Protocol of the Session on June 17, 2009

Für die Landesregierung hat nun der Wirtschaftsund Verkehrsminister, Herr Dr. Jörn Biel, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es dürfte unbestritten sein, dass das Güterkraftverkehrsgewerbe von den Auswirkungen der Finanzmarktkrise und der damit einhergehenden Konjunkturkrise stark betroffen ist. Nach Zeiten glänzender Wachstumsraten und händeringenden Suchens nach geeigneten Kraftfahrern traf die Mauterhöhung nahezu zeitlich zusammen mit dem Konjunktureinbruch. Der derzeitige Rückgang in der Produktion, im Handel und im Export zieht zwangsläufig einen dramatischen Rückgang von Transportaufträgen nach sich. Das ist der Marktmechanismus. Man kann es auf die Kurzformel bringen: weniger Produktion, weniger Ladung.

Die Erhebung oder Nichterhebung einer Lkw-Maut, wie im vorliegenden Antrag der FDP gefordert, ändert an der Hauptursache für die Schwierigkeiten des Transportgewerbes nichts;

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

denn die Lkw-Maut wird wettbewerbsneutral erhoben. Das heißt, sie wird von jedem Transportunternehmen gleichermaßen bezahlt beziehungsweise entsprechend auf die Auftraggeber umgelegt. Sie wirkt ökonomisch gesehen wie eine allgemeine Preiserhöhung zum Beispiel für Treibstoff. Wettbewerbsnachteile ergeben sich nicht innerhalb der Lkw-Branche, sondern gegenüber anderen Verkehrsträgern.

Im Übrigen erreichen mich Zeichen aus der Branche, wonach eine Aussetzung der Maut durchaus kritisch gesehen wird; denn es wären mit dem Kunden neue Preisverhandlungen zu führen, was unter den gegebenen Marktbedingungen Risiken in sich birgt.

Das Land hat sich im Bundesratsverfahren für eine Erhöhung der Maut ausgesprochen und steht auch jetzt dazu. Die Lkw-Maut ist notwendig für die Fi

nanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Der Ausbau der Infrastruktur entscheidet über die Wettbewerbsfähigkeit des Landes als Logistikstandort. Ohne die Einnahmen aus der Maut sind Unterhaltung und Ausbau nicht gesichert.

Das Land hat jedoch gleichzeitig auf die Einhaltung der Harmonisierungszusage aus dem Jahr 2003 bestanden. Der Bundesverkehrsminister hat im Zuge der Mauterhöhung diese Forderung erfüllt. Für die Transportbranche stehen jetzt Harmonisierungsmaßnahmen in Höhe von 600 Millionen € pro Jahr zur Verfügung.

Die Zustimmung des Bundesrats vom November 2008 beinhaltet damit auch eine Entlastung des deutschen Transportgewerbes. Darüber hinaus hatte der Bundesrat seine Zustimmung zur Anhebung der Gebühr davon abhängig gemacht, dass die Gebühr für Fahrzeuge der Schadstoffklasse S3 bis Ende 2010 um 2 ct je Kilometer abgesenkt wird. Lkw dieser Schadstoffklasse sind die am häufigsten eingesetzten Fahrzeuge. Dies stellt nochmals eine Entlastungsmaßnahme für das mittelständische Transportgewerbe dar. - Sie sehen, das Land hat sich im Bundesratsverfahren mehrfach für eine Entlastung des deutschen Transportgewerbes eingesetzt.

Die Maut hat zugleich eine sehr wichtige Funktion, die bei der gesamten Diskussion zu oft aus den Augen verloren wird. Die Lkw-Maut ist nämlich das einzige Mittel, auch ausländische Transporteure zur Finanzierung der deutschen Verkehrsinfrastruktur heranzuziehen.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Das ist ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Mit einer Senkung der Lkw-Maut würden wir auf originäre Einnahmen von ausländischen Unternehmen verzichten, dies bei einer Transitquote von nahezu 30 % im bundesweiten Fernverkehr. Ich muss nicht betonen, dass unser Land Transitland für die Skandinavien- und Baltikumverkehre ist. Aus diesem Grunde halte ich eine Senkung der Lkw-Maut oder deren zeitliche Aussetzung für ein verkehrs-, wettbewerbs- und finanzpolitisches Eigentor.

Damit es dem Transportgewerbe bessergeht, muss es dem produzierenden Gewerbe bessergehen. Für mich ist sehr wichtig, die Industrie- und Handelsunternehmen im Land zu stützen, um so gleichzeitig Aufträge und Ladung für das Güterkraftverkehrsgewerbe des Landes zu sichern. Dafür setze ich mich ein, und dafür bin ich im Land unterwegs, ohne dass ich die Transportbranche aus den Augen verliere.

