Protocol of the Session on September 29, 2005

Hier werden aber noch Jahrzehnte der Forschung vergehen, bevor wir sicher sein können. Deswegen ist nicht nur Forschung, sondern auch angewandte Forschung wichtig. Umso wichtiger ist es aber auch, dass wir Möglichkeiten schaffen, dass die Verbraucher und auch diejenigen, die möglicherweise gentechnisch verändertes Saatgut nutzen wollen, vor eine ehrliche Wahl gestellt werden. Die Verbraucher müssen die Chance haben, ja, aber auch nein zu sagen. Das geht aber nur, wenn man gentechnisch veränderte Lebensmittel deutlich kennzeichnet. Dies darf nicht nur bei abgepackter Ware der Fall sein, sondern auch Frischware muss deutlich gekennzeichnet sein. Besonderen Wert lege ich hier auf das Wort deutlich. Es langt nicht, dass man nur pro forma, weil man verpflichtet ist, einen kleinen Hinweis auf dem Schokoriegel oder auf der Ver

koriegel oder auf der Verpackung der Butter anbringt. Wenn wir eine wirkliche Wahl haben wollen, dann muss der Hinweis sehr deutlich angebracht sein. Dann wird sich der Verbraucher auch ehrlich entscheiden können, ob er gentechnisch veränderte Lebensmittel kaufen will oder nicht, und dann wird letztlich der Markt entscheiden, ob diese Technologie im Lebensmittelbereich durchsetzbar ist oder nicht.

(Beifall bei SSW, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN und vereinzelt bei der SPD)

Bei den Herstellern ist es schon etwas schwieriger. Hier kann sich nicht der eine so und der andere anders entscheiden, weil immer die Gefahr besteht, dass derjenige, der gentechnikfrei bleiben möchte, gar nicht ahnt, dass sein Nachbar gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut oder verfüttert. Deshalb wird hier immer das Problem bestehen bleiben, und es wird somit im Einzelfall auch zu Konflikten führen. Der Gesetzgeber kann da recht wenig machen.

Was wir machen können, ist, dass wir die Etablierung von gentechnikfreien Regionen zulassen und fördern, damit zumindest in bestimmten Regionen die Sicherheit besteht, dass gentechnikfrei produziert wird. Das Netz NATURA 2000 enthält auch einige sehr großflächige Ausweisungen. Hier bestünde die Möglichkeit, gentechnikfreie Regionen einzurichten. Dafür müsste vor Ort geworben werden, und man müsste die Vorteile der Gentechnikfreiheit für die Vermarktung regionaler Produkte deutlich hervorheben. Wenn das Land hier seine Förderung ansetzen würde und die NATURA-2000-Regionen vordringlich aus Naturschutzmitteln fördern würde, dann könnte man diese Förderung an die gentechnikfreie Produktion binden. Das geht aber nur, wenn den Menschen vor Ort ein Angebot hierfür gemacht wird und sie dieses Angebot freiwillig annehmen. So würde die Ausweisung als geschütztes Gebiet nicht nur eine Bedrohung, sondern auch eine Chance bedeuten. Es muss weiterhin die Chance geben, dass sich Regionen unterschiedlich entwickeln. Die Regionen, die die Chancen der Gentechnik nutzen wollen, sollen dies können, genauso wie die Regionen, die auf die Vermarktung von gentechnikfreien Waren setzen. Erst wenn wir dies beides gewährleisten, nutzen wir die vollen Möglichkeiten, die sich durch die Bio- und Gentechnologie ergeben können.

(Beifall bei SSW und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich danke dem Herrn Abgeordneten Harms.

(Vizepräsidentin Ingrid Franzen)

Es ist Ausschussüberweisung beantragt worden, und zwar wurde beantragt, den Bericht der Landesregierung, Drucksache 16/256, dem Umwelt- und Agrarausschuss zur abschließenden Beratung zu überweisen. Wer so beschließen will, den bitte ich um sein Handzeichen. Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das ist einstimmig so erfolgt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 38 auf:

Erste Erfahrungen in Schleswig-Holstein mit dem Emissionshandel (CO2-Zertifikate)

Landtagsbeschluss vom 17. Juni 2005 Drucksache 16/116

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/257

Ich erteile das Wort dem Minister für Landwirtschaft, Umwelt, ländliche Räume, Herrn Dr. Christian von Boetticher.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Das ist vielleicht ein Thema, das insgesamt auf mehr Konsens stößt als das, was wir eben diskutiert haben. Die Notwendigkeit des Klimaschutzes ist, wie ich glaube, dem gesamten Hause und allen Fraktionen bewusst. Ich glaube, dass der am 1. Januar 2005 EU-weit eingeführte Emissionshandel eines von vielen, aber ein sehr vernünftiges Instrument ist, dieses Ziel zu erreichen. Es ist wieder einmal ein Instrument der Europäischen Union. Ich darf aber daran erinnern, dass wir alle ein Teil sind, wir haben deutsche Parlamentarier dort, die deutsche Bundesregierung sitzt dort mit am Tisch. Das ist etwas, was wir uns gemeinsam haben einfallen lassen.

In dem Berichtsantrag wurde ich gebeten, Daten und Fakten der betroffenen Betriebe darzustellen und auch die zugeteilten Emissionszertifikate in Deutschland zu erläutern. Ich möchte vor allen Dingen drei besonders bemerkenswerte Ergebnisse hervorheben.

Während die Umsetzung des EU-weiten Emissionshandels zu viel Unruhe und Widerständen in den betroffenen Unternehmen geführt hat, sind im Bereich der von den Staatlichen Umweltämtern in Schleswig-Holstein wahrgenommenen Vollzugsaufgaben auch dank einer intensiven Abstimmung und Informationsarbeit bisher keine besonderen Schwierigkeiten aufgetreten. Wesentliche Bereiche der Vollzugsverantwortung liegen zwar bei der deutschen Emissionshandelsstelle im Umweltbundesamt, aber auch die Emissionsschutzbehörden der Länder nehmen wichtige Teilaufgaben wie zum Beispiel die

Prüfung der jährlich vorzunehmenden Emissionsberichte wahr.

54 Anlagen von schleswig-holsteinischen Unternehmen nehmen an diesem Emissionshandel teil. Das sind 2,9 % der bundesweit am Emissionshandel teilnehmenden Anlagen. Diese haben aber nur 1,5 % der bundesweit zugeteilten Emissionszertifikate erhalten. Damit wurden knapp halb so viele Emissionszertifikate in Schleswig-Holstein zugeteilt wie unserem Landesanteil an der bundesweiten Bevölkerung beziehungsweise am Bruttoinlandsprodukt entspricht. Das hat zwei Gründe. Zum einen sind energieintensive Industriebetriebe hier unterdurchschnittlich vertreten, zum anderen basiert die Energieversorgung in Schleswig-Holstein unterdurchschnittlich auf der emissionsintensiven Kohle, überdurchschnittlich hingegen auf Atomenergie und erneuerbaren Energien.

Wir haben im Bericht auch dargelegt, wie wir den bürokratischen Aufwand für die Unternehmen reduzieren können. Wenn wir nämlich eine geeignete Mengenschwelle formulieren würden, unterhalb derer Anlagen mit geringen Emissionen nicht mehr am Emissionshandel teilnehmen müssten, also bei einer Mindestgrenze von 10.000 t CO2 pro Jahr, könnten wir rund 50 % der Anlagen von der Teilnahme am Emissionshandel freistellen. Dies würde die Effizienz dieses Instruments kaum beeinflussen, denn wir würden praktisch nur 1 % der bisher erfassten CO2Emissionen herausfallen lassen. Also noch einmal, 50 % liegen unter 1 %. Ich glaube, es wäre eine gewisse Erleichterung, wenn man eine solche Schwelle einbauen würde, ohne dass man dabei Effizienzverluste hätte. Ich werde mich darum bei den anstehenden Beratungen auf europäischer und auf Bundesebene zur Einführung vernünftiger Untergrenzen einsetzen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit diesem zentralen Punkt möchte ich überleiten zu einigen weiteren im Landtagsbericht formulierten Positionierungen der Landesregierung zum Emissionshandel.

