Protocol of the Session on September 29, 2005

(Beifall bei CDU, SPD und SSW)

Ich danke Herrn Minister Austermann.

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Beratung. Ich lasse über den Antrag in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung, Drucksache 16/269, abstimmen. Wer diesem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Dann ist der Antrag mit den Stimmen der Fraktionen von CDU, SPD und SSW gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Enthaltung der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN in der vom Ausschuss empfohlenen Fassung angenommen worden.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 35 auf:

Umsetzung von Hartz IV zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit

Landtagsbeschluss vom 27. April 2005 Drucksache 16/24 (neu)

Bericht der Landesregierung Drucksache 16/206

Ich erteile dem Minister für Justiz, Arbeit und Europa, Herrn Uwe Döring, das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bericht liegt Ihnen vor, deswegen muss ich ihn nicht wiederholen. Ich möchte mich auf einige Bemerkungen dazu beschränken. Eigentlich ist das heutige Datum dazu auch ein ganz gutes Datum. Wir haben neue Zahlen über den Arbeitsmarkt vorliegen. Sie sind immer noch erschreckend genug. Dazu muss ich gar nicht Äpfel und Birnen vergleichen, wie Herr Garg das wieder gemacht hat, indem er die Vorjahreszahlen benutzt hat. Sie wissen genauso gut wie ich, dass Sozialhilfeempfänger und andere - die Dunkelziffer - da noch nicht erfasst waren. Sie sind erschreckend genug. Ich brauche dazu gar nicht die Zahlen des Vorjahres.

Trotzdem können wir feststellen, dass sich die Zahlen vom Beginn des Jahres von 178.400 Arbeitslosen zu 150.000 im September entwickelt haben, bei den jugendlichen Arbeitslosen im Januar von 23.600 auf 20.000 gesunken sind. Wir werden weiter zu untersuchen haben, inwieweit das saisonal ist, inwieweit die ersten Dinge tatsächlich auch greifen.

Wir haben die Begriffe „Fördern“ und „Fordern“ in letzter Zeit geradezu gebetsmühlenhaft gehört, wenn es um Hartz IV geht. Als ich vor vier Monaten mein Amt angetreten habe, war der eine Aspekt eigentlich schon ganz gut aufgearbeitet. Bei dem anderen haperte es doch noch erheblich, um es freundlich zu umschreiben. Das hing weniger mit den zur Verfügung stehenden Mitteln zusammen als mit den vorgegebenen Strukturen und den recht komplizierten Vorgaben der Bundesagentur. Ich habe mich in diesem Zusammenhang einschlägig öffentlich geäußert.

Einiges ist inzwischen in Schleswig-Holstein passiert. Gerade die Voraussetzungen zum Abbau von Jugendarbeitslosigkeit konnten verbessert werden. Ein wesentlicher Baustein hierzu ist auch der Abbau von Reglementierungen gegenüber den Arbeitsgemein

(Minister Uwe Döring)

schaften und den Optionskommunen im Lande. Wir haben zu diesem Zweck mit der Generaldirektion Nord die Vereinbarung geschlossen: „Chancen für Arbeit in Schleswig-Holstein“. Kern der Vereinbarungen ist, dass alle Hindernisse beseitigt werden sollen, die hier bei der Vermittlung von Jugendlichen in Arbeit bestehen, beziehungsweise Maßnahmen gefördert werden sollen, die der gezielten Förderung von Jugendlichen zur Verbesserung ihrer Chancen zur Vermittlung in den Arbeitsmarkt dienen. Hier sollen die Hemmnisse entsprechend abgebaut werden. Wenn ich sage „alle“, dann meine ich auch „alle“. Ich bin mir mit Herrn Goecke, dem Leiter der Generaldirektion Nord, genauso wie mit Herrn Weise einig. Wir müssen alle Ressourcen nutzen, damit wir Jugendliche in Arbeit bringen.

