Protocol of the Session on September 29, 2005

Dann hat ihn im entscheidenden Augenblick der Mut verlassen. Ich darf das einmal im Hinblick auf die Erblasten sagen, die ich jetzt habe. Es gibt das Protokoll aus der Umweltausschusssitzung vom 4. Juni 2003. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich:

„Nicht gemeldet seinen die Start- und Landebahn, die Flächen für die geplante Erweiterung der Start- und Landebahn einschließlich des geplanten Taxiwayse. Dieses Gelände sei nämlich nicht mehr FFH-würdig.“

So damals der Umweltminister Müller. Das war im Juni 2003. Im Januar 2004 gab es das bilaterale Gespräch der Kommission mit Deutschland. Da hat die Kommission klipp und klar gesagt: Blankensee ist so nicht in Ordnung; und auch die Ästuare müssten gemeldet werden. Was ist dann im Laufe des Jahres geschehen? Über ein Jahr hatte der Umweltminister Müller noch Zeit. Es ist gar nichts geschehen. Nichts davon ist umgesetzt worden. Darum befinde ich mich heute in einer wirklich misslichen Lage.

Ich habe in beiden beklagten Gebieten - das berichte ich nicht das erste Mal - Arbeitsgruppen, die im Augenblick sehr offen auch die Menschen vor Ort mitnehmen, in denen externe Experten dabei sind,

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Rechtsexperten, die Experten des Hauses und die Menschen vor Ort dabei sind, um sie in diesen Prozess einzubinden. Wir haben das auf Eiderstedt, wir haben das in der Eider-Treene-Sorge-Region und sind dort in einem sehr guten Prozess, den wir übrigens auch bei der Kommission so angekündigt haben. Wir befinden uns mit Blankensee in der misslichen Situation, eben weil dort nicht auf die Kommission gehört worden ist und weil den Umweltminister der Mut verlassen hat. Aber auch da sind wir jetzt in dem Verfahren, das an dieser Stelle nachmeldet.

Dann haben wir die Ästuare. Da hat man offensichtlich - dass ist jedenfalls das, was mir der Bürgermeister in Lübeck erklärt hat - gesagt, das sei naturschutzfachlich auch nicht zu melden. Das ist Unsinn; das hat die Kommission schon im Jahr 2004 gesagt. Die Kommission sagt mir heute nach einem Besuch in Brüssel ganz deutlich: Wenn wir diese Gebiete nicht nachmelden, werden sie in den bisher vorbereiteten Schriftsätzen für ein Klageverfahren vor dem EuGH erwähnt. - Dann läuft dort gar nichts mehr. Dann gibt es keine Hafenentwicklung, dann gibt es keine Erweiterung, dann haben wir während des Klageverfahrens einen Stillstand. Das kann weder Lübeck noch Brunsbüttel wollen und insofern befinden wir uns dort auf einen vernünftigen Weg.

Ich kann mit Erlaubnis des Präsidenten gerne eine andere Stelle aus diesem Protokoll zitieren:

„Die Beschlussfassung im Kabinett sei einstimmig erfolgt,“

So, Herr Müller, das müssten Sie erklären, wenn Sie sich hier so aufregen und echauffieren. Also werden wir auch an dieser Stelle nacharbeiten.

Aber es kommt noch viel dicker: Wir haben uns mittlerweile an die Überprüfung der Standarddatenbögen gemacht und auch dort stellen wir immer wieder Fehler fest. Das hat dazu geführt, dass ich bei der Europäischen Union gefragt habe, was ich hinsichtlich noch nicht gelisteter Gebiete in Brüssel mache, wenn ich heute feststelle, dass diese naturschutzfachlich falsch beurteilt worden sind. Wissen Sie, Herr Müller, Sie hätten sich die Arbeit und die Mühe machen können, diese mit der Kommission zu diskutieren.

