Protocol of the Session on May 6, 2009

Dreieinhalb Seiten, gefüllt mit Allgemeinplätzen: Note sechs für die Landesregierung!

(Zuruf)

- Sie haben es vielleicht nicht gelesen.

Da diskutiert die ganze Bundesrepublik über die notwendige Neuaufstellung der Landesbanken, über Fusionen und über mögliche Organisationsformen für eine „Bad Bank“, und die schleswig-holsteinische Landesregierung, selbst Anteilseigner einer durch die Finanzmarktkrise schwer erschütterten Bank, tut so, als ginge sie das Ganze gar nichts an.

Welche Position, wollten wir wissen, hat die Landesregierung zur Weiterentwicklung des Landesbankensektors? - Die Antwort im Bericht - ich zitiere -:

„CDU und SPD haben uns aufgefordert, bis zum 1. Oktober 2009 ein Konzept über die Rolle der HSH Nordbank in einer zukünftigen Landesbankenstruktur in Deutschland vorzulegen.“

Na prima!

Während andere Landesregierungen bereits eigene Vorstellungen entwickelt haben und hammerhart für ihre Landesinteressen streiten, verschläft unsere Landesregierung die Zukunft.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schlimmer noch: Mit ihrem Nichtstun nimmt die Landesregierung in Kauf, dass mehrere Milliarden, welche Schleswig-Holstein in den letzten Jahren in die HSH Nordbank investiert hat, aufs Spiel gesetzt

werden und so große Teile des Landesvermögens eventuell vernichtet werden.

Meine Damen und Herren, die Spatzen pfeifen es von den Dächern, dass sich sieben Landesbanken in Deutschland auf Dauer nicht werden halten können. Die meisten Landesbanken kämpfen schon heute um ihre Existenz, brauchen milliardenschwere Rettungsschirme von ihrem jeweiligen Bundesland und machen sich außerdem zunehmend gegenseitig Konkurrenz, indem sie beispielsweise das Firmenkundengeschäft in ganz Deutschland jeweils für sich beanspruchen.

Wer sich jetzt in diese Debatte um die Neukonzeption der Landesbanken nicht intensiv einmischt, der wird anschließend hinnehmen müssen, dass andere den Kurs abgesteckt haben.

Meine Damen und Herren, der Ursprung für die Gründung der Landesbanken als öffentlich-rechtliche Institute war die Sicherstellung der Kreditversorgung der regionalen Wirtschaft. In den letzten Jahrzehnten hat sich diese Situation aber massiv verändert. Durch den Wegfall der Gewährträgerhaftung und der Anstaltslast 2005 haben sich die Kreditkonditionen für die Landesbanken deutlich verschlechtert, und außerdem sind die Sparkassen größer und mobiler geworden und sind bei Weitem nicht mehr in dem Maß wie früher auf ihre Landesbank als Finanzpartner angewiesen.

Vor diesem Hintergrund muss man, wenn man sich über die Zukunft der Landesbanken Gedanken macht, zuallererst die Frage stellen, welchen Bedarf es heute noch bei der regionalen Wirtschaft für ein großes öffentlich-rechtliches Finanzinstitut in Schleswig-Holstein oder anderswo oberhalb des Sparkassensektors gibt.

Unser Berichtsantrag enthielt genau diese Frage, und die Landesregierung hat auch hier die Antwort verweigert.

Herr Finanzminister, ich fasse diesen schlampig erarbeiteten Bericht als Missachtung des Parlaments auf.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Können Sie nicht antworten, oder wollen Sie nicht antworten?

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Er kann nicht!)

Schon mit dem neuen Geschäftsmodell für die HSH Nordbank hätten Sie eine ehrliche Bedarfsanalyse über die Kreditversorgung der schleswig-holsteini

(Präsident Martin Kayenburg)

schen Wirtschaft vorlegen müssen. Aber auch das haben Sie nicht getan.

Das Einzige, was uns vonseiten der Landesregierung dazu vorliegt, ist der alte Kabinettsbericht des ehemaligen Wirtschaftsministers Marnette, der sich sehr kritisch mit dieser Frage auseinandergesetzt hatte. Er hatte festgestellt, dass die Fortsetzung der bisherigen Geschäftspolitik der HSH Nordbank für die Kreditversorgung der Wirtschaft keinen wesentlichen Vorteil bringen würde, und er hatte die These aufgestellt, dass eine öffentliche Trägerschaft der Landesbank nicht mehr zu begründen ist und demzufolge, so bald wie möglich und wirtschaftlich vertretbar, beendet werden muss. - Herr Finanzminister, auch dazu von Ihnen heute kein Wort.