(Beifall des Abgeordneten Wolfgang Baasch [SPD])

Wir haben eine ganze Reihe von Voraussetzungen geschaffen. Wir müssen allerdings auch dazu sagen: Es ist ein schwieriges Stück Arbeit, das hinzubekommen. Wir müssen feststellen, dass bei vielen Jugendlichen zunächst einmal so etwas wie Arbeitsfähigkeit hergestellt werden muss. Ich sage das ganz offen, wie ich es auch an anderer Stelle gesagt habe: Man muss Jugendlichen zum Teil beibringen, dass man um halb acht am Arbeitsplatz zu sein hat, nicht um viertel vor acht und nicht um neun, sondern um halb acht, dass man vorher gefrühstückt haben sollte, dass es sinnvoll ist, dass man gewaschen ist und dass man acht Stunden lang arbeitet und hinterher müde ist und dass man trotzdem am nächsten Tag um halb acht wieder bei der Arbeit erscheint. Dies ist etwas, was für viele neu ist. Das ist eine Sache, die nachzuarbeiten ist. Hier muss auch verstärkt im Bereich Schule noch etwas getan werden.

(Beifall)

Ich bin mir mit Frau Erdsiek-Rave völlig einig, dass das nicht erst einsetzen darf, wenn die Jugendlichen die Schule verlassen. Diese Probleme entstehen früher und wir müssen früher einsetzen und wir müssen früher im Bereich der Fördermittel - beispielsweise im Bereich des Europäischen Sozialfonds - so etwas unterstützen können. Das kann Schule nicht nur allein machen.

(Beifall)

Die Rahmenumstände müssen verbessert werden. Wir haben hier einiges hinbekommen. Lassen Sie mich einen Satz einschieben: Ich hoffe sehr, dass eine neue Bundesregierung - wie immer sie sich zusammensetzt - das Nebeneinander von Arbeitsgemeinschaften und Optionskommunen endlich zu Ende bringt. Die

Konkurrenz, die hier entstanden ist, ist misslich. Sie baut neue Hindernisse und neue Bürokratien auf.

(Beifall bei der SPD)

Dies dürfen wir in dieser Form nicht bestehen lassen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Johann Wa- dephul [CDU])

- Herr Wadephul, mit Konkurrenz muss hier Schluss sein. Es versteht niemand, wenn wir uns damit beschäftigen, wer wofür zuständig ist und wer wie verwaltet wird; vielmehr müssen wir eine Antwort darauf geben, wie wir Leute in Arbeit kriegen, wie wir sie vermittelt kriegen.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Hier laufen erste Projekte. Ich erinnere an das Projekt „.garage Kiel“ für Existenzneugründungen. Es gibt in Kiel und Lübeck die Projekte „Tausend Jobs für Tausend Jugendliche“. Ich habe das Ziel für sehr ehrgeizig gehalten. Ich habe gerade gehört, dass wir in Kiel von den 1.000 bereits 300 haben.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Das mag angesichts der Zahl von 20.000 nicht so viel klingen. Aber wie würden wir uns alle miteinander freuen, wenn sich hier ein Betrieb mit 300 neuen Arbeitsplätzen ansiedeln würde? Es würden alle jubeln. Jetzt sind 300 zusätzliche Arbeitsplätze für Jugendliche in verschiedenen Unternehmen geschaffen worden. Dies ist ein erster guter Erfolg.

(Beifall)

Sie sehen, meine Damen und Herren, es bewegt sich etwas. Ich will nicht so tun, als wäre die Situation schon befriedigend; davon sind wir weit entfernt. Wir müssen Ideen und Konzepte aller Beteiligten zusammenbringen, damit wir dieses Problem lösen können. Ich kann Ihnen sagen: Bei mir im Hause werde ich mich selbst weiter intensiv um diese Sache kümmern.

Abschließend möchte ich noch Folgendes sagen: Hartz IV hat viele Seiten. Ich sagte es schon: Es geht um Fördern und Fordern. Wir werden Hartz IV in den nächsten Monaten zu analysieren haben. Dabei darf es nicht bei Fördern und Fordern bleiben; vielmehr müssen wir Anreizsysteme schaffen. Wir müssen Anreize dafür schaffen, dass Unternehmen Arbeitsplätze schaffen; denn nur dort können sie auf Dauer bestehen. Ferner müssen wir Anreize dafür schaffen, dass es attraktiver ist zu arbeiten, als Arbeitslosengeld II zu beziehen. An diesen Punkten werden wir nacharbeiten müssen. Wir sind in vielen Bereichen auf dem richtigen Weg. Außerordentlich wichtig ist es, dass wir Jugendlichen die Möglichkeit geben, in

(Minister Uwe Döring)

Arbeit zu kommen; denn das ist mehr als Geld verdienen. Das ist gesellschaftliche Teilhabe. Ich denke, wir können den Jugendlichen nicht sagen, dass wir sie nicht brauchen, und 30, 40 Jahre lang staatliche Transferleistungen in Kauf nehmen. Wenn es uns nicht gelingt, dieses Problem zu lösen, dann werden wir gesamtpolitisch große Probleme haben. Das können wir uns nicht leisten.