(Beifall bei CDU und FDP)

Die Kommission hat ganz deutlich gesagt: Wenn es Nachweise für falsche naturschutzfachliche Beurteilungen gibt, dann wollen wir die Begründung dafür sehen. Aber dann ist bei noch nicht gelisteten Gebieten eine andere Vorgehensweise und eine Überprüfung möglich. Das machen wir gerade.

Ich sage Ihnen eins: Das ist eine Arbeit, die keinen großen Spaß macht. Es ist die Erblast Ihrer Politik. Es ist die Erblast, die mir Herr Müller, die mir Herr Steenblock hinterlassen haben, die dafür von der Kommission eine Sechs bekommen haben. Und ich sage Ihnen noch etwas: Ich werde diese Erblast nicht an einen Nachfolger weitergeben, sondern wir werden NATURA 2000 vernünftig abarbeiten.

(Beifall bei CDU und FDP)

Wir werden die Gebiete bis Ende 2006 im Reinen haben und dann haben wir unsere Arbeit naturschutzfachlich richtig gemacht. Ich habe als Europäer das Projekt immer begrüßt. Allerdings muss ich sagen, dass hier immer sehr viel Angst geschürt wurde und dass viele unzutreffende Dinge verbreitet worden sind. Ich sage bewusst nicht „Lügen“.

(Beifall bei CDU und FDP)

Herr Minister, ich danke Ihnen für Ihren Bericht. - Nach § 56 Abs. 6 unserer Geschäftsordnung verlängert sich die Redezeit der Fraktionen jeweils um anderthalb Minuten, weil die Regierung entsprechend anderthalb Minuten mehr für den Bericht benötigt hat.

(Der Abgeordnete Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] betritt den Plenarsaal - Zurufe von der CDU)

Ich eröffne nunmehr die Aussprache.

(Manfred Ritzek [CDU]: Er hat gekniffen!)

Das Wort für den Antragsteller - -

(Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wie bitte? Ich möchte das Wort gerne noch einmal hören, Herr Ritzek! - Manfred Ritzek [CDU]: „Er hat gekniffen“, habe ich gesagt! - Klaus Müller [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nur noch peinlich!)

- Also, bilaterale Gespräche bitte ich im Foyer miteinander zu führen! Hier geht es um eine Plenardebatte. Das Wort für die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Kollege Karl-Martin Hentschel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer hier Ängste geschürt hat und wer behauptet hat, dass sei alles überflüssig und nicht nötig, brauche ich in diesem Hause wohl nicht zu erzählen.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Karl-Martin Hentschel)

Alle, die damals anwesend waren, wissen das sehr gut. Sie waren ja nicht anwesend. Deswegen wissen Sie es nicht.

Alle, die mit der Sachlage vertraut waren, wussten im letzten Jahr, dass es nach der Landtagswahl zu einer 4. Tranche - oder wie man es auch nennen will - bei der Ausweisung von NATURA-2000-Gebieten kommen musste. Die EU hat unmissverständlich deutlich gemacht, dass die Ausweisung allein nach fachlichen und nicht nach anderen Kriterien erfolgen muss.

Dass die Abstimmung in einer Koalitionsregierung im Kabinett immer einstimmig ist, sollten Sie vielleicht wissen. Das schützt den kleinen Koalitionspartner vor dem Überstimmen. Ich weiß nicht, ob es bei Ihnen anders ist. Sie können ja noch einmal erläutern, wie es bei Ihnen ist.

Wir alle wissen auch, um welche Gebiete es geht, bei denen die Entscheidung aus politischen Gründen für einen Zeitpunkt nach der Wahl verschoben wurde. Es handelt sich um die Flächen in Blankensee, um das Trave-Ästuar, um die Elbe vor Brunsbüttel, um die Gebiete in der ETS-Region und um die Halbinsel Eiderstedt.

Angesichts der politischen Debatte vor der Wahl verüble ich es meinen ehemaligen Koalitionskollegen nicht, dass sie auf eine Verschiebung der Entscheidung bestanden haben. Angesichts der aufgeheizten Situation war es sicherlich verständlich, dies zu tun.