Lassen Sie mich abschließend noch darauf aufmerksam machen, dass Bundesregierung und Bundestag ohne Beteiligung des Bundesrates die Mauthöhe festlegen. Die Länder haben seit dem Konjunkturpaket II keine Mitspracherechte mehr.

(Beifall bei CDU, SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Minister. - Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Es ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion der FDP, Drucksache 16/2663, dem Wirtschaftsausschuss zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Dann ist das so beschlossen.

Lassen Sie mich geschäftsleitend sagen, dass die Tagesordnungspunkte 23 und 33 auf die Sitzung am Freitag, 11:30 Uhr, vertagt werden.

Ich unterbreche die Sitzung nun für die Mittagspause. Wir setzen die Sitzung um 15 Uhr fort und beginnen mit Tagesordnungspunkt 24.

(Unterbrechung: 12:59 bis 15:01 Uhr)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne unsere Sitzung nach der Mittagspause wieder und begrüße auf der Tribüne sehr herzlich die Mitglieder des DRK-Ortsvereins Norderstedt und Mitglieder des Fachsanitätszentrums Kiel. Seien Sie uns alle sehr herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich rufe Tagesordnungspunkt 24 auf:

CCS-Gesetz im Bundesrat ablehnen

Antrag der Abgeordneten des SSW Drucksache 16/2676

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache. Herr Abgeordneter Lars Harms hat das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen haben Tausende von Menschen im Landesteil Schleswig gegen die Einrichtung eines CO2-Endlagers in der Region prote

(Minister Dr. Jörn Biel)

stiert. Sie glauben nicht den Verheißungen der Kohlelobby, die die CCS-Technologie verherrlichend Clean Coal und den Transport von CO2 eine Klimaschutz-Pipeline nennt. Die Bürgerinnen und Bürger begehren zu Recht über alle Parteigrenzen hinaus auf, denn mit CCS wird die Welt nicht sauberer. Der Dreck wird nur unter den Teppich gekehrt, auf dem wir täglich leben müssen. Das CO2 bleibt in der Umwelt, und kein Mensch kann heute sagen, ob diese potenziell giftige Substanz über Tausende von Jahren von Mensch, Tier und Klima ferngehalten werden kann. Nicht einmal die RWE Dea selbst weiß, ob die Technologie funktionieren kann und wie sicher ein solcher Eingriff in die Natur ist.

Bei all dem ist die CO2-Speicherung nicht einmal ein Heilsweg für den Klimaschutz, sondern ein energiepolitischer Holzweg. CCS verlängert die Laufzeit der Kohlekraft und legitimiert den Bau neuer Kohlekraftwerke, weil diese angeblich sauber wären. CCS verschlingt selbst erhebliche Energiemengen. Dafür muss deutlich mehr Kohle verbrannt werden. CCS ist extrem teuer und bindet Fördergelder, die in den Aufbau der wirklich CO2freien Energieerzeugung fließen sollten. An Endlagerstandorten verhindert CCS den Ausbau regenerativer Energien, weil Bohrungen für Erdwärme, Druckluftspeicher für die Windenergie oder Erdwärmespeicher denselben Untergrund benötigen. Kurz: CCS hat nichts mit nachhaltigem Klimaschutz zu tun. Diese Technologie soll dafür sorgen, dass die Energiekonzerne so lange wie möglich mit der Kohleverstromung weitermachen können. Dass dabei die Gesundheit von Mensch und Natur aufs Spiel gesetzt wird, ist einfach nur zynisch.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies gilt umso mehr, als mit einem CCS-Gesetz Fakten geschaffen werden, die nicht ohne Weiteres wieder rückgängig gemacht werden können. Noch bevor geklärt wird, ob die CCS-Technologie funktionieren kann und sicher ist, will die Bundesregierung den Energiekonzernen bereits den Weg in die permanente CO2-Endlagerung ebnen. Zu allem Überfluss soll die Haftung für die Anlagen auch noch nach 30 Jahren auf den Staat übergehen.

Angesichts der Tatsache, dass wir hier über Lagerzeiten von 10.000 Jahren und über eine nicht ausgereifte Technologie sprechen, ist das wirklich dreist. Nicht das Verursacherprinzip soll gelten, sondern der Staat muss es richten, wenn die Wirtschaft es versemmelt und wenn es zu großen Umweltschäden kommt. Die RWE Dea und andere Endlagerbetrei

ber kassieren die kurzfristigen Gewinne, während die Allgemeinheit das langfristige Risiko trägt, und zwar auf Jahrtausende hinaus.