Erstens. Für die Realisierung der Potenziale des Emissionshandels für ökologisch effektiven sowie ökonomisch effizienten und wirtschaftsverträglichen Klimaschutz kommt es entscheidend auf die Ausgestaltung an. Ziel der Landesregierung ist es, auf Ausgestaltungsmerkmale des Emissionshandels hinzuwirken, die die Risiken mindern und Optionen zur Realisierung der Chancen eröffnen. Aus diesem Grund ergeben sich einige konkrete Vorschläge wie zum Beispiel die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch stärkere Harmonisierung auf europäischer Ebene.

(Minister Dr. Christian von Boetticher)

Zweitens. Es wird behauptet, der Emissionshandel und die gestiegenen Preise für Emissionszertifikate seien die Ursache für die Strompreiserhöhungen. Da die Emissionszertifikate kostenlos an die Energieversorger vergeben wurden, stellt sich die Frage in der Tat, inwiefern ein solcher Vorwurf gerechtfertigt ist.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich halte für wichtig und richtig, dass das Bundeskartellamt ein Überprüfungsverfahren in dieser Angelegenheit eingeleitet hat.

Drittens. Ich werde gemeinsam mit der Innovationsstiftung Schleswig-Holstein, der IHK-Vereinigung hier und den Vereinigungen der Unternehmensverbände in Hamburg und Schleswig-Holstein das bewährte Beratungs- und Informationsangebot für schleswig-holsteinische Unternehmen und für die Öffentlichkeit fortsetzen.

Bereits Mitte 2006 stehen wichtige Weichenstellungen für die zweite Periode des Emissionshandels von 2008 bis 2012 an. Die werden auf der Basis des für Ende März 2006 anstehenden ersten Emissionsberichts die Evaluation der teilnehmenden schleswigholsteinischen Anlagenbetreiber fortschreiben, daraus weitere Vorschläge für die zukünftige Gestaltung des Emissionshandels ableiten und in den Beratungsprozess auf nationaler und europäischer Ebene einbringen. Ich glaube, wir sind hiermit im Bereich des Klimaschutzes auf einem sehr vernünftigen Weg.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke dem Minister für den Bericht und eröffne die Aussprache. Ich erteile für die CDU-Fraktion dem Herrn Abgeordneten Manfred Ritzek das Wort.

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine verehrten Damen und Herren! Herr Minister, ich werde Sie ob Ihres Beitrages im Laufe meiner Rede auch noch gebührend loben. Lassen Sie mich vorab noch einige andere Ausführungen machen.

Meine Damen und Herren, der Minister sagte, dass zum 1. Januar das Gesetz für den Emissionshandel verabschiedet wurde, und zum März dieses Jahres wurde über die europäische Energiebörse in Leipzig der Startschuss für den Handel gegeben.

(Wolfgang Kubicki [FDP]: Das war richtig!)

- Das haben Sie auch gelesen, Herr Kubicki?

(Heiterkeit)

Ziel des Emissionshandels ist es, die Klimaschutzverpflichtungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten sicher und wirtschaftlich zu erfüllen.

Nach einigen Anfangsschwierigkeiten sehen die Unternehmen den Weg generell positiv, wenn es natürlich auch Belastungen gibt. Alle wissen, dass Klimaschutz Geld kostet, aber alle sind auch überzeugt, dass die Atmosphäre nicht zum ungehemmten „Abladeplatz“ für die CO2-Emissionen genutzt werden darf.