Aber es ist schon eine Art Ironie der Geschichte, dass Christian von Boetticher - der schlagende Bursche, der auszog, um den Drachen NATURA 2000 zu bändigen - sich nun brav ausmacht, um all die Gebiete auszuweisen, die vor der Wahl Ausgeburten grüner Teufelsfantasien waren.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe schon den Knappen Christian, wie er im Trave-Ästuar den Bürgermeister Saxe mit dem Säbel vertreibt, wie er zur Ausweisung des Vogelschutzgebietes in Brunsbüttel mit einer Rabenvogeleskorte einmarschiert. Ich ahne schon, wie er auf Eiderstedt versucht, die Bauern zu besänftigen, indem er folgendes Lied singt: Peter Harry wollte Hochzeit machen mit dem Kormoranen, fideralala. (Zuruf von der CDU: Können Sie das noch einmal wiederholen?)

Meine Damen und Herren, was die Union den Menschen und der Wirtschaft in diesen Regionen versprochen hat, war unseriös und auch verantwortungslos.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Folgen hat man im Urteil vom Juli zum Flughafen in Lübeck gesehen. Aber dass der Minister den Menschen heute noch keinen reinen Wein einschenkt, ist eher peinlich.

(Zuruf von der CDU: Wo denn?)

Ich kann Sie nur davor warnen, so weiterzumachen.

Die im Amtsblatt 38/2005 vorgelegte Änderung des FFH-Gebietes Blankensee ist eine Verschlimmbesserung dessen, was das Gericht am 17. Juli dieses Jahres kritisiert hat.

Sie haben wiederum vergessen, das Gebiet des künftigen Airport-Business-Parks auszuweisen. Sie haben weiterhin im Nordwesten einen Streifen herausgenommen, dessen Bedeutung für den Ausbau von Parkmöglichkeiten offensichtlich ist. In der Mitte haben Sie neben dem Gelände der Firma Euro-Immun eine dreieckige Fläche aus dem bereits ausgewiesenen Gebiet herausgenommen, deren Zweck nicht schwer zu erraten ist. Sie haben am Rande des Taxiways eine geschwungene Welle ausgeschnitten, wo sich noch vorletztes Jahr Teiche mit Kammmolchen befanden, die nun aber durch die Flughafengesellschaft illegal planiert worden sind. Glauben Sie wirklich, dass Sie ein Gericht finden werden, das diese illegal geschaffenen Fakten akzeptieren wird? - All diese Veränderungen der Flächen haben offensichtlich keinen naturschutzfachlichen Grund. Sie sind allein politisch motiviert.

Ich gebe dies heute im Landtag zu Protokoll, damit Sie nächstes Jahr vor Gericht nicht so tun, als käme dies überraschend. Herr Minister, Sie müssen sich entscheiden, was Sie wollen. Sie haben Ihre Chance. Wenn Sie so weitermachen, haben Sie sie verspielt.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Hentschel, ich gehe davon aus, dass nach Ihrer Auffassung dort eine illegale Beseitigung vorgelegen hat und dass das keine Tatsachenbehauptung war. - Für die Fraktion der CDU erteile ich nunmehr der Kollegin Herlich Marie Todsen-Reese das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich zunächst wirklich gefragt, Herr Hentschel, was eigentlich ein solcher Antrag hier im Plenum zu suchen hat und ob es nicht fachlich vernünftiger und klüger gewesen wäre, es im Fachausschuss miteinander zu bereden. Aber inzwischen - das muss ich einräumen - finde ich es ausgesprochen interessant. Ich

(Herlich Marie Todsen-Reese)

denke, Sie haben eine Steilvorlage geliefert, um die grottenschlechte Umsetzung von NATURA 2000 in Schleswig-Holstein durch den früheren grünen Umweltminister Klaus Müller noch einmal in Erinnerung zu bringen.

(Beifall bei CDU und FDP)

Der Minister, Herr Dr. von Boetticher, hat diese Leidensgeschichte für Schleswig-Holstein hier noch einmal an wenigen Punkten sehr deutlich aufgezeigt.