Dass die Landesregierung vor diesem Hintergrund seit 2008 ernsthaft CO2-Endlager an drei Stellen in Schleswig-Holstein ins Auge gefasst hat, war direkt gegen die Interessen der Menschen in SchleswigHolstein gerichtet. Das haben die Bürgerinnen und Bürger besonders im Landesteil Schleswig erkannt und dagegen mobil gemacht. Kommunalpolitiker, Wasserverbände, Naturschutzorganisationen, Touristiker, Bauernverbände und viele Bürger protestieren bereits. Es hat lange gedauert, bis dies ins Bewusstsein des Ministerpräsidenten drang, aber die Menschen in seiner nordfriesischen Heimat engagieren sich schon seit Wochen massiv gegen CO2-Endlager. Sie sind bereit, vieles zu tun, um die RWE Dea und die Landesregierung an der Umsetzung des Plans zu hindern.

Die Landesregierung und die CDU-Fraktion sind lange nur dadurch in Erscheinung getreten, dass sie CCS in noch schöneren Farben malten als die RWE Dea selbst. Umweltminister von Boetticher hat das CCS-Gesetz im Namen Schleswig-Holsteins mit einem Entschließungsantrag im Bundesrat offiziell begrüßt. Ministerpräsident Carstensen ist vor allem mit Überlegungen dahin gehend aufgefallen, wie Schleswig-Holstein mit dem Endlager abkassieren kann, sowie mit der bahnbrechenden wissenschaftlichen Erkenntnis, dass CO2 aus Brunsbüttel im Untergrund von Nordfriesland nicht so schlimm ist wie CO2 aus dem Rheinland.

Die Sozialdemokraten hier im Hause haben sich verbal gegen CCS ausgesprochen, aber aus Koalitionsräson bisher stillgehalten. Heute fordern wir Sie alle auf: Stimmen Sie für unseren Antrag!

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen in Schleswig-Holstein wollen ihren Untergrund nicht für die Endlagerung von CO2 hergeben. Deshalb fordern wir die Landesregierung auf, den Gesetzentwurf im Bundesrat abzulehnen. Allein durch den Aufschub des CCS-Gesetzes im Bundestag ist die Kuh noch nicht vom Eis. Deshalb fordern wir die CDU und die SPD auf: Sorgen sie dafür, dass das CCS-Gesetz endgültig vom Tisch kommt! Erklären Sie vor allem klipp und klar, dass das gemeinsame Projekt der Landesregierung und der RWE Dea zur Erkundung von Endlagerstandorten in Schleswig-Holstein beendet ist! Sagen Sie endgültig Nein zum CO2-Endlager in SchleswigHolstein! Niemand soll den Boden unter seinen Fü

(Lars Harms)

ßen für Experimente mit derart fragwürdigen und riskanten Technologien hergeben müssen.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auf der Tribüne begrüßen wir jetzt die Landesvorsitzende von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Marlies Fritzen, und die Bürgerinitiative gegen ein CCS-Endlager in Nordfriesland. Seien Sie herzlich willkommen!

(Beifall)

Für die Fraktion der CDU erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Axel Bernstein das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einer Debatte über das Thema CCS kommt man nicht ganz ohne Abkürzungen aus. Nach dem vorherigen Beitrag scheint es mir, als stünde das Kürzel SSW für „Sehr Selektive Wahrnehmung“.

(Beifall bei CDU und FDP)

Um das Bild ein bisschen runder zu machen, möchte ich vier Punkte ansprechen: Erstens. Wir reden hier über Klimaschutz. Alle ernst zu nehmenden Fachleute sagen uns, bei der Bekämpfung des Klimawandels ist es fünf vor zwölf oder später. Vor diesem Hintergrund ist für die CDU-Fraktion keine Technologie von vornherein außer Acht zu lassen. Das gilt auch für CCS. Wir sind der Auffassung, dass diese Technologie erforscht und erprobt werden soll, um den Nachweis zu erbringen, ob sie tatsächlich sicher sein kann, ob sie sich tatsächlich unter den künftigen Rahmenbedingungen wirtschaftlich durchsetzen kann und ob sie nicht auch Akzeptanz in der Bevölkerung finden kann. Das entspricht übrigens auch den Maßgaben, die Schleswig-Holstein im Bundesrat gestellt hat.

Für uns gilt aber auch: Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Bevölkerung in Schleswig-Holstein ernst. Auch im Zusammenhang mit allen anderen Themen, die mit Umwelt und Energieversorgung zu tun haben, haben wir immer gesagt: Wir wollen die Themen mit den Menschen bearbeiten und umsetzen. Das gilt auch für das Thema CCS. Deshalb gilt mein ausdrücklicher Dank dem Herrn Ministerpräsidenten und den CDU-Bundestagsabgeordneten aus Schleswig-Holstein. Beide haben dazu beigetragen, dass das Thema in dieser Woche im Bundestag nicht abschließend beraten wird.

(Beifall bei der CDU - Zuruf des Abgeordne- ten Konrad Nabel [SPD])