordneten Wilfried Wengler und erteile das Wort für die SPD-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Thomas Rother.

(Unruhe)

- Ich wäre dankbar, wenn die Dialoge in die Lobby verlegt werden könnten.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Tat, Artikel 5 des Gesetzes behandelt die genetischen Untersuchungen im Arbeitsleben. Darin ist geregelt, dass Arbeitgeber von Beschäftigten vor Begründung des Beschäftigungsverhältnisses oder im laufenden Beschäftigungsverhältnisses keine genetischen Untersuchungen oder Analysen verlangen dürfen. Das ist gut und richtig so. Was der Kollege Wengler dazu ausgeführt hat, muss ich, glaube ich, nicht wiederholen.

Es gibt im weiteren Gesetzestext lediglich streng geregelte Ausnahmetatbestände in Bezug auf Vorsorgeuntersuchungen. Da die Beamtinnen und Beamten leider immer noch eine besonders definierte Beschäftigtengruppe sind - die Ruhestandsbeamten wissen das -, hat der Bund die Gültigkeit dieses Gesetzes auch für diesen Personenkreis mit in die Vorschrift aufgenommen. Aber das kann er natürlich nur für die Beamten des Bundes. Da auch das Bundesministerium des Innern im Gesetzgebungsverfahren die Regelungskompetenz bei den Ländern gesehen hat, müssen wir also eine eigene Regelung vornehmen - das Beamtenrecht ist ja auch neu geordnet -, wenn wir dem Bund folgen wollten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, mir ist nicht bekannt, dass solcherlei Untersuchungen seitens des Landes bei Beamten oder bei anderen vom Landesbeamtengesetz mit erfassten Personengruppen, zum Beispiel bei Kammern oder Sozialversicherungsträgern, durchgeführt werden oder dass es beabsichtigt ist, so etwas zu tun. Ob das auch für Minister und Staatssekretäre gilt, weiß ich gar nicht. Vielleicht müsste man auch das Ministergesetz ändern, das müsste man noch einmal prüfen.

(Zuruf von Minister Lothar Hay)

- Das Abgeordnetengesetz ist wieder etwas ganz anderes vom Aufstellungsverfahren her, Herr Minister. Also, es ist mir nicht bekannt, dass so etwas durchgeführt werden soll oder dass beabsichtigt ist,

(Angelika Birk)

so etwas zu tun. Aber wir sollten mit diesem Gesetz, das die Grünen vorschlagen, für Klarheit und Sicherheit in diesem Bereich sorgen.

Liebe Frau Heinold, die Gesetzesinitiative werden wir natürlich gern unterstützen, allerdings liegt das Inkrafttreten dieses Gesetzes - Frau Birk hat selbst darauf hingewiesen - erst im kommenden Jahr. Von daher sind die Grünen ein bisschen früh dabei. Ich gehe davon aus, dass das Innenministerium beziehungsweise die Landesregierung noch rechtzeitig eine Vorlage eingebracht hätte. Die Unterstützung dieser Gesetzesinitiative ist aus unserer Sicht selbstverständlich und braucht keine große Debatte.

(Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Rother und erteile für die FDP-Fraktion Herrn Abgeordneten Dr. Heiner Garg das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wäre die Fragestellung der Grünen tatsächlich so kurz und knapp, wie der heutige Gesetzentwurf zum Schutz vor genetischer Diskriminierung in öffentlichen Dienstverhältnissen anklingen lässt, dann wäre die Antwort auch von uns: Ja. Frau Birk, natürlich muss vor genetischen Diskriminierungen in öffentlichen Dienstverhältnissen geschützt werden. Daran gibt es auch hier im Haus überhaupt keinen Zweifel.

Ganz so einfach ist die Fragestellung allerdings aus Sicht der FDP-Fraktion nicht. Denn bereits im Jahr 2005 hat sich auch der Nationale Ethikrat mit dieser Fragestellung beschäftigt, genauer gesagt mit der Frage: Inwieweit ist es zulässig, die Einstellung in Arbeitsverhältnisse oder die Verbeamtung von der Erhebung und Verwendung prädiktiver Gesundheitsinformationen abhängig zu machen?

Hintergrund war der Ihnen vermutlich hinlänglich bekannte Fall, in dem eine Lehrerin, die ihre Verbeamtung auf Lebenszeit anstrebte, bei den erforderlichen Untersuchungen wahrheitsgemäß angegeben hatte, dass ihr Vater an der erblichen Erkrankung Chorea Huntington leide. Das Schulamt lehnte ihre Verbeamtung daraufhin ab, mit der Begründung, dass in den nächsten zehn Jahren eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für den Ausbruch der Krankheit bestehe und es deshalb zu häufigen Dienstunfähig

keitszeiten und letztlich zum Eintritt vorzeitiger Dienstunfähigkeit kommen werde.

Die daraufhin vor dem Verwaltungsgericht Darmstadt erhobene Klage der Lehrerin hatte Erfolg. Sie wurde als Beamtin auf Probe in den hessischen Schuldienst aufgenommen.

Nun ersetzt ordentliche Rechtsprechung natürlich noch kein Gesetz, völlig klar. Trotzdem erlaube ich mir den Hinweis, dass wir gerade erst Anfang dieses Jahres unser Landesbeamtenrecht sehr umfänglich geändert haben und es während der ganzen Beratung - das wundert mich - zu keinem Zeitpunkt Vorschläge oder auch nur einen Ansatz von Vorschlägen gab, die die heutige Idee der Grünen zum Gegenstand hatten, und zwar von keiner Fraktion. Und das, obwohl die Diskussion um das Gendiagnostikgesetz des Bundes zu diesem Zeitpunkt in vollem Gang war.

Wurde hier nur etwas übersehen, Frau Birk, oder bietet das Landesrecht möglicherweise bereits ausreichend Schutz vor genetischer Diskriminierung in öffentlichen Dienstverhältnissen? Das ist eine Frage, die wir in den Ausschussberatungen mit berücksichtigen müssen. Aktuell darf der Dienstherr gemäß § 85 Abs. 1 Landesbeamtengesetz

„personenbezogene Daten über Bewerberinnen und Bewerber, Beamtinnen und Beamte sowie ehemalige Beamtinnen und Beamte nur erheben, soweit dies zur Begründung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienstverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist oder eine Rechtsvorschrift oder eine Vereinbarung nach dem Mitbestimmungsgesetz SchleswigHolstein dies erlaubt.“

Nicht Bestandteil der Personalakte sind gemäß § 85 Abs. 2 Satz 3 ausdrücklich unter anderem: „…Unterlagen über ärztliche und psychologische Untersuchungen und Tests mit Ausnahme deren Ergebnis.“

Bei dieser Rechtslage könnte einiges dafür sprechen, dass wir darüber diskutieren müssen, ob wir zwingend ein weiteres Verbot brauchen, um öffentliche Bedienstete zu schützen, oder ob sie mit der geltenden Rechtslage bereits ausreichend geschützt sind. Es muss erforderlich oder erlaubt sein, was zum Inhalt der Personalakte wird. Genetische Untersuchungen oder Analysen sind das - jedenfalls nach unserer Auffassung - sicherlich nicht.

(Thomas Rother)

Wir sollten daher den Vorschlag der Grünen auf jeden Fall sehr genau prüfen beziehungsweise im Zweifel prüfen lassen, um einerseits den Beamten, Richtern und anderen öffentlichen Bediensteten gerecht zu werden. Andererseits würde ich auch davor warnen, vorschnell eine Entscheidung fällen zu wollen. Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf so knapp er ist - bietet ausreichend Gesprächsstoff im zuständigen Ausschuss.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Garg und erteile für den SSW im Schleswig-Holsteinischen Landtag Herrn Abgeordneten Lars Harms das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die neuen Entwicklungen in der Gentechnik haben unbestreitbare Fortschritte gemacht, allerdings wurden gendiagnostische Verfahren auch missbraucht, und das bereits tausendfach. So kann die Klärung der Abstammung ohne Wissen des Betroffenen zu schweren Traumata führen. Auch die Diagnose von Erbkrankheiten hat einerseits den betroffenen Patienten Klarheit gebracht und ihnen Entscheidungsspielräume eröffnet, andererseits verhindern Versicherungsgesellschaften genau mit diesen Diagnosen einen Versicherungsvertrag, benutzen also die Diagnose gegen den Betroffenen, so wie übrigens auch Arbeitgeber.

Auch in Schleswig-Holstein haben wir in jüngster Zeit erlebt, dass in Fragebogen die Ergebnisse eventuell bereits erfolgter Diagnosen erfragt wurden. Es ist also höchste Zeit, die Grenzen der Gendiagnostik genau festzulegen.