Die grüne Landtagsfraktion teilt diese Einschätzung von Herrn Marnette. Eine bundesweite Reform der Landesbankenstruktur ist überfällig. Deutschland braucht weder sieben Landesbanken noch - wie vom Sparkassen- und Giroverband vorgeschlagen - zwei oder drei. Unser Vorschlag ist es, die sieben Landesbanken zu nur noch einem öffentlich-rechtlichen Finanzinstitut in der Hand der Sparkassen weiterzuentwickeln.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein gangbarer Weg dorthin wäre die Gründung einer Holding für diejenigen Teile, die jetzt in die sogenannte Kernbank gehen, und die Gründung eines Anstaltsmodells, also die AidA - Anstalt in der Anstalt -, in welche die Länder ihre Abbaubanken einbringen können. Auf diesem Weg könnten die Landesbanken mittelfristig zu einem öffentlichrechtlichen Zentralinstitut fusioniert werden. Die Altrisiken wären nach wie vor nach dem Verursacherprinzip zuzuordnen, und die neue Holding wäre stark genug, um Gewinne zu machen und den vorhandenen Wert der Landesbanken zu erhalten beziehungsweise wieder zu verbessern. Filialen vor Ort - so unsere Vorstellung - könnten die Versorgung der regionalen Wirtschaft sicherstellen und das Spezial-Know-how, wie beispielsweise die Schiffsfinanzierung der HSH Nordbank, in der jeweiligen Region erhalten.

Meine Damen und Herren, dieses Konzept löst nicht die aktuellen Probleme der HSH Nordbank darum ging es in dem Bericht auch nicht -, aber es zeigt auf, welche tiefgreifenden Schritte notwendig wären, um die Landesbankenlandschaft von Grund auf zu reformieren.

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat ein ähnliches Konzept ins Spiel gebracht: eine Bank deutscher Länder, auch in Form einer Holding, mit

mehreren Niederlassungen, um die Interessen der jeweiligen Länder mit Landesbanken zu gewährleisten und um an den jeweiligen Standorten einzelne Geschäftsbereiche zu bündeln.

Meine Damen und Herren, während sich andere Länder in die Debatte einmischen, verharrt die schleswig-holsteinische Landesregierung im Gestern. Im Bericht heißt es - Zitat -:

„Landesbankfusionen oder übergreifende Strukturänderungen kann es sinnvollerweise erst nach Bereinigung der jeweiligen kritischen Portfolien in allen Landesbanken geben.“

Das aber wird dauern.

Ich appelliere dringend an uns alle, nicht denselben Fehler zu machen, den wir 2001 bis 2005 gemacht haben, als wir nicht wahrnehmen wollten, dass das Auslaufen der Gewährträgerhaftung auch eine Veränderung der Landesbankenlandschaft am Markt nach sich ziehen muss. Damals haben wir es versäumt - und ich sage das durchaus selbstkritisch -, darauf zu drängen, dass sich die Landesbanken in Deutschland neu aufstellen und am Bedarf der regionalen Wirtschaft ausrichten. Lassen Sie uns diesen Fehler also nicht wiederholen. Die sieben Landesbanken in Deutschland haben in ihrer jetzigen Form keine Perspektive.

Herr Finanzminister, beteiligen Sie sich endlich an der bundesweit geführten Reformdebatte, statt rückwärtsgewandt alte Strukturen zu zementieren! Ihre Strategie des Nichtstuns ist hoch riskant. Schleswig-Holstein hat Milliarden an Vermögen in die HSH Nordbank investiert und muss alles tun, damit dieses Geld nicht endgültig verloren ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP)

Tagträumereien über schon bald wieder fließende Dividenden der HSH Nordbank können wir uns im Moment nicht leisten, Herr Wiegard. Hören Sie endlich auf, den Menschen im Land vorzugaukeln, dass bisher kein Cent Steuergeld für die HSH Nordbank draufgegangen ist!

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Sie wissen doch genau wie wir, dass das vom Land bei der HSH Nordbank angelegte Vermögen erstens zurzeit keine Gewinne einbringt und zweitens niemand sagen kann, ob wir von diesem investierten Geld je einen Cent zurückerhalten.

(Monika Heinold)

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Niemand kann heute sagen - auch wenn der Ministerpräsident das anders behauptet hat -, ob das neue Geschäftsmodell der HSH Nordbank in Zukunft trägt. Umso wichtiger ist es, gemeinsam mit den anderen Bundesländern Konzepte zu erarbeiten, damit Schleswig-Holstein durch seine Stützungsmaßnahmen für die HSH Nordbank nicht selbst zum Stützungsfall wird.

Ich fasse zusammen: Erstens. Der vorgelegte Bericht der Landesregierung ist eine Frechheit. Herr Wiegard, konsequenterweise müsste das Parlament die Annahme verweigern und Sie auffordern, einen neuen Bericht vorzulegen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)

Zweitens. Die Landesregierung verweigert sich der notwendigen Debatte um die Neukonzeption der Landesbanken und verspielt somit die Einflussmöglichkeiten unseres Bundeslandes.

(Zuruf des Abgeordneten Wolfgang Kubicki [FDP])

- Genau, die haben kein Konzept.

Drittens. Mit ihrer dilettantischen Vorgehensweise setzt die Landesregierung große Teile des Landesvermögens aufs Spiel.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW - Minister Dr. Christian von Boetticher: Wie die Grünen in Hamburg?)

Große Koalition gleich großes Desaster. Herr Finanzminister, Sie können es nicht, und das kann bittere Folgen für Schleswig-Holstein haben.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, FDP und SSW)