Die Wirkung dieses Systems ist einfach: Die Zuteilung der Zertifikate erfolgte kostenlos auf Basis der CO2-Emissionen des Jahres 2002, mit einigen Abschlägen, die wehtaten. Sind die Emissionen heute höher, weil zum Beispiel die Produktion gestiegen ist, dann müssen Papiere zugekauft werden. Die Alternative wäre, den CO2-Ausstoß durch Modernisierung der Anlagen zu reduzieren und damit durch Reduzierung vornehmlich des Energieeinsatzes auf Basis fossiler Energierohstoffe, was ja das Ziel ist.

(Beifall des Abgeordneten Lars Harms [SSW])

Ist der CO2-Ausstoß niedriger, können die Zertifikate über die Börse verkauft werden.

Im Jahre 1997 haben sich im Abschlussprotokoll der Konferenz von Kyoto 38 Industriestaaten verpflichtet, ihre Emissionen von Treibhausgasen bis zum Jahr 2010/2012 um durchschnittlich 5,2 % bezogen auf 1990 zu reduzieren. Deutschland verpflichtete sich zu einer Reduzierung um 21 %, von denen 19 % erreicht worden sind, vornehmlich durch das Abschalten der alten Produktionsanlagen in der ehemaligen DDR.

Machen wir uns einmal bewusst, welche Mengen an Kohlendioxid in die Atmosphäre geschleudert werden: Die Vereinigten Staaten sind mit 5,6 Milliarden Tonnen dabei, China mit 4,1 Milliarden Tonnen, Russland mit 1,5 Milliarden Tonnen und Deutschland immerhin noch mit 840 Millionen Tonnen, das sind 3,6 % der Weltmenge. Von diesen 840 Millionen Tonnen sind etwas über 500 Millionen Tonnen für die Zertifikatsverteilung eingeteilt worden.

Zu den heute 136 Staaten, die dem Kyoto-Vertrag mittlerweile beigetreten sind, gehören leider nicht die USA und China, die beiden größten CO2-Produzenten. Das ist kaum zu verantworten.

(Beifall)

Von bundesweit 1849 Anlagen sind in SchleswigHolstein - das hat der Minister gesagt - 54 Anlagen beteiligt mit einer durchschnittlichen Zertifikatsmenge von 7,57 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß pro Jahr.

(Manfred Ritzek)

Es war gut und richtig, diesen Bericht von der Landesregierung jetzt anzufordern. Der Bericht ist sehr inhaltsreich. Die Klarheit der Ausführungen durch den Minister waren eine sehr gute Ergänzung zu diesem Bericht. Es ist ein Neuanfang zu einem neuen Thema, das auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit der Erstellung beschäftigt waren, herausgefordert hat. Für die Erarbeitung dieses ersten Berichtes möchte ich dem Minister und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern meinen großen Dank aussprechen.

(Beifall bei der CDU)

Der Bericht behandelt alle vom Landtag gestellten Fragen umfassend - mit vielen Details, Begriffen und Fachaussagen. Er zeigt Verpflichtungen der Unternehmen gegenüber der Europäischen Union auf. Er bewertet Entwicklungen und Belastungen für unsere Unternehmen mit den richtigen Konsequenzen zur Einflussnahme der Landesregierung für die zukünftige Zuteilung der Zertifikate für den Zeitraum ab 2008, wenn die Gesamtmenge wieder reduziert wird, und zwar unter 500 Millionen Tonnen.

Die Landesregierung bewertet den hohen Verwaltungsaufwand für kleine Unternehmen richtig und fordert - das sollten wir alle unterstützen - eine Begrenzung auf Unternehmen mit einem Ausstoß ab 10.000 Tonnen aufwärts pro Jahr.

(Beifall des Abgeordneten Jürgen Feddersen [CDU])