Herr Dr. Garg hat das mit der Vorfahrt neulich etwas anders formuliert. Ich weiß nicht, wann Sie Führerschein gemacht haben.

(Dr. Heiner Garg [FDP]: 1984!)

- Das ist schon lange her! - Vorfahrt besteht aufgrund von Regeln, die man aufstellt. Es werden vernünftige Regeln aufgestellt. Fahren müssen die Autos dann selbst, das heißt, die Arbeitsplätze müssen dann in der Wirtschaft geschaffen werden. Wir werden die Regeln entsprechend aufstellen. In diesem Sinne hat die Arbeit für die Landesregierung immer noch Vorfahrt.

(Beifall im ganzen Haus)

Ich danke Herrn Minister Döring. - Ich darf zunächst auf der Besuchertribüne neue Gäste begrüßen. Es sind dies Mitglieder des Katholischen Kirchenkreises St. Josef aus Kiel-Gaarden und Mitglieder des SPDOrtsvereins in Seedorf aus dem Kreis Segeberg. - Seien Sie uns herzlich willkommen!

(Beifall)

Der Minister hat zwei Minuten länger als vorgesehen für seine Berichterstattung gebraucht. Entsprechend erhöhen sich die Redekontingente der Fraktionen; darauf weise ich hin. Sie müssen die Kontingente nicht ausschöpfen, aber Sie können es tun.

Für den Antragsteller BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erteile ich der Frau Abgeordneten Monika Heinold das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, vielen Dank für den Bericht und auch dafür, dass Sie die aktuellen Zahlen heute genannt haben.

Ein zentraler Baustein von Hartz IV ist, dass allen Jugendlichen unter 25 zukünftig ein Arbeitsplatzangebot oder ein Angebot auf Aus- oder Weiterbildung gemacht werden muss. Jugendlichen soll eine neue Perspektive gegeben werden. Ihnen soll ein Zugang zum Arbeitsmarkt eröffnet werden. Dies ist ein ausgesprochen guter und wichtiger Baustein von Hartz IV. Ich denke, wir müssen das betonen, weil

Hartz IV oft kritisiert wird. Hier ist tatsächlich etwas sinnvoll geregelt.

Erste Erfolge sind erkennbar. Aber noch immer haben wir allein in Schleswig-Holstein - wir haben es eben gehört - circa 20.000 gemeldete Arbeitslose unter 25 Jahren. Das sind eindeutig 20.000 zu viel.

Meine Fraktion hat den Berichtsantrag gestellt, um Klarheit über die Zahlen zu bekommen, um nachzufragen, wo und warum es bei der Umsetzung noch hakt, und um zu schauen, was andere Bundesländer tun. Der Bericht der Landesregierung macht deutlich, dass das im SGB II definierte Ziel der unverzüglichen Vermittlung noch nicht erreicht wurde. Man muss realistischerweise aber auch sagen: Ein Zeitraum von fünf bis sechs Monaten kann wohl nicht ausreichen, um eine solch große Umstrukturierung der Sozialhilfe, der Arbeitslosenhilfe und der Bundesagentur zur vollsten Zufriedenheit umzusetzen.

Es ist im Bericht charmant formuliert, es gehe unter anderem auch darum - Zitat aus dem Bericht -, „deutlich auseinander fallende Arbeitskulturen anzugleichen“. Das sagt vieles. Wer sich vor Ort mit den aufgetauchten Problemen beschäftig hat, ahnt, was sich hinter diesem Satz alles verbirgt. Aber es gibt auch Positives. Gut ist, dass zumindest im Landesdurchschnitt mit einem Verhältnis von 1:76 überall genug Fachberaterinnen und Fachberater für die Jugendlichen zur Verfügung stehen. Gut ist, dass die bereits seit Jahren unter Rot-Grün durchgeführten Maßnahmen des Landes, wie das Bündnis für Arbeit, die Ausbildungsplatzakquise, die Ausbildungsberatung und -betreuung, aber auch die Förderung des Projektes der türkischen Gemeinde „Ausbildung und Integration für MigrantInnen“, auch von der neuen Landesregierung mit gutem Ergebnis weitergeführt werden.

(Beifall bei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD)