Protocol of the Session on May 8, 2009

(Dr. Ekkehard Klug)

Wenn wir den Europagedanken fördern wollen, wenn wir die europäische Solidarität und das Wissen über die europäischen Länder und ihre Erfahrungen fördern wollen, wenn wir auch wollen, dass andere Sprachen als Englisch gesprochen werden wir werden die Weltsprache Englisch natürlich nicht ablösen können, aber eine größere Sprachenvielfalt auf dieser Welt ist sicherlich wünschenswert; und die europäischen Sprachen haben hierbei einen reichen Schatz zu bieten -, wenn wir also hier mehr tun wollen, müssen wir uns natürlich noch ganz anders für Bildungsprogramme für Europaschulen in allen Ländern einsetzen. Also, dem Trend, alles nach Amerika, alles nur englischsprachig, der zum Teil auch wirtschaftlich gefördert wird, muss etwas entgegengesetzt werden.

Dabei ist Frankreich traditionell ein natürlicher Partner in dieser Frage. Wir haben dann aber auch die Verpflichtungen gegenüber dem Land Polen, die wir mit Leben erfüllen. Aber dann wird es auch schon dünn. Ich habe mich deswegen ausgesprochen gefreut, dass der Kollege vorhin das Beispiel aus Bilbao in Spanien angebracht hat. Spanien ist allerdings ein westeuropäisches Land und ein Land, dessen Sprache sich in unseren Schulen noch eher widerspiegelt, denn Spanisch gibt es durchaus in unserem Schulkanon.

Was machen hingegen wir mit den vielen neuen Nachbarn im Osten, die jetzt zur EU gehören, in denen natürlich noch viel weniger Geld vorhanden ist und deren Sprachen, wenn man sie sich auf dem Weltmarkt der Sprachen anschaut, verschwindend wenig vorkommen und die auch noch schwierig zu erlernen sind wie zum Beispiel Ungarisch? Es ist auch nicht sehr populär, Finnisch zu lernen. Was machen wir da mit Schulpartnerschaften?

Wenn wir den Europagedanken ernst nehmen, kann es nicht sein, dass wir die reichen Länder Europas untereinander vernetzen. Wenn wir das als Solidaritäts- und Bildungsaustausch ernst nehmen wollen, müssen wir uns - nicht heute und nicht sofort, aber auf jeden Fall - der Aufgabe widmen, auch hier zu einem Austausch zu kommen, der auf ein breiteres Fundament als bisher gestellt wird.

(Zuruf des Abgeordneten Manfred Ritzek [CDU])

Die Schulen, die sich hier als Pionier auf den Weg gemacht haben, haben es besonders schwer. Deshalb unterstreiche ich den Gedanken an dieser Stelle noch einmal.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und des Abgeordneten Rolf Fischer [SPD])

Für die Abgeordneten des SSW im Landtag hat die Frau Vorsitzende, Anke Spoorendonk, das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die schleswig-holsteinischen Europaschulen eine beeindruckende Arbeit leisten, ist unumstritten. Das wurde von der Ministerin schon hervorgehoben. Das will ich jetzt nicht vertiefen. Dass die Europaschulen seit 1996 verschiedenste Instrumente entwickelt haben, um ihren Schülerinnen und Schülern auch diese in den Europaschulen beigebrachte Europakompetenz zu vermitteln und so für mehr Verständnis, Toleranz und Miteinander unter den Menschen in Europa sorgen, ist ebenfalls unbestritten. Aus Sicht des SSW gilt es, diese Arbeit zu würdigen und vor allem, diese Arbeit in Zukunft verstärkt zu unterstützen.

Für die weitere Beratung im Ausschuss möchte ich - genau wie der Kollege Klug - ein paar Stichworte loswerden, die nicht neu sind, die wir in den verschiedensten Ausschussberatungen auch schon mehrfach angesprochen haben, die aber aus Sicht des SSW uns weiterhin als Ziel vor Augen sein sollten.

Erstens. Die Europaschulen brauchen eine bessere finanzielle Förderung.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist nicht einfach. Sie brauchen aber mehr Unterstützung, sodass sie sich dann auch innerhalb der verschiedensten Projekte bewegen können. Zudem dient eine bessere finanzielle Förderung sowohl der Motivation als auch der Belohnung. Wir können grundsätzlich nicht vonseiten der Politik fordern, dass Europa den Bürgerinnen und Bürgern nähergebracht wird, wenn wir gleichzeitig nicht bereit sind, dieses auch angemessen zu fördern. Das muss weiterhin unser Ziel sein.

