Protocol of the Session on July 15, 2009

- die ich gerade ansprach

„wird durch den grundsätzlichen Ausschluss der Kreditaufnahme nicht infrage gestellt.“

Das ist seine Auffassung. Es gibt unterschiedliche Auffassungen dazu. Ich will Sie auch nicht mit langen juristischen Ausführungen langweilen. Wir müssen aber feststellen, dass es zumindest hoch umstritten ist, ob diese Frage verfassungsrechtlich auf Bundesebene gelöst werden kann. Wir müssen als politische Praktiker, Herr Landtagspräsident, feststellen, dass außer dem Landtag in SchleswigHolstein bisher kein anderer Landtag die feste Absicht bekundet hat zu klagen und dass eine verfassungsändernde Mehrheit auf Bundesebene - im Bundestag und Bundesrat - diese Verfassungsänderung in Kenntnis der Kritik durchgeführt hat, der Bund also der Auffassung gewesen ist, dass dies verfassungsrechtlich zulässig ist.

Damit wird nicht Verfassungsrecht gemacht. Das entscheidet am Schluss das Bundesverfassungsgericht. Aber faktisch muss man zur Kenntnis nehmen, dass alle wesentlichen Staatsorgane in der Bundesrepublik Deutschland der Auffassung waren, dass diese Schuldengrenze auf Bundesebene zulässig ist. Das kratzt nicht an unserem Selbstbewusstsein, Herr Kollege Kubicki, zu sagen, wir können eine andere Auffassung dazu haben. Man muss nur erkennen, dass wir mit dieser Auffassung - jedenfalls im faktischen Handeln aller Staatsorgane in Deutschland - derzeit allein dastehen. Das ist so. So viel Bescheidenheit steht uns gut an zu sagen, dass wir an dieser Stelle die einzigen sind, die diese Zweifel möglicherweise auch austragen wollten.

Dazu kommt, dass die Beteiligtenfähigkeit des Landtags noch nicht geklärt ist und die Landesregierung ohne einen Landtagsbeschluss natürlich auch noch keine Entscheidung getroffen hat. Natürlich wäre die Landesregierung - das kann man heute schon vorhersehen - in der absoluten Schwierigkeit gewesen, einerseits auf Bundesebene in der Föderalismuskommission im Bundesrat über all die Hilfen und Maßnahmen verhandelt zu haben, um sich hinterher sozusagen in einen faktischen Widerspruch zu all diesem vorangegangenen Handeln zu setzen, indem sie sich dieser Klage angeschlossen und vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt hätte.

Das wäre auch für eine Landesregierung - unabhängig von parteipolitischen Fragen - in jedem Fall schwierig gewesen, weil man sich in einen erheblichen Konflikt mit dem Bund begeben hätte. Ob dies für Schleswig-Holstein tunlich ist, ist eine große Frage.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin sehr dankbar, dass wir diese Punkte im Ausschuss weiter vertiefen können. Wir werden beantragen, die vorliegenden Gesetzentwürfe sämtlich in den Innen- und Rechtsausschuss zu überweisen, in den auch in der vorangegangenen Debatte schon die Passage aus unserem vorherigen Antrag, nämlich der politische Beschluss eines Klageverzichtes, überwiesen wurde. Deswegen glaube ich, dass es in diesem Landtag Zeit und Gelegenheit gibt, noch einmal sehr ernsthaft darüber zu diskutieren, ob wir es denn nicht doch schaffen, gemeinsam eine verfassungsgemäße Schuldenbremse in der Verfassung des Landes Schleswig-Holstein zu verankern. Es ist die Mühe und Anstrengung aller Parlamentarier wert.

(Dr. Johann Wadephul)

(Beifall bei CDU, FDP und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Wadephul. Das Wort für die SPD-Fraktion hat nun Herr Abgeordneter Klaus-Peter Puls.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am 24. März dieses Jahres hat der Bundestag eine Schuldenbremse im Grundgesetz verankert, die sich nicht nur auf die Haushalte des Bundes, sondern auch auf die Haushalte der Länder auswirken soll.

In Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes heißt es lapidar:

„Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen.“

Zusatz- und Ausnahmeregelungen sind nur noch vorgesehen für Haushaltsnotlagen wie Naturkatastrophen oder andere außergewöhnliche - auch konjunkturelle - Sondersituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die die staatlichen finanziellen Möglichkeiten erheblich beeinträchtigen.

Außerhalb solcher Haushaltsnotlagen soll nach einer eingeräumten Übergangsfrist ab 2020 in den Bundesländern zum Ausgleich des Landeshaushalts kein Euro Kreditaufnahme mehr zulässig sein.