Zweitens müssen die Europaschulen aus Sicht des SSW systematisch mit Fremdsprachenassistenten ausgestattet werden. Auch das ist kein neues Thema. Das haben wir im Ausschuss mehrfach beraten. Diese jungen Menschen, die Fremdsprachenassistenten, beleben den Fremdsprachenunterricht über den pädagogischen Austauschdienst und können den Schülerinnen und Schülern das Leben in einem anderen Land Europas ganz konkret näherbringen. Die Anregung der Kollegin Birk aufgreifend könnte man gerade mit Hilfe von Fremdsprachenassisten

(Angelika Birk)

ten auch einen breiteren Zugang zu den anderen Sprachen Europas ermöglichen.

Drittens sollte aus Sicht des SSW eine Beratungsstelle für die Schulen zur Erarbeitung von EU-Förderanträgen eingerichtet werden.

(Zurufe)

Es gibt schon solche Stellen. Aber im Gespräch mit Europaschulen hört man immer wieder, dass es mehr als wünschenswert wäre, wenn es für EU-Förder-Anträge für den schulischen Bereich so eine Stelle geben könnte. Genau wie wir es schon von INTERREG und auch aus dem Zukunftsprogramm kennen, brauchen auch die Lehrerinnen und Lehrer Unterstützung, um sich durch den Antragsdschungel zu kämpfen und so mehr Geld aus Brüssel nach Schleswig-Holstein zu holen.

Viertens müssen wir uns überlegen, ob es nicht angemessen und richtig ist, für jede Europaschule auch zwei Ausgleichsstunden zur Verfügung zu stellen, damit der Mehraufwand der Lehrerinnen und Lehrer nicht nur aus ehrenamtlicher Arbeit geleistet werden muss, sondern auch vom Land anerkannt wird.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das wäre weiterhin auch ein Ausdruck von Wertschätzung der Arbeit, die an den Europaschulen nicht nur über die Fördervereine, sondern auch wirklich von den Lehrkräften geleistet wird.

Und fünftens wünscht sich der SSW eine politische Initiative zur Stärkung der Arbeit der Europaschulen. Über die konkrete Gestaltung müssen wir weiter im Europaausschuss beraten. Aber Schwerpunkt so einer politischen Initiative könnte die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität von Lehrlingen und Studierenden sein. Auch das ist nichts Neues. Aber gerade einmal 2 % der Lehrlinge gehen deutschlandweit während ihrer Ausbildung ins Ausland. Die Zahl der Studierenden ist mit der Einführung von Bachelor und Master gesunken, da diese verschulten Studiengänge einen Auslandsaufenthalt häufig nicht mehr zulassen. Und derzeit werden gerade einmal 41 % der im Ausland erbrachten Leistungen in Deutschland auch anerkannt. Auch da besteht noch Nachholbedarf.

Grundsätzlich: Für einen Exportweltmeister wie Deutschland - das sind wir ja immer noch - ist es notwendig, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer interkulturelle Kompetenz besitzen und sich in dieser globalisierten Welt bewegen können.

Wir wünschen uns, dass wir über weitere Beratungen im Ausschuss auch die Rahmenbedingungen für die Arbeit der Europaschulen verbessern können. Ansonsten wünschen wir uns, dass auch alle anderen Schulen sich letztlich als Europaschulen verstehen.

(Beifall beim SSW sowie vereinzelt bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Beratung.

Ich stelle zunächst fest, dass der Berichtsantrag Drucksache 16/2639 (neu) durch die Berichterstattung der Landesregierung seine Erledigung gefunden hat.

Frau Spoorendonk, Ihren Hinweis auf Befassung im Europaausschuss werte ich als den Hinweis auf Selbstbefassung, da die Überweisung eines mündlichen Berichtes nicht vorgesehen ist.

(Anke Spoorendonk [SSW]: Ja, ist klar!)

Ich rufe dann den Tagesordnungspunkt 12 auf:

Soziales Europa

Große Anfrage der Fraktion der SPD Drucksache 16/2366

Antwort der Landesregierung Drucksache 16/2611

Wird das Wort zur Begründung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann erteile ich zur Beantwortung der Großen Anfrage das Wort dem Herrn Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Uwe Döring.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wahrscheinlich bin ich noch irgendwo in der Zeitverschiebung verfangen. Ich sagte eben schon zu Herrn Klug, vielleicht taue ich auch erst noch auf. Tut mir leid, dass ich erst jetzt dazu komme, Ihnen den Bericht vorzustellen, den Sie bereits erhalten haben.