Am 26. März dieses Jahres hat der Schleswig-Holsteinische Landtag mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen, gegen die im Grundgesetz neu festgeschriebene Schuldenregelung für die Länder Klage zu erheben, und zwar nicht, weil von irgendeiner Fraktion oder gar einvernehmlich die für den Landeshaushalt angeordnete Schuldenbegrenzung als solche abgelehnt oder ausgeschlossen werden sollte, sondern weil nach Meinung aller Fraktionen dieses Hauses nicht der Bundes-, sondern der Landesgesetzgeber selbst die Hoheit über die Festsetzung einer Schuldenbremse im eigenen Land haben und behalten muss.

In der März-Debatte herrschte darüber interfraktionelles Einvernehmen, auch wenn sich der Kollege Wadephul heute Morgen einmal mehr als großkoalitionärer Spaltpilz in dieser Frage versucht hat. Herr Kollege Wadephul, ich zitiere unseren SPD

Fraktionsvorsitzenden Ralf Stegner aus der Landtagsdebatte vom 26. März erstens mit den Worten:

„Ich bin sehr wohl dafür, dass wir Schuldenbegrenzung einführen. Ich bin sehr wohl dafür, dass wir sparen und unseren Kindern und Enkeln nicht nur Schulden hinterlassen.“

Zweitens sagt er:

„… dass eine Föderalismusreform, in der der Bund mit zwei Bundesorganen beschließt, was der Schleswig-Holsteinische Landtag darf oder nicht darf, … nicht im Interesse des Landes Schleswig-Holstein ist.“

Zu diesen Aussagen steht die SPD-Landtagsfraktion nach wie vor. Ralf Stegner hat sie für uns vorhin noch einmal unterstrichen.

Gleichwohl ist zwischenzeitlich eine Entwicklung eingetreten, die die im März in Aussicht genommene Verfassungsklage möglicherweise - und ich vermute - nach dem derzeitigen Stand entbehrlich machen wird. Am 21. Juni 2009 hat der Koalitionsausschuss von CDU und SPD auch ohne bundesgesetzlichen Zwang das weitestreichende Sparprogramm in der Landesgeschichte mit dem Ziel auf den Weg gebracht, dass das Land selbst und in eigener Entscheidung und Entscheidungszuständigkeit darauf hinwirkt, ab 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen.

Die Neuverschuldung soll ab 2011 jährlich um 10 % gesenkt werden. Spätestens ab 2020 soll dann jeder Landeshaushalt entsprechend den Regelungen in Artikel 109 Abs. 3 Grundgesetz in wirtschaftlichen Normallagen strukturell ausgeglichen sein und ohne die Aufnahme neuer Schulden auskommen.

Die Devise heißt also: Haushalt konsolidieren, Neuverschuldung auf null reduzieren. Das war die Überschrift des ersten Tagesordnungspunktes heute. Die Landtagsdebatte dazu ist soeben geführt worden.

Die Koalitionsfraktionen haben in Anbetracht dieser Sparbeschlüsse vereinbart, die geplante Verfassungsklage gegen das Neuverschuldungsverbot für die Länder im Grundgesetz nicht weiter zu verfolgen, und zwar auch deshalb, weil aus Sicht der SPD-Landtagsfraktion nicht quasi im Hauruckverfahren im Koalitionsausschuss eine Verfassungsänderung mit weitreichenden Auswirkungen übers Knie gebrochen werden sollte.

(Zuruf der Abgeordneten Monika Heinold [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

(Dr. Johann Wadephul)

Kollege Kayenburg beruft sich mit seinen Anträgen heute auf den einstimmigen Beschluss des Landtages vom März mit der zutreffenden Feststellung, dass die verfassungsmäßigen Rechte des Landtags nicht zur Disposition von Koalitionsausschüssen stehen. Das stimmt. Wir werden in den zuständigen Fachausschüssen gegebenenfalls zu beraten haben, ob wir entsprechend den Anträgen des Kollegen Kayenburg dem Landtag empfehlen wollen, erstens trotz der Beschlüsse des Koalitionsausschusses an der ursprünglich beabsichtigten Verfassungsklage festzuhalten, und zweitens, ob wir entsprechend den grundgesetzlichen Vorgaben eine eigene Schuldenregelung für das Land Schleswig-Holstein doch noch in unsere Landesverfassung schreiben oder rechtlich anderweitig fixieren wollen.

Ich wage eine Vorhersage, ohne den Fachausschussberatungen vorgreifen zu wollen: Unser Landtagspräsident - Herr Kollege Wadephul, Sie haben eben den Odysseus bemüht - wird mit seinen Anträgen in die Annalen eingehen als Don Quichotte Kayenburg, unterlegen im mannhaften, aber aussichtslosen Kampf gegen die übermächtigen Windmühlenflügel einer in diesem Fall geschlossenen Großen Koalition von CDU und SPD.

(Zuruf von der CDU)

Herr Kollege Kayenburg, ich bitte, das nicht misszuverstehen. Für die SPD-Landtagsfraktion will ich Ihnen ausdrücklich unseren Respekt bekunden. Herr Kollege Kubicki hat das für die FDP vorhin auch schon getan. Wir halten es für ehrenwert, wenn der Präsident unseres Landtagsparlaments die Fahne des Föderalismus hochhält und sich für die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit unseres Bundeslandes Schleswig-Holstein einsetzt.

(Beifall bei CDU - Zuruf des Abgeordneten Günther Hildebrand [FDP])

Problematisch wird es nur, wenn der Fahnenträger mutig voranschreitet und sich das Gefolge hinter ihm in die Büsche schlägt. Auch das wollen Sie, lieber Herr Kollege Kayenburg, und werden Sie, wenn es so bleibt, unter Demokratieaspekten zu gegebener Zeit, sprich in zweiter Lesung der Anträge, hinzunehmen wissen. Entscheidend für den realen Erfolg einer wirklichen Schuldenbegrenzung in Schleswig-Holstein wird in den kommenden Jahren meines Erachtens ohnehin nicht in erster Linie das juristische Sollen, sondern das politische Wollen sein.

(Beifall bei SPD)

Ich danke dem Abgeordneten Klaus-Peter Puls. Für die FDP-Fraktion hat nun deren Vorsitzender, Abgeordneter Wolfgang Kubicki, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sozialdemokraten sind wie ein Chamäleon oder wie Nebel. Man bekommt sie nicht zu fassen, und sie wechseln jeweils ihre Farbe da, wo sie gerade auftreten.

(Beifall bei FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn ich Sie richtig verstanden habe, Herr Kollege Puls, haben Sie gerade erklärt, die Sozialdemokraten wollen in Schleswig-Holstein keine Regelung der Landesverfassung aus Gründen, die Sie möglicherweise für berechtigt halten, die ich aber nicht nachvollziehen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir unsere Verfassung ernst nehmen, wie wir es in Sonntagsreden immer wieder sagen, wie wir es bei der Einführung des Landesverfassungsgerichts in SchleswigHolstein mit besonderer Betonung und mit besonderer Ehrfurcht wieder gesagt haben, dann muss unsere Landesverfassung genau der rechtliche Ort sein, um eine der wichtigsten politischen Zukunftsfragen zu beantworten. So der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Johann Wadephul in seinem Redebeitrag zur Klage gegen eine Schuldenbremse am 26. März 2009.

(Zuruf von der SPD: Recht hat er!)

Übertragen auf die Ergebnisse des Koalitionsausschusses von CDU und SPD heißt das:

Erstens. CDU und SPD nehmen die Verfassung unseres Landes nicht ernst.

Zweitens. Die in früheren Redebeiträgen vorgebrachten Wertschätzungen unserer Landesverfassung waren alles Sonntagsreden.

(Beifall bei FDP)

Aber es gibt sie noch, die aufrechten Demokraten. Ich möchte mich erneut im Namen meiner Fraktion beim Landtagspräsidenten bedanken, dass er nicht nur seine Initiativen zur Schuldenbremse eingebracht hat, sondern auch durch seine zutreffenden Worte in seiner Pressemitteilung vom 22. Juni 2009 seinen Protest gegen die Beschlüsse des Koalitionsausschusses deutlich gemacht hat. Der Schritt, den Sie, Herr Präsident, hier gegangen sind, unter

(Klaus-Peter Puls)

streicht Ihre Glaubwürdigkeit und Ihre persönliche Integrität. Ich beteiligte mich am Kampf gegen die Windmühlenflügel der Sozialdemokratie mit besonderer Freude.

(Beifall bei FDP)

Also, Don Quijote und Sancho Pansa, obwohl ich nicht so aussehe. Sie haben gegen die Vereinbarungen im Koalitionsausschuss einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Verankerung einer Schuldenbremse in die Landesverfassung vorsieht.

Hat sich gerade jemand von den Sozialdemokraten als Sancho Pansa gemeldet? Sie haben ja entsprechende Kollegen in Ihren Reihen.