Die vorliegende Antwort auf die Große Anfrage zeigt, wie wichtig die Politik der Europäischen Union für Schleswig-Holstein ist und was wir in Schleswig-Holstein im sozialen Bereich daraus machen.

(Anke Spoorendonk)

Lassen Sie mich das an einigen Beispielen skizzieren. Die deutsch-dänische Zusammenarbeit umfasst inzwischen nicht mehr nur die regionale Ebene und beschränkt sich auch nicht auf Wirtschaft und Umwelt. Einige von uns werden sich sicherlich noch an die Zeit erinnern, als wir über die Frage diskutierten, ob, wann und unter welchen Bedingungen eine grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung überhaupt möglich ist. Seit den 90erJahren haben wir mithilfe von INTERREG eine enge Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich aufbauen können. Es ist ein großer Fortschritt - ich bin sehr froh darüber -, dass dieser Bereich inzwischen substanziell in die gemeinsame Erklärung zwischen Schleswig-Holstein und Süddänemark aufgenommen wurde sowie Teil unseres jährlichen Arbeitsprogramms ist.

(Vereinzelter Beifall bei SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Beifall des Abgeord- neten Torsten Geerdts [CDU])

Mit der Neuausrichtung der EU-Strukturpolitik haben wir auch innerhalb Schleswig-Holsteins unsere Schwerpunkte neu ausgerichtet. Mit dem Zukunftsprogramm schafft die Landesregierung einen einheitlichen Förderrahmen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Potenziale, die es zu stärken und durch innovative Vorhaben zu unterstützen gilt. Ziele sind mehr Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum und damit gesellschaftlicher Wohlstand in unserem Land. Wir wollen damit weitere innovative Projekte anstoßen, zum Beispiel Projekte zum Ausbau der wirtschaftsnahen Forschungsinfrastruktur, auch um zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Auch das ist ein Teil, der zum sozialen Europa gehört. Dazu gehören auch Projekte zum lebenslangen Lernen und zur weiteren Entwicklung der spezifischen regionalen Potenziale. Hier müssen wir schon bei den jungen Menschen ansetzen. Deshalb bin ich sehr froh, dass ich mit meiner Kollegin Erdsiek-Rave das Projekt „Schule und Arbeitswelt“ aus europäischen Mitteln finanzieren kann, aus dem Europäischen Sozialfonds. Das ist ein Teil konkreter, sozialer Arbeit, die wir an Schulen leisten können,

(Vereinzelter Beifall bei SPD, CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

damit junge Menschen frühzeitig eine Berufsorientierung haben und später auch ihren Arbeitsplatz und ihren Platz in der Gesellschaft finden.

Der Bericht zeigt aber auch deutlich, was wir heute gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftskrise brauchen: eine Neubestimmung von

Markt und staatlichem Handeln, eine Neubestimmung von europäischen Kompetenzen und nationalen Strukturen. So gab es im letzten Jahr - wir haben hier im Haus schon mehrfach darüber diskutiert - eine Reihe von Urteilen des EuGH, die den Schutz des Binnenmarktes, insbesondere die Dienstleistungsfreiheit, faktisch über nationale Regelungen stellen - sowohl beim Streikrecht als auch bei der Tariffindung. Das hat zu vielen Diskussionen und zu viel Unverständnis geführt. Hier fehlen klare EU-Regelungen zum sozialen Europa und/ oder, wenn man das nicht europäisch regeln will, dann ein klares Bekenntnis zu Subsidiarität, dass die nationalen Standards gehalten werden können.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier besteht - lassen Sie mich das gerade im Vorfeld der Europawahl sagen - eine ganz große Gefahr, weil das dazu führt, dass wir bei solchen Wahlen schlechte Beteiligungen haben, weil nämlich die Menschen die EU nicht als Schutzschild vor wirtschaftlichen Problemen wahrnehmen, sondern als Teil der Bedrohung empfinden.

(Holger Astrup [SPD]: Leider ist das so!)

Wenn das passiert, werden wir ein riesiges Problem haben, Köpfe und Herzen der Menschen für Europa zu gewinnen.

(Beifall der Abgeordneten Angelika